Das Haus Zamis 105 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7290-7 (ISBN)
»Was kann ich für dich tun?«, fragte ich Asmodi.
»Du wirst an einer Besichtigungstour teilnehmen.«
Ich runzelte die Stirn. Das klang viel zu harmlos, um alles gewesen zu sein. »Was für eine Besichtigungstour?«
»Die Insel Île de Sainte Croix steht zum Verkauf. Der Verwalter hat am nächsten Wochenende mögliche Investoren zu einer Besichtigung eingeladen.«
Ich runzelte die Stirn. »Das war's? Wo ist der Haken?«
»Du stellst zu viele Fragen, Coco.«
»Ich versuche nur herauszufinden, an welcher Stelle es für mich gefährlich wird«, verteidigte ich mich.
»Wenn du den Auftrag zur Abwechslung einmal zu meiner Zufriedenheit erfüllst, bekommst du sogar dein Balg zurück.«
»Wann soll ich aufbrechen?«, fragte ich, mühsam die Wut unterdrückend.
»Morgen ...«
1. Kapitel
Sie schlug den Weg ein, den sie gekommen war, die schweren Schritte des Besuchers immer hinter ihr. Die Echos in den alten Gängen ließen es klingen, als säße ihr eine ganze Armee im Nacken. Schließlich sah sie am Ende des Ganges den Schein der blauen Flammen. Dann kam das Feuerbecken in Sicht, und daneben, halb im Schatten, die schwere, alte Tür.
»Es ist schlimmer geworden«, sagte sie leise, während der Gast die Hände in die Flammen hielt.
»Tatsächlich?«, fragte er scharf.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Dumm von ihr. Natürlich war es schlimmer geworden. Es wurde immer schlimmer.
Der Gast schöpfte einen Teil des blauen Feuers heraus. Die magischen Flammen züngelten auf seinen Handflächen. Er spritzte sie sich wie Wasser ins Gesicht, wo sie genauso abperlten wie Azelas Blicke. Sie flossen an seinem Oberkörper hinab und landeten als langsam verglühende Pfützen auf dem Steinboden.
»Wir haben noch eine weitere Schutzmaßnahme eingeführt.« Schwester Azela nahm eine Pestmaske von einem Ständer im Schatten des Beckens. Sie war weiß, besaß einen langen Schnabel.
»Eine alte Pestmaske?« Der Gast klang amüsiert.
»Mit einer ganz besonderen Mischung von Kräutern und gemahlenen Knochen im Schnabel.«
»Nun gut.« Er setzte die Maske auf, und endlich hatte Azelas Blick etwas, an dem sie sich festhalten konnte. »Können wir dann?«
Eilig öffnete sie die Tür.
Gemeinsam mit dem Gast trat sie ein. Der Gestank nahm ihr beinahe den Atem. Das Zimmer war dunkel, die Gestalt im Bett nur schemenhaft zu erkennen.
Schwester Azela blieb bei der Tür stehen. Der Gast trat auf das Bett zu. »Theresa.«
»Mein Liebster.« Theresas Stimme klang heiser. »Du kommst immer noch.«
»Natürlich.« Er setzte sich auf einen Schemel neben dem Bett und ergriff Theresas Hand. »Ich will dich sehen.«
»Nein, glaube mir, das willst du nicht.«
»Doch. Schwester, zieh die Vorhänge auf!«
Schwester Azela eilte zu den Vorhängen und zog sie zur Seite. Sonnenlicht flutete in den Raum. Sie senkte den Blick und bemühte sich, nicht hinzusehen. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie einen Blick auf Theresas Gesicht.
Die Augen waren zwei Edelsteine inmitten einer Kraterlandschaft. Die ehemals seidige Haut Theresas war von schwarzen Pusteln übersät. An einigen Stellen waren sie aufgeplatzt. Eiter floss heraus, den Theresa mit einem einstmals weißen Spitzentaschentuch abwischte.
Theresa hob eine Hand. »Sieh mich nicht an!«
»Ich will sehen, wofür ich ein Heilmittel zu finden habe.«
»Niemand findet ein Heilmittel gegen die Dämonenpest.«
Der Gast ballte die Hände zur Faust. »O doch! So viele habe ich ihr bereits zum Fraß vorgeworfen. Ich werde sie auch zurückrufen! Sie hat mir zu gehorchen.«
Theresa schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht mehr genug Zeit!«
Wieder ergriff der Gast ihre Hand. Er beugte sich vor, und der Schnabel der Maske berührte fast ihr zerstörtes Gesicht. »Ich werde dein Leben retten, Theresa. Ich schwöre es.«
St. Petrus, Frankreich
Jacques
Jacques sah sich zufrieden um. Beinahe fünfzig Personen hatten sich vor dem Rathaus in St. Petrus versammelt. Ein voller Erfolg für diese Demonstration. Die Menschen trugen Plakate mit der Aufschrift:
»Finger weg von der Île de Sainte Croix.«
»Keine Macht dem Geiz!«
Oder: »Die Insel gehört uns!«
Besonders gut gefiel Jacques das Transparent, das die Witwe Magdalena gebastelt hatte. »Wir werden keine Touristenfalle.« Andererseits, vielleicht gefiel ihm vor allem die Witwe, deren Busen wogte, während sie ihr Transparent schwenkte. Mit ihrer energischen Art erinnerte sie ihn an seine Antonia – Gott habe sie selig.
Jean stieß ihn in die Seite. »Noch ein Sprechchor?«
Jacques riss sich vom Anblick der Witwe los. »Warum nicht?«
Sofort hob Jacques' schmächtiger Kollege sein Megafon. »Was wollen wir nicht, Leute?«
»Dass die Insel verkauft wird!«, rief die Menge.
»Was wollen wir hier nicht?«
»Touristen!«
»Wem gehört die Insel?«
»Uns!«
»Was sagen wir?«, rief Jean.
»Kein Geld von reichen Investoren«, brüllten die Demonstranten. »Sonst gibt's was auf die Ohren.«
Der Reim war verbesserungswürdig, das musste Jacques zugeben. Doch insgesamt lief die Aktion nicht schlecht.
Jean ließ das Megafon sinken. Er lehnte sich zu Jacques und senkte die Stimme. »Ernsthaft, Jacques. Ich denk immer noch, diese reichen Russen, oder was auch immer, sollen sich an der verfluchten Insel einfach mal die Zähne ausbeißen.«
»Komm mir nicht wieder mit den Schauergeschichten, Jean.«
Jean schnaubte beleidigt. »Ich hab sie gesehen, die wandelnden Toten.«
»Du hast ein paar Gestalten im Nebel gesehen.«
»Aber die sind echt komisch gelaufen. So steif und so. Und sie haben ganz schrecklich gestöhnt. War wirklich unheimlich. Glaub's mir. Und was ist mit Pierre?«
Jacques schüttelte den Kopf. »Pierre ist besoffen ins Wasser gefallen und ertrunken.«
»Warum wurde dann nie seine Leiche gefunden?«
Jacques zuckte mit den Schultern. »Das Meer ist groß und die Fische hungrig. Haben wir das nicht alles schon diskutiert?«
Jean hob die Hände. »Ist ja gut. Ich unterstütz dich ja auch. Aber denk noch mal über den Plan für heute Nachmittag nach.«
»Jean, es ist nur eine Insel.«
»Eine verlassene, unheimliche Insel.«
»Verlassene Orte sind immer ein bisschen unheimlich.«
Die Sprechgesänge ließen langsam nach. Jean hob wieder das Megafon. »Was sagen wir?«
»Die Insel gehört uns!«, brüllte die Menge.
Erneut senkte er das Megafon. Er spähte Richtung Rathaus. »Sieht nicht so aus, als würden wir was erreichen.«
Tatsächlich regte sich im Rathaus auffallend wenig.
»Vielleicht sollten wir's gut sein lassen für heute«, schlug Jean vor.
»Da kommt er!«, rief in diesem Moment die Witwe Magdalena.
Jacques sah sich nach ihr um. Sie deutete zur linken Ecke des Rathauses. Dort kam der Bürgermeister gerade vom Parkplatz. Er trug noch Gummistiefel und seine Arbeitshose.
»Jetzt noch mal alle«, rief Jean durch das Megafon.
»Kein Geld von reichen Investoren! Sonst gibt's was auf die Ohren!«
»Was soll das hier?« Bürgermeister Lafayette kam etwas außer Atem vor dem Eingang des Rathauses an. »Jacques? Jean?«
»Wir protestieren gegen den Verkauf der Insel«, erklärte Jacques.
Müde fuhr sich der Bürgermeister über die spärliche Haartracht. »Wir haben doch eine Abstimmung gemacht. Der Verkauf ist beschlossen.«
»Die ganzen jungen Leute haben dafür gestimmt!«, protestierte die Witwe. »Denen ist doch egal, was aus St. Petrus wird! Die ziehen doch eh alle früher oder später in irgendeine Stadt!«
Der Bürgermeister seufzte. »Sie ziehen weg, weil sie hier keine Jobs finden. Wenn ein paar Touristen herkämen ...«
»Sie würden Jobs finden!«, brüllte jemand von weiter hinten dazwischen. »Wenn sie Fischer werden würden! Aber dafür sind sie sich ja zu fein!«
Bürgermeister Lafayette schüttelte den Kopf. »Es wurde nun mal abgestimmt, und die Mehrheit war dafür. Also machen wir's. So funktioniert Demokratie, Leute.«
»Hab schon immer gesagt, dass die jungen Leute viel zu früh wahlberechtigt sind«, grummelte jemand aus der Menge.
»Das lassen wir uns nicht gefallen!«, rief die Witwe und wedelte mit ihrem Transparent. Jacques konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen.
»Genau«, rief er. »Wenn niemand auf uns hören will, dann gehen wir jetzt eben zum zweiten Teil der Demonstration über!«
»Jacques, bitte überleg's dir noch mal«, flüsterte Jean. Doch gleichzeitig strahlte die Witwe Jacques an. Es war längst zu spät, um es sich anders zu überlegen.
»Wir besetzen die Insel!«
Jubel brandete Jacques entgegen.
Als der erste Nebel über das Wasser kroch, begann Jacques an seinem Plan zu zweifeln.
Er stand an der Reling von Jeans Fischerboot. Die Witwe stand im Bug und spähte nach vorn. Sie hatten nur kurz miteinander geredet, und sie hatte ihm erzählt, wie glücklich sie damit war, mit ihren beiden Töchtern zusammen einen männerfreien Haushalt zu führen. Mit einem Mal hatte der Tag viel von seiner Großartigkeit verloren.
Und nun kam auch noch der Nebel. Er folgte zeitverzögert den Bewegungen der Wellen. Ein ganz eigenes, träges Meer. Er legte sich um den Bug des Boots, und Nebelfinger krochen daran hoch, schienen nach Jacques zu greifen.
Wenig später legten sich...
Erscheint lt. Verlag | 19.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-7290-1 / 3751772901 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7290-7 / 9783751772907 |
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Größe: 2,3 MB
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