Das Neugeborene in der Hebammenpraxis (eBook)

DHV (Herausgeber)

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2021 | 3. Auflage
416 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-240449-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Neugeborene in der Hebammenpraxis -
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<p><strong>Für die Wochenbettbetreuung zuhause und in der Klinik! </strong></p> <p>Ein Lehr- und Nachschlagewerk, das den kompletten Betreuungsbogen berücksichtigt: Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und die Entwicklung im ersten Lebensjahr.</p> <p>Dieses Buch <br />...beantwortet Ihnen alle wichtigen Fragen rund ums Neugeborene <br />...unterstützt Sie dabei, physiologische Entwicklungen des Babys von Regelwidrigkeiten abzugrenzen <br />...stärkt Ihre Kompetenz im Dialog mit den Eltern <br />...stellt Vorlagen zum Ausdrucken bereit, die Eltern über relevante Themen informieren <br />...bietet viel Wissen über die Neugeborenenzeit hinaus, bis zum Ende des 1. Lebensjahres des Kindes</p> <p>Von Hebammen für Hebammen - ein Buch des Deutschen Hebammenverbandes.</p>

1 Das vorgeburtliche Erleben des Kindes


Margarita Klein, Esther Göbel

Bevor ein Kind „das Licht der Welt erblickt‟, hat es schon sein eigenes ereignisreiches Leben begonnen. Früher war es ein verborgenes Leben, heute ist es öffentlich. Das Kind ist sichtbar geworden und das nicht nur für die Eltern. Damit geht die Zeit der großen intrauterinen Geheimnisse dem Ende zu und es möchten wahrscheinlich nur wenige Menschen in die Zeit zurück, in der das Kind im Bauch einer Frau wie in einer „black box“ war.

In unserer Zeit geht es nun um den bewussten Umgang mit dieser Möglichkeit der Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Beurteilung des noch nicht geborenen Kindes. Dies ist oft ein Weg mit weitreichenden Entscheidungen. Alle, die in diese Entscheidungen mit eingebunden sind, tun gut daran, sich bewusst vor den technischen Möglichkeiten zu fragen, was sie wirklich von diesem Kind wissen möchten, was sie mit diesen Erkenntnissen tun werden und welche Auswirkungen daraus für das Kind und die Eltern entstehen. Welche Erkenntnisse sind förderlich für das gemeinsame Leben und welche werden die gemeinsame Schwangerschaftszeit unnötig belasten? Dabei stellt sich u. a. auch die Frage, ob es wirklich dienlich ist, jeden auffälligen „Softmarker“ sofort auszusprechen. Aus einer Mitteilung wird manchmal schnell eine Beurteilung des noch nicht geborenen Kindes.

Die Freude über die Möglichkeit, mittels Ultraschall jederzeit von außen zu Erkenntnissen und Handlungsspielräumen zu kommen, wird durch die kritischen Stimmen zu Nebenwirkungen und Gesundheitsschäden des Ultraschalls getrübt ( ▶ [16]). Es sollte uns immer im Bewusstsein bleiben, dass viele Diagnosen keine Relevanz haben, falsch sein können und dass manchmal auch eine intrauterine Heilung möglich ist.

Merke

Das Leben vor der Geburt und das danach sind ein Kontinuum, das eine ist vom anderen nicht zu trennen.

Um diesem Kontinuum gerecht zu werden, ist es auch erforderlich, unsere Sprache zu überdenken. Die begriffliche Zergliederung des Kindes, z.B. in Embryo, Fötus, Frühchen, Neugeborenes und Säugling, vermittelt kein Bewusstsein für den Zusammenhang aller durchlebten Lebenstage. Der 1. Lebenstag ist nicht der Tag, an dem das Kind die Gebärmutter verlässt, sondern der Tag der Befruchtung, an dem die befruchtete Eizelle beginnt, durch den Eileiter zu rollen und die Zellen zu verdoppeln ( ▶ [17]).

Auch der Begriff „werdende Mutter“ unterstellt einer schwangeren Frau, dass sie noch keine echte Mutter ist. In dem Moment, in dem sie schwanger ist, ist sie jedoch auch schon Mutter des noch nicht geborenen Kindes. Damit wird die Verantwortung, die sie nun übernimmt, auch sprachlich deutlich.

Aus diesem Verständnis heraus macht es Sinn, dass wir uns in diesem Fachbuch über das Neugeborene zunächst mit dem befassen, was ein Kind vor seiner Geburt möglicherweise erlebt.

1.1 Erkenntnisse aus der embryonalen Entwicklung


Die intrauterine Entwicklung eines Menschen ist ein Wunderwerk. Die morphologische Gestaltung ist ein geregelter Vorgang, dessen Abläufe sich gegenseitig bedingen. Die Steuerung erfolgt durch Gene, jedoch wird die Decodierung der Gene vom augenblicklichen Milieu bestimmt. Die Gene sind die Konstante und das Milieu ist die Variable an Entwicklungsmöglichkeiten.

Ein wichtiger Augenblick im Leben eines Menschen ist der Beginn seines Herzschlages um den 22. Tag nach der Befruchtung. Die ersten Anzeichen der Entwicklung des Herzens kann man zwischen dem 16. und 19. Tag des Lebens erkennen. Angiogenetische (gefäßbildende) Zellen wachsen zu einem hufeisenförmigen Muster vor und neben der Neuralplatte.

Das Herz ist von Anfang an ein Organ mit einer gewissen Unabhängigkeit, denn die Bewegungen der Herzmuskelzellen unterstehen nicht der Kontrolle des Gehirns. Das Gehirn entwickelt sich danach. Der Sinusknoten hat stattdessen das Kommando über das Herz. Seine Zellen bauen elektrische Impulse auf, die sich über das ganze Organ entladen und es damit zum Schlagen bringen. Das geschieht auch beim ersten Herzschlag: Zellen, die später den Sinusknoten bilden, erzeugen den ersten Impuls für den Rhythmus, der uns durch unser Leben begleitet. Umgeben vom Herzrhythmus der Mutter beginnt das Kind seinen ganz eigenen Rhythmus des Lebens.

Das menschliche Gehirn als der Sitz von Gefühlen, Erinnerungen und als Quelle von Handeln und Bewegung ist von Anfang an auf unglaublich vielfältige Weise dazu fähig, Informationen zu speichern, miteinander zu verknüpfen und auf kreative Weise zu nutzen. Diese Fähigkeit zur Veränderung der Verknüpfungen behält es das ganze Leben lang bei, wie Forschungen weltweit zeigen ( ▶ [11]).

Grundmuster des Lebens entstehen vor der Geburt und in der frühen Kindheit. Das Wachstum der Nervenzellen wird zum einen genetisch und epigenetisch gesteuert, zum anderen aber in den Verknüpfungsmustern schon von Anfang an durch die Reize bestimmt, die von den sich bildenden Sinnesorganen aufgenommen werden. Diese Reize sind individuell verschieden, sie entsprechen den Sinneserfahrungen, die das Kind in der Gebärmutter macht.

Jeder Mensch kommt deshalb mit einem individuellen Gehirn zur Welt, das genetisch und epigenetisch festgelegte Programme aufweist und daneben Strukturen besitzt, die sich so nur durch die einzigartige Kombination seiner Erbanlagen und seiner bisherigen Sinneserfahrungen bilden konnten.

Merke

Kein Mensch ist ein „leeres unbeschriebenes Blatt“ bei seiner Geburt.

In der 4. Woche beginnt die Entwicklung der inneren Organe, z.B. Darm, Leber, Lunge, Gallenblase, Schilddrüse und Niere. Arme und Beine, die schon Nerven enthalten, wachsen. Die beginnenden Konturen des Gesichtes des Kindes tauchen auf, Augen und Ohren werden sichtbar.

In der 6. Woche sind fast alle Organe gebildet, die man auch beim erwachsenen Menschen kennt, und das Kind beginnt, auf Berührung zu reagieren. Die Nervenzellen beginnen zu wachsen und sie empfangen Reize und leiten sie an das Gehirn weiter. Und wo Nerven sind, kann auch etwas gefühlt werden. Wo etwas gefühlt wird, kann auch eine Erinnerung gespeichert werden.

Das Kind nimmt Umweltreize jetzt in Form von Druckveränderungen und Lageveränderungen wahr. Das Gleichgewichtsorgan im Ohr ist jetzt schon ausgebildet, auch wenn das eigentliche Hören erst später beginnt. Das Kind spürt die Spannungsveränderungen im Körper der Mutter. Ihr Tagesrhythmus, ihre Gewohnheiten, ihre Emotionen drücken sich in einer Veränderung der Spannung aus. Der Atemrhythmus und der Herzrhythmus verändern sich mit ihren Stimmungen und sie sind für das Kind auch in der Stimme zu fühlen.

Merke

Obwohl das Kind sein eigenes Individuum ist, ist es nicht vom Leben der Mutter zu trennen.

Das Kind schwingt mit in der Körpermusik der Mutter. Es schwingt mit im dramatischen Geschehen, ebenso wie im sanften, ruhigen Gang der Dinge. Es schwingt mit auf die Höhen des Glücks, ebenso in die tiefsten Tiefen des Kummers und der Trauer. Es schwingt mit in Verstörung und Unordnung, ebenso wie im sanften Rhythmus. Es lernt gleichsam die Partitur des Lebens in all ihren Nuancen, in allen nur denkbaren Rhythmen von Anfang an kennen und es lernt, indem es Teil davon ist, nicht als Beobachter.

Und gleichzeitig hat es schon seinen ganz eigenen Rhythmus von Schlafen und Wachen, von Trinken und Ausscheiden, von Bewegung und Ruhe und natürlich den Rhythmus seines eigenen kleinen Herzens.

Merke

Alles, was das Kind im Mutterleib wahrnimmt, führt dazu, dass seine sich bildenden Nervenvernetzungen ein ganz eigenes, unverwechselbares Muster entwickeln.

Niemand von uns hat in seiner intrauterinen Zeit genau dieselben Erfahrungen gemacht wie ein anderer Mensch. Zu der Einzigartigkeit unseres genetischen Codes kommt also die Einzigartigkeit unserer frühesten Umwelterfahrungen. Der Rhythmus, die Körpermusik unserer Mutter, ist unverwechselbar und sie formt unser Gehirn.

Mit 4 Monaten beginnt das Kind, eine neue Wahrnehmungsart in der Gebärmutter zu entwickeln: das Hören. Bisher hat es die Reize aus seiner Umgebung als Veränderungen von Druck und Bewegung gespürt. Jetzt bildet sich das Innenohr aus und das Hören auf eine andere Weise beginnt. Die Stimme der Mutter, bisher als Druckveränderungen gefühlt,...

Erscheint lt. Verlag 13.1.2021
Reihe/Serie DHV-Expertinnenwissen
DHV-Expertinnenwissen
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe
Schlagworte Geburt • Geburtshilfe • Hebamme • Hebammenbetreuung • Nachsorge • Neugeborene • Säugling • Säuglingspflege • Schwangerschaft • Wochenbett • Wochenbettbetreuung
ISBN-10 3-13-240449-7 / 3132404497
ISBN-13 978-3-13-240449-6 / 9783132404496
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