Kein Problem - kein Horsemanship -  Michael Dold

Kein Problem - kein Horsemanship (eBook)

Problemfälle und Lösungsanleitungen eines Horseman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
152 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-6355-8 (ISBN)
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Die meisten Menschen finden zum Thema Horsemanship, wenn im Zusammenleben mit ihrem Pferd ein für sie unlösbares Problem auftaucht. In diesem Buch führe ich dich durch eine Reihe Problemfälle, die mir in meiner täglichen Arbeit mit Pferd und Mensch begegnet sind. Und vielleicht hilft es dir dabei, einem eigenen Problem zu begegnen und die Lösung im Horsemanship-Training zu finden.

Michael Dold ist ein Horseman aus Leidenschaft, der sich einfühlsam um Verhaltensauffälligkeiten und Probleme seiner Schützlinge kümmert. In seinen Kursen zeigt er Reitern und Pferdebegeisterten, wie man mit Sanftheit und Konsequenz zum Führer seiner Herde wird.

Santana


Es war eine dunkle stürmische Nacht, der Wind heulte furchterregend und ich wagte es kaum, aus dem Fenster in die tiefschwarze Nacht zu blicken. Aus der Ferne hörte man das alte Scheunentor poltern und die Äste der alten Weide vor dem Haus schlugen an das Fenster. Immer wieder durchzuckte mich ein Schaudern, wenn die Blitze die dunklen, mächtigen Wolken erleuchteten und der darauffolgende Knall den Boden beben ließ.

Für einen kurzen Moment machte der Himmel auf und der Vollmond konnte sich in all seiner Kraft entfalten.

Ich schlüpfte immer tiefer unter meine Bettdecke und hoffte, bald einschlafen zu können, da drang unerwartet ein schrilles Wiehern an mein Ohr. Plötzlich krachte es ohrenbetäubend und Funken flogen vor dem Fenster vorbei. Ich erschrak so sehr vor dem Knall, dass ich senkrecht im Bett stand und mein Herz bis zum Hals pochte, dann war alles still. Auch das Wiehern war mit einem Schlag verstummt.

Ich lag nicht in meinem eigenen Bett – wir verbrachten diese Nacht wieder einmal bei unseren Pferden. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch Einsteller auf dieser wunderschönen Reitanlage nahe München. Da wir mit der Betreiberin Rita und ihren Töchtern gut befreundet waren, übernachteten wir dort hin und wieder in unserem Wohnwagen.

Ich stürmte zum Fenster und sah, dass der Blitz in die alte Weide auf dem Hof eingeschlagen und den Baum in zwei Teile zerschmettert hatte. Die gegenüberliegende Stalltüre wurde aufgerissen und eine Person kam hinaus in die Dunkelheit gerannt. Das Hoflicht ging an und ich sah – es war meine Mutter.

Der Knall hatte sie wohl auch aufgeschreckt, dachte ich mir. Aber was machte sie um diese Zeit im Stall? Es war fast Mitternacht und die Stallruhe beginnt bei uns immer schon am frühen Abend. Als ich meinen Gedanken zu Ende gedacht hatte, sah ich sie wieder im Stall verschwinden.

Ich beschloss nachzusehen, was dort vor sich ging, schlüpfte in meine Stiefel und warf mir die warme Jacke meines Vaters über und verschwand hinaus in die Dunkelheit, um geradewegs in den Stall zu laufen.

Ich öffnete die schwere Stahltür und spähte in die hellbeleuchtete Stallgasse, am Ende der Gasse an der letzten Box sah ich meine Mutter stehen, die Boxentüre war offen.

Ich lief zu ihr hinüber und sah meinen Vater mit der Tierärztin am Boden knien. Es war Santanas Box. Die große Schimmelstute, die mein Vater aus einer Reitschule heraus gekauft hatte und die ihm sehr am Herzen lag. Lange bevor wir sie gekauft hatten, waren wir oft an ihrem Stall, um sie einfach nur zu besuchen und zu streicheln. Sie war ein großartiges Pferd, sehr warmherzig und liebevoll im Umgang mit Menschen.

»Wir müssen sie schnell in die Klinik bringen!«, hörte ich die Tierärztin sagen, bevor ich meine Mutter fragen konnte, was los ist.

Als mein Vater meine Anwesenheit bemerkte, sah er mich mit traurigen Augen sorgenvoll an.

»Packt alles zusammen, wir müssen los.«, sagte er zu uns.

Das Auto und der Pferdehänger waren dank des Horsemanship-Trainings meines Vaters schnell startbereit und Papa führte Santana zum Hänger. Langsam schleppte sie sich auf die Rampe und stieg mühevoll ein. Sie hatte keine Angst, zumindest nicht vor dem Hänger, den konnte sie im Schlaf bewältigen. Sie hatte nur Mühe, sich auf den Beinen zu halten.

Wir verriegelten die Klappe und fuhren los in die Klinik.

Die Tierärztin hatte uns telefonisch bereits angekündigt und das Ärzteteam wurde aus allen Himmelsrichtungen zusammengetrommelt: »Eine Not-OP – Kolik – wir dürfen keine Zeit verlieren!«

Die Klinik bedeutete für uns gut fünfundvierzig Minuten Fahrtzeit und mein Vater bemühte sich trotz der gebotenen Eile, so rücksichtsvoll wie möglich zu fahren.

Immer wieder vernahmen wir ein Poltern aus dem Hänger hinter uns. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Kamera in unserem Pferdeanhänger hatten, zeichneten sich immer wieder grauenhafte Bilder in meinem Kopf ab, was wohl dort hinter uns passieren mag.

»Arme Santana, hoffentlich geht alles gut!«

Totenstille herrschte im Auto, keiner vermochte auch nur ein Wort von sich zu geben. Wahrscheinlich waren meine Eltern zu konzentriert, in der dunklen Nacht den rechten Weg nicht zu verlieren und uns heil an unser Ziel zu bringen. Oder vielleicht beteten sie auch wie ich zu Gott und allen Familienmitgliedern, die bereits im Himmel waren, dass sie uns beistehen mögen.

Die Fahrt hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, doch endlich erreichten wir die Klinik. Das Ärzteteam hatte uns bereits erwartet und entriegelte mit meinem Vater die Heckklappe.

Santana war sehr schwach auf den Beinen, schweißnass vor Schmerzen torkelte sie die Rampe rückwärts hinunter und brach plötzlich am Fuße der Klappe vor unseren Augen zusammen. Die Männer versuchten mit aller Kraft, sie wieder auf die Beine zu bringen, was ihnen schließlich auch mit viel Mühe gelang.

Auf jeder Seite stabilisierend eskortierten sie das Pferd in die Klinik und dort angekommen wurden wir in den Wartebereich geschickt. Das Team verschwand mit Santana im Operationssaal.

Die Stunden vergingen und noch immer wurden nicht viele Worte gewechselt, ich blickte in die versteinerten Gesichter meiner Eltern und konnte es immer noch nicht fassen, was hier passierte. Alles war so plötzlich gekommen, ging so schnell und fühlte sich so surreal an.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir in diesem Wartezimmer saßen und das Warten wurde immer unerträglicher. Immer wieder versuchten wir an Informationen zu kommen, um endlich Gewissheit darüber zu erlangen, ob unsere Gebete erhört worden waren.

Dann endlich ging die Türe zum Wartezimmer auf und eine der Ärztinnen kam herein. Santana hatte eine Kolik mit Darmdrehung erlitten, sie hatten sie aufmachen müssen und alles entnehmen, um den verschlungenen Teil wieder in eine normale Lage bringen zu können. Bei dem Eingriff war so viel an Exkrementen und damit Bakterien in ihren Bauchraum geraten, dass nun, nach der OP, erst die Aufwachphase Aufschluss darüber geben würde, ob Santana diese Tortur unbeschadet überstanden hätte, wenngleich die OP selbst soweit gut verlaufen wäre.

Wir waren trotz der sich weiter entwickelnden Situation sehr erleichtert: sie hatte die Operation überstanden. Jetzt hieß es weiter warten, beten und Daumen drücken und dann endlich wieder nach Hause und diesen Alptraum vergessen.

Mir schossen Gedanken über die Zeit danach durch den Kopf: »Wie lange wird es dauern, bis sie wieder vollkommen gesund ist? Wie lange muss sie in der Klinik bleiben? Schaffen wir es, täglich nach der Arbeit zu ihr zu fahren, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist? Wir müssen es schaffen! Schließlich ist sie ein Teil von unserer Familie, aber es wird nicht leicht werden.«

Wieder kroch die Zeit elendig langsam dahin und immer wieder fragten wir bei den Ärzten nach, ob es Neuigkeiten gäbe. Es gab keine, langsam wurde die Zeit knapp, langsam musste sie aufstehen. Es war nicht gut für sie, so lange liegen zu bleiben.

Mein Vater wurde immer unruhiger und tigerte im Wartezimmer auf und ab. Dann beschloss er, den Aufwachraum aufzusuchen. Ich hörte auf dem Flur die Arzthelferin noch sagen: »Da dürfen sie nicht rein!«

»Ich muss zu meinem Pferd, es braucht mich!«, erwiderte mein Vater.

Er ließ sich von seinem Vorhaben nicht abhalten und stand kurz darauf vor dem Aufwachraum.

Eine schwere Stahltür verriegelte den Zugang. Sie glich einem Gefängnistor, wie man es aus Dokumentationen kannte. Auch eine Luke gab es in der Tür, die es ermöglichte, einen Blick ins Innere zu werfen, ohne die Türe öffnen zu müssen. Mein Vater durfte den Raum nicht betreten, es bestünde ein zu hohes Risiko, falls das Pferd unkontrolliert reagierte. Die Ärzte gestanden ihm jedoch zu, die Luke zu öffnen, um die Zeit bei seiner Santana verbringen zu können.

Michael und seine 6-jährige Stute Santana

Da verstand er, wie er mir später erzählte, warum Besitzer diesem Anblick normalerweise nicht ausgesetzt werden sollten. Es handelte sich um einen weiß gefliesten Raum. Die Wände waren mit Polsterungen versehen, die eher an Gummizellen aus einer psychiatrischen Anstalt erinnerten. An der Wand waren Ringe angebracht, an diesen Ringen ein Seil und am Ende des Seils lag sie. Santana war an die Wand gekettet, sie lag am Boden und atmete schwer. Über ihren Kopf war eine schwarze Ledermaske gezogen, sodass sie nichts sehen konnte, ihr Kopf jedoch vor Verletzungen geschützt war. Es musste ein grausamer Anblick gewesen sein, wie dieses stolze Tier praktisch regungslos am Boden lag und sichtbar mit sich kämpfte, weiter atmen zu können.

Mein Vater sprach zu ihr: »Santana, ich bin jetzt da. Versuch aufzustehen! Ich glaube an dich, wir schaffen das zusammen!«.

Nachdem Santana spürte, dass mein Vater da war, atmete sie erleichtert auf, spitzte die Ohren und seufzte.

Plötzlich hörte ich aufgeregte Schritte im Gang, ein Wagen wurde hin und her geschoben, ich hörte eine Stimme rufen:...

Erscheint lt. Verlag 4.5.2020
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7519-6355-3 / 3751963553
ISBN-13 978-3-7519-6355-8 / 9783751963558
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