Die letzte Spur

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
640 Seiten
2008
Goldmann Verlag
978-3-442-46458-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzte Spur - Charlotte Link
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Fesselnd, abgründig, raffiniert – der sehnsüchtig erwartete neue Spannungsroman von Charlotte Link


Elaine Dawson ist vom Pech verfolgt. Als sie nach Gibraltar zur Hochzeit einer Freundin reisen will, werden sämtliche Flüge in Heathrow wegen Nebels gestrichen. Anstatt in der Abflughalle zu warten, nimmt sie das Angebot eines Fremden an, in seiner Wohnung zu übernachten – und wird von diesem Moment an nie wieder gesehen. Fünf Jahre später rollt die Journalistin Rosanna Hamilton den Fall neu auf. Plötzlich gibt es Hinweise, dass Elaine noch lebt. Doch als Rosanna diesen Spuren folgt, ahnt sie nicht, dass sie selbst bald in Lebensgefahr schweben wird ...


Charlotte Link, geboren 1963, gehört zu den erfolgreichen deutschen Autorinnen der Gegenwart. Veröffentlichung großer Gesellschaftsromane (mit z. T. TV-Verfilmungen) sowie psychologischer Spannungsromane in bester englischer Erzähltradition. Die Autorin, seit vielen Jahren aktive Tierschützerin, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt/Main. 2007 wurde sie für ihr literarisches Werk mit der "Goldenen Feder" ausgezeichnet.

November 2002 Es w�rde schneien an diesem Wochenende. Das hatten die Meteorologen prophezeit, und es sah aus, als k�nnten sie recht behalten: Es war eisig kalt an diesem Novembernachmittag. Ein scharfer Wind blies aus Nordost. Wer aus dem Haus musste, dem tr�en rasch die Augen und die Haut brannte. Die fr�he winterliche Dunkelheit brach bereits herein. Den ganzen Tag war es nicht richtig hell geworden, und nun schien die D�erung schon wieder in den Abend �berzugehen. Die junge Frau sah erb�lich aus. Verfroren, bleich, mit roten Flecken auf den Wangen. Sie hielt beide Arme um ihren K�rper geschlungen, als k�nnte sie der gnadenlosen K�e, die drau�n herrschte, auch hier drinnen nicht entkommen. Dabei war der Keller des gerichtsmedizinischen Institutes gut geheizt. Jedenfalls der kleine Vorraum, in den Inspector Fiedler und seine Mitarbeiterin, Sergeant Christy McMarrow, die Besucherin geleitet hatten, nachdem diese die unbekannte Tote aus dem Epping Forest identifiziert hatte. Sie hatte nur einen einzigen, kurzen Blick auf das w�serne Gesicht geworfen, sich dann rasch abgewandt und h�rbar mit einem W�rgen in der Kehle zu k�fen gehabt. Dabei hatte sie nicht einmal den �bel zugerichteten K�rper gesehen. Der so hatte Fiedler gedacht, h�e sie wahrscheinlich in Ohnmacht fallen lassen. Es hatte ein paar Augenblicke gedauert, bis sie hatte sprechen k�nnen. �Das ist sie. Das ist Jane. Jane French.� Im Vorraum bat sie um eine Zigarette. Fiedler gab ihr Feuer. Ihre H�e zitterten heftig, aber das lag nicht nur an der belastenden Situation. Die Frau war drogens�chtig, das hatte er auf den ersten Blick erkannt. Prostituierte, wie ihre Kleidung verriet. Ihr Rock war so kurz, dass es nicht viel ge�ert h�e, wenn sie ihn �berhaupt nicht getragen h�e. Hauchd�nne schwarze Str�mpfe, nicht im Mindesten geeignet, sie vor der K�e zu sch�tzen. Hochhackige Stiefel, eine blouson�liche Jacke aus einem metallisch gl�enden Stoff, weit ge�ffnet, um m�glichst viel von ihren �ppigen, gutgeformten Br�sten zur Geltung zu bringen. Sie war jung, Anfang zwanzig, sch�te Fiedler. �Also, Miss Kearns�, sagte er, bem�ht, besonders sachlich und k�hl zu erscheinen, um auch ihr Gelegenheit zu geben, sich zu fassen, �Sie sind v�llig sicher, dass es sich bei der Toten um eine ... Jane French handelt?� Lil Kearns zog heftig an ihrer Zigarette und nickte. �Absolut. Das ist sie. Hab sie sofort erkannt. Sieht schon . na ja, ver�ert aus, aber klar, sie ist es!� �Sie muss fast eine Woche im Wald gelegen haben, ehe sie gefunden wurde. Das hei�, sie wurde um den zehnten November herum ermordet.� �Ermordet ... ist das sicher?� �Leider ja. Die Art ihrer Verletzungen, die Tatsache, dass sie gefesselt war, als sie gefunden wurde, l�t keinen anderen Schluss zu.� �Sch�ne Scheisse�, sagte Lil. Sie hatte sich am Morgen dieses Tages gemeldet, nachdem die Polizei es schon fast aufgegeben hatte, noch irgendeinen Hinweis auf die Identit�der Toten aus dem Epping Forest zu bekommen. Man tappte seit fast vierzehn Tagen v�llig im Dunkeln. Spazierg�er hatten die Frau gefunden, und die Art ihrer Verletzungen, die Grausamkeit, die sich in der Gewaltt�gkeit offenbarte, mit der sie gequ� und umgebracht worden war, hatte selbst hart gesottenen Beamten erst einmal die Sprache verschlagen. �Das war ein Psychopath�, hatte irgendjemand schlie�ich gesagt, und alle hatten genickt. Die junge Frau musste einem v�llig durchgeknallten Typen in die H�e gefallen sein. Ihre Kleidung - oder vielmehr: was von ihrer Kleidung noch �brig war - hatte sie als Prostituierte ausgewiesen, so dass die Vermutung nahe lag, dass sie zu dem falschen Freier ins Auto gestiegen war. Leider kamen solche F�e nicht allzu selten vor, auch wenn sie dann nicht mit einer solch beispiellosen Brutalit�einhergingen. Aber es liefen jede Menge Perverse herum, und nirgendwo konnten sie sich so bequem bedienen wie auf dem Stra�nstrich. Nicht jedem sah man es an, dass er falsch tickte. Inspector Fiedler hatte Triebt�r erlebt, die ein Aussehen und Auftreten hatten, dass jede Mutter sie sich als Schwiegersohn gew�nscht h�e. Die Tote hatte keine Papiere bei sich gehabt, und sie passte auch zu keiner der vorliegenden Vermisstenmeldungen. Man hatte ihr Bild in den Zeitungen ver�ffentlicht, aber auch darauf hatte es zun�st keine Reaktion gegeben. Bis Lil Kearns aufgekreuzt war und behauptet hatte, ihre ehemalige Zimmergenossin erkannt zu haben. �Die ist seit Anfang M� verschwunden! Ohne ein Wort zu sagen. Kam pl�tzlich nicht mehr wieder. Und jetzt sehe ich sie auf einmal in der Zeitung!� Fiedler hatte wissen wollen, weshalb Miss Kearns das Verschwinden ihrer Freundin nicht angezeigt habe, doch er hatte nur ein Schulterzucken als Antwort bekommen. Er konnte sich den Grund denken: Lil Kearns war auf einen n�ren Umgang mit der Polizei alles andere als erpicht. Als Drogenabh�ige war sie vermutlich in kriminelle Aktivit�n verstrickt, oder sie kannte zumindest gen�gend Leute, die sich in der Verbrecherszene bewegten. Sie hatte keine Lust, pl�tzlich selbst in irgendeinem Schlamassel zu stecken. Obwohl sie behauptete, das Bild ihrer Freundin erst jetzt in einer alten Zeitung entdeckt zu haben, vermutete Inspector Fiedler, dass sie schon �ber einen l�eren Zeitraum hinweg Kenntnis davon gehabt hatte. Sie hatte einigen Anlauf gebraucht, den Weg zu einem Polizeirevier zu wagen. Immerhin aber, sie hatte es getan. Er hatte kein Interesse daran, ihr an den Karren zu fahren. Ihm ging es lediglich um Informationen zur Person des Opfers. Leider wusste Lil nicht viel zu sagen. W�end sie in dem kleinen Zimmer der Gerichtsmedizin stand, an ihrer Zigarette zog und nerv�s auf ihren halsbrecherisch hohen Abs�en wippte, z�te sie auf, was sie wusste. �Jane French. Stammt aus Manchester. Ich glaube, nur ihre Mutter lebt noch. Ist vor drei Jahren nach London gekommen. Wollte Karriere machen!� Sie betonte das Wort Karriere in einer Art, dass es fast obsz�n klang. �Na ja, unter uns, in Wahrheit wollte sie einen netten Typen kennen lernen. Irgendeinen Kerl, der sie heiratet und ihr ein besseres Leben bietet als das, was sie hatte. Sie hat mal diesen Job, mal jenen gemacht . keine Ahnung, was genau. Schlie�ich stellte sie sich an den Stra�nrand. Hatte nichts mehr zu bei�n und kein Dach �ber dem Kopf. Ich hab sie noch angemotzt. Weil es mein Revier war.� �Wann war das?�, hakte Christy McMarrow ein. �Vor'm Jahr etwa. Hatte dann Mitleid. Sie durfte bei mir einziehen. Wir sind zusammen anschaffen gegangen.� �F�r wen?� Lil blitzte Christy an. �F�r niemanden! Ich liefere nicht mein Geld bei irgendeinem miesen Zuh�er ab! Jane und ich waren unabh�ig.� �Und im darauf folgenden M� verschwand sie?� �Ja. Tauchte pl�tzlich nicht mehr auf. Ich komme nachts zur�ck, sie ist nicht da. Nicht ungew�hnlich. Aber, na ja, sie kam dann eben nie mehr wieder!� Sie warf die Zigarettenkippe auf den Linoleumboden, trat sie aus. �Aber seit M� ist sie nicht tot, oder?� �Nein�, sagte Fiedler, �wie gesagt, nicht l�er als inzwischen drei Wochen.� �Komisch. Wo war sie denn in der Zeit dazwischen?� Das h�e Inspector Fiedler auch gern gewusst, aber es sah nicht so aus, als k�nne Lil Kearns ihnen in dieser Frage weiterhelfen. �Kennen Sie Freunde von ihr? Bekannte? Irgendjemanden, mit dem sie Kontakt hatte?� �Nein. Da gab's, glaube ich, auch niemanden. Obwohl... einmal hab ich gedach...� Sie sprach nicht weiter. �Ja?�, hakte Inspector Fiedler nach. �Das war im Januar ungef�. Da hab ich sie mal gefragt, ob sie jemanden kennen gelernt hat. N�r. Weil sie auf einmal besser angezogen war.� �Was genau hei� besser angezogen?� �Na ja, schon noch ...�, sie grinste, �schon noch Berufskleidung. Sie wissen schon. So wie ich. Aber irgendwie . bessere Qualit� Teurer. Als ob sie pl�tzlich einfach mehr Kohle gehabt h�e.� �Und sie gab Ihrer Ansicht nach dabei nicht das Geld aus, das sie selbst verdiente?� �Nee. Ich kriegte ja mit, was sie verdiente. Das reichte im Grunde vorn und hinten nicht.� �Sie meinen, Sie hatte einen Freund, der ihr Geschenke machte?� �Hab ich vermutet, ja. Aber sie stritt das ab. Ich hab auch nicht gro�weiter gefragt. War mir letztlich egal.� Fiedler seufzte. Sie waren insofern weitergekommen, als die Tote nun einen Namen, eine Identit�hatte. Leider aber schien der Fall an dieser Stelle zu stagnieren. Lil Kearns f�hrte selbst einen so erbarmungslosen �erlebenskampf, dass sie auf ihre Zimmergenossin nur sehr am Rande hatte achten k�nnen. Sie steckte l�st in einer Situation, in der ihr andere Menschen egal waren, es sei denn, sie finanzierten ihr den n�sten Schuss. �Sie haben uns sehr geholfen, Miss Kearns�, sagte er dennoch, �vielen Dank, dass Sie gekommen sind.� �Ja, klar... ich meine... mir tut das total leid mit Jane. Echt bl�d gelaufen!� Sie strich sich die Haare aus der Stirn, auf der noch immer Schwei�gl�te. Es ging ihr gar nicht gut, seitdem sie die Leiche hatte ansehen m�ssen. Inspector Fiedler kramte seinen Autoschl�ssel aus der Tasche. �Kommen Sie�, sagte er, �ich fahre Sie nach Hause.� �Ehrlich? Das ist total nett!�, sagte Lil dankbar. Er w�rde dabei das Zimmer in Augenschein nehmen k�nnen, in dem Jane French bis zu ihrem Verschwinden gelebt hatte. Leider hatte er bereits die Ahnung, dass ihn auch das nicht weiterbringen w�rde. Er verf�gte �ber viele Jahre Berufserfahrung, und er h�e fast gewettet, dass er den Fall Jane French zu seinen Niederlagen w�rde rechnen m�ssen. Die junge Frau hatte in einem schwierigen sozialen Umfeld gelebt, das machte die Sache so kompliziert. Zeugen f�r die Tat schien es ebenfalls nicht zu geben. Und sollte doch irgendjemand N�res zum grausamen Tod der jungen Jane French aussagen k�nnen, so bewegte sich diese Person aller Wahrscheinlichkeit nach in derselben Szene, in der Jane beheimatet gewesen war. Mit Informationen an die Polizei war man in diesem Umfeld �erst vorsichtig. Um nicht selbst wegen irgendwelcher kriminellen Machenschaften aufzufliegen, aber auch aus Angst vor Vergeltung. H�chst unwahrscheinlich also, dass sich ein m�glicher Zeuge melden w�rde. Inspector Fiedler hasste es, sich diesen Gedanken einzugestehen, aber es sah ganz danach aus, als werde der M�rder von Jane French ungestraft davonkommen. Freitag, 10. Januar 2003 H�e sie die Fr�hmaschine von Heathrow nach Malaga genommen, w� sie jetzt l�st am Ziel. In Gibraltar. Vermutlich war das Wetter in der britischen Enklave am s�dlichsten Zipfel der iberischen Halbinsel wesentlich besser als in London, wo sich der Nebel seit den Morgenstunden nicht verzogen hatte, ja sogar immer dichter geworden war. Jetzt, verst�t durch die fr�he winterliche Dunkelheit, versank die Stadt in einer Art undurchdringlicher, feuchter Masse, die alle Lichter und sogar Ger�che und Bewegungen zu schlucken schien. W�end in Gibraltar die Sonne als roter Feuerball von einem pastelligen Himmel in ein dunkelblaues Meer gefallen war, und nun erste Sterne aufzublitzen begannen. Wahrscheinlich. Und wenn nicht, so w� das auch egal: Hauptsache, sie w� jetzt dort. Ohne Geoffs tr�nreichen Zusammenbruch am Vorabend w� sie bei ihrem Plan geblieben, die Maschine am Vormittag zu nehmen. Sie h�e sehr fr�h aufstehen m�ssen, um rechtzeitig in London zu sein, und das h�e bedeutet, dass die f�r die n�sten drei Tage angeheuerte Krankenschwester bereits das Fr�hst�ck f�r Geoff h�e zubereiten m�ssen. Aber alles war abgesprochen gewesen. Die resolute Pflegerin hatte zugesagt, p�nktlich zu sein. �Machen Sie sich mal keine Sorgen, Miss Dawson! Reisen Sie in aller Ruhe ab. Wir werden das Kind schon schaukeln.� Sp�r wusste sie, dass sie die ganze Zeit �ber insgeheim schon auf einen Zusammenbruch Geoffs gewartet hatte. Er hatte ihre Ank�ndigung, f�r drei Tage nach Gibraltar zu reisen, allzu ruhig aufgenommen. Er war nicht erfreut gewesen, aber er war auf eine ziemlich erwachsene Art damit umgegangen. �Es tut dir gut, mal rauszukommen, Elaine. Klar bin ich nicht gl�cklich. Aber du tust so viel f�r mich, da will ich nicht egoistisch sein. Du brauchst mal ein bisschen Abstand!� �Ich verstehe ja selber nicht, weshalb Rosanna mich eingeladen hat. Eigentlich hatten wir ja nie viel miteinander zu tun. Ich meine, ich bin nicht direkt eine Freundin von ihr ...� An dieser Stelle hatte Geoff durchblicken lassen, dass er ihre Reise nach Gibraltar im Grunde auch f�r v�llig �berfl�ssig hielt. �Du musst wissen, was du tust, Elaine. Ich denke, es ist ein Almosen von Rosanna. Wahrscheinlich hat ihre Mutter sie dazu �berredet. Die war doch schon immer so sozial angehaucht. Wir m�ssen der armen, lieben Elaine mal etwas Gutes tun ... Und schlie�ich hat sich Rosanna seufzend bereit erkl�... Na ja ...� Er schwieg vielsagend. Unausgesprochen standen die Worte im Raum: Wenn dir das trotzdem Spa�macht ... Spa�vielleicht nicht, dachte sie jetzt, w�end sie verzweifelt die blinkende Schalttafel anstarrte, die ihr signalisierte, dass ihr Flug nach Spanien gestrichen war, so wie alle anderen Fl�ge auch, die Heathrow an diesem sp�n Januarnachmittag h�en verlassen sollen, aber es erschien mir wie eine M�glichkeit. Eine M�glichkeit, dass sich . irgendetwas �ert. Es h�e eine Chance sein k�nnen, die mir das Schicksal schenkt. An allen Schaltern dr�ten sich aufgeregte Menschen, Reisende, die wissen wollten, wie es nun weitergehen w�rde. �erfordertes Flughafenpersonal versuchte, die Ruhe zu bewahren und Auskunft zu geben. Im Grunde stand aber nur eines klar und unver�erlich fest: An diesem Abend w�rden von Heathrow keine Fl�ge mehr starten. Es gelang ihr, eine Angestellte von British Airways anzusprechen. �Entschuldigen Sie bitte ... ich muss unbedingt heute Abend noch nach Malaga fliegen!� Die andere l�elte, professionell und unbeteiligt. �Es tut mir leid. Wir k�nnen nichts gegen den Nebel unternehmen. Es w� einfach zu gef�lich.� �Ja aber .� Sie konnte es einfach nicht fassen. Einmal, ein einziges Mal in ihrem verdammten dreiundzwanzigj�igen Leben verlie�sie das Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen war, und schickte sich an, eine Reise anzutreten, versuchte, sich aus der t�dlichen Routine und Eint�nigkeit ihres Alltags zu befreien, und dann scheiterte sie am Londoner Nebel. Sie merkte, dass Tr�n in ihr aufstiegen, und m�hte sich panisch, sie zur�ckzuhalten. �Ich wollte eigentlich schon heute Morgen fliegen�, erkl�e sie unsinnigerweise, �aber ich hatte umgebucht ...� �Das ist schade�, meinte die Angestellte, �bis heute Mittag ging noch alles klar.� Geoff war am Vorabend v�llig unvermittelt zusammengebrochen. Beim Abendessen hatte er pl�tzlich seinen L�ffel sinken lassen. Schon vorher hatte er in allen Speisen nur lustlos gestochert, aber das tat er auch sonst oft. Nun rannen auf einmal Tr�n �ber seine Wangen. �Es tut mir leid�, schluchzte er, �es tut mir leid!� �Ach, Geoff! Geoff, nicht weinen! Ist es wegen mir? Weil ich ... weil ich nach Gibraltar reise?� Eine rein rhetorische Frage. Sie wusste, dass es wegen Gibraltar war. Seltsamerweise hatte sich im darauf folgenden Gespr� alles um den Zeitpunkt ihrer Abreise gedreht, nicht um die Reise selbst. �Wenn du wenigstens noch zum Fr�hst�ck da w�t! Dass du so fr�h weg musst . dass ich dann so bald schon dieser Fremden ausgeliefert bin ...� �Vielleicht�, hatte sie halbherzig angeboten, �geht noch ein sp�rer Flug. Die Hochzeit ist ja erst am Samstag .� Er war sofort darauf angesprungen. �Das w�rdest du tun? Das w�rdest du wirklich tun? Am Nachmittag fliegen? Mein Gott, Elaine, das w�rde einfach alles viel leichter f�r mich machen!� Wieso eigentlich? Die paar Stunden? Das Fr�hst�ck? Aber sie hatte sich in all den Jahren an derartige Verhaltensweisen bei Geoff gew�hnt. Irrational. Unverst�lich. Nicht nachvollziehbar. Aber so war er eben. So w�rde er immer sein. �Was soll ich denn nun machen?�, fragte sie ratlos. �Glauben Sie, dass andere Flugh�n... Gatwick? Stansted? Glauben Sie, dort gehen Fl�ge?� Die Angestellte von British Airways sch�ttelte den Kopf. �Die haben mit demselben Problem zu k�fen wie wir.� �Ja, aber .� �Wohnen Sie in London?�, fragte die andere. �Nein. Ich wohne in Kingston St. Mary.� Glaube ich ernsthaft, irgendjemand kennt das Kaff?, fragte sie sich. �In Somerset�, setzte sie hastig hinzu. �Es ist leider nicht allzu nah.� Und verkehrstechnisch eine Katastrophe, wollte sie weiter erkl�n, h�e sie nicht gemerkt, dass ihr Gegen�ber schon sein L�eln verloren hatte und zwischen Entnervtheit und Gereiztheit schwankte. �Ich glaube, da komme ich heute Abend nicht mehr hin.� �Dann w�rde ich mir rasch ein Hotel suchen. Hier in Heathrow sind heute Abend so viele Menschen gestrandet, da wird im Umkreis sehr schnell nichts mehr zu haben sein. Oder Sie sichern sich einen Platz in einer der Wartehallen und verbringen die Nacht dort. Essen und Getr�e kann man sich hier ja �berall besorgen.� �Denken Sie, dass ich morgen fr�h fliegen kann?� Schon im Weiterlaufen, zuckte die andere mit den Schultern. �Das kann Ihnen niemand garantieren. Aber es ist m�glich!� Eine Frau, die das Gespr� mitangeh�rt hatte, schimpfte los. �Unm�glich! Keiner hilft einem hier weiter! Keine Ahnung, wohin ich jetzt gehen soll! Die m�ssten doch irgendetwas unternehmen!� Elaine sah sich in der Abfertigungshalle um. Ein solches Gewimmel von Menschen hatte sie noch nie gesehen. Wer sollte da irgendetwas unternehmen? Die Angestellte hatte ihr vermutlich den einzigen Rat gegeben, der realistisch war: Sie musste sich einen halbwegs bequemen Platz f�r die Nacht suchen. Schon wieder wollten ihr die Tr�n kommen. Minutenlang blieb sie mit h�enden Armen inmitten des Chaos stehen, unf�g, sich zu r�hren, unf�g, einen vern�nftigen Plan zu fassen. Das Stimmengewirr der Menschen schwoll an zu einem Orkan. Lautsprecheransagen �bert�nten den L�. Vorbeihastende Reisende rempelten sie an. Sie vermochte nicht zu reagieren. Sie stand nur da, in ihrem abgetragenen braunen Wintermantel, der schon nicht elegant gewesen war, als sie ihn vor vier Jahren gekauft hatte, und der jetzt wie ein Sack aussah, den sie sich um die Schultern geh�t hatte. Neben ihr stand ihr Koffer. In der einen Hand hielt sie ihre Plastikhandtasche, eine Designerimitation, die bei Woolworth zehn Pfund gekostet hatte. Mit der anderen Hand umklammerte sie ihren Pass, der in ihrer Manteltasche steckte. Bereit zum Vorzeigen. Was sich offensichtlich f�r heute erledigt hatte.

Erscheint lt. Verlag 4.3.2008
Reihe/Serie Goldmann Taschenbücher
Platinum Edition
Sprache deutsch
Maße 118 x 187 mm
Gewicht 515 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Krimis/Thriller
ISBN-10 3-442-46458-7 / 3442464587
ISBN-13 978-3-442-46458-6 / 9783442464586
Zustand Neuware
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