Interkulturelle und ethische Aspekte in der präklinischen Behandlung von Muslimen in Deutschland (eBook)
40 Seiten
Diplomica Verlag GmbH
978-3-96146-061-8 (ISBN)
Daniel Barreau wurde 1991 in Saarbrücken geboren. Sein Studium der Sanitäts- und Rettungsmedizin an der Hochschule für Gesundheit und Sport am Campus Ismaning schloss der Autor im Jahre 2015 mit dem Bachelor of Science erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der notfallmedizinischen Branche. Seine Tätigkeit im Rettungsdienst und in verschiedenen Krankenhäusern motivierte ihn dazu, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
Textprobe: Kapitel 4.2 Medizin zwischen Religion und Gesundheit: Unter allen Lebewesen steht der Mensch nach islamischem Glauben über allem und stellt den sogenannten 'Khalifa', den Statthalter Gottes, dar. Er wurde unter genauen Vorgaben und mit vielen Fähigkeiten von ihm versehen und erschaffen. Diese Gestalt wird dem Menschen lediglich zur Verfügung gestellt, gehört aber stets Gott. Wie bereits beschrieben, steht jedem Menschen ein freies Handeln zu, wofür er jedoch die Verantwortung trägt. Das Thema Gesundheit spielt in diesem Fall eine entscheidende Rolle. Die Gesundheit ist nach dem Koran eines von fünf elementaren Gütern, das um jeden Preis geschützt werden muss. Geht ein Muslim sorglos mit seinem Körper um, wird er im Jenseits dafür büßen müssen. Die weiteren Güter stellen der Verstand, die Nachkommenschaft, die Religion und das Eigentum dar. Die Gesundheit ist das Wichtigste von allen, da eine gesunde Verfassung notwendig ist, um alle Pflichten von Muslimen durchführen zu können. Somit wird die Medizin als wichtigste Fähigkeit oder Kunst angesehen. Dies stellt im gesundheitlichen Bereich einen weiteren Konflikt dar, zum Beispiel im Bereich der Palliativmedizin oder der Sterbehilfe. In der Notfallmedizin spielt es oftmals eine Rolle bei reanimationspflichtigen Personen. Irgendwann steht die Frage im Raum, ob abgebrochen wird oder nicht. Stehen zu diesem Zeitpunkt viele Verwandte um einen herum, die verlangen alles Mögliche zu tun, gerät das medizinische Fachpersonal in eine Konfliktsituation (24). 4.3 Nutzungsverhalten von Gesundheitsleistungen: Migranten, hauptsächlich Muslime, nehmen medizinische Dienstleistungen in Deutschland auf andere Art und Weise in Anspruch als Menschen ohne Migrationshintergrund. Sogenannte 'Rettungsstellen', also Notaufnahme/-ambulanzen und der Rettungsdienst werden eher in Betracht gezogen als normale Hausarztbesuche. Ein weiterer Unterschied liegt in der Tageszeit, in der diese in Anspruch genommen werden. Während es bei Menschen ohne Migrationshintergrund eher morgens oder nachmittags nach der Arbeit der Fall ist, ersuchen Muslime medizinische Hilfe häufiger während Abend- oder Nachtstunden und eher am Wochenende. Ebenfalls ist ein häufiger Arztwechsel, gerade bei Frauen aufgrund von unfreundlichem Umgang oder gar aus Diskriminierung vorzufinden, wobei dies bei Deutschen eher aufgrund von Umzügen der Fall ist. Ein weiterer Unterschied liegt in der pflegerischen Versorgung. Ältere Patienten muslimischen Hintergrunds sind eher in Familien und weniger in Pflegeheimen vorzufinden, was wiederum den Rettungsdienst im Falle von Notfällen betrifft. Zu Hause werden Notfallpatienten von vielen Menschen umgeben, die häufig die deutsche Sprache nicht beherrschen. Der Hauptgrund für die häuslich-pflegerische und ambulante Versorgung liegt einerseits häufig im Mangel von Kenntnissen über das Gesundheitssystem in Deutschland und dem Mangel an Aufklärung, gerade in beispielsweise türkischer Sprache, andererseits aber auch, da es zu ihren religiösen Pflichten gehört, für ihre Kranken und Schwachen zu sorgen. Hier deutet sich bereits das nächste Problem - die Kommunikation - an, welche in einem weiteren Kapitel behandelt wird. (25) [...]. 5.2 Kommunikation: Mittlerweile erlebt jeder Rettungsdienstmitarbeiter mindestens einmal in seiner Karriere einen Einsatz, bei dem er vor einem Patienten steht und beide einfach nur sprachlos sind. Der Grund liegt nicht an der Schwere der Erkrankung oder Verletzung, auch nicht an der Wohnsituation, sondern an der Kommunikation: Der Rettungsdienstmitarbeiter und der Patient sprechen nicht dieselbe Sprache. Dies ist problematisch, da Kommunikation ist ein wichtiges Glied in der medizinischen Versorgung darstellt. Ohne diese findet keine Anamnese und somit keine richtige Therapie statt. Im schlimmsten Falle ist weder ein Familienmitglied welches deutsch spricht noch ein Dolmetscher vorhanden. So befindet sich das Fachpersonal in einer Zwickmühle. Nicht nur der Mangel an allgemeinen Deutschkenntnissen ist ein Problem. Ebenso Sprachkenntnisse im Bereich Gesundheit, Intimität oder Schamgefühl sind kaum bis gar nicht vorhanden. Es besteht nicht immer die Möglichkeit auszudrücken, welche Beschwerden vorliegen. Im Rettungsdienst sind ähnliche Situationen vorzufinden. Einem Patienten oder dessen Angehörigen zu erklären, wieso das gewünschte Krankenhaus nicht angefahren werden kann und sie trotzdem während der Fahrt ständig fragen wieso es wohin geht, ist nur eines von vielen Szenarien. Somit besteht einerseits ein Problem des Verständnisses, andererseits ein Problem des Ausdrucks auf Seiten der Rettungsdienstmitarbeiter (29).
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2017 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Medizinethik | |
ISBN-10 | 3-96146-061-2 / 3961460612 |
ISBN-13 | 978-3-96146-061-8 / 9783961460618 |
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Größe: 5,1 MB
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