Embryologie in der Osteopathie (eBook)

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2022 | 1. Auflage
208 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-243871-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Embryologie in der Osteopathie -  Edgar Hinkelthein,  Zoran Mihajlovic
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<p>Gute Kenntnisse der Embryologie sind in der Osteopathie elementar. Diesem Buch gelingt  die Verbindung zwischen deskriptiver Embryologie und osteopathischer Praxis. Damit gewinnen Sie ein tiefes Verständnis für osteopathische Aspekte, die sich aus der Embryologie ableiten. Die Wirkungsweise von osteopathischen Techniken wird so besser begreifbar. Mit vielen praktischen Beispielen erhalten Sie Antworten auf Fragen wie:</p> <ul> <li>Welche embryonalen Strukturen haben besondere osteopathische Relevanz?</li> <li>Gibt es Zusammenhänge, die nutzbringend für die osteopathische Diagnostik und Behandlung sind?</li> <li>Bei möglichen Dysfunktionen: Was könnte der Störfaktor sein?</li> </ul> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform Osteothek zur Verfügung.

Vorwort


Die Embryologie beschreibt die Entwicklung eines höchst differenzierten und komplexen Lebewesens in seiner Funktionalität aus einer einzigen Zelle, die alle Informationen enthält.

Die Autoren wollen hier gar nicht all die komplexen genetischen und epigenetischen Aspekte detailliert erklären, aber nur das gesamte Zusammenspiel aller Abläufe ermöglicht das menschliche Leben. Wie in einer mechanischen Uhr müssen alle Bauteile harmonisch miteinander zusammenarbeiten, jede einzelne Störung sorgt dafür, dass die gesamte Uhr nicht mehr funktioniert.

Auch in einer osteopathischen Untersuchung und Behandlung gilt es, die Störung(en) zu finden, welche die Physiologie des Menschen stört, und diese zu korrigieren. Dabei wird didaktisch – zum Teil geschichtlich gewachsen – eine Trennung der einzelnen Systeme vorgenommen und dann Teilaspekte beleuchtet (etwa das parietale, viszerale und kraniosakrale System, das fasziale System, das fluide System usw.). Andere Betrachtungen unterscheiden die mechanische, (bio)chemische, emotionale, immunologische, psychosoziale, neuroendokrine Ebene, jeweils untergliedert in funktionelle und strukturelle Störungen. Auch diese Aufgliederung ist sinnvoll, um sich – didaktisch – einem Teilaspekt des Menschen zuzuwenden.

Um den Menschen bzw. Patienten in seiner Komplexität zu erfassen, sind diese didaktischen Einteilungen anfangs hilfreich, um sich nicht zu verlieren und keinen Teilaspekt zu vergessen. Aber es gilt jeweils, das/die fehlende(n) Puzzlestück(e) zu finden, die zur Physiologie des Gesamtorganismus fehlen. Es ist letztlich völlig egal, aus welchem didaktischen System die Störung resultiert, sie muss behoben werden. Deshalb kann eine ganzheitliche Therapie auch nur stattfinden, wenn die Behandlung alle Dysfunktionen korrigieren konnte, auf allen Ebenen.

So wie ein Puzzle – egal ob aus 50 oder 10000 Teilen bestehend – nie fertig ist, solange ein Teil fehlt, kann der Mensch nicht in seiner Physiologie sein, solange irgendeine Ebene nicht perfekt funktioniert. Für das Puzzle ist es völlig egal, ob ein Randstück oder ein Mittelstück fehlt, ob es zum Hauptmotiv gehört oder nur ein kleines Stück aus einem Füllbereich ist, das Puzzle ist nicht komplett.

So fehlt dem Menschen seine Gesundheit (nach Definition der WHO ist Gesundheit die Abwesenheit von Krankheit), solange irgendeines seiner Systeme nicht perfekt mit allen anderen zusammenspielt. Es kann also keinen Behandlungserfolg geben, wenn nicht alle Systeme zu einem gesunden Ganzen zusammengeführt werden – unabhängig davon, ob dies mit Techniken aus dem parietalen, viszeralen, kraniosakralen, faszialen oder fluiden System versucht wird. Stresslevel, Ernährung, Lebensführung, psychosoziale und neurovegetative Balance müssen ebenso angestrebt werden wie die Integration der bisher erlebten Ereignisse – egal ob Lebensereignisse oder Erkrankungen.

So wie jede einzelne Zelle als Beginn des menschlichen Lebens ihre eigene Geschichte mitbringt, so gilt dies auch für die Prägungen, denen wir ausgesetzt sind und waren, und für die weitere Reifung. Es gibt Philosophen, die den Ursprung aller Erkrankungen in unserer Psyche sehen. Wieder andere sagen, es sei müßig, darüber zu reflektieren, ob der Ursprung beispielsweise einer knöchernen Fraktur in einer seelischen Belastung lag, und beschäftigen sich eher mit der optimalen Versorgung der Fraktur.

Letztlich gehört beides dazu, sowohl die optimale Frakturversorgung als auch die Überlegung, wie dieses Ereignis in das Gesamtleben des Menschen passt bzw. an welchen Stellen Veränderungen dazu beitragen können, ein traumatisches Ereignis für die Zukunft zu vermeiden. An der Akzeptanz der Erkrankung gilt es oft zu arbeiten ...

In der täglichen Arbeit des Therapeuten gibt es keine Einteilung in parietale, viszerale oder kraniosakrale Ansätze, wie aus dem Verständnis der Embryologie hervorgeht:

  • Hängt eine Katze unten an einem Vorhang und krallt sich daran fest, kann der „fasziale Zug“ nicht durch „Faszientechniken“ am Vorhang ausgeglichen werden, sondern der „parietale“ Zug der Katze selbst muss korrigiert werden.

  • Das ZNS (Gehirn und Rückenmark) wird vor mechanischen Einflüssen weder vom Knochen (parietal) noch von den Schädelknochen (kraniosakral) bzw. Meningen (kraniosakral – faszial) geschützt, sondern von der Funktionseinheit der Schädelknochen und des Wirbelkanals mit ihrer Auskleidung durch die Dura mater, in welcher sich der Liquor cerebrospinalis befindet und das ZNS schwimmend lagert, so wie ein Boot im Hafen schwimmt und von Wellen sowie Ebbe/Flut nicht beeinträchtigt wird.

  • Ein Trampolin funktioniert nur im gemeinsamen Zusammenspiel seines Rahmens (parietal) mit den Sprungfedern (Muskeln) und dem Sprungtuch (faszial). Jede Störung macht dieses Trampolin funktionsunfähig, egal wo die Störung liegt. So ist das Trampolin insgesamt eine Funktionseinheit.

  • Die Schulter hat Einflüsse aus dem parietalen (Haltung, Position, Muskelspannung), viszeralen (Leber über Pleura zur ATS = Apertura thoracica sup.), kraniosakralen (TMG, Halsfaszien, Hyoid), faszialen (Hals-/thorakale Faszien) und fluiden (TOKS, Lymphfluss, etc.) System, welche allesamt zusammenarbeiten müssen, damit die Schulter funktionsfähig ist.

  • Man kann eine verschlossene Rotweinflasche so oft schütteln, wie man will, der Weinstein entfernt sich dadurch nicht (er wird lediglich kurzfristig umverteilt). Es benötigt eine andere Technik (Öffnen und Dekantieren), um das Problem zu lösen.

  • Muskuläre Kompensationen (parietal) auf mechanische (parietal) oder neuroendokrine (viszeral) bzw. Stress- (emotional) Reize stören die Feinregulation des Gewebes und somit des Patienten, so wie beim Auto eine erhöhte Leerlaufdrehzahl das Ein-/Ausparken behindert.

  • Für Patienten hilfreich zum Verständnis der Reaktion ihres Körpers auf die therapeutische Intervention – gleichzeitig Warnung vor „zu viel“ Therapie in Häufigkeit und Anzahl der Behandlungsreize – ist das Bild einer Waage auf dem Wochenmarkt: Die Waagschalen sind ausgeglichen, bis eine oder mehrere Dysfunktionen und/oder Erkrankungen die Waagschalen in Schieflage bringen (der Patient bekommt Beschwerden). Der Therapeut gibt nun seine therapeutische Intervention in die andere Waagschale. Idealerweise gleicht sich dies exakt mit der Dysfunktion aus und die Waage kommt wieder ins Gleichgewicht, bei einem Zuviel an Therapie jedoch nicht. Während der Ausgleichsphase schwingen die Waagschalen mehrfach am ausgeglichenen Zielpunkt vorbei, dies ist der Moment, wo der Patient z.B. muskelkaterartige Reaktionen spürt. In dieser Situation ist es wichtig, Geduld zu bewahren und die Wirkung der Therapie zuzulassen. Denn eine verfrühte „Nachbesserung“ würde die Waagschalen nur vermehrt in Schwingungen versetzen und den Therapieerfolg somit verzögern oder sogar verhindern, wenn die Waagschalen dadurch nicht mehr ausgeglichen sind. Für Patienten kann es hilfreich sein, sich vorzustellen, dass die Zellen immer dann, wenn die Waagschalen sich über den Ausgleichspunkt hinausbewegen, denken: „Super, wir sind ausgeglichen – Mist, wieso entfernen wir uns wieder vom Ziel ...?“, und deshalb mit muskelkaterartigen Symptomen nachfragend reagieren. Eine erneute Intervention stört hier allerdings, es ist Geduld gefragt („Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht!“ – chinesische Weisheit).

Zur Gesundung des Patienten gehören zwingend sowohl eine Betrachtung und ggf. Korrektur des Interstitiums (Matrix – nach Pischinger das System der Grundregulation), da die einzelnen Zellen eines Gewebeverbands nicht jede einzeln an einen Nerv/eine Kapillare angeschlossen sind, sondern in einem Zellverbund (wie ein Dorf) über die Extrazellulärsubstanz/Matrix (Verbindungsweg vom Dorf zur Autobahnausfahrt) an die großen Versorgungswege „Arterie – Vene – Lymphgefäß – Nerv“ (Autobahnen) angeschlossen sind, als auch die Optimierung der neurovaskulären Ver-/Entsorgung selbst (Autobahn).

Bei diesem Bild bestimmt die Qualität der Verbindungsstraße (Matrix), ob und wie gut das Dorf (Zellen des Gewebeverbands) mit Nährstoffen versorgt und von Schlackenstoffen entsorgt wird. Ist die Verbindung eine asphaltierte Straße (gesunder Gewebe-pH, gute Mineralstoffversorgung etc.), wird das Gewebe gut versorgt, ist die Verbindung dagegen ein vom Regen aufgeweichter Feldweg (stressbedingt niedriger Gewebe-pH, schlechte Mineralstoffsituation), wird das Dorf nur schlecht ver-/entsorgt. Wenn allerdings eine Autobahn gesperrt ist, wird das Dorf auch bei bester Verbindungsstraße nicht versorgt, es kommt zu Gewebeschäden (A. T. Still: „The arterial rule“). In der Behandlung müssen also sowohl die versorgenden Nerven und Gefäße (Autobahn) optimiert werden als auch die Stresssituation, die die Gewebeversorgung (Verbindungsstraße) erst ermöglicht.

So ist, wie bei einem Puzzle, der Patient stets als eine Einheit zu betrachten und die verschiedenen – didaktisch getrennt betrachteten Systeme/Ebenen – müssen holistisch integriert werden.

In einer weiteren Betrachtung der täglichen therapeutischen Arbeit stellt sich immer die Frage nach Diagnose und Therapie, Untersuchungsgang und Behandlungsentscheidung.

Unabhängig von der jeweiligen Fachrichtung ist dieser Moment entscheidend für die Gesundheit des Patienten und Therapiesicherheit. Die Autoren verfolgen dabei in diesem Buch den...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe
Schlagworte Embryologie • embryologische Beziehung • Organmotilität • Organwanderung • Osteopathie • segmentale Ordnung • Struktur und Funktion • Wachstumsbewegung
ISBN-10 3-13-243871-5 / 3132438715
ISBN-13 978-3-13-243871-2 / 9783132438712
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