Jerry Cotton 3520 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6841-2 (ISBN)
Staatsanwalt Mike Hearn wurde auf offener Straße erschossen. Eine blondgelockte Frau entfernte sich vom Tatort. Bald darauf fand man den Gerichtspsychologen Frank Ferguson nackt und tot in seinem Apartment. Sein Kopf steckte in einer Fetischmaske. Mutmaßliche Täterin war eine schwarzhaarige Schönheit. Beiden Taten konnten private Motive zugrunde liegen. Bald wurde allerdings klar, dass die Morde eine ganz andere Dimension hatten. Und auch Phil und ich gerieten auf die Todesliste der Killer!
Pakt der Killer
Der Morgen dämmerte herauf, als Staatsanwalt Mike Hearn aus der Tür der Good Judy Bar in Brooklyn heraustaumelte und sich anschickte, über die regennasse Straße den Heimweg anzutreten.
In der von Feuchtigkeit getränkten Luft verschwammen die Lichtkegel der Laternen in Hearns Kopf zu vibrierenden Energiefeldern. Mit leichter Panik registrierte er, dass der Alkohol es ihm schwermachte, sich auf den Beinen zu halten. Wütendes Hupen verriet ihm, dass er auf die Fahrbahn geraten sein musste.
Jemand packte ihn am Arm und riss ihn jäh zurück.
»Wär' fast schiefgegangen, Kumpel«, sagte eine Männerstimme.
Hearn versuchte krampfhaft, sich auf das Gesicht seines Retters zu konzentrieren. Was er sah, waren blondgewellte Haare und ein blutrot geschminkter Mund, der sich zu einem breiten Grinsen öffnete.
»Ich muss auf Nummer sicher gehen«, sagte die Stimme.
Den trockenen Knall des ersten Schusses hörte Hearn kaum noch.
Es war ein Treffen auf höchster Ebene.
Die New Yorker Cosa-Nostra-Bosse Elaine Ruggero und Toni Mancini hatten ganz oben in einem vierzigstöckigen Glaspalast an der Fifth Avenue zu einem konspirativen Treffen geladen.
Elaine stand am Fenster, mit dem Rücken zu dem kleinen Raum, in den sie sich mit dem Paten der Mancini-Familie zurückgezogen hatte. Gegen ihre Gewohnheiten hatte sie sich als Lady verkleidet, das kleine Schwarze angelegt, wie sie es ironisch nannte.
Sie warf einen zerstreuten Blick auf die maskuline Rolex Daytona, für die sie schlappe dreißigtausend Dollar hingeblättert hatte.
Neun Uhr. Auf die Sekunde.
Eine gute Zeit, um Geschäfte zu machen. Früh genug, dass die Menschen noch nicht entnervt im trägen Strom ihrer alltäglichen Verrichtungen dahintrieben. In der sie offen waren für Einflüsterungen und Manipulationen.
»Keine Sorge, du siehst richtig edel aus.« Toni hockte breitbeinig auf einem für seine imposante Gestalt viel zu niedrigem Stuhl und rauchte. Er lächelte mit der Selbstgewissheit eines Mannes, der sich für unwiderstehlich hielt.
Elaine Ruggero klappte den Schminkspiegel zu, nachdem sie ihr sparsames Make-up überprüft hatte, und verstaute ihn in ihrer beigefarbenen Gucci-Tasche.
»Nettes Kompliment«, sagte sie leichthin. Doch sie wusste selbst, was ihre Augen ausdrückten: nichts als Abweisung und Härte.
Kein Wunder, Toni war mit seinen siebzig Lenzen dreißig Jahre älter als sie und mit seiner knittrigen eingedrückten Boxervisage weiß Gott kein Prachtexemplar betörender Männlichkeit. Jedenfalls nicht, wenn man wie Elaine junge, gut riechende Menschen mit glatter Haut und perfekten Umgangsformen bevorzugte.
Toni konnte trotz seines dunkelblauen Tausenddollaranzugs nicht verhehlen, dass er einer lausigen sizilianischen Bauernfamilie entstammte. Bestenfalls mochte man ihn aufgrund seiner grobschlächtigen Manieren als modernen Barbaren bezeichnen. Diese Rohheit war gepaart mit einem Hang zum Närrischen und Selbstdarstellerischen.
Elaine hingegen war die Tochter einer genuesischen Familie, die mit schmutzigen Immobiliendeals auf Platz zehn der prominentesten Bürger der norditalienischen Stadt vorgerückt war und als besonders vornehm galt. Ihre Eltern liebten Opernmusik oder taten immerhin so. Elaine stand seit jeher auf düsteren Rock, mochte aber auch klassische Romantik und den Gesang von Jeanne Moreau. Alle Musik eben, die machtvolle Energien heraufbeschwor.
Vor Beginn der Konferenz hatte sie mit Toni noch mal allein sprechen wollen, um ihm etwas Wichtiges zu verklickern. Gegenüber, auf der anderen Seite des endlosen Flurs, warteten die Repräsentanten der übrigen Clans darauf, dass es losging. Einige Bosse waren selbst erschienen, andere hatten einen oder gleich mehrere Stellvertreter geschickt. Sie kamen aus Columbus in Ohio, Lansing in Michigan, Austin in Texas, Boston in Massachusetts und Chicago in Illinois. Mit New York waren heute also sechs Bundesstaaten vertreten.
Bisher hatte Toni geduldig darauf gewartet, dass Elaine mit ihrem Anliegen herausrückte.
»Also«, drängte er nun schroff, »was liegt noch an? Ich denke nicht, dass du mir deine Schminkkünste vorführen wolltest.«
Elaine gab sich einen Ruck.
»Du musst etwas wissen.« Sie presste kurz die Lippen zusammen, ehe sie weitersprach. »Was wir hier anzetteln, ist ein Riesending. Falls einer deiner Leute uns verrät, mache ich dir die Hölle heiß.«
Toni zog geräuschvoll die Nase hoch. »Was soll das heißen, General?«
Sie mochte es nicht, wenn er sie so nannte, nur weil es in ihrem Clan so üblich war.
»Stell dich nicht dumm, Toni. Vor zwei Monaten hat das FBI einen deiner Revolverhelden weichgekocht, Ed Snyder. Der Kerl hat 'ne Menge ausgeplaudert und dich ganz schön reingeritten.«
»Na und? Ich meine, er war lebensmüde, hat sich im Knast einen Strick um den Hals gelegt, damit war der Fall erledigt. Warum kommst du mir jetzt mit dem Mist?«
»Geht mich nichts an, meinst du?«
»Richtig.«
»Stimmt, und es würde mich auch einen Scheiß interessieren, was in deiner Familie schiefläuft. Nur jetzt sind wir Partner. Falls du deine Leute künftig nicht im Griff hast, bedroht es mich auch, capisci?«
Toni fletschte grimassenhaft die Zähne und schwieg.
»Sind wir uns einig?«, fragte Elaine unbeeindruckt.
»Du solltest mir nicht drohen.«
»Nenn es, wie du willst. Ich möchte, dass Klarheit herrscht zwischen uns.«
Toni setzte erneut sein Lächeln auf, dieses Mal wirkte es gefräßig und angriffslustig. »Ich denke, ich sollte ich es dir mal so richtig besorgen. Vermutlich würde das unsere Beziehung entspannen.«
»Das würdest du nicht überleben«, stellte Elaine sachlich fest.
»Okay«, gab sich Toni versöhnlich, »wir haben Besseres zu tun, als uns gegenseitig mit Dreck zu bewerfen.«
Elaine hob abwehrend die Hände. »Du hast dich nicht im Griff, Toni, das ist dein Problem. Und du hast keinen Respekt.«
Toni zuckte genervt mit den Schultern, schnipste seinen Zigarettenstummel auf den Teppichboden und zerquetschte ihn mit dem Schuhabsatz.
»Also schön«, knurrte er, »war's das?« Er stemmte sich aus dem Stuhl hoch. »Man wartet auf uns.«
»Moment mal!«, hielt Elaine ihn auf.
»Was?«, stieß er ungehalten hervor.
Sie deutete in die Richtung des Konferenzraums. »Hast du ihre skeptischen Gesichter gesehen?«
»Keine Ahnung, ist das wichtig?«
»Was, wenn sie auf die Idee kommen, wir wollten sie unserem Kommando unterwerfen, um an ihren Geschäften mitzuverdienen?«
»Sie haben dasselbe Problem wie wir. Der Unterschied ist, wir können es lösen. Wir haben Hearn erledigt, und das ist erst der Anfang. Spätestens wenn sie feststellen, dass wir diesem Staat gewaltig in die Eier treten, werden sie uns aus der Hand fressen.«
»Sie sind Wölfe, Toni, sie fressen niemandem aus der Hand.«
Er trat auf sie zu und starrte ihr stumm in die Augen. Es war seine Masche. Da er einen Kopf größer war als sie und doppelt so breit, hoffte er wohl, sie damit zu beeindrucken. Elaine musterte demonstrativ seine gekräuselten gelblichen Haare, die dunklen stechenden Augen, die tief in den knochigen Höhlen lauerten, und die dünne, fleckige Haut, die sich über die wulstigen Wangenknochen spannte. Befriedigt spürte sie, wie ihn das verunsicherte.
»Hör zu, General, wir beide haben einen Pakt geschlossen«, sagte Toni. »Und wir wollen andere Cosa-Nostra-Familien daran beteiligen. Das schaffen wir nur, wenn wir gleich einen starken Auftritt haben.« Seine heisere Stimme war eine Etage tiefer gerutscht und klang wie das Grollen eines aufziehenden Gewitters. »Aber wenn du so daher quatschst, denke ich, du hast es nicht drauf. Vielleicht hätte ich 'ner Frau nicht so viel zutrauen dürfen.«
Schwere Männer fallen schwer. Der Spruch fiel Elaine unversehens ein und erheiterte sie. Auch für Toni würde eine Kugel reichen, um ihn aus den großen Stiefeln zu heben. Sollte es an der Zeit sein, würde sie dafür sorgen.
»Komm«, forderte sie Toni auf, »stellen wir uns der Meute!«
Schulterzuckend wandte sich Toni von ihr ab und stapfte zur Tür.
Elaine folgte ihm lächelnd.
Um neun Uhr am Donnerstagmorgen war Mr High von einer Reise nach London zurückgekehrt, wo er mit Director Fuller an einem internationalen Symposium von Leitern westlicher Ermittlungsbehörden teilgenommen hatte. Es war um den gemeinsamen Kampf gegen die organisierte Kriminalität gegangen. »Krieg gegen den Staat«, hatte das Thema gelautet.
Unterschiedliche Mafiaverbindungen bedrohten zunehmend die innere Sicherheit und Integrität der demokratisch verfassten Staaten: durch offene Gewalt und Infiltration sozialer und ökonomischer Strukturen sowie politischer Netzwerke. Aus diesem Grund hatte es in jüngerer Zeit immer häufiger Treffen wie das in der englischen Hauptstadt gegeben.
Noch während Mr Highs Abwesenheit hatte das Federal...
Erscheint lt. Verlag | 30.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-6841-6 / 3751768416 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6841-2 / 9783751768412 |
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Größe: 933 KB
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