Das Magnolienhaus - Der Traum vom Morgen (eBook)
293 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3391-2 (ISBN)
Zwischen Tradition und Freiheit.
Bonn, 1912: Caroline, die lebenshungrige Tochter eines angesehenen Professors, wird mit einer Zukunft konfrontiert, die sie sich nie gewünscht hat: Ihr Vater plant ihre Hochzeit mit dem Sohn des Dekans - eine Verbindung, die für ihn Ehre bedeutet, für Caroline jedoch wie ein Gefängnis wirkt. Als dann der charismatische Cousin Edgar aus Riga zu Besuch kommt, scheint ein Hauch von Abenteuer in ihr erstarrtes Leben zu wehen.
Während Edgar mit seiner ungezähmten Natur alle verzaubert, ahnt Familienpatriarch Heinrich, dass ein gut gehütetes Geheimnis ans Licht kommen könnte - ein Geheimnis, das nicht nur die Zukunft der Familie Eimermacher, sondern auch die Suche der vier Kinder nach Freiheit und Selbstbestimmung gefährdet.
In einer Zeit des Umbruchs müssen sie entscheiden, welchen Preis sie bereit sind, für ihr Glück zu zahlen ...
Ein fesselnder Roman über die Macht der Tradition, den Kampf um Freiheit und die Geheimnisse, die alles verändern könnten.
Fabia Waldner steht für den deutschen Autor Michael Schulz. 1959 im rheinischen Bonn geboren, brennt er bereits früh für Literatur, Philosophie und Musik. Zunächst entscheidet er sich für die Musik. Nach einem Studium am »Mozarteum« in Salzburg führt ihn sein Weg in die Welt der Oper. Doch dann entdeckt er das Schreiben für sich. Heute lebt und schreibt der Autor im Harz bei Goslar.
Prolog
Rheinland, Ende September 1974
Caroline genoss die Streicheleinheiten des spätsommerlichen Windes und gab sich dem Gefühl hin, mit dem romantischen Panorama am Ufer des Flusses zu verschmelzen. Sie hatte bewusst den Dienstag für ihre Fahrt gewählt und nicht das Wochenende, an dem sich die Touristen auf den Ausflugsschiffen tummelten und einem die Plätze mit der guten Sicht vor der Nase wegschnappten. Wie immer um diese Jahreszeit unternahm sie eine Rheinfahrt, um die Harmonie aufzusaugen, die das ganze Tal verströmte. Es ging vorbei an den sich herbstlich färbenden Wäldern, dem leuchtenden Rot der Weinberge. Die Hitze des Sommers war überstanden, und die Landschaft verwandelte sich unaufhaltsam. Und wenn der Herbst einzog und sie spürte, dass die Zeitspanne, die ihr noch verblieb, immer kürzer wurde, kamen die Erinnerungen an ihr reiches Leben zurück, an die unbeschwerten Jahre ihrer Kindheit, die mit einem Mal endeten, als … Sie seufzte. Es gab vieles, das sie im Nachhinein anders gemacht hätte.
Dieses Jahr, neunzehnhundertvierundsiebzig, würde sie allerdings als ausgesprochen erfolgreich bezeichnen, auch wenn der Bundeskanzler, auf den so viele ihre Zukunftshoffnungen gesetzt hatten, wegen einer Spionageaffäre hatte den Hut nehmen müssen. Die Frauen dieser Republik waren ihren Zielen jedenfalls nähergekommen. Nicht nur das Kämpfen hatten sie gelernt – das hatten sie bereits in ihrer Jugend –, nein, jetzt begannen sie, das Siegen zu lernen. Und ganz gewiss lagen die Zeiten hinter ihnen, in denen die Männerwelt ihnen die Themen diktiert hatte. Jetzt endlich fielen die Schranken, eine nach der anderen, und Caroline war glücklich, all das noch erleben zu dürfen.
Die ›Goethe‹ legte von Königswinter ab und nahm den Weg stromaufwärts in Richtung Bad Honnef wieder auf. Kraftvoll zogen die Schaufelräder an, und das Schiff glitt gemächlich durch die Fluten. Sie liebte diesen Fluss, er war ihre Heimat, und sie nannte ihn aus vollem Herzen Vater Rhein. Denn nur er war ihr damals geblieben, als Papa sie für immer aus der Familie verstoßen hatte ...
Der Fahrtwind frischte auf, das Pochen und Zischen der Motoren war bis aufs Oberdeck zu hören. Der schwere Geruch von Öl und Schmiere, der aus dem Maschinenraum des alten Fahrgastschiffes drang, erinnerte Caroline an Gottfried, ihren kleinen Bruder. Der große Traum des Nesthäkchens der Familie war es gewesen, zur See zu fahren. Inzwischen lag es Jahrzehnte zurück, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Auch er musste längst im Ruhestand sein. Sie wusste nicht einmal, ob er noch lebte. »Eimermacher & Söhne«, das von ihrem Urgroßvater gegründete Bauunternehmen, gab es längst nicht mehr. Vor Jahren hatte es ein Düsseldorfer Konzern geschluckt. Von der Übernahme hatte man sogar in der Zeitung lesen können. Soviel Caroline wusste, war Almut, ihre ältere Schwester, als letzte Geschäftsführerin finanziell gut aus der Sache herausgekommen. Aber was war aus der kleinen Marie geworden, der jüngsten der drei Schwestern, und der Einzigen, die in die Fußstapfen ihres Vaters hatte treten wollen? Ausgerechnet sie hatte Papa für ungeeignet gehalten und sogar daran zu hindern versucht, ihre heißgeliebte Botanik zu studieren …
In der anderen Fahrrinne kam ihnen jetzt die »Mainz« entgegen, und die Begrüßungssignale der alten Flussmatadore hallten über das ganze Tal, während sie aneinander vorbeizogen. Grafenwerth und Nonnenwerth, die beiden gegenüberliegenden Inseln, waren nicht mehr weit. Caroline nahm wieder auf der Holzbank an der Reling Platz und rückte ihre Brille zurecht. Angeblich hatte Papa mehrmals mit dem Gedanken gespielt, sie in das Franziskanerinnen-Internat auf Nonnenwerth zu stecken, wenn sie über die Stränge geschlagen hatte. Aber Mutter bewahrte sie jedes Mal davor. So behauptete sie es zumindest, vielleicht auch, um ihren Einfluss auf Papa zu betonen und sich ihr gegenüber Respekt zu verschaffen. Heute glaubte Caroline, dass sich Mutter das alles nur ausgedacht hatte, um sie im Zaum zu halten, und selbst Papa hatte wohl niemals beabsichtigt, sie ins Kloster zu schicken. Dass er nicht nur streng, sondern auch grausam sein konnte, bewies er erst später ...
Der junge Mann am anderen Ende der Sitzbank zückte wieder seinen Bleistift und machte sich Notizen in ein Büchlein, das er ab und zu aus der Jackentasche zog. Was es wohl war, das er nicht vergessen wollte? Vielleicht hielt er auch Gedanken und Ideen fest, die er für eine Examensarbeit oder etwas Ähnliches brauchte. Jedenfalls wirkte er jung genug, um ein Student zu sein. Jetzt warf er einen Blick zu ihr herüber und grinste. Ein echtes Kind der Siebziger, dachte Caroline, mit Wuschelkopf, langen Koteletten und Schlaghosen. Sein Erscheinungsbild passte zu dem neuen Lied, das man jetzt überall hörte. »Abba« hieß es, oder war das der Name der Pop-Gruppe, die es auf dem Festival gesungen hatte? – Caroline seufzte. Für solche Sachen war in ihrem Gedächtnis einfach kein Platz mehr.
Offenbar hatte sie ihn zu lange angestarrt, denn der junge Mann erhob sich und kam zu ihr herüber. Wie hatte sie nur so unhöflich sein können? Aber schließlich hätte auch er wegschauen können. Was er wohl von ihr wollte? Die ältere Generation war doch angeblich ein rotes Tuch für die jungen Leute von heute. Und sie zählte bereits zur uralten Generation. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich außer ihr und dem jungen Mann niemand auf dem Vorderdeck befand. Ihr wurde beinahe etwas unheimlich zumute.
»Entschuldigen Sie, ich will Sie nicht stören. Die Gegend ist mir noch fremd, und die Beschreibung aus dem Lautsprecher versteht man kaum. Kennen Sie vielleicht die Namen der sieben Berge?«
Natürlich kannte sie die. Jedem Kind war doch zumindest einer davon geläufig, dachte Caroline. »Haben Sie tatsächlich noch nie vom Drachenfels gehört?«, ließ sie ihrer Verwunderung freien Lauf und bemerkte, dass sie etwas streng klang, obwohl ihr der junge Mann, der sensibel und keineswegs grobschlächtig wirkte, durchaus sympathisch war. Sie hatte nie in das Horn derer gestoßen, die die junge Generation zu kaum mehr fähig hielten als für die freie Liebe und den Konsum von Heroin. Das war nicht ihr Niveau. Aber auch wenn sie von den drastischen Erziehungsmethoden in ihrer Jugend nie viel gehalten hatte, fand sie jetzt, dass es doch niemandem schaden könnte, die Namen berühmter deutscher Berge auswendig zu lernen. Aber sie wollte nicht ungefällig sein, erhob sich von ihrem Platz und stellte sich wieder an die Reling, um ihm die Gegend zu erklären.
»Ich studiere Germanistik in Bonn«, begann der junge Mann zu erzählen, als sie ihre kleine Rundschau beendet hatte. »Und ich habe vor, meinen ersten Roman zu schreiben. Es soll ein historischer Roman werden, der auch im Rheinland spielt.«
»Dann ist eine Besichtigungsfahrt auf der ›Goethe‹ sicher ein vielversprechender Anfang«, erwiderte sie. Das darauf folgende Lachen des jungen Mannes wirkte frei und unbeschwert. Caroline gestand sich ein, dass ihr diese kleine Unterhaltung guttat. Eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Schwätzchen mit dem Zeitungsmann und dem Postboten.
Nachdem sie die Wäscherei aufgegeben hatte, waren auch ihre Kontakte immer weniger geworden, und den meisten trauerte sie nicht nach. Aber in letzter Zeit hatte ihr der Tod auch die Menschen genommen, an denen ihr etwas gelegen war. Letztes Jahr ihre Freundin Annegret, die sie oftmals auf Ausflügen wie diesem begleitet hatte ...
»Zeit für einen Kaffee«, holte sie die Stimme des jungen Schriftstellers aus ihren Gedanken. »Darf ich Ihnen auch eine Tasse mitbringen?«
»O ja, sehr gern.«
Mit zwei ohrenbetäubenden Signalen lief die ›Goethe‹ Bad Honnef an. Vom Vorderdeck aus konnte man bereits einzelne Badegäste in dem langgezogenen Freibad erkennen, dessen Grünflächen bis ans Ufer reichten. Offenbar gab es Hartgesottene, die bis in den Herbst hinein jeden Sonnenstrahl nutzten, um ihre Körper unter freiem Himmel zu trainieren.
Der junge Mann machte einen netten Eindruck. Obwohl sie mit ihrer Rente selbst keine großen Sprünge machen konnte, sollte sie ihm den Kaffee spendieren, dachte Caroline. Studenten waren schließlich immer knapp bei Kasse. Aber da war er bereits im Inneren des Schiffes verschwunden. Kurz darauf kam er mit einem ...
Erscheint lt. Verlag | 1.12.2024 |
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Reihe/Serie | Schicksal sind wir |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Bonn • Erste Weltkrieg • Familiengeschichte • Familiensaga • Rheinland • Salon • Starke Frau • Träume aus Samt • Ulrike Renk |
ISBN-10 | 3-8412-3391-0 / 3841233910 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3391-2 / 9783841233912 |
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