Das Innere Team mit Tieren (eBook)

Tiere als Persönlichkeitssymbole in Psychotherapie und Beratung
eBook Download: EPUB
2023 | 3. Auflage
157 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61733-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Innere Team mit Tieren -  Susanne Mertens
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Dieses Buch zeigt, wie man das 'Innere Team' (Schulz von Thun) in Psychotherapie und Beratung einsetzen kann, indem Ratsuchende ihre verschiedenen Persönlichkeitsanteile durch Tiere symbolisieren. Fühlt man sich von einander widersprechenden Stimmen innerlich zerrissen, so kann man mit dem 'Inneren Team' nach Schulz von Thun solche Stimmen bzw. Persönlichkeitsanteile ins Gespräch bringen und ein Team daraus formen - in diesem Fall ein Team von Tieren. Susanne Mertens erklärt an spannenden Fallbeispielen, wie man die inneren Tiere in einer Konferenz zusammenbringen und gemeinsam kreativ Konflikte lösen und Lebensaufgaben bewältigen kann.

Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Susanne Mertens, St. Augustin/Bonn, ist Einzel-, Paar- und Gruppentherapeutin sowie Supervisorin bei sozialpäd. Einrichtungen.

Dipl.-Psych. Dipl.-Päd. Susanne Mertens, St. Augustin/Bonn, ist Einzel-, Paar- und Gruppentherapeutin sowie Supervisorin bei sozialpäd. Einrichtungen.

1Wie es dazu kam: Die Entstehungsgeschichte der Methode

Dieses Buch ist mir „zugefallen“. Ich habe es innerhalb von wenigen Monaten geschrieben. In meinem Inneren arbeite ich aber schon viele Jahre daran und kann den Anfang auch nicht mehr genau benennen. Einige Stationen in meinem Leben sind Wegbereiter gewesen – so zum Beispiel meine Gestalttherapie-Ausbildung in den Jahren 1982 bis 1987. Die Gestalttherapie gehört gemeinsam mit anderen psychotherapeutischen Ansätzen, wie z. B. dem Psychodrama oder der Gesprächspsychotherapie, zu den Methoden der Humanistischen Psychologie. Ausgehend von einem Menschenbild, welches nicht von einer Expertenposition auf den psychisch kranken oder „funktionsuntüchtigen“ Patienten blickt, wollen diese Ansätze auf einer Basis von Gleichberechtigung und authentischer menschlicher Begegnung heilend wirken. Das Ziel, den therapeutischen Prozess so zu gestalten, dass er Eigenverantwortung und Selbsthilfekräfte der Klienten stärkt, hat mich deshalb stets geleitet und ist auch Anliegen dieses Buches.

Weil ich noch mehr Fröhlichkeit und spielerische Elemente in meine Gruppen- und Einzelarbeit einbeziehen wollte, absolvierte ich von 1989 bis 1992 eine Psychodrama-Ausbildung. Bei dieser Methode handelt der Therapeut ähnlich wie ein Regisseur, der dem Protagonisten hilft, seine Lebensthemen und inneren Konflikte auf der „Psychodramabühne“ zu inszenieren. Die anderen Gruppenmitglieder sind die Schauspieler, die in der Funktion eines „Hilfs-Ichs“ entsprechende Rollen übernehmen. Jacob Levy Moreno, der Begründer des Psychodramas, entwickelte seine Methode in den 1920er Jahren aus der Beobachtung kindlichen Rollenspiels (Moreno 2007). Dieses erschafft durch spontanes und kreatives Ausagieren von Alltagssituationen (z. B. Mutter und Kind) oder Phantasiegeschichten (z. B. Räuber und Gendarm) eine Zunahme sozialer und persönlicher Kompetenz. So wie Kinder mit Freude und spielerischer Leichtigkeit immer wieder neue Rollen erproben und dadurch ihr Handlungsspektrum erweitern, ermöglicht auch das Psychodrama, die Bearbeitung von Problemen mit Experimentier- und Lebensfreude zu verbinden.

Im Verlaufe der 1990er Jahre geriet ich in den Besitz einer größeren Anzahl von Miniatur-Tieren der Firma Schleich (wahrscheinlich aus dem Fundus meiner Kinder), die ich innerhalb meiner therapeutischen Arbeit zu unterschiedlichen Zwecken einzusetzen begann. Manchmal bat ich die Teilnehmer einer Gruppe sich zu Anfang einer Sitzung ein Tierchen auszusuchen, das ihre Stimmungslage verkörperte. Ein anderes Mal sollte jemand, der sich entmutigt fühlte, ein Tier wählen, das ihm tröstliche oder stärkende Impulse geben konnte und sich vorstellen, dass dessen Kraft auf ihn überginge. In der Einzeltherapie ließ ich Klienten ihre Ursprungsfamilie anhand der Tiere zusammenstellen und bekam so auf spielerische Art und Weise einen Eindruck dessen, wie sich die Person früher mit Eltern und Geschwistern gefühlt haben mochte. Motiviert von der Begeisterung, die mir in der Gruppen- und Einzelarbeit regelmäßig beim Einsatz der Miniaturtiere begegnete, ging ich in Spielzeuggeschäften immer wieder auf die Suche nach neuen Exemplaren zur Ergänzung meiner Sammlung und kam im Laufe der Zeit auf über 130 verschiedene Tiere.

Ein entscheidender Schritt in der Entstehungsgeschichte dieses Buches ergab sich im Jahr 2004 im Rahmen meiner Tätigkeit als Supervisorin für Beraterinnen des Kinder- und Jugendtelefons des Deutschen Kinderschutzbundes. Für die aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen unterschiedlicher beruflicher Herkunft bestehende Gruppe sollte ich ein Tagesseminar anbieten. Als Themenwunsch kam auf, etwas über den kommunikationspsychologischen Ansatz des „Inneren Teams“ zu erfahren. Dieser Begriff wurde 1998 von Friedemann Schulz von Thun geprägt und bezeichnet eine Technik, mit der man eigene Persönlichkeitsanteile, die sich als innere Stimmen bemerkbar machen, identifizieren und miteinander in Austausch bringen kann. Ausgehend von dem Ziel, Kommunikation so zu gestalten, dass sie sowohl in Übereinstimmung mit sich selbst als auch mit den Erfordernissen der Situation erfolgt, entwickelt der Autor den Gedanken einer „inneren Mannschaftsaufstellung“, die sich in verschiedenen Lebenssituationen gleichzeitig und häufig widerstreitend zu Wort meldet (Schulz von Thun 2007).

Die Grundidee, die innerpsychischen gedanklichen und emotionalen Strebungen zu einem kooperationsfähigen Team zu integrieren, war beeindruckend. Schwierig allerdings erschien mir der Schritt, diese Persönlichkeitsanteile einzelnen inneren Figuren zuzuordnen; denn dieser war ja Voraussetzung, um hinterher Einigkeit erzielen zu können. Schulz von Thun empfahl dafür das Hinzuziehen eines professionellen „Klärungshelfers“. In dieser Form empfand ich das dargestellte Konzept als zu wenig praktikabel zum Einsatz für meine Zielgruppe von ehrenamtlich tätigen Laien. Diese brauchten eine Methode, die sie in Selbstanwendung nutzen konnten, um sich in effektiver Weise selbst zu regulieren und die teilweise extrem belastenden Telefonate besser seelisch verarbeiten zu können.

Das Modell erinnerte mich an eine auf Virginia Satir zurückgehende Psychodrama-Technik, die ich bereits einmal in der Supervisionsgruppe vorgestellt hatte. Sie nennt sich „Sechs Figuren für eine Persönlichkeit“ (Leveton 2004). Die Gruppenmitglieder erhalten die Aufforderung, sechs Gestalten (drei männliche und drei weibliche) aus Märchen, Literatur, Film oder auch dem realen Leben zu benennen, von denen sie sich im Laufe des Lebens (je früher, desto besser) beeindruckt gefühlt haben. Wer seine „sechs Figuren für eine Persönlichkeit“ näher kennen lernen möchte, verteilt die Rollen auf sechs Gruppenmitglieder, die die Aufgabe erhalten, eine Stehparty zu improvisieren. Um diese Aufgabe zu erleichtern – denn manchmal ist dem Spieler die Figur, die er darstellen soll, gar nicht bekannt – muss der Protagonist jede Rolle mit drei Eigenschaften charakterisieren.

Immer wenn ich diese Übung in einer Gruppe erstmalig vorstellte, erntete ich zunächst beklommene Blicke, weil sich jeder davor fürchtete, als Winnetou, Schneewittchen oder Pippi Langstrumpf an einer spontanen Stehparty teilzunehmen. Spätestens nach dem ersten Durchlauf und dem Erleben der oft lustigen, manchmal bizarren Dynamik des Miteinanders von sechs meist völlig verschiedenen Gestalten, sprang der Funke auf die „Schauspieler“ über. Für den Protagonisten ergaben sich durch Zuschauen und anschließende Befragung der Rolleninhaber wichtige Informationen über das Zusammenspiel der eigenen Persönlichkeitsanteile und Impulse für zukünftiges Handeln. Leitende Fragen bei der Auswertung der Stehparty waren z. B.: Wer dominiert wen? Wer wird zu wenig gewürdigt? Wer hat welche besonderen Fähigkeiten? Wer ist traurig und braucht Unterstützung? Wer bildet mit wem eine Koalition?

An diese spannende und lehrreiche Übung erinnerte ich mich bei der Vorbereitung des Seminars zum Inneren Team. Waren es hier sechs Märchen- oder Romanfiguren, die als Stellvertreter für innere Anteile miteinander interagierten, so müsste es genauso möglich sein, Tiere als symbolische Vertreter für ein Inneres Team zu wählen, um damit die Grundgedanken Schulz von Thuns zu demonstrieren. Kurzerhand probierte ich das Experiment selbst aus. Ich suchte aus meinen Tieren sechs Exemplare heraus, die mich ansprachen und von denen ich deshalb annahm, dass sie wichtige Seiten von mir symbolisierten:

einen Schwan,

ein Nashorn,

eine Giraffe,

eine Eule,

einen Affen,

einen kleinen, etwas hilflos wirkenden Bären.

Im nächsten Schritt war zu überlegen, welche meiner Eigenschaften ich mit den Tieren in Verbindung bringen konnte. Das war nicht ganz so schmeichelhaft für mich. In dem Schwan erkannte ich meine eitle Seite wieder, im Nashorn meine Wut, die manchmal auch vernichtend sein kann, in der Giraffe meine vernünftige Umsicht und Weitsicht, in der Eule meine weise Therapeutenseele. Der Affe stand für meine alberne Seite, die manchmal auch gehässig ist und sich über andere lustig machen möchte. Und der kleine hilflose Bär verkörperte meine kindlichen und schutzbedürftigen Anteile.

Ich war begeistert, wie leicht sich eine Mannschaft zusammenstellen ließ, und probierte spontan Möglichkeiten aus, die Tiere miteinander ins Gespräch kommen zu lassen. Ich stellte in Gedanken eine Frage, die mich zu diesem Zeitpunkt belastete, und versuchte, herauszufinden, wer sich zuerst mit einer Antwort meldete. Das geschah auch prompt. Ich hatte eine klare Vorstellung, wer als erstes etwas sagen würde. Da ich allein im Zimmer war, sprach ich diese Sätze auch leise aus. Dann fragte ich: „Wer meldet sich als nächstes zu Wort?“ Recht schnell ergab sich ein lebendiger Dialog innerhalb der Tiergruppe, indem ich mit verteilten Rollen sprach. Es wurde deutlich, dass die Tiere in Bezug auf die mich belastende Ausgangsfrage miteinander zerstritten waren.

Ähnlich wie von Schulz von Thun beschrieben, waren mir während dieses Dialogs nicht alle...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Beratung • Identität • Identitätsbildung • innere Konflikte • Innere Team • Kommunikation • Persönlichkeit • Persönlichkeitsmodell • Psychotherapie • Schulz von Thun • Symbolik • Teilpersönlichkeiten • Tiere
ISBN-10 3-497-61733-4 / 3497617334
ISBN-13 978-3-497-61733-3 / 9783497617333
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