Agatha, die Weihnachtsgans (eBook)
188 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-9155-8 (ISBN)
Kadell alias Klaus-Dieter Linsmeier alias Kadell ist bekennender Weihnachtsnerd. Er war Wissenschaftsredakteur, schreibt aber inzwischen vor allem Erzählungen, meist in den Genres Fantasie und Science Fiction.
NELE NÖLT
„Igitt!“ Angewidert wischte die Elfe ihre Finger an der Schürze ab, aber der Holzleim machte seinem Ruf alle Ehre. Obendrein stank er nach Knochen und Fisch. Ein ganzer Eimer mit dem Zeug klebte auf der Werkbank, und auch der war über und über leimverschmiert. Von dem Pinsel, der darin steckte, ganz zu schweigen. Daneben lag der abgebrochene Versuch, ein Puppenbett zusammenzukleben.
„Ach Nele!“ seufzte ihre Ausbilderin, als sie die Bescherung sah.
„Ach Nele!“ seufzten die anderen Elfen der Abteilung Kleben und Lackieren. Kopfschüttelnd widmeten sie sich wieder ihren Puppenhäusern, Marionetten und pädagogisch wertvollen Bauklötzen.
„Ach ihr und euer Holzkram“, murmelte Nele und erklärte laut: „Ich hasse Spielzeug!“
Ein entsetztes Raunen ging durch die Weihnachtswerkstatt.
Es war nicht das erste Mal, dass Nele durch Ungeschick auffiel. Angefangen hatte das in der Abteilung Textilien. Elfenmädchen mochten Textilien, jedenfalls im Allgemeinen. Jede Weihnacht erfreuten Kleidchen und Mützen und bestickte Kissenbezüge die Menschenmädchen. Aber Nele brachte keine gerade Naht zustande und hielt sich nie an Strickmuster. Das Gleiche galt für das Häkeln, Klöppeln und Sticken. Sobald sie eine Schere in die Hand nahm, gingen die anderen Elfen auf Abstand. Als sie anfing, die Entwürfe abzuändern, gab es richtig Ärger. „Was sollen diese groben blauen Stoffe? Warum machst du für Mädchen Hosen, und warum sind die immer an den Knien aufgerissen?“
Als die oberste Meisterin sie in die Bäckerei versetzte, bewies Nele auch dort einen bemerkenswerten Mangel an Talent: Ob falsch gekringelte Zuckerstangen, steinharte Plätzchen oder gruselige Lebkuchenmänner, was niemandem sonst passierte, Nele hatte es drauf.
Und nun diese Unmutsäußerung. Eine Elfe, die kein Spielzeug mochte? Das ging ja gar nicht. Also fand sich Nele bald darauf vor dem Elfenrat wieder. Den leitete der alte Gundolf, und das war respektvoll gemeint, denn Gundolf gehörte zu den dienstältesten Elfen am Nordpol. Gerüchten zufolge hatte er mit Santa die ersten Päckchen ausgeliefert, zu einer Zeit, als noch ein einziges Rentier genügte, den ganzen Weihnachtsschlitten zu ziehen.
„Nele, du weißt, dass wir Elfen zusammenarbeiten müssen“, begann Gundolf. „Die Anforderungen werden von Jahr zu Jahr höher. Wir verlieren gerade das Rennen gegen Computerspiele und Mountainbikes. Wenn wir überhaupt eine Chance gegen die Discounter und Onlineshops haben wollen, dann nur durch Qualität.“
Gundolf trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein solches Gespräch geführt zu haben. Die Situation war ihm äußerst unangenehm.
„Es ist ja nicht bloß so, dass alles, was du machst, nichts taugt. Ist dir nicht klar, dass du mit solchen Äußerungen über Spielzeug den Teamgeist vergiftest? Möchtest du dich dafür entschuldigen? Hier und jetzt wäre die Gelegenheit!“
Aber Nele verschränkte bockig die Arme und knurrte bloß: „Ich kann Puppen und solchen Kram nicht leiden. Und der ganze Süßkram ist schlecht für die Zähne, das weiß man doch inzwischen.“ Da blieb dem Rat nichts anderes übrig, als Nele aus dem Werkstattdienst zu entlassen.
Bloß, was war nun mit ihr anzufangen? Den Weihnachtsmann wollte niemand mit diesem Problem belasten, der hatte gerade genug damit zu tun, das Goldene Buch zu aktualisieren, damit jedes Kind das richtige Geschenk bekam.
Also besprach der Rat die Angelegenheit mit den Leitungselfen der anderen Bereiche. Beschäftigung gab es am Nordpol genug. Jemand musste die Kamine in Gang halten, den Weihnachtsschmuck überall aufhängen, die Rodelpisten fegen und die Eisbahn bohnern. Der Stallmeister hatte eine tolle Idee: „Menschenmädchen mögen Pferde und Ponys, da mögen Elfenmädchen doch bestimmt Rentiere?“
Ganz ehrlich, er hätte kaum mehr daneben liegen können. Zwar hatte Nele kein Problem damit, die Mistgabel zu schwingen und Rentier-AA zusammenzukehren. So klein und zierlich sie auch war, sie lud sich zackzack die schwersten Futtersäcke auf den Rücken. Alles war besser als Puppenkleider zu nähen oder Sperrholz zu verleimen. Dass die Stallburschen um die Elfe herumscharwenzelten und bei jeder Gelegenheit auf „Kuck mal, wie stark ich bin“ machten, das nervte zwar ein bisschen, war irgendwie aber auch amüsant.
Nein, der Stall war eigentlich ok, wären da nicht die Rentiere als solche. Die waren nämlich total von oben herab. Weil sie direkt mit dem Weihnachtsmann zusammenarbeiteten. „Wir sind ganz dicke mit dem Dicken“, erklärte das Leittier, ein gewisser Rudolph. Er verlangte allen Ernstes, seine Hufe müssten zweimal täglich poliert werden, seine rotleuchtende Nase sogar drei Mal. Und obwohl Nele alles richtig machte und sich wirklich ins Zeug legte, den blöden Viechern konnte sie nichts recht machen.
Der Stallmeister, ein Elf namens Bertram, bekam das schon mit, dass die Zugtiere mobbten. Bertram kannte natürlich die Geschichten über Nele. Dass würde nicht lange gut gehen!
Es dauerte tatsächlich kaum länger als Santa brauchte, um eine Kanne heiße Schokolade zu trinken, da hörte Bertram den Rudolf verzweifelt röhren. Der Elf rannte in den Stall, so schnell ihn die kleinen Beine trugen, und fand das Leittier in einer misslichen Lage.
“Ich bin in so was Komisches getreten, und jetzt klebe ich mit einem Hinterhuf am Boden fest”, jammerte Rudolph. Es war Bertram klar, woher der Leim kam, zumal Nele ein selbstgefälliges Grinsen trug und sich immer wieder die Finger an ihrer Schürze abwischte.
Bertram sagte nicht nur nichts, er nahm die Elfe sogar mit auf eine Testfahrt mit dem neuen Schlitten. Er war nämlich ein großer Verfechter des “Team Building”, und so ein gemeinsamer Flug war doch eine gute Gelegenheit, die Rentiere und Nele auf eine Linie zu bringen.
Leider klappte das so gar nicht. Rudolph war inzwischen im Bilde, wer ihn geleimt hatte. Also galoppierte er über die Wolken wie ein Verrückter, führte das Gespann in die aberwitzigsten Loopings und ging einmal so hart in die Kurve, dass es den Schlitten bedenklich durchrüttelte. Selbst Bertram hatte alle Mühe, sich festzuhalten.
Nele war ganz grün im Gesicht, aber da das ihre normale Gesichtsfarbe war, fiel es nicht weiter auf. Ansonsten ließ sie sich nichts anmerken, sondern rief bloß “Schneller! Schneller!” Wie junge Leute nun einmal so sind.
Aber plötzlich rief sie “Langsam! Langsam!” Na also, dachte Rudolph, gleich kotzt sie, und dann sind wir sie los.
Aber Nele kotzte nicht. Sie brüllte vielmehr: “Wolkenarsch und Zuckerguss, macht gefälligst langsamer. Da stimmt was nicht mit der Kufe!”
Bertram schnalzte mit der Zunge und bedeutete Rudolph, mal kurz rechts ranzufahren.
“Was meinst du mit: Da stimmt was nicht?”
“Ich höre so ein Klingeln und Quietschen, es begann nach einer scharfen Rechtskurve, wo es den Schlitten durchgerüttelt hat. Ist das normal, so ein Klingeln und Quietschen?”
Der Stallmeister ließ wieder anfahren und lauschte angestrengt.
“Ich höre nichts!”
“Doch, da ist was auf der rechten Seite, ganz deutlich sogar.”
Von vorne meldete sich Comet. “Also ich höre es auch. So ein Klingeln und Quietschen!”
Und die anderen Rentiere schnaubten und nickten, und selbst Rudolph brummte schließlich: “Ja, da ist ein Klingeln und Quietschen. Na und?”
Bertram machte große Augen. “Nele, du kannst wohl den Schnee rieseln hören. Nicht schlecht!” Und zum Gespann: “Also Leute, wir fahren zurück. Aber vorsichtig, als würdet ihr unverpackte Christbaumkugeln transportieren.”
Zurück in der Werkstatt rief er die Techniker dazu. Nele musste noch einmal ganz genau beschreiben, was sie wann und wo ungefähr gehört hatte. Dann machten sich die Elfen ans Werk, hämmerten hier gegen eine Kufe, hängten sich dort an eine Zarge, rüttelten an allen Lötstellen und so weiter und so weiter. Nele lief dabei um den Schlitten herum und lauschte.
“Das ist es!” rief sie. “Eben ist es lauter geworden!”
“Puh”; machte Bertram beeindruckt, “eine defekte Schweißnaht. Das hätte böse ausgehen können. Danke Nele.”
Das war ein Schulterklopfen, kann ich euch sagen. Nele wusste gar nicht, wie ihr geschah. Und als ein älterer Elf namens Vladimir ihr anbot, ihm bei der Reparatur zur Hand zu gehen, da war sie sofort dabei.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schnell sie es draufhatte, eine Naht zu schweißen und zu entgraten. Sie verschwand zwar fast hinter ihrer Schutzmaske, aber es dauerte nicht lange, und selbst Vladimir gelangen keine so exakten Nähte wie der Nele.
“Aber das geht doch nicht”, moserte der alte Gundolf bei der vorweihnachtlichen Teamleiterbesprechung. “Sie ist ein Mädchen! Mädchen mögen doch Kleider und Tiere, sie nähen...
Erscheint lt. Verlag | 26.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
ISBN-10 | 3-7693-9155-1 / 3769391551 |
ISBN-13 | 978-3-7693-9155-8 / 9783769391558 |
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