Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) (eBook)
155 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-041793-9 (ISBN)
Dr. phil. Charles Benoy, Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique Luxembourg und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel. Prof. Dr. rer. medic. Nina Romanczuk-Seiferth, MSB Medical School Berlin. Dr. phil. Jeanette Villanueva, Clienia Schlössli AG und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel. Prof. Dr. phil. Andrew T. Gloster, Universität Basel.
Dr. phil. Charles Benoy, Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique Luxembourg und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel. Prof. Dr. rer. medic. Nina Romanczuk-Seiferth, MSB Medical School Berlin. Dr. phil. Jeanette Villanueva, Clienia Schlössli AG und Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel. Prof. Dr. phil. Andrew T. Gloster, Universität Basel.
2 Verwandtschaft mit anderen Verfahren
2.1 Die ACT im Gesamtkanon psychotherapeutischer Methoden
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) lässt sich in ihren Wurzeln und ihrer aktuellen Ausrichtung im Gesamtkanon der psychotherapeutischen Methoden bei den Verhaltenstherapien bzw. deren Weiterentwicklungen einordnen. Sie integriert verhaltenstherapeutische und kognitive Methoden und ist wie diese in verschiedenen Settings anwendbar, umfassend erforscht und ihre Wirksamkeit gut wissenschaftlich belegt (▸ Kap. 3, ▸ Kap. 10). Die ACT basiert in ihren philosophischen Grundlagen auf dem sogenannten funktionalen Kontextualismus (siehe z. B. Gifford und Hayes 1999) und ist als therapeutischer Ansatz aus den kontextuellen Verhaltenswissenschaften heraus entstanden, hier besonders auf Basis der sogenannten Bezugsrahmentheorie (▸ Kap. 1). Aufgrund der Bedeutung emotionaler und motivationaler Aspekte in der ACT wird sie zudem innerhalb der Verhaltenstherapien den Methoden der sogenannten »dritten Welle« zugeordnet, wozu z. B. auch die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (Segal et al. 2001) oder die Schematherapie (Young et al. 2003) gehören. Im Fokus stehen die Fähigkeiten der Betroffenen im Umgang mit belastend erlebten Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen, Kompetenzen der Ent-Automatisierung und bewussten Verhaltenssteuerung sowie die Bedeutsamkeit wertorientierten Handelns. Die ACT zielt dabei – anders als die meisten anderen aktuellen Psychotherapieansätze – nicht auf einzelne Syndrome oder Erkrankungen ab, sondern ist prozessbasiert und transdiagnostisch angelegt. Dies bedeutet, dass die ACT die Arbeit an zentralen, für die mentale Gesundheit relevanten Mechanismen über verschiedenste Störungsbilder hinweg erlaubt.
Merke
Die ACT zählt zu den modernen, evidenzbasierten Psychotherapieansätzen der sogenannten »dritten Welle«; sie ist ein transdiagnostisches und prozessbasiertes Verfahren.
Betrachten wir zur verwandtschaftlichen Einordnung der ACT einmal deren Grundannahmen und -haltungen etwas genauer: Das Konzept der ACT und die diesem Therapieansatz zugrunde liegende Sicht auf Menschen beinhaltet als einen wichtigen Baustein, dass wir Menschen uns nicht wesentlich in unserem Denken, Fühlen und Handeln voneinander unterscheiden. Das heißt, in der Arbeit mit der ACT gehen wir davon aus, dass wir Menschen grundsätzlich ähnlichen Herausforderungen begegnen, bei der Bemühung, uns auf unsere sich ständig wandelnde Umwelt einzustellen. Dies wiederum bedeutet, an ähnlichen Punkten »steckenbleiben« zu können, und zwar zunächst unabhängig davon, ob wir im Zusammenhang mit diesen Problemen in unserem Leben die jeweiligen definierten Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllen. In der ACT gilt daher grundsätzlich ein Prinzip der Therapie auf Augenhöhe (▸ Kap. 9). Um dies in der Praxis zu verdeutlichen, wird häufig die sogenannte »Kletterfelsen«-Metapher (vgl. »two mountains metaphor«, Hayes et al. 2003, S. 12) verwendet, in der Patient:in und Therapeut:in jeweils einen Felsen erklettern. Verdeutlicht wird hieran bildlich, dass alle Menschen mit ähnlichen Herausforderungen und Hindernissen auf dem Weg durchs Leben zu kämpfen haben. Die Hilfestellung in der Therapie wird dadurch möglich, dass Therapeut:innen aus ihrer Position einen anderen Blick auf den Weg der Patient:innen werfen können (beispielhaft zu sehen im Kasten).
»Kletterfelsen«-Metapher (aus Romanczuk-Seiferth 2022, S. 214)
Therapeut:in: »Stellen Sie sich vor, dass Leben so etwas bedeutet, wie einen Felsen zu erklettern. Jeder Mensch, auch wir beide, hat seinen eigenen Felsen, an dem er sich einen Weg durchs Leben sucht. Nehmen wir an, unsere beiden Felsen liegen in Sichtweite und treffen sich am Grunde eines Tals. Ich kann von meinem Felsen aus sehen, wie Sie Ihren Felsen erklettern. Aus meiner ganz eigenen Perspektive. Die kann ich Ihnen in der Therapie anbieten. Eine andere Perspektive auf Ihr Leben aus einem Blickwinkel von außerhalb Ihrer eigenen Erfahrungen. Es geht nicht darum, dass Sie nicht gut oder richtig klettern. Es geht auch nicht darum, ob ich bei meinen eigenen Hindernissen beim Klettern durchs Leben immer genau weiß, wie damit umzugehen ist. Wir sind beide zwei Menschen, die ihren Lebensfelsen erklettern. Aber dadurch, dass ich auf einem anderen Felsen klettere als Sie, habe ich einen Blick auf Ihren Weg, den Sie vielleicht in dem Moment nicht haben. Und damit kann ich Ihnen ein Stück weit helfen, dorthin zu klettern, wo Sie wirklich hinwollen.«
Insbesondere hinsichtlich der Perspektive auf den Menschen und das therapeutische Miteinander finden sich in der ACT also sicherlich Einflüsse oder ähnliche Grundannahmen wie in den humanistischen Ansätzen der Psychotherapie. Aber auch in der Bedeutung existenzieller Themen, wie die Arbeit zu Werten und Sinn, findet sich in der ACT eine gewisse Nähe zur humanistischen Tradition.
Charakteristisch für die ACT ist dabei allerdings stärker als in anderen Verfahren, dass diese Prinzipien nicht ausschließlich als solche benannt und postuliert werden, sondern darüber wirksam werden, dass sie im therapeutischen Alltag spürbar gelebt werden. Konkret heißt dies also auch, dass sich die Therapeutin oder der Therapeut in einer Behandlung nach der ACT selbst gezielt in Beispiele und Übungen einbezieht und im Sinne des Therapieprozesses eigene Erfahrungen mit auftauchenden Hindernissen bzw. Umgehensweisen damit teilen kann (▸ Kap. 9). Dies ergibt sich auch daraus, dass wesentliche Grundprinzipien der ACT in ihrer Gültigkeit nicht auf Menschen mit psychischen Erkrankungen beschränkt sind. So gehen wir in der ACT davon aus, dass Menschen sich dann besonders gut auf unterschiedlichste Situationen einstellen können, wenn sie hinsichtlich zentraler Prozesse des Erlebens und Verhaltens – im Sinne von zentralen Fähigkeiten und Kompetenzen – ein hohes Maß an psychischer Flexibilität aufweisen. Auch erscheint eine Orientierung an persönlichen Werten in der Navigation durch das eigene Leben mit Blick auf psychisches Wohlbefinden für alle Menschen potenziell hilfreich. Mit diesem Blick auf Menschen – Patient:innen wie Therapeut:innen – wird die Arbeit nach der ACT zu einem gemeinsamen Streben nach mehr psychischer Flexibilität und Handlungsfähigkeit im Sinne der persönlichen Werte und Wichtigkeiten. Je stärker die Therapeut:innen dem Prinzip folgen, die ACT nicht als Methode anzuwenden, sondern deren Grundprinzipien als Haltung im professionellen Rahmen mit den Patient:innen gemeinsam zu leben, desto wirkungsvoller kann die Therapie die Patient:innen bei ihren Anliegen unterstützen. Neben möglichen therapiebegünstigenden Effekten, wie z. B. der Adhärenz zum Therapieverfahren, unterstützt dieses Vorgehen sicherlich das Lernen am Modell sowie den Transfer von Inhalten aus der Therapie in den Alltag – beides bekannte und wichtige Mechanismen der Wirkung von Psychotherapien (z. B. Radkovsky und Berking 2012). Erwähnter Einbezug von persönlichen Inhalten seitens der Therapeut:innen in den Therapieprozess findet als Strategie teilweise auch in anderen Ansätzen Anwendung, beispielsweise beim »Disziplinierten persönlichen Einlassen« im Rahmen einer Therapie nach dem Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP; McCullough 2007). Allerdings erfolgt dies in der Arbeit nach der ACT nicht vorwiegend als Methode, sondern aus der oben beschriebenen Grundhaltung heraus, dass wir Menschen uns nicht wesentlich in den Mechanismen unterscheiden, die es uns an der einen oder anderen Stelle schwer machen, unseren Weg durchs Leben zu finden. Dies schafft authentisch erlebte Verbundenheit ebenso wie eine annehmende und wertschätzende Atmosphäre als wichtiges Fundament für den gemeinsamen therapeutischen Prozess.
Die Wirkung der Arbeit nach dem ACT-Ansatz basiert aber auch ganz wesentlich auf der besonderen Sicht auf das Menschsein und auf menschliches Leiden. So ist es hier eine grundlegende Annahme, dass alle Menschen leiden. Das Erleben von Leid, körperlich wie psychisch, gehört zum natürlichen menschlichen Verhaltensspektrum. Anders als vielleicht in manch anderer Perspektive auf den Menschen gilt aus diesem Blickwinkel also nicht die Abwesenheit von Leid als normal, gesund und richtig. Sondern Leiden wird zunächst als ein menschlicher Zustand angesehen. Folglich bedeutet es auch nicht, dass mit der Person etwas nicht stimmt. Egal also, ob krank oder gesund, kein Mensch ist »kaputt«. Und schließlich dient eine Psychotherapie – der Haltung in der ACT nach – daher auch nicht dazu, Leiden zu eliminieren. Wie sollte das auch gehen, wenn das Erleben von Leid menschlich und eher Norm als Ausnahme ist? Sinn und Zweck ist es vielmehr, Menschen bei der Gestaltung eines Lebens – orientiert an den persönlichen Werten – zu unterstützen. Mit Blick auf diese Grundhaltungen besteht ein gewisser Kontrast zu...
Erscheint lt. Verlag | 11.10.2023 |
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Mitarbeit |
Herausgeber (Serie): Nina Heinrichs, Rita Rosner, Günter H. Seidler, Carsten Spitzer, Rolf-Dieter Stieglitz, Bernhard Strauß |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie |
Schlagworte | Klinische Psychologie • Psychiatrie • Psychotherapie • Verhaltenstherapie |
ISBN-10 | 3-17-041793-2 / 3170417932 |
ISBN-13 | 978-3-17-041793-9 / 9783170417939 |
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