Eine kurze Geschichte vom Quantencomputer (TELEPOLIS) (eBook)
258 Seiten
Heise Verlag
978-3-96910-132-2 (ISBN)
Christian J. Meier (geb. 1968), promovierter Physiker und freier Journalist, beschäftigt sich mit den Themen Quantencomputer und Quantentechnologie seit mehreren Jahren und berichtet darüber für verschiedene Medien, unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung, bild der wissenschaft, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Spektrum.de und VDI nachrichten. Autor von 'Suppenintelligenz' und vom Tech-Thrillers 'K.I.' - wer das Schicksal programmiert.
Christian J. Meier (geb. 1968), promovierter Physiker und freier Journalist, beschäftigt sich mit den Themen Quantencomputer und Quantentechnologie seit mehreren Jahren und berichtet darüber für verschiedene Medien, unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung, bild der wissenschaft, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Spektrum.de und VDI nachrichten. Autor von "Suppenintelligenz" und vom Tech-Thrillers "K.I." - wer das Schicksal programmiert.
2Magische Formeln
Wie vermeintlich unnütze Wissenschaften
mehrmals die Welt umwälzten.
»Keine, vermute ich.«
Heinrich Hertz auf die Frage eines Journalisten, welche Anwendungen
die von ihm nachgewiesenen Funkwellen haben könnten
Der Frust einer Handvoll Mathematiker führte zu einer der umwälzendsten technologischen Revolutionen der Geschichte: dem Computer. Eine rein akademische Frage, die dem Mann auf der Straße um das Jahr 1920 herum wohl nur ein gleichgültiges Achselzucken entlockt hätte, stand am Anfang.
Oft mussten Mathematiker nach endlosen Disputen entnervt feststellen, dass sich der mathematische Satz, den sie beweisen wollten, gar nicht beweisen lässt. Sie fühlten sich wahrscheinlich wie ein Bergsteiger, der am oberen Rand einer 1000 Meter hohen Felswand vor einem unüberwindlichen Überhang kapitulieren muss. Der deutsche Mathematiker David Hilbert wollte sich 1928 damit nicht mehr abfinden. Seine Idee: ein Testprotokoll, das sich nach Schema F abarbeiten ließe und einem mit wenig Aufwand vorab sagte, ob ein Problem überhaupt lösbar ist oder nicht. Im negativen Fall könnte man sich die Denkarbeit sparen.
Dieses Schema zu entwerfen gab er der weltweiten Mathematikergemeinschaft als Herausforderung. Viele scheiterten. Bis sich im Jahr 1936 der gerade 24-jährige englische Mathematiker Alan Turing daranmachte. Er hatte eine frische, höchst kreative Idee. Besäße man eine Denkmaschine, überlegte Turing, die einen Beweis nach einem Programm Schritt für Schritt abarbeitet, könnte man vielleicht vorab feststellen, ob sie dafür endlich oder unendlich viele Schritte brauchen wird. Im letzteren Fall wäre der Beweis nicht zu führen.
Zur Umsetzung der Idee wählte Turing einen verblüffend naheliegenden Ansatz. Welche Schritte unternimmt ein Mensch, wenn er rechnet? Ein »Computer«, wie man in England damals Menschen nannte, die in Ingenieurbüros mit Block und Bleistift monotone Rechenarbeit abarbeiteten, tat im Grunde nicht mehr und nicht weniger als Folgendes: Er las, schrieb und löschte Symbole auf Papier. Zwischendurch verarbeitete er die gelesenen Zeichen im Gehirn und bewegte den Bleistift oder Radiergummi zu dem Platz auf dem Papier, an dem er das nächste Symbol setzte (siehe Abb. 2–1).
Abb. 2–1 | Skizze einer Turingmaschine. Die drei Arme tragen (v. l. n. r.) Lösch-, Schreib- und Lesekopf. |
| (Quelle: Matthias Homeister, »Quantum Computing verstehen«, Springer Verlag) |
Turing entwarf nun eine Maschine, die all diese Einzelschritte ebenfalls ausführte. Diese »Turingmaschine« erinnert an einen Kassettenrekorder: Ein Band läuft unter einem Schreib- und Lesekopf hin und her. Der Kopf schreibt Symbole auf nebeneinanderliegende Felder des Bandes oder löscht sie. Dann bewegt er sich nach links oder rechts zum nächsten Feld. Was davon er tut, hängt von dem Symbol ab, das er gerade gelesen hat, und von Anweisungen, die in seinem Innern gespeichert sind. Letzteres entspricht dem Wissen des »Computers« darüber, wie etwa eine Multiplikation auf dem Papier auszuführen ist. Nach dem Lesen eines Stoppsignals stoppt die Maschine und das Ergebnis steht als Symbolkette codiert auf dem Streifen.
Blaupause für eine Allzweckmaschine
Turing musste zwar Hilbert enttäuschen: Es ist nicht vorab entscheidbar, ob die Maschine für eine bestimmte Aufgabe endlich oder unendlich viele Schritte brauchen wird. Nebenbei aber hatte das Genie die Blaupause für eine universelle Rechenmaschine vorgelegt. Turing bewies, dass sein Apparat alle berechenbaren Probleme auch tatsächlich berechnen konnte.
Ein Ergebnis von ungeheurer Wucht. Es gibt also Maschinen, die keinem eng umrissenen Zweck dienen wie ein Webstuhl oder ein Automotor. Man kann sie wie einen multitalentierten Diener mit allem Möglichen betrauen. Dazu muss man sie nur mit entsprechenden Anweisungen füttern. Für Turing und seine Zeitgenossen war es kaum vorstellbar, wie sehr diese Allzweckmaschine die Welt verändern könnte.
Heute wissen wir es. Videos anschauen, mit Freunden chatten, Rollenspiele spielen: Per Mausklick springen Computer binnen Millisekunden zwischen unterschiedlichsten Jobs hin und her. Sie steuern Apps im Smartphone, zeigen dem Autofahrer, wo er abbiegen soll, sagen dem Fabrikroboter, welches Teil er als Nächstes greifen, und der Waschmaschine, wann sie mit dem Schleudern beginnen soll. Im Prinzip könnte man die Waschmaschine programmieren, Windows 10 auszuführen, oder den Fabrikroboter mit einem Textverarbeitungsprogramm füttern. Mikrochips sind extrem flexibel.
Turings Blaupause einer universellen Rechenmaschine liegt unseren modernen Rechnern zugrunde. Die Basiselemente sind die gleichen: Speicher für Instruktionen, Ein- und Ausgabedaten, Schreib- und Leseköpfe. Später werden wir sehen, dass Turingmaschinen uns auch etwas darüber erzählen, wo die Grenzen der Quantencomputer liegen.
In der Technikgeschichte gibt es viele Beispiele, wie die blanke Neugier von Forschern, ihr Bedürfnis, den Erscheinungen der Natur auf den Grund zu gehen, in technische Umwälzungen mündeten, die das Leben von Millionen Menschen oft grundlegend veränderten. Das bloße Entschlüsseln der Natur reichte dafür aber nicht. Durch das Anwenden der Naturgesetze für seine Technik gewann der Mensch immer mehr Kontrolle über sie. Erst dadurch entfalteten die Formeln ihre ganze, oft magisch anmutende Kraft.
Wellen, die die Welt veränderten
Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen und die wachsende Kontrolle über sie. Ohne diese würde in unserer Welt voller Mobilfunkgeräte, Computertomografen, Radios, Fernseher etc. nun wirklich gar nichts funktionieren.
Davon ahnte der schottische Physiker James Clerk Maxwell Mitte des 19. Jahrhunderts noch nichts. Er wollte lediglich die vom englischen Naturforscher Michael Faraday entdeckte Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus auf ein mathematisches Fundament stellen. Eine damals rein akademische Übung, ohne die geringste Relevanz für den Alltag der Menschen.
Maxwell war nach dreijähriger Arbeit erfolgreich: Er beschrieb Magnetismus und Elektrizität und wie sie miteinander wechselwirken in vier Gleichungen, die heute seinen Namen tragen.
Diese Maxwell’schen Gleichungen lieferten eine der größten Erleuchtungen der Menschheitsgeschichte. Jahrhundertelang hatten sich Naturforscher vom Kaliber Galileo Galileis oder Isaac Newtons ohne durchschlagenden Erfolg gefragt, was das ist: Licht. Maxwells Gleichungen gaben endlich die Antwort. Sie zeigten, dass sich elektrische und magnetische Felder gegenseitig erzeugten und sich somit durch den Raum fortpflanzten.
So entsteht eine elektromagnetische Welle. Aus Maxwells Gleichungen ließ sich berechnen, dass sich diese Welle mit 300.000 Kilometern pro Sekunde bewegt. Dieser Wert stimmte mit der damals schon sehr genau gemessenen Lichtgeschwindigkeit überein. Die Folgerung: Licht ist eine elektromagnetische Welle.
Nicht minder revolutionär als diese Erkenntnis war das Wissen um die Existenz von elektromagnetischen Wellen. Zwar antwortete der deutsche Physiker Heinrich Hertz, der die von Maxwell vorhergesagten Wellen experimentell nachwies, auf die Frage nach den Anwendungsmöglichkeiten dieses Phänomens: »Keine, vermute ich.«3 Die fehlende Vorstellungskraft von Hertz fußte aber auf seiner noch mangelhaften Kontrolle über die elektromagnetischen Wellen. Der Physiker hatte mit einfachen Mitteln einen Sender und einen Empfänger für Radiowellen gebaut. Ziel des Experiments war lediglich der Beweis, dass elektromagnetische Wellen überhaupt existierten – nicht mehr und nicht weniger.
Um die Wellen für die Übertragung von Radiosendungen zu nutzen, bedarf es wesentlich mehr an Kontrolle. Der Sender muss deutlich stärker sein als der von Hertz, um viele Kilometer überwinden zu können. Die Hertz’schen Wellen trugen auch keine Musik, keine Nachrichten oder Hörspiele vom Sender zum Empfänger. Diese Information gelangt erst durch eine weitere Stufe der Kontrolle in die übertragene Welle: durch die so genannte Modulation. Signale werden der Welle durch Variieren ihrer Amplitude oder ihrer Frequenz aufgeprägt (siehe Abb. 2–2).
Abb. 2–2 | Eine unmodulierte Welle (oben) trägt keine Information. Bei der Amplitudenmodulation (AM, Mitte) ist die Information in der Höhe der Amplitude (d.h. in den Kammhöhen der Welle) codiert. Bei der Frequenzmodulation (FM, unten) tragen die unterschiedlichen Abstände zwischen den... |
Erscheint lt. Verlag | 4.12.2020 |
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Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Mathematik / Informatik ► Informatik |
Schlagworte | Algorithmen • Doppelspalt • Kryptografie • Physik • Quantenkryptografie • Quantenmechanik • Quantentechnologie • Quantum Computing • Qubit • Shor-Algorithmus • Superrechner • Teleportation • Verschlüsselungsverfahren • Verschränkung |
ISBN-10 | 3-96910-132-8 / 3969101328 |
ISBN-13 | 978-3-96910-132-2 / 9783969101322 |
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