Lichtjagd - Chris Moriarty

Lichtjagd

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
624 Seiten
2009
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-52279-4 (ISBN)
8,95 inkl. MwSt
  • Titel ist leider vergriffen, Neuauflage unbestimmt
  • Artikel merken
Die sensationelle Fortsetzung des Zukunftsthrillers „Lichtspur“


Dies sind die Abenteuer von Catherine Li, die für das Friedenscorps der Vereinten Nationen von Planet zu Planet reist, um Konflikte zu schlichten. Kein leichter Job, denn nach jeder Reise mit Lichtgeschwindigkeit muss ihr Gedächtnis aufwendig rekonstruiert werden. Und dann kann es passieren, dass hinter den Konflikten eine Verschwörung steckt, die weit über den betroffenen Planeten hinausreicht. So wie in diesem Fall …


Chris Moriarty, Jahrgang 1968, hat in den USA, Europa, Südostasien und Lateinamerika gelebt und in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet, bevor er sich als freier Schriftsteller selbstständig machte. "Lichtspur", sein erster Roman, wurde auf Anhieb z

Sie war wahrscheinlich nicht älter als dreißig. Bei Menschen wusste man das nie so genau. Für Arkady sahen sie alle alt aus, und hier draußen in den Treuhandschaften, wo man Monate oder Jahre brauchte, nur um von einem Planeten zum anderen zu gelangen, alterten sie schnell. Diese Menschenfrau machte den Eindruck, als hätte sie ein härteres Leben geführt als die meisten anderen. Ihre Haut war gezeichnet von Jahrzehnten in ungefiltertem Sonnenlicht, ihr Gesicht vom Wind und Kummer faltig geworden, ihre Züge ausgemergelt von der Gravitation eines schweren Planeten. Dennoch vermutete Arkady, dass sie nur wenige subjektive Jahre älter sein konnte als er mit seinen siebenundzwanzig. »Tu so, als wolltest du mich aufreißen«, sagte sie mit einer tiefen, heiseren Stimme, die ohne den angespannten, ängstlichen Unterton sinnlich geklungen hätte. Sie sprach UN-Standardspanisch, aber ihre flachen Vokale und gutturalen Konsonanten verrieten, dass ihre Muttersprache Hebräisch war. Sie winkte den Barkeeper heran und bestellte zwei Gläser eines Getränks, von dem Arkady noch nie gehört hatte. Als sie ihn am Arm packte, um ihn näher zu sich heranzuziehen, sah er, dass ihre Nagelhäutchen rau und zackig waren und dass sie an den Nägeln gekaut hatte. Er beugte sich über sie, roch den scharfen, pilzartigen Geruch einer Planetengeborenen und sagte die Worte auf, die Korchow ihm auf Gilead beigebracht hatte. Sie gab die Antworten, die er zu erwarten gelernt hatte. Dazu musste sie ihren Festspeicher konsultieren; man sah es daran, wie sich ihre Pupillen über den blassen Iriden weiteten, als sie auf ihr viral implantiertes RAM zugriff. Arkady versuchte sie nicht anzustarren, und es misslang ihm. Dies ist dein erstes Ungeheuer, sagte er sich. Gewöhn dich dran. Er musterte das Gesicht der Frau und fragte sich, ob andere Angehörige ihrer Spezies sie als normal betrachteten. Unwahrscheinlich. Er selbst war in einer Brutstation zur Welt gekommen, und nach seinem Empfinden passten ihre Gesichtszüge so schlecht zusammen, als seien sie aus einem Dutzend verschiedenartiger Abstammungslinien zusammengestellt worden. Die Stirn war hoch und zeugte von Intelligenz, verlieh aber ihrem Gesicht einen so missmutigen Ausdruck, dass kein kompetenter Gendesigner sie hätte durchgehen lassen. Und selbst im düsteren Flackern der Stroboskoplampen war zu erkennen, dass sie unterschiedliche Augen hatte. Das stahlblaue rechte starrte Arkady an, während das andere den Raum hinter ihm musterte, sodass er den Drang unterdrücken musste, sich umzudrehen und nachzuschauen, mit wem sie sprach. »Warum bist du hier?«, fragte die Frau, als er sie davon überzeugt hatte, dass er wirklich der war, der er zu sein behauptete. »Du weißt warum.« »Ich meine den wirklichen Grund.« Du musst Geld verlangen, hatte Korchow ihm während der endlosen Vorbesprechungen eingeschärft. Er sah Korchows Gesicht immer noch vor sich: das Gesicht eines Spions, das Gesicht eines Diplomaten, ein Manifest in Fleisch und Blut für alles, was das Knowles-Syndikat angeblich vertrat. Du machst dir keine Vorstellung, was Geld für Menschen bedeutet, Arkady. Damit belohnen sie sich, damit halten sie sich gegenseitig im Zaum. Wenn du kein Geld verlangst, wirst du ihnen unwirklich vorkommen. »Ich bin wegen Geld hier«, sagte er zu Osnat und bemühte sich, nicht wie ein Forscher zu klingen, der Eingeborenen Glasperlen andreht. »Und du vertraust darauf, dass du es von uns bekommst?« »Du weißt, wem ich vertraue.« Er hielt sich immer noch an Korchows Skript. »Du weißt, wen ich treffen muss.« »Immerhin warst du so klug und hast seinen Namen nicht genannt.« Sie blickte zu dem schattigen Labyrinth der Belüftungsrohre und Spinstromleitungen empor, um anzudeuten, dass sie beobachtet wurden. »Hier?«, fragte Arkady ungläubig. »Überall. Die KIs können jeden Spinkanal anzapfen, jederzeit, überall. Du befindest dich jetzt im UN-Raum. Gewöhn dich daran.« Arkady betrachtete die mürrischen, verbrauchten Säufer ringsum und fragte sich, welche ihrer Aktivitäten die Aufmerksamkeit halbbewusster UN-KIs rechtfertigen könnte. Dies hier waren nicht die Menschen, von denen er in seiner Ausbildung erfahren hatte. Wo waren die fetten Absahner und die spirituell bankrotten Individualisten seiner soziobiologischen Lehrbücher? Wo waren die Genhändler? Wo waren die Sklaventreiber und die brutal unterdrückten Genkonstrukte? Alles, was er sah, waren Algenernter und Coltran-Bergleute, Neomenschen, deren Erbgut so planlos zusammengestückelt war, dass keiner genau sagen konnte, ob sie Menschen oder Genkonstrukte oder eine unbekannte Quasi-Spezies dazwischen waren. Leute, die Schlamm und Felsen ihren dürftigen Lebensunterhalt abtrotzten und den Staub der Planeten unter den Fingernägeln trugen. Wegwerf-Leute. Arkasha hätte wahrscheinlich gesagt, dass sie schön waren. Er hätte leidenschaftlich über die Literatur aus der Zeit vor der Evakuierung gesprochen, über die gemächlichen, sicheren Strömungen der natürlichen Evolution und den gewaltigen, chaotischen, genetischen Fluss der posthumanen Menschheit. Aber alles, was Arkady hier sehen konnte, waren Armut, Krankheit und Gefahr. Der Barkeeper knallte ihre Gläser so fest auf die Theke, dass eine säuerlich riechende Flüssigkeit über den Thekenrand tropfte. Die Frau nahm ihren Drink und kippte ihn durstig hinunter. Arkady sah ihr mit großen Augen zu. Er konnte riechen, dass sie dieses Zeug öfter trank, und es roch unangenehm. Wie Hefe und alte Haut und verbrauchte Luftfilter: all die Gerüche, die er nach und nach als Gerüche der Menschen einzuordnen lernte. »Also.« Die Frau benutzte das Wort wie einen ganzen Satz. »Wer hat dich wirklich geschickt?« »Ich bin auf eigene Faust hier. Ich dachte, du verstehst das.« »Wir haben verstanden, dass du uns diesen Eindruck vermitteln willst.« Sie hatte die Angewohnheit, einzelne Worte so zu betonen, als käme ihnen eine Bedeutung zu, die inhaltlich nicht gerechtfertigt war, und Arkady fragte sich, ob überhaupt etwas in ihrer Welt bedeutete, was es zu bedeuten schien. »Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Profi, der sich als Amateur ausgibt, die Linien überquert.« Arkady spielte mit seinem Glas herum, versuchte Zeit zu schinden. Erkläre nichts, entschuldige dich nicht, hatte Korchow ihm gesagt. Und gleich danach hatte er ihm mitgeteilt, was mit Arkasha geschehen würde, wenn er versagte. »Ich bin eine Myrmekologe«, sagte er ihr. »Was immer das sein mag.« »Ich studiere Ameisen. In Zusammenhang mit Terraforming.« »Blödsinn. Terraforming ist gefährlich. Und du bist ein A-Klasse-Konstrukt. Du riechst danach. Niemand, der etwas wert ist, landet in einem so blöden Job.« »Es war meine Funktion«, sagte er reflexartig, bevor ihm einfiel, dass dieses Wort für Menschen nichts bedeutete. »Du meinst, du hast dich freiwillig gemeldet?« »Entschuldigung.« Arkady war aufrichtig verwirrt. »Was heißt>freiwilligSie kniff das rechte Auge zusammen, aber das andere blieb gleichmütig auf etwas in mittlerer Entfernung gerichtet. Eine alte Narbe durchschnitt die Braue über dem trägen Auge, und zum ersten Mal kam Arkady auf den Gedanken, dass es vielleicht gar kein Geburtsfehler war, sondern die Folge einer fehlgeschlagenen Installation selbstgemachter Wetware. Was war, wenn sie nicht auf einen internen RAM-Speicher zugriff, sondern auf die virtuelle Welt des Stromraums, die von spukhaften Fernwirkungen bestimmt wurde? Was sah sie dort? Wer bezahlte ihre Uplink-Gebühren? Eine Bewegung erregte Arkadys Aufmerksamkeit, und als er sich umdrehte, sah er einen einsamen Säufer, der ihn vom anderen Ende der verschmierten Theke her anstarrte. Er sah, wie der Mann seine für Stationsbewohner typische faltenlose Haut betrachtete, seine allzu symmetrischen Züge, die Zeichen für einen perfekten Gesundheitszustand, der von generationenlanger soziogenetischer Manipulation zeugte. Ihre Blicke trafen sich, und Arkady fiel etwas auf, das er sofort hätte bemerken müssen: der graugrüne Farbtupfer eines Käppchens, wie es die Polykonfessionellen trugen.

Erscheint lt. Verlag 14.1.2009
Reihe/Serie Heyne Bücher
Übersetzer Michael Iwoleit
Sprache deutsch
Original-Titel Spin Control
Maße 118 x 187 mm
Gewicht 375 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Philip K. Dick Award • Science Fiction
ISBN-10 3-453-52279-6 / 3453522796
ISBN-13 978-3-453-52279-4 / 9783453522794
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Nils Westerboer

Buch | Softcover (2022)
Klett-Cotta (Verlag)
18,00
Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt | Jetzt als …

von Jaroslav Kalfar

Buch | Softcover (2024)
Tropen (Verlag)
14,00