Pädiatrische Psychosomatik -

Pädiatrische Psychosomatik (eBook)

Ein Praxishandbuch
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
421 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036557-5 (ISBN)
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Psychosomatisches Denken und Handeln leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen. Durch die 'neuen Morbiditäten' mit ihren komplexen chronischen und psychischen Erkrankungen wird die Pädiatrie vor große Herausforderungen gestellt. Über 50 Mitwirkende fokussieren in diesem Werk auf unterschiedliche Aspekte der pädiatrischen Psychosomatik und ermutigen zu einer Zusammenarbeit zwischen somatisch orientierter und psychosozial/psychotherapeutisch ausgerichteter Medizin, um ihre Patienten bestmöglich zu behandeln. Dieses Handbuch der Deutschen Gesellschaft Pädiatrische Psychosomatik (DGPPS) bietet einen umfassenden und praxisorientierten Überblick über die Diagnostik und Therapie häufiger Symptome, Krankheiten und Störungen jeweils anhand von Fallbeispielen sowie über verschiedene Formen ambulanter und stationärer Versorgung.

Die Herausgebenden sind langjährige Vorstands- und Beiratsmitglieder der Deutschen Gesellschaft Pädiatrische Psychosomatik (DGPPS). Guido Bürk, Kinder- und Jugendarzt am Paedicum Ruhrkidz in Herne. Dieter Kunert, leitender Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut der Abt. Pädiatrische Psychosomatik am Klinikum Kassel. Dr. med. Jochen Meister, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Aue. Dr. med. Maya von Stauffenberg, Kinder- und Jugendärztin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Frankfurt am Main. Mit Beiträgen von: Guido Bürk, Dieter Kunert, Jochen Meister, Maya von Stauffenberg, Johanna Angersbach, Claudia Arend, Wolfgang Arend, Christine Bader, Thomas Berger, Markus Blankenburg, Gerd Claußnitzer, Florian Daxer, Lisa Degener, Brigitte Essen, Matthias Franz, Christian Fricke, Michael Frosch, Martina Goblirsch, Yvonne Heidenreich, Nicole Hellemann, Bernd Herrmann, Hendrik Karpinski, Wolfgang Kindler, Eva Klein, Maria Koester-Lück, Charlotte Korsch, Andreas Krüger, Dieter Kunert, Eberhard Kuwertz-Bröking, Jan Kwant, Andreas Lachnit, Egbert Lang, Thomas Lempp, Torsten Lucas, Nicola Lutterbüse, Heidi Möller, Kirsten Mönkemöller, Martina Monninger, Michaela Nathrath, Ulrich Neudorf, Petra Nickel, Björn Nolting, Prasad Thomas Oommen, Andreas Podeswik, Daniel Radeloff, Bernd Reichert, Thomas Reinehr, Burkhard Rodeck, Claudia Roll, Manuela Rott-Schaberick, Robert Schlack, Dietmar Scholz, Christian Steuber, Ulrike Stichnoth, Andreas Strack, Harald Tegtmeyer-Metzdorf, Lars Vogler, Michael Weckesser und Klaus Eckart Zillessen.

Die Herausgebenden sind langjährige Vorstands- und Beiratsmitglieder der Deutschen Gesellschaft Pädiatrische Psychosomatik (DGPPS). Guido Bürk, Kinder- und Jugendarzt am Paedicum Ruhrkidz in Herne. Dieter Kunert, leitender Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut der Abt. Pädiatrische Psychosomatik am Klinikum Kassel. Dr. med. Jochen Meister, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Aue. Dr. med. Maya von Stauffenberg, Kinder- und Jugendärztin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Frankfurt am Main. Mit Beiträgen von: Guido Bürk, Dieter Kunert, Jochen Meister, Maya von Stauffenberg, Johanna Angersbach, Claudia Arend, Wolfgang Arend, Christine Bader, Thomas Berger, Markus Blankenburg, Gerd Claußnitzer, Florian Daxer, Lisa Degener, Brigitte Essen, Matthias Franz, Christian Fricke, Michael Frosch, Martina Goblirsch, Yvonne Heidenreich, Nicole Hellemann, Bernd Herrmann, Hendrik Karpinski, Wolfgang Kindler, Eva Klein, Maria Koester-Lück, Charlotte Korsch, Andreas Krüger, Dieter Kunert, Eberhard Kuwertz-Bröking, Jan Kwant, Andreas Lachnit, Egbert Lang, Thomas Lempp, Torsten Lucas, Nicola Lutterbüse, Heidi Möller, Kirsten Mönkemöller, Martina Monninger, Michaela Nathrath, Ulrich Neudorf, Petra Nickel, Björn Nolting, Prasad Thomas Oommen, Andreas Podeswik, Daniel Radeloff, Bernd Reichert, Thomas Reinehr, Burkhard Rodeck, Claudia Roll, Manuela Rott-Schaberick, Robert Schlack, Dietmar Scholz, Christian Steuber, Ulrike Stichnoth, Andreas Strack, Harald Tegtmeyer-Metzdorf, Lars Vogler, Michael Weckesser und Klaus Eckart Zillessen.

1 Epidemiologie – Psychische Gesundheit, psychosomatische Probleme und chronische körperliche Gesundheitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus der »Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland« (KiGGS)


Robert Schlack

Die KiGGS-Studie im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut ist eine bundesweit repräsentative bevölkerungsbezogene epidemiologische Langzeitstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. In der KiGGS-Studie wurden umfangreiche Daten zur körperlichen, psychischen und sozialen Gesundheit, zum Gesundheitsverhalten und zur medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland erhoben. Mit der Basiserhebung (2003 – 2006) konnten erstmals wichtige Fragen zur gesundheitlichen Lage der nachwachsenden Generation auf Bundesebene repräsentativ beantwortet werden. Mit den beiden Folgeerhebungen KiGGS Welle 1 (2009 – 2012) und KiGGS Welle 2 (2014 – 2017) sind auch Aussagen über zeitliche Trends über bis zu elf Jahren möglich. Mit Daten aus dem Kohortenarm können aus der Weiterverfolgung der Basisteilnehmenden auch Aussagen über individuelle Entwicklungsverläufe getroffen werden. Einzelheiten zu Zielen und Methodik sowie zu Kennzahlen der jeweiligen KiGGS-Erhebungen können den einschlägigen Publikationen entnommen werden (Kurth et al. 2008; Lange et al. 2014; Mauz et al. 2017).

In diesem Beitrag wird ein Überblick zu aktuellen Prävalenzen, zu zeitlichen Trends über sechs bzw. elf Jahre sowie individuellen Verläufen aus ausgewählten Ergebnissen längsschnittlicher Analysen aus der KiGGS-Studie zur psychischen Gesundheit, zu psychosomatischen Problemen und chronischen körperlichen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland gegeben.

1.1 Psychische Auffälligkeiten gemäß psychopathologischem Screening


Psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen wurden mit dem Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) (Goodman 1997) im Quer- und Längsschnitt bei den Eltern der 3 – 17-jährigen Teilnehmenden erhoben. Aus den Angaben lässt sich ein Gesamtproblemwert errechnen, der anhand von Normwerten die Zuordnung zu den Gruppen »normal«, »grenzwertig« und »auffällig« ermöglicht. Als psychisch auffällig gelten im Folgenden als grenzwertig oder auffällig klassifizierte Kinder und Jugendliche (Hölling et al. 2014).

Die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten lag in der KiGGS Welle 2 bei 16,9 % (Klipker et al. 2018; ▶ Abb. 1.1). Sie war damit gegenüber der KiGGS-Basiserhebung (19,9 %) erstmals rückläufig, um insgesamt drei Prozentpunkte oder ca. 15 % (Klipker et al. 2018). Der Rückgang war dabei nur bei den Jungen statistisch signifikant und bezog sich bei diesen nur auf den Altersbereich 9 – 17 Jahre (▶ Abb. 1.2). Noch zwischen der KiGGS-Basiserhebung und der KiGGS Welle 1 hatte es bezüglich der Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten keine Veränderungen gegeben (Hölling et al. 2014).

Gründe für diesen Rückgang könnten beispielsweise in einer verbesserten Versorgung liegen. So hat sich im Beobachtungszeitraum die Anzahl der an der Versorgung teilnehmenden Kinder- und Jugendpsychiatern und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten stark erhöht (Bundesarztregister 2020). Zudem wurden die zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen U10 und U11 mit Fokus auf der (Früh-)‌Erkennung von Verhaltensauffälligkeiten eingeführt. Wenn diese Entwicklungen mitursächlich für die rückläufige Prävalenz psychischer Auffälligkeiten wären, hätten offenkundig vorrangig Jungen hiervon profitiert, die allerdings auch höhere Basisprävalenzen für psychische Auffälligkeiten aufweisen.

Längsschnittanalysen, die sich aktuell noch auf die ersten beiden Erhebungswellen beziehen, zeigen, dass das Auftreten psychischer Auffälligkeiten im zeitlichen Verlauf variiert: Über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, die zur KiGGS-Basiserhebung psychisch auffällig waren, waren dies zum Zeitpunkt von KiGGS Welle 1 nicht mehr. Umgekehrt waren 12 % der initial unauffälligen Kinder und Jugendlichen sechs Jahre später auffällig (Baumgarten et al. 2018, ▶ Abb. 1.1).

1.2 ADHS


In der KiGGS-Studie wurde die Lebenszeitprävalenz der ADHS bei 3 – 17-jährigen Teilnehmenden durch die Frage zum Vorliegen einer jemals durch einen Arzt oder Psychologen gestellten ADHS-Diagnose im Elternfragebogen erhoben (Schlack et al. 2007). Bezüglich elternberichteter ADHS-Diagnosen war ein signifikanter Prävalenzrückgang über den 11-Jahreszeitraum, um 0,7 Prozentpunkte (von 5,3 auf 4,4 %) oder 17 %, zu verzeichnen (Göbel et al. 2018; ▶ Abb. 1.3). Auch hier hatte es zwischen den ersten beiden KiGGS-Erhebungen keine Unterschiede gegeben (Schlack et al. 2014). Eine mögliche Erklärung für diesen Rückgang könnte in der Direktive des Gemeinsamen Bundesausschusses aus 2009/2010 zu einer restriktiveren Verordnungspraxis für Methylphenidat liegen, die auch eine sorgfältigere Diagnosestellung verlangt (G-BA 2010).

Abb. 1.1:Übergangswahrscheinlichkeiten psychischer Auffälligkeiten im zeitlichen Verlauf von der KiGGS-Basiserhebung (2003 – 2006) zur KiGGS Welle 1 (2009 – 2012) (Baumgarten et al. 2018)

Bei der Wiederholungsbefragung der Basisteilnehmenden in KiGGS Welle 1 gaben nur noch 57,9 % der Eltern, die initial eine ADHS-Diagnose Kindes berichtet hatten, diese erneut an (Schlack et al. 2018). Der Vergleich mit Studien zur Stabilität einer klinisch gestellten ADHS-Diagnose, aus denen ähnliche Rückgänge über vergleichbare Zeiträume berichtet wurden, legt nahe, dass eine ADHS-Diagnose von den Eltern möglicherweise nicht mehr genannt wurde, wenn die Symptomatik im Zeitverlauf rückgängig war (und damit ggf. auch Behandlungsanlässe wegfielen) oder eine andere (Differenzial-)‌Diagnose gestellt wurde. Für Mädchen wurde eine ADHS-Diagnose zum zweiten Erhebungszeitpunkt weniger als halb so oft wiederberichtet wie für Jungen (Schlack et al. 2018).

1.3 Kopf-‍, Bauch- und Rückenschmerzen


Eltern von 3 – 10-jährigen Kindern sowie Kinder und Jugendliche von 11 – 17 Jahren selbst beantworteten die Frage: »Hatte Ihr Kind/hattest du folgende Schmerzen in den letzten drei Monaten?«. Es folgte eine Liste mit Lokalisationen, darunter Kopf, Bauch und Rücken. Die folgenden Zahlen in Text und Abbildung beziehen sich auf die Angabe wiederholter Schmerzen in diesen drei Lokalisationen. Bezüglich aller drei Schmerzlokalisationen waren Mädchen deutlich überrepräsentiert (Krause et al. 2019).

Abb. 1.2:3-Monats-Prävalenzen wiederholter Kopf-‍, Bauch- und Rückenschmerzen in der KiGGS Welle 2 (2014 – 2017) (nach Krause et al. 2019)

Im Altersgang nahmen die Prävalenzen für Kopf- und Rückenschmerzen stark zu, je älter die Kinder waren. Etwa die Hälfte aller Mädchen und ein Drittel aller Jungen im Alter von 14 – 17 Jahren gaben wiederholte Kopfschmerzen in den letzten drei Monaten an, ca. ein Drittel der Mädchen und ein Viertel der Jungen dieser Altersgruppe wiederholte Rückenschmerzen (▶ Abb. 1.2). Bezüglich Bauchschmerzen war kein klarer Altersgang ersichtlich. Hier lagen bereits in der jüngsten Altersgruppe die Häufigkeiten für Mädchen bei ca. einem Drittel und bei den Jungen bei ca. einem Viertel (▶ Abb. 1.2).

1.4 Somatoformer Schmerz und psychosomatische Beschwerden


Mit dem nur in der KiGGS-Basiserhebung verfügbaren, detaillierteren Schmerz-Assessment wurde ex post die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung in Anlehnung an ICD-10 (F45.4: »Die vorherrschende Beschwerde ist ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht hinreichend erklärt werden kann [...]«) gebildet. Die angegebenen Schmerzlokalisationen wurden nach den ICD-Kriterien kategorisiert und anschließend von einem Arzt für Neurologie und Psychiatrie gegengeprüft. Ein Symptom, das während eines Zeitraums von drei Monaten mehrmals pro Woche oder täglich auftrat, wurde als anhaltend und häufig angesehen, was für ICD F45.4 gefordert wird. Wenn eine befragte Person angab, dass ein Symptom nicht als Folge einer körperlichen Erkrankung, eines physiologischen Prozesses (z. B. Wachstumsschmerzen oder Menstruationsbeschwerden), einer medizinischen...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2022
Co-Autor Johanna Angersbach, Claudia Arend, Wolfgang Arend, Christiane Bader, Thomas Berger, Markus Blankenburg, Gerd Claußnitzer, Florian Daxer, Lisa Degener, Brigitte Essen, Matthias Franz, Christian Fricke, Michael Frosch, Martina Goblirsch, Yvonne Heidenreich, Nicole Hellemann, Bernd Herrmann, Hendrik Karpinski, Wolfgang Kindler, Eva Klein, Maria Koester-Lück, Charlotte Korsch, Andreas Krüger, Dieter Kunert, Eberhard Kuwertz-Bröking, Jan Kwant, Andreas Lachnit, Egbert Lang, Thomas Lempp, Torsten Lucas, Nicole Lutterbüse, Heidi Möller, Kirsten Mönkemöller, Martina Monninger, Michaela Nathrath, Ulrich Neudorf, Petra Nickel, Prasad Thomas Oommen, Andreas Podeswik, Daniel Radeloff, Bernd Reichert, Thomas Reinehr, Burkhard Rodeck, Claudia Roll, Manuela Rott-Schaberick, Robert Schlack, Dietmar Scholz, Christian Steuber, Ulrike Stichnoth, Andreas Strack, Harald Tegtmeyer-Metzdorf, Lars Vogler, Michael Weckesser, Klaus Eckart Zillessen
Zusatzinfo 17 Abb., 17 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Pädiatrie
Schlagworte Bio-psycho-soziale Medizin • Kinderpsychotherapie • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie • Kinder- und Jugendmedizin • Kinder- und Jugendpsychiatrie • Kinder- und Jugendpsychologie • Pädiatrie • Psychosomatik • Psychosomatische Medizin • Psychosomatische Störungen
ISBN-10 3-17-036557-6 / 3170365576
ISBN-13 978-3-17-036557-5 / 9783170365575
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