Profil und Profilentwicklung im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) (eBook)
306 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61768-5 (ISBN)
Prof. i.R. Dr. Joachim Merchel lehrte an der FH Münster im Bereich "Organisation und Management in der Sozialen Arbeit". Prof.in Dr. Michaela Berghaus lehrt an der FH Münster "Kinder- und Jugendhilfe". Sie war zuvor mehrere Jahre im ASD eines Kreisjugendamtes tätig. Adam Khalaf M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Sozialwesen an der FH Münster.
Prof. i.R. Dr. Joachim Merchel lehrte an der FH Münster im Bereich "Organisation und Management in der Sozialen Arbeit". Prof.in Dr. Michaela Berghaus lehrt an der FH Münster "Kinder- und Jugendhilfe". Sie war zuvor mehrere Jahre im ASD eines Kreisjugendamtes tätig. Adam Khalaf M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Sozialwesen an der FH Münster.
1Ausgangspunkt: Legitimität organisationaler Eigenständigkeit eines jeden ASD?
1.1Zur Bedeutung von Profilbildung im ASD
Betrachtet man den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) im Spiegel der Fachdebatten und der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, so kommt man zu einem widersprüchlichen Eindruck. Einerseits werden die Bedeutung des ASD als eines zentralen Organisationsteils des Jugendamtes sowie der Stellenwert des ASD für eine fachlich angemessene Gestaltung von erzieherischen Hilfen hervorgehoben. Die Art und die Verfahren, wie in einem ASD Problemmeldungen und Problemsituationen wahrgenommen, verarbeitet und zu einem spezifischen „Fall“ verdichtet werden und wie Hilfen konstruiert, in die Wege geleitet und begleitet werden, bilden die zentrale Grundlage für die individuelle Passung und für die Wirkungsoptionen der erzieherischen Hilfen. Der ASD bildet mit seinen Handlungsmodalitäten und seiner Fachlichkeit eine zentrale Schaltstelle für die Qualität der Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe. Andererseits bleibt der Kenntnisstand zu Strukturen, Verfahren, konzeptionellen Ausrichtungen in den ASD sehr überschaubar. Der mangelnde Kenntnisstand zum ASD verfestigt sich dadurch, dass innerhalb der ASD-Fachszene vielfach die regionale und organisationale Spezifität und die Andersartigkeit der unterschiedlichen ASD betont werden, die eine Einschätzung darüber, was den ASD fachlich und fachpolitisch ausmache und wie der fachliche und organisationale Stand des ASD in Deutschland zu bewerten sei, erheblich erschwert. Die Frage nach den fachlichen Merkmalen, dem „Profil“ des ASD als Organisationstypus, wird unterlaufen durch den Hinweis auf die jeweilige organisationale Eigenständigkeit der ASD. Dieser Hinweis wird argumentativ untermauert mit dem Verweis auf regionale Besonderheiten in der Kommunalverwaltung, in den örtlichen sozialräumlichen Konstellationen oder in der Organisationsgeschichte und auf die personellen und organisationalen Besonderheiten des jeweiligen Jugendamtes. Der ASD scheint trotz seiner offenkundig großen Bedeutung für die Kinder- und Jugendhilfe ein schwieriges organisationales Feld zu sein.
Dementsprechend scheint sich auch die Fachliteratur eher auf Aufgaben des ASD als auf seine organisationale Verfasstheit auszurichten. So existieren mittlerweile vielfältige Studien und Ausarbeitungen zu zentralen Aufgabenbereichen und Handlungsfeldern des ASD, insbesondere zum Kinderschutz bzw. zum Handeln bei drohender oder manifester Kindeswohlgefährdung (Ackermann 2017; Biesel/Urban-Stahl 2022; Schone/Tenhaken 2015) oder zur Hilfeplanung (Schwabe 2019; Schäuble/Wagner 2017) oder zur sozialpädagogischen Diagnostik (Ader/Schrapper 2022). Jedoch wird in diesen Arbeiten nur selten (so aber – als Ausnahme – bei Böwer 2012) oder eher marginal dem Faktum Rechnung getragen, dass methodisches Handeln nicht nur eine Frage der Qualifikationen und Kompetenzen der Fachkräfte ist, sondern dass die Fachkräfte in ihren Handlungsmodalitäten immer eingebettet und beeinflusst sind von der sie umgebenden Organisation mit ihren personellen, finanziellen und sachlichen Ressourcen, mit Strukturen, Verfahrensweisen, Konzeptionen, mit über längere Zeiträume entstandenen und mehr oder weniger gefestigten Wahrnehmungsmustern und Alltagsroutinen, mit impliziten und expliziten normativen Prägungen. Andere soziologische Studien fokussieren eine Gesamtbetrachtung des „Systems Kinderschutz“ (Bode/Turba 2014, S. 1) oder analysieren Strukturdilemmata in Jugendämtern (Bode/Turba 2015), ohne dabei die Spezifika des ASD genauer in den Blick zu nehmen und ohne auf den ASD als dafür maßgebliche Organisationseinheit spezifischer einzugehen. Die „Organisation ASD“ bleibt eine weitgehende Leerstelle oder – zurückhaltender formuliert – ein insgesamt marginaler Aspekt im wissenschaftlichen und fachpraktischen Diskurs.
Nimmt man also den ASD als „Organisationstypus“ in den Blick und sucht man nach tragfähigen Antworten auf die Frage, was den ASD jenseits organisationaler und regionaler Spezifika als Organisationstypus ausmacht, so bleiben die Antwortmöglichkeiten bisher eher lückenhaft. Die Unterschiedlichkeit beginnt mit den Begriffen, mit denen dieser kommunale Soziale Dienst bezeichnet wird: neben „ASD“ sind es regional Begriffe wie „Bezirkssozialdienst“ (z.T. mit dem Kürzel „BSD“ versehen, nicht zu verwechseln mit aufgabenbezogenen Spezialdiensten, die als „Besondere Soziale Dienste“ markiert werden), „Regionaler Sozialer Dienst“, „Regionaler Dienst“, „Jugendhilfedienst“ u.a.m. Ferner sind unzulängliche empirische Kenntnisse darüber zu konstatieren, in welchen verschiedenartigen Strukturvariablen und unterschiedlichen Arbeitsprozessen die ASD tätig sind. Und es endet in dem Zugeständnis, dass trotz der seit vielen Jahren festgestellten „Schaltstellen-Funktion“ des ASD in der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe nur wenig fachliche und fachpolitische Diskussionen zu einem fachlichen und organisationalen Profil des ASD erkennbar sind, auf deren Grundlage bewertende Debatten darüber stattfinden könnten, was einen fachlich qualitätvoll arbeitenden ASD von einem weniger gut arbeitenden ASD unterscheidet und welche fachlich-normative Kriterien für ASD-interne Überlegungen und Diskussionen als Orientierung eingebracht werden können.
Veröffentlichungen zum ASD – neben dem „ASD-Handbuch“ (Merchel 2019f) – richten sich entweder auf konzeptionelle Aspekte (Gissel-Palkovich 2011) oder auf Teilbereiche des ASD wie Personalmanagement (Pamme/Merchel 2014) oder Arbeitsbelastung und Belastungsempfinden von ASD-Fachkräften (Klomann 2016; Petry 2013). Forschungsergebnisse zu einzelnen Aspekten, die den Handlungsbereich des ASD betreffen oder berühren (zur Hilfeplanung, zu Aktivitäten im Personalmanagement [Merchel et al. 2012], zur Arbeit an Kinderschutzfällen [Berghaus 2020; Biesel 2011], zur methodischen Gestaltung von Hausbesuchen [Urban-Stahl et al. 2018]), sind zum einen auf Teilaspekte bezogen und lassen zum anderen die generellen Aspekte des organisationalen und fachlichen Profils der ASD weitgehend unbeachtet. Empirische Untersuchungen, die über Einzelaspekte hinaus den ASD in umfassender Weise im Hinblick auf Gesamtentwicklungen in den Blick zu nehmen beabsichtigen, konzentrieren sich auf Organisationsentwicklungsprozesse in einzelnen ASD als Antworten auf den „Reformdruck“ (Gissel-Palkovich/Schubert 2015), oder sie bleiben angesichts methodischer Ungenauigkeiten in ihrer Aussagekraft begrenzt bzw. umstritten (Beckmann et al. 2018). In dem DJI-Projekt „Jugendhilfe und sozialer Wandel“ (Gadow et al. 2013) wird eher die Entwicklung von Leistungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe wissenschaftlich beobachtet, während der ASD als ein eigentlich zentrales Strukturelement der örtlichen Jugendhilfe nicht oder nur am Rande betrachtet wird. Auch in den von Sachverständigenkommissionen erstellten Kinder- und Jugendberichten wird der ASD als eine zentrale Organisationseinheit der Jugendämter kaum eigens erörtert, und es fehlen dort Aussagen zum ASD, die auf entsprechenden empirisch erhobenen Erkenntnissen gründen. In den Arbeiten der Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendhilfestatistik (Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2021, S. 55 ff.; 2019, S. 181 ff.) wird der ASD erfreulicherweise explizit berücksichtigt, jedoch müssen sich die Angaben entsprechend den Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik auf den Umfang der Personalressourcen in den Jugendämtern insgesamt und auf bestimmte Merkmale des Personals (Altersstruktur, Geschlecht, Grad der Befristung von Arbeitsverträgen, Anteil der fachbezogenen Hochschulabschlüsse) beschränken, ohne dass weitere Strukturvariablen und Merkmale der Arbeitsprozesse erhoben werden können.
Die Verweise auf die Verschiedenartigkeit der regionalen ASD als Argumente zum einen für die begrenzten empirischen Kenntnisse und zum anderen für die beschränkten Möglichkeiten zur Konstruktion eines einigermaßen einheitlichen fachlichen Profils des ASD sind einerseits zutreffend. Andererseits sind sie problematisch, wenn es darum geht, für den ASD ein Profil oder einen Profilrahmen zu konturieren, der die Qualität des ASD-Handelns kenntlich macht und in der Praxis Orientierung für die Gestaltung eines „guten ASD“ vermitteln kann:
■Zutreffend angesichts der bereits bei einem oberflächlichen Blick erkennbaren Unterschiede, angefangen bei den Begriffen, mit denen dieser Dienst bezeichnet wird, bis hin zu unterschiedlichen organisationalen Einordnungen (eher zentral oder eher dezentral organisiert, mit mehreren oder mit nur wenigen Spezialdiensten verkoppelt, in unterschiedlichen Teamgrößen organisiert, mit verschiedenartigen konzeptionellen Schwerpunkten und methodischen Ausrichtungen...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Mathematik / Informatik ► Mathematik ► Statistik |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sozialpädagogik | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Arbeitsprozesse • Aufgabenprofil • Beratung • Bezirkssozialdienst • Jugendamt • Kinderschutz • Kinder- und Jugendhilfe • Kindeswohlgefährdung • Kooperation • leitorientierung • Personal • Profilbildung • Profilrahmen • Qualitative Erhebung • quantitative Erhebung • Soziale Arbeit |
ISBN-10 | 3-497-61768-7 / 3497617687 |
ISBN-13 | 978-3-497-61768-5 / 9783497617685 |
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