Lassiter Sonder-Edition 58 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7317-1 (ISBN)
Whip Brazeen starrte Lassiter hasserfüllt an. In seiner Rechten lag der kurze Peitschenstiel. Die yardlange Schlangenhautschnur ringelte sich über den Boden.
'Ich werde dich von meinem Grund und Boden peitschen!', schrie der Rancher. 'Ich -'
'Versuch es nur', unterbrach ihn Lassiter kalt und hob seinen Revolver. 'Eine Kugel wird reichen, um dich zur Hölle zu schicken.'
'Tatsächlich?', hörte Lassiter hinter seinem Rücken eine tödlich sanfte Frauenstimme. Gleichzeitig drang das scharfe Knacken eines Revolverhahns an seine Ohren...
LASSITER UND DER TEUFELSRANCHER
Die Bühne im Keller von Miss Minerva Espys berühmtem Sportpalast in der Prairie Avenue zu Chicago lag im gleißenden Licht der Gaslampen. Zwei blutjunge Frauen wälzten sich keuchend und schwitzend am Boden. Schrill durchbrachen ihre Schmerzensschreie das Gejohle der erregten Menge.
Die Kleider, die sie zu Beginn der Vorstellung getragen hatten, hingen den beißenden, tretenden und kratzenden Frauenzimmern in Fetzen vom Leib. Weißes, mit blutigen Schrammen bedecktes Fleisch war zu sehen.
Die Schwüle in dem niedrigen, rauchgeschwängerten Raum wurde unerträglich. Den Zuschauern schienen die Augen aus dem Kopf zu springen. Durch wüste Rufe machten sie sich Luft.
»Mach sie fertig! Drück ihr die Nase platt!« – »Ich setze einen Hunderter auf die Rothaarige! Wer hält dagegen?« – »Gebt den lahmen Enten die Peitsche. Die schlafen noch dabei ein!«
Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1975 als Lassiter-Taschenbuch Nr. 58 als Übersetzung aus dem Englischen. Originaltitel: Ride Into Hell
Lassiter stand abseits der tobenden Menge, die gierig die flache Bühne umringte. Er hatte keinen Blick für die beiden unglücklichen Dirnen, die ihr Letztes hergaben, um das blutrünstige Publikum zufriedenzustellen und sich gegenseitig zu zerfleischen.
Lassiters Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf einen Mann, der in der vordersten Reihe der Gaffer stand. Er war jung. Ein hübscher Bengel, groß und hager, mit pechschwarzem krausen Haar, einem ovalen Gesicht und einem weichen Kinn. In seinen Augen lag ein eiskalter Glanz.
Seine Kleidung nach Westernmanier wirkte kostspielig und stutzerhaft. Rehfarbene, hautenge Hosen, ein mexikanisches Spitzenhemd und ein auf Taille geschneidertes, dunkles Jackett mit Silberknöpfen. Sein Name war Burke Brazeen. Ein Name, der westlich von Fort Worth und südlich von Denver nur mit äußerstem Respekt genannt wurde. Dabei war er gar nicht der Brazeen, der dem Namen seinen Klang gegeben hatte. Er war nur dessen Sohn.
Aber deswegen beobachtete Lassiter den Knaben nicht. Er gab einen Dreck um Brazeen und seinen Sohn. Burke, der eine halbnackte Puppe aus Miss Minervas Nuttenstall im Arm hielt, trug etwas unter seinem eleganten Jackett.
Und das interessierte Lassiter.
Der Mann trug Schmuck mit sich herum. Diamanten im Werte von hundertfünfzigtausend Dollar, eine Halskette, ein Armband und einen Ring mit einem zehnkarätigen Edelstein.
Ein kesses junges Ding trippelte auf Lassiter zu. Er ging ihr entgegen. Sie stand nun genau zwischen ihm und Burke Brazeen.
»Zigarre, Sir?«
Sie hielt ihm ein Tablett hin.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er Brazeen, während er dem Mädchen zulächelte und sich über ihre Waren beugte. Lassiter wählte eine lange, blassgrüne Zigarre aus. Dann zog er ein dickes Bündel Banknoten hervor, um zu zahlen.
Dabei spürte er förmlich die eiskalten Blicke, die ihn angespannt musterten.
Miss Minerva Espy persönlich war auf ihn aufmerksam geworden. Die wohlbeleibte, blonde Dame, die ihren mächtigen Körper in ein kastanienbraunes Abendkleid gezwängt hatte, ließ ihn nicht mehr aus den Augen.
Lassiter spielte den Ahnungslosen. Er ließ sich von der Kleinen Feuer geben, zog einen Zehner aus dem Packen Geldscheine und steckte ihr die Note in den Ausschnitt. Ein erfreutes Gekicher war die Antwort.
Im Weggehen flüsterte sie hastig: »Mister, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, verschwinden Sie – auf der Stelle.«
Genüsslich paffte Lassiter den Rauch aus, während er dem Girl einen Klaps auf das junge, feste Hinterteil versetzte. Dabei bemerkte er Miss Minerva, die irgendjemand im Dunkel des Treppenaufgangs einen unauffälligen Wink gab.
Sie hat das Geld erspäht und handelt, dachte Lassiter. Ihren scharfen Augen konnten die fünfhundert Dollar nicht entgangen sein, die er achtlos in die Seitentasche seines Rockes geschoben hatte. Da er ohne Begleitung hier war und die Frau ihn nicht kannte, hatte sie ihm kurzerhand eine nette Beule am Hinterkopf zugedacht. Sollte er die Geschichte heil überstehen, würde er sich am nächsten Tag irgendwo in der Stadt mit leeren Taschen wiederfinden.
Der gelbhaarige Feger hatte seine Fleischmassen inzwischen auf die enge, niedrige Bühne befördert. Ihre Hand erhoben, gebot Miss Minerva Ruhe. Lassiter betrachtete die füllige Gestalt in dem braunen Abendkleid kritisch. Er fragte sich, ob sie etwa die halbbetrunkene Schnalle auf Burke Brazeen angesetzt hatte, um bei ihm das kleine Vermögen an Diamanten abzustauben.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls musste Burke auch früher schon hier gewesen sein. Denn er hatte das Juweliergeschäft von DeMeers Brothers verlassen und war schnurstracks zu Miss Minervas Sportpalast geeilt.
Miss Minerva schien von Burke Brazeen keine besondere Notiz zu nehmen. Auch Lassiter beachtete sie nicht. Mit einer heiseren, ein wenig versoffen klingenden Stimme verkündete sie: »Ladys and Gents! Wir stellen Ihnen heute Abend zwei sportliche, junge Damen vor, die in diesem Kampf das letzte hergeben werden, um Sie, hochverehrtes Publikum, zu befriedigen...«
Es folgten einige weitere zweideutige Bemerkungen, die als Scherze gedacht waren. Dann wies Miss Minerva mit einer weitausholenden Handbewegung auf die beiden Frauen, die einen Augenblick verschnauften und sich mit stumpfen, angstvollen Blicken anglotzten.
Die beiden, posaunte Miss Minerva, hätten sich dummerweise in ein und denselben Mann verliebt. Und nun müsse eine von ihnen das Feld räumen. Sie seien übereingekommen, dass die Verliererin mit einem Dampfer den Mississippi runter nach New Orleans abgeschoben würde. Und das sei, wie man wisse, die letzte Station vor der Hölle der Sklaverei auf den karibischen Inseln.
Wieder vollführte die Dame des Hauses eine gebieterische Geste. Die Fleischmassen an ihr wabbelten wie Gelatine. Mit vor Ergriffenheit bebender Stimme rief sie: »All right, meine Täubchen. Auf in den Kampf!«
Die beiden Kämpferinnen umkreisten sich mit einigen lauernden Schritten. Dann stürzten sie aufeinander los. Ihre Schmerzensschreie gellten. Ausgerissene Haarbüschel flogen zu Boden. Die Auseinandersetzung näherte sich dem Höhepunkt. Sie taumelten in einem Nebel von Schmerz und Erschöpfung. Im nächsten Augenblick würde eine von ihnen auf die Bretter gehen und keuchend alle viere von sich strecken.
Und in diesem Moment würde Miss Minerva ihre ganze Aufmerksamkeit Lassiter widmen – und dem Packen Geldscheine in seiner Rocktasche.
Lassiter erkannte die vierschrötige Gestalt, die plötzlich aus dem Halbdunkel am Fuß der Treppe hervortrat. Das Gesicht und der glattrasierte Kopf des Gorillas waren voller Narben.
Sekunden später tauchte der andere auf. Ein hagerer, dunkelhäutiger Bursche mit einer Augenklappe und einem gefährlichen Grinsen unter dem struppigen Schnurrbart.
Lassiter überlegte nicht lange.
Er hatte zwar hier in Chicago den Revolvergurt mit den tiefgeschnallten Colts nicht angelegt. Aber in einer dafür vorgesehenen Hüfttasche trug er einen 44er Revolver. Seine Hand schob sich in die Nähe der Waffe, während er langsam vor den angreifenden Gorillas zurückwich.
Lassiter erreichte Burke Brazeen und trat ihm mit voller Wucht auf die Zehen.
Wütend vor Schmerz schrie der junge Mann auf. »Pass doch auf, wo du deine Quadratlatschen hinstellst, du dämlicher Kerl!«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Lassiter drüben am Treppenaufgang eine plötzliche Bewegung.
Er sah die hinreißende Gestalt einer Frau. Das leuchtend blaue Kleid umschloss sie wie eine zweite Haut. Ein schwarzer Pagenkopf umrahmte das goldbraune Gesicht mit dem rotschimmernden Mund.
Lassiter starrte die Frau an und spürte, wie eine Woge des Verlangens ihn erfasste. Er verwünschte Brazeen und seine Diamanten. Er verspürte den unwiderstehlichen Wunsch, zu ihr zu gehen und sie mit auf sein Hotelzimmer zu nehmen.
Stattdessen lächelte er Brazeen an und murmelte: »Tut mir leid, Amigo!«
Seine Faust, die den 44er umschloss, kam hoch. Es sah aus, als klopfe er dem jungen Mann auf die Schulter. In Wirklichkeit traf der Schlag dessen Nacken. Burke verdrehte die Augen, als er Lassiter in die Arme sank.
Lassiter fing ihn auf und rief: »Platz frei! Nun gehen Sie schon auf die Seite...«
Er lud sich den jungen Brazeen auf die linke Hüfte und setzte sich in Richtung Treppenaufgang in Bewegung.
Einen Augenblick lang dachte Lassiter, er würde es schaffen.
Miss Minervas Rausschmeißer waren aus dem Konzept geraten und schienen unschlüssig. Und auf der Bühne lag die Rothaarige besiegt unter ihrer Nebenbuhlerin und stieß einen langgezogenen, durchdringenden Schrei aus, während diese ihr unbarmherzig sämtliche Fingernägel durch das Gesicht zog. Die Augen des Publikums hingen gebannt an dem Geschehen auf der Bühne. Alles drängte und schob sich nach vorne. Ein irrer, fieberhafter Glanz stand in den Gesichtern der Menschen.
Der Kerl, der auf die Rote gesetzt hatte, versuchte in den Ring zu klettern und schrie wie von Sinnen: »Du gottverdammte, feige Schickse! Ich werde dir...«
Lassiter quetschte sich mit...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • Cassidy • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g f barner • Indianer • Karl May • Kindle • Klassiker • Laredo • Männer • Nackt • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wyatt-Earp |
ISBN-10 | 3-7517-7317-7 / 3751773177 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7317-1 / 9783751773171 |
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