Der Flügelschlag des Schmetterlings (eBook)

Franken noir
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
200 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06701-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Flügelschlag des Schmetterlings -  Volker Sebold
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In Würzburg kommt eine Frau bei einer Demo ums Leben. Getötet durch die Kugel aus einer Polizeiwaffe. Der angebliche Schütze liegt bewusstlos auf der Straße und kann sich an nichts mehr erinnern. Roland Utz glaubt fest an die Unschuld seines Kollegen Carsten und ermittelt auf eigene Faust. Als er dem Geheimnis der Getöteten auf die Spur kommt, muss er erkennen, dass mächtige Organisationen am Werk waren. Doch dann gibt die Aussage einer dubiosen Zeugin dem Vorfall eine ungeahnte Wendung. Am Ende müssen die Protagonisten erkennen, dass es keine Zufälle gibt und alles mit allem zusammenhängt. Wie schon in seinen Krimis 'Bullenhitze' und 'Am Anschlag' bringt Volker Sebold auch hier wieder Hochspannung in seine fränkische Heimat.

Volker Sebold, geboren 1960 in Haßfurt am Main, Kriminalbeamter i. R, lebt in Unterfranken, in Sichtweite der Vogelsburg, an der idyllischen Mainschleife. Von ihm sind im Echter Verlag bereits erschienen: 'Bullenhitze (2020) und 'Am Anschlag' (2022). Weitere Informationen unter: www.volkersebold.de

Volker Sebold, geboren 1960 in Haßfurt am Main, Kriminalbeamter i. R, lebt in Unterfranken, in Sichtweite der Vogelsburg, an der idyllischen Mainschleife. Von ihm sind im Echter Verlag bereits erschienen: "Bullenhitze (2020) und "Am Anschlag" (2022). Weitere Informationen unter: www.volkersebold.de

Wer sagt es Carsten?


„Danke Schwester Caroline. Schönen Tag noch.“

Roland legte den Hörer sanft zurück in die Telefonschale.

„Und?“ Ingrid zappelte nervös auf ihrem Stuhl.

„Ich hole Kalle noch dazu. Dann muss ich nicht alles doppelt erzählen. Aber soweit wohl alles okay.“

Klotz, der Kommissariatsleiter, stand bereits unter dem Türrahmen und sah Roland fragend an.

„Die Krankenschwester hat gesagt, eigentlich dürfe sie mir am Telefon keine Auskunft geben, aber Carsten hat wohl eine Gehirnerschütterung davongetragen und eine Rippe gebrochen. Die Platzwunden sind geflickt und er ist sogar schon zu Späßchen aufgelegt. Sie behalten ihn auf jeden Fall noch bis morgen drin.“

„Späßchen? Der spinnt wohl! Mir jedenfalls ist nicht nach Spaßen zumute!“ Klotz zürnte mit hochrotem Kopf. „Dem ist offenbar nicht klar, was alles auf ihn zukommen wird.“ Als er sah, dass ihn die Kollegen und Ingrid schweigend ansahen, presste er hervor: „Na, immerhin scheint er ja glimpflich davongekommen zu sein. Rein physisch, meine ich.“ Im Gehen drehte er sich nochmals um.

„Die Kollegen vom LKA München sind beauftragt worden, die weiteren Ermittlungen zu übernehmen. Die wollen morgen um 11 Uhr eine erste Vernehmung mit Carsten durchführen. Roland, wir beide sind auf jeden Fall eine halbe Stunde früher dort.“ Sprach er und war wieder in seinem Bürozimmer verschwunden.

Roland blickte Ingrid an, die traurig lächelte.

„Hätte ich ihm jetzt nicht zugetraut, dass er vor Eintreffen des LKA bei Carsten sein möchte“, sagte Roland. „Das wird für uns alle eine schwierige Zeit. Zumal er sich offensichtlich an gar nichts erinnern kann. Blackout! Kann vorkommen.“

„Richte ihm bitte ganz liebe Grüße aus“, bat Ingrid.

Klotz und Roland liefen zu Fuß zum Juliusspital. Bei dem Verkehr in Würzburg im Auto zu sitzen, würde ihre Laune noch tiefer in den Keller befördern, als es ohnehin schon der Fall war.

Als sie in die Juliuspromenade einbogen, brach Klotz das Schweigen.

„Das ist ein echt beschissener Fall, Roland. Die Antifa hat schon reagiert: Unschuldige Demonstrantin stirbt durch Bullenkugel. Das und noch viel mehr von dem Mist kannst du in den asozialen Medien nachlesen. Da kommt was auf uns zu, glaub mir!“

„Stimmt! Die LKA’ler sind nicht zu beneiden. Meinen Aktenvermerk habe ich fertig geschrieben. Den bekommen die dann zugestellt.“

Klotz nickte nur und war mit seinen Gedanken ganz woanders. „Na? Maskenball? Kommt rein!“

Carsten grinste unschuldig, verzog aber gleich wieder das Gesicht, als sich seine lädierte Rippe bemerkbar machte.

„Hallo Carsten, die Masken müssen wir noch aufsetzen. Ist Pflicht hier im Krankenhaus. Wie geht es dir?“ Klotz versuchte einfach nur freundlich zu sein, aber seine Nervosität war greifbar.

Außer dem jungen Polizisten war kein weiterer Patient im Zimmer. Privatversichert.

„Meine Krankenschwester ist total nett. So tolle Augen! Aber wisst ihr was? Auch der ist was Komisches passiert: Als ich eingeliefert wurde, ist ihr Junge angefahren worden. Aber Gott sei Dank ist nix Schlimmeres passiert. Prellungen und Schock. Da war gestern offenbar was los! Und meinem Vater geht es auch wieder ganz gut. Ich habe gerade mit dem Missio telefoniert. Schön, dass ihr mir einen Besuch abstattet.“

Carstens Redeschwall irritierte die beiden. Sie sahen sich verständnislos an. Wie konnte sich jemand um seinen Vater kümmern, so gut drauf sein und sich trotzdem angeblich nicht an den Vorfall von gestern erinnern?

„Schön ist anders. Du sitzt tief in der Tinte, Carsten!“ Roland hielt es nicht mehr aus. Er erntete von Klotz einen entsetzten Blick. „Bitte, Roland! Nicht! Das LKA!“

Carsten schaute Roland fragend an: „LKA? Was soll das bedeuten? Jetzt sagt schon!“

Aus Roland platzte es heraus.

„Aus deiner Dienstwaffe wurde ein Schuss abgegeben und eine Demonstrantin tödlich getroffen. Bitte, Carsten, sag uns, dass du das nicht warst! Dass du keinen Blödsinn gemacht hast!“ Roland flehte den Verletzten an.

Klotz schaute auf die Uhr. Zehn vor elf.

Carstens gute Laune war wie weggeblasen. Das Gerät mit den blinkenden Kurven zeigte anschaulich, wie der Blutdruck rasant anstieg. Er versuchte sich im Bett aufzurichten. Der Schmerz zwang ihn jedoch wieder zurück.

„Verarsch mich nicht, Roland. Ich kann diese Art von Scherzen jetzt nicht gebrauchen! Ich weiß von gestern überhaupt nichts mehr. Das macht mich wahnsinnig. Ich erinnere mich erst an den Moment, als ich hier in die Notaufnahme geschoben wurde. Jetzt sagt schon! Ihr verarscht mich doch!“ Er sah, dass beide Besucher ihre Augen in die Ferne gerichtet hatten.

„Bitte sagt mir, dass ihr mich auf den Arm nehmt“, flüsterte er. Dann lachte er hysterisch auf. Verzog das Gesicht zu einer Fratze. Griff sich an die Stelle, an der sich die gebrochene Rippe bemerkbar machte. Seine Augen wanderten von einem zum anderen. Klotz straffte sich, schließlich war er der Chef. 10.56 Uhr.

„Nein Carsten. Leider machen wir keine Witze. Die Kollegen vom LKA aus München kommen jeden Moment und wollen dich vernehmen. Am besten für uns alle, für dich und auch für die Stimmung auf der Straße wäre es, wenn du reinen Tisch machst. Ich unterstütze dich jederzeit. Nimm dir einen Anwalt.“

„Anwalt? Was soll ich mit einem Anwalt?“, schrie Carsten, der gerade begriff, was da auf ihn zurollte. Er schwitzte. Trotz der Schmerzen saß er aufrecht im Bett. Angst! Nackte Angst kroch in seinem geschundenen Körper hoch und ließ die Sinuskurven auf der Apparatur durchdrehen.

„Kapiert ihr es nicht? Ich kann mich an nichts erinnern! An nichts! Das Letzte, was ich weiß, ist, dass die Klinik wegen meines Vaters angerufen hat. Dann muss ich gestolpert sein und, zack, war es dunkel. Erinnerung weg. Wie nach einem Vollrausch.“ Er schaute aus dem Fenster. Eine Leere machte sich in ihm breit. Der graue Himmel passte zu seiner Gefühlslage. „Was verdammt noch mal ist passiert?“, flüsterte er wieder. „Du weißt, dass ich niemals mit einer Waffe herumspiele!“ Er sah Roland vorwurfsvoll an.

„Ich weiß. Ich glaube dir ja, aber …“

„Aber was? Scheiße, kein Aber!“

„Es spricht eben zurzeit alles dafür, dass du, wie auch immer, in diese verfluchte Sache verwickelt bist. Aber …“ Roland machte eine Pause. „Aber ich glaube dir!“

Carsten schlug sich mit der Faust gegen die Stirn, als die Tür geöffnet wurde. Eine attraktive Krankenschwester blickte Klotz und Roland vorwurfsvoll an.

„Sie warten besser kurz draußen. Was geht nur in Ihnen vor, einen Patienten so aufzuregen?!“

Als die beiden Würzburger Beamten den Raum verließen wie zwei geprügelte Hunde, sahen sie im Flur einen älteren Mann und eine junge Frau, die in ihre Richtung liefen. Das Vernehmungsteam des LKA München. Sie stellten sich als Hümmer und Kollegin Strasser vor.

Die Krankenschwester öffnete die Tür. Sie schaute die Neuankömmlinge sehr skeptisch an.

„Bitte gehen Sie mit Herrn Beck etwas sensibler um als diese beiden Herren!“

Bevor die beiden Ermittler aus München das Patientenzimmer betraten, drehte sich Hümmer noch mal um.

„Danke für eure Vorarbeit. Wenn wir euch für Vernehmungen und Befragungen brauchen, kommen wir auf euch zurück. Ihr könnt jetzt gehen! Die Vernehmung hier machen wir alleine. Ist immer unangenehm, gegen einen Kollegen zu ermitteln. Vor allem, wenn es sich um einen so schweren Verdachtsfall handelt. Das könnt ihr uns glauben. Passt’s auf, dass euch die Linken nicht eure schöne Stadt abfackeln. Servus!“

Im Flur mit dem sterilen Licht und dem Geruch nach Desinfektionsmitteln atmete Klotz schwer. Er blieb stehen und stützte sich mit der rechten Hand an der mintgrünen Wand ab.

„Alles in Ordnung, Kalle?“

„Danke, geht schon“, stöhnte der Chef.

„Ich lass nicht locker, Kalle, bis ich rausgekriegt habe, was da auf der Treppe tatsächlich passiert ist. Das bin ich Carsten schuldig. Der ist so pflichtbewusst und korrekt. Der ballert nicht grundlos durch die Gegend. Irgendwer war dort und hat mit Carstens Knarre geschossen. Ich bekomme das raus! Ich schwöre! Und wenn es das Letzte ist, was ich in meiner restlichen Zeit noch machen werde.“

„Es gibt keine Zufälle, Roland. Meine Rückendeckung hast du. Nur, hol Carsten aus dieser verflixten Schusslinie!“

Als die Münchener Beamten das Krankenzimmer verließen, diskutierten sie erregt miteinander und bemerkten die Krankenschwester nicht, die ihnen irritiert nachsah.

Hümmer trug einen Plastiksack mit Kleidung von Carsten. Strasser hatte akribisch Proben von seiner Hand und seinen Haaren genommen. Der Beschuldigte hatte die Prozedur stoisch und erschöpft über sich ergehen lassen. Er war sich sicher, dass sie keine Schmauchspuren oder Schwermetalle wie Barium und Antimon finden würden. Schließlich hatte er doch nicht geschossen. Oder? Er konnte es nur hoffen. Dieses Loch, dieses verdammte schwarze Loch. Er konnte es nicht durchdringen. Seine Gedanken rotierten. Er warf den Kopf hin und her. Lag in seinem Schweiß. Ihm war übel vom eigenen Gestank.

Er wusste selbst nicht, ob er unschuldig war.

Caroline, die Krankenschwester, bewegte sich mit sanftem Schritt auf ihn zu. Seine Augenlider zuckten nervös. Tränen...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2024
Verlagsort Würzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Franken • Krimi • Spannung • Würzburg
ISBN-10 3-429-06701-4 / 3429067014
ISBN-13 978-3-429-06701-4 / 9783429067014
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