G. F. Unger Sonder-Edition 305 (eBook)

Radigan

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7152-8 (ISBN)

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G. F. Unger Sonder-Edition 305 - G. F. Unger
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Natürlich brach ich sofort auf, als mich Fees Hilferuf erreichte. Schließlich waren wir einmal sehr glücklich miteinander gewesen. Sie hatte mich dann zwar verlassen und einen anderen geheiratet, aber jetzt schien sie in Not zu sein, denn ihr Mann war der Kugel eines heimtückischen Killers zum Opfer gefallen.
Nun, zunächst sah es so aus, als hätte ich richtig gehandelt. Fee und ich wurden wieder ein Paar, und bald erzählte sie mir von dem Goldschatz unter ihrem Haus, den sie mit meiner Hilfe bergen wollte. Ich war ein Narr, denn nachdem ich eingewilligt hatte, zeigte Fee plötzlich ihr wahres Gesicht. Und außerdem: Wer vermag schon zehn Hundert-Pfund-Barren Gold allein und ungehindert den Big Muddy hinunter nach St. Louis zu schaffen?

Radigan

Es war schon Nacht, als ich auf meinem leicht hinkenden Wallach die Fähre gegenüber von Hat Rock erreichte. Drüben auf der anderen Seite leuchteten die Lichter der Stadt am Fuß des riesigen Felsenbergs, der die Form eines Hutes hatte.

Das Licht von Mond und Sternen gab dem schlammigen Strom eine Messingfarbe, färbte den Big Muddy – den »Großen Schlammfluss« – fast goldig.

Aber wie so viele Dinge auf dieser Welt war auch dies nur Schein, Illusion, Bluff oder wie man es sonst nennen mochte. Denn was ist schon echt auf den ersten Blick auf unserer Erde? Zumeist muss man genauer hinsehen. Erst dann kommt man dahinter, was sich hinter der Fassade verbirgt.

Ich sah auf die Lichter der Stadt und fragte mich, was dort wohl alles verborgen sein mochte.

Diese gelben und geradezu freundlich wirkenden Lichter verbargen gewiss manche Geheimnisse. Es konnte gar nicht anders sein. Denn sonst hätte mich Fee Prince nicht um Hilfe gebeten.

Überhaupt Fee Prince...

Nun, dies wäre eine längere Geschichte.

Ich ritt auf die Fähre, deren Dampfhorn nun tutete und somit das Losmachen und Ablegen ankündigte. Vor mir war ein Wagen auf die Fähre gefahren, dessen Fahrer mit einem der Fährmänner wütend über den Passagepreis diskutierte. Ich hörte den Mann bitter rufen: »Ihr seid Halsabschneider, ihr alle von Hat Rock!«

Aber der Mann, welcher Geld kassierte, erwiderte trocken: »Man nimmt immer, was man bekommen kann. Das ist so. Und wenn dir der Preis zu hoch ist, dann kannst du ja mit deinem Wagen und den vier Maultieren auf die andere Seite schwimmen.«

Der Mann kam nun zu mir. Ich war abgesessen. Er war ein bulliger Bursche mit einem Stiernacken und einem Sichelbart. Und er trug einen Colt.

Vor dem Bauch hatte er eine Geldtasche hängen, deren Schnappbügel geöffnet waren.

»Ein Dollar für Sie und ein Dollar für das Pferd«, sagte er. »Hoffentlich lässt der Gaul keine Äpfel fallen und scheißt mir das Deck voll.«

Ich grinste scheinbar freundlich, gab ihm die zwei Dollar und sagte dann: »Ich habe meinem Wallach schon eine Menge beigebracht, doch er scheißt immer noch, wann er will. Haben Sie schon mal daran gedacht, die Pferde- und Maultieräpfel zu sammeln und als Dünger zu verkaufen? Das gibt schönes Gemüse.«

Er starrte mich böse an. Aber in meiner Stimme war ein Klang von Freundlichkeit. Und so fühlte er sich doch nicht verarscht, sondern erwiderte nur: »Ich sammle keinen Pferdemist, verdammt!«

Er verließ mich, um die Klappe hochzuziehen, über die man von der Landebrücke an Bord gelangte.

Die Dampffähre legte nun ab und ließ das Heckschaufelrad rauschen, steuerte schräg gegen die Strömung zur Stadt hinüber.

Der Missouri war hier eine Viertelmeile breit. Er hatte um diese Jahreszeit normalen Wasserstand, so dass auch die schwerbeladenen Dampfboote einigermaßen gut über alle Sandbänke und sonstigen Untiefen hinwegkamen.

Der Wind über dem Strom war erfrischend. Mein Wallach und ich, wir waren lange unterwegs gewesen, viele Meilen.

Der Kassierer kam wieder zu mir. Er sagte böse: »Ich glaube, Sie haben mich vorhin verarschen wollen. Ich hätte Lust, Sie über Bord zu werfen, verdammt! Mir können Sie nicht so kommen.«

Er war nun tatsächlich böse auf mich, nachdem er lange genug nachdenken konnte.

Vielleicht wäre das alles noch gut gegangen und hätte ich ihn versöhnlich stimmen können. Aber mein Wallach fing in diesem Moment tatsächlich an zu äpfeln. Ja, er ließ eine ganze Menge fallen an gutem Pferdemist.

Und da brüllte der ohnehin schon aufgebrachte Mann: »Das ist es, was ich hasse! All die verdammten Gäule jeder Sorte scheißen sich hier auf der Fähre aus. Und ich muss es wegräumen. Aber diesmal nicht! Diesmal werfen Sie das Zeug selbst über Bord! Vorwärts! Machen Sie das Deck sauber. Oder ich werfe Sie über Bord und jage auch den Gaul von der Fähre!«

»Das werden Sie nicht«, erwiderte ich. »Bleiben Sie friedlich, Mann. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie den Pferdemist sammeln und als Gartendünger verkaufen sollten.«

Er hörte den Spott in meiner Stimme. Ja, ich verspottete ihn, denn ich mochte Choleriker nun einmal nicht leiden. Und natürlich war ich nicht dazu bereit, Pferdeäpfel mit meinen Händen vom Deck aufzusammeln und über Bord zu werfen.

Er war ein Narr, denn er versuchte mir nun mit einem Schwinger den Kopf von den Schultern zu schlagen.

Natürlich war er für mich nicht schnell genug. Wer sich mit mir auf diese Weise anlegen wollte, der musste schon verdammt schnell sein, so schnell etwa wie ein Wildkater, dem man am Schwanz fassen will.

Und so taumelte er durch die Wucht seines Fehlschlages zur Seite, prallte gegen die Reling, und weil ich nicht auf seinen nächsten Angriff warten wollte, folgte ich ihm, bückte mich ein wenig, so dass ich seine Beine ein Stück über den Knien fassen konnte.

Und dann warf ich ihn über Bord.

Im Licht der Gestirne sah ich kurze Zeit später, wie er auftauchte. Neben mir stand nun der Fahrer des Wagens, mit dem er vorhin den Disput hatte. Der Mann lachte meckernd wie ein Ziegenbock und sagte glucksend: »O weia, ist das schön! Jetzt hat dieser Bulle endlich mal...«

Er hielt inne und betrachtete mich im Mond- und Sternenschein traurig: »Freund«, sprach er dann, »Sie wollten jedoch nicht in der Stadt da drüben bleiben, sondern sofort weiter reiten. Denn das nimmt die Bande nicht hin.«

Er verstummte leise. Denn nun kam der zweite Decksmann heran und fragte: »Was ist passiert? Wo ist Bull Frank abgeblieben? Ist der über Bord gegangen?«

Er hatte es kaum gefragt, da tönte aus dem Fluss – und schon ziemlich weit abwärts – der wilde Schrei: »Hoiii, Charly...«

Aber die weiteren Worte waren nicht verständlich. Wahrscheinlich verschluckte der wütende Schwimmer nun eine Menge Big-Muddy-Wasser und musste das erst mühsam heraushusten, weil ihm auch was davon in die Luftröhre geriet.

Ich sagte zu dem Decksmann: »Er kann offensichtlich schwimmen. Also wird er nicht ertrinken. Wollen Sie vielleicht auch ein Bad im Big Muddy nehmen?«

Meine Stimme klang nun hart. Denn ich war es leid. Mein Empfang hier in Hat Rock hätte nicht unerfreulicher sein können. Und wenn das nun mal schon so war, dann sollten sie mich hier auch gleich richtig kennenlernen.

Der Fahrer des Wagens zog sich wie flüchtend zurück und zeigte damit, dass er gewiss nicht auf meiner Seite war.

Der Decksmann aber betrachtete mich vorsichtig, denn sein Verstand sagte ihm, dass ich auch mit ihm zurechtkommen würde.

Von oben aber tönte nun aus dem kleinen Ruderhaus die scharfe Frage: »Was ist los da unten? Warum ging Bull Frank über Bord?«

Aber der Decksmann fluchte nur als Antwort. Er zog sich von mir zurück. Denn die Fähre drehte jetzt noch mehr gegen die Strömung bei und ließ sich bei immer langsamer drehendem Schaufelrad mit der Backbordseite gegen die Landebrücke treiben.

Der Mann musste die Leinen vorn und achtern über die Poller werfen. Er hatte keine Zeit mehr für mich.

Ich saß auf und ritt an Land.

Der Mann brüllte hinter mir her: »Dir ziehen wir die Haut ab! Darauf kannst du wetten!«

Ich hörte es und ritt weiter den Uferweg hinauf. Denn die Stadt lag etwas höher wegen der jährlichen Hochwasser nach dem Eisbruch und der vielen Unwetter in den Bergen weiter oben in Montana. Oft genug schwollen die Flüsse bis hinunter nach Saint Louis an, wo sich der Big Muddy mit dem Mississippi vereinte.

Ich ritt also das Ufer hinauf und auf die scheinbar so freundlichen Lichter zu.

Und dabei roch ich etwas. Oh, ich wusste sofort, was es war.

Da stanken Tausende von Büffelhäuten längs des Ufers bei den Landebrücken.

Hat Rock war der Verladeplatz für diese Schande. Denn es war ja wohl eine Schande, all die großen Büffelherden nur wegen ihrer Häute zu vernichten. Aber die Geschichte der Menschheit ist ja voller Schanden. Daran wird sich gewiss niemals etwas ändern.

Ich ritt also hinauf in die Stadt und fand bald schon den Mietstall, der zur Schmiede gehörte.

Dem Stallmann sagte ich: »Der Wallach hinkt, weil ihm das linke Vordereisen fehlt. Der Schmied soll sich morgen früh darum kümmern.«

Der Stallmann war ein schon alter Bursche, gewiss ein Excowboy, der nicht mehr reiten konnte. Das ging vielen alten Cowboys so. Früher genossen sie das Gefühl der Freiheit und fühlten sich als Ritter. Später waren sie arme und zumeist kranke Hunde, die um ein Gnadenbrot betteln mussten.

Indes ich meine Siebensachen vom Pferd nahm, betrachtete er meinen Wallach und sagte anerkennend: »Ein prächtiger Wallach ist das. Ich werde gut für ihn sorgen. Sie sind lange geritten, Mister. Der hat jetzt gute Pflege nötig.«

Seiner Aussprache nach war der Stallmann Texaner. Und früher gehörte er gewiss zu der stolzen Sorte, welche Rinderherden nach Kansas trieb.

Ich gab ihm einen Dollar.

Dann ging ich. Meine Sattelrolle...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7517-7152-2 / 3751771522
ISBN-13 978-3-7517-7152-8 / 9783751771528
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