In mir ist Nacht (eBook)

Robert Schumanns geheimes Tagebuch 1845-1855
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
211 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-8784-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In mir ist Nacht -  Veronika Beci
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Der Komponist und Musikschriftsteller Robert Schumann (1810-1856) war einer der bedeutendsten Tonschöpfer der Romantik. Gleichwohl führte er zu seinen Lebzeiten ein Schattendasein als Musiker und Mann der berühmten Pianistin Clara Wieck (1819-1896). Die geheimen Tagebücher erzählen von Musik, Liebe und einer Familie mit acht Kindern, aber auch von Krisen, Konflikten und seelischen Schwankungen. Schumanns Leben endete tragisch in der Heilanstalt Endenich bei Bonn.

Veronika Beci, geboren in Düsseldorf, ist promovierte Musikwissenschaftlerin und als Fachkraft für sprachliche Bildung tätig. Sie hat neben kulturgeschichtlichen Sachbüchern und Biographien u.a. für Artemis & Winkler pädagogische Sachbücher und Fachartikel verfasst. Außerdem veröffentlichte sie Erzählungen, Romane und Gedichte. Beci wohnt mit ihrer Familie in Münster/Westf.

Veronika Beci, geboren in Düsseldorf, ist promovierte Musikwissenschaftlerin und als Fachkraft für sprachliche Bildung tätig. Sie hat neben kulturgeschichtlichen Sachbüchern und Biographien u.a. für Artemis & Winkler pädagogische Sachbücher und Fachartikel verfasst. Außerdem veröffentlichte sie Erzählungen, Romane und Gedichte. Beci wohnt mit ihrer Familie in Münster/Westf.

1845


26. Juli 1845 – Krisis der Entschlüsse – Wien!

Ja, ich glaube, es ist in der Tat das Beste in eine neue Stadt zu ziehen. Ich sehe nicht, wie ich hier in Dresden weiterkomme. Es will mir hier nichts gelingen und mit anderer Musik ist es fast gar nichts. Ferdinand Hiller, der gute Freund, strengt sich sehr an, das Musikleben auf Vordermann zu bringen und seine Frau führt einen ausgezeichneten musikalischen Salon.

Ich fürchte, Klara will ihr nacheifern und auch einen solchen Salon leiten. Dann gäbe es aber so viele fremde Leute in unserer Wohnung. – Der unerträgliche Lärm der Leute und warum sie immerzu sprechen müssen. – Die Erfüllung des Schweigens, wenn man so randvoller Töne ist.

Also Wien. Die Stadt Mozarts und Schuberts.

27. Juli Im Heine-Band geblättert. Über die Balladen nachgedacht. Die explosive Kraft der Gedichte Heines. Habe ich das immer richtig aufgefasst? Die Leute schätzen meine Heine-Lieder. Klara hat mehrere davon fürs Klavier solo umgeschrieben. Ich habe mir aber verbeten, dass sie sie spielt ohne Gesang. – Klara musiziert. Aus ihrem Zimmer kommen Töne. Mendelssohn.

Klara, du tust Recht, auf diese Weise an unseren liebsten Freund zu denken. Er ist im Begriff, nach Leipzig zurückzukehren und dort wieder das Gewandhausorchester zu leiten.

„Der erste Schritt aus Berlin ist der erste Schritt zum Glück“, hat er mir einmal gesagt. Jetzt geht er nach Leipzig, ins Glück.

Wäre besser, für mich, ebenfalls zu gehen.

28. Juli Schwarze Melancholie. – Immer nur Töne.

30. Juli Mühsam nur gelesen. Catherine Fanshawe.

There is a river clear and fair,

Tis neither broad nor narrow.

Weder breit noch schmal. – Über Flüsse nachgedacht und wie selten sie klar sind. Die Mulde fließt manchmal sehr hell und freundlich an Zwickau vorüber. Kindheitserinnerungen. Kindernarreteien. Heimlich dabei gelacht. – Die meisten Flüsse sind aber trüb.

1. August Klara und unsere kleinen Mädchen. Seligkeiten. Marie hat eine schöne Stimme, Julie schreit viel, Elise manchmal trotzig. Klara muss härter sein mit ihr. Werde ihr die Rute geben müssen. – Klara komponiert. Fugen. Ich sehe es nicht ungern. Bin auch bei Fugen. Es ist schön, wenn wir uns gemeinsam in eine Musik versenken. Das ist Liebe. – Klara meint es freilich anders. – Lästige Briefe an Verleger und Leute. – Neue Nachrichten von Felix: Aufbruch nach Leipzig.

2. August Zigarettenqualmerei. Klara zieht ein böses Gesicht darüber. Spielt aus Rache Herz-Variationen. Sie spielt stets diese brillante Herz- und Krabbelmanier, wenn sie mich ärgern will. Ich verweise es ihr jedes Mal streng.

Als Mädchen hat sie viel Geld damit gemacht. Diese seltsamen Leben der Wunderkinder. Jahrmarktsfiguren. Hotelzimmer, Salons, Konzertsäle, heute Berlin, morgen Frankfurt, übermorgen Paris und Ende der Woche London. Müde, mit zerschlagenen Knochen aus der Kutsche steigen und sofort zur Probe. Wie klingt der Saal? Ist das Piano gut gestimmt? Und dann ins weiße Seidenkleidchen. Darunter das Mieder festgespannt, damit die kleinen Brüste kindlich flach aussehen. Eine Schleife ins Haar. Lächeln. Knicksen. So ist brav.

„Seht einmal, den kleinen zauberhaften Engel!“ Dann geht der kleine Engel an den Flügel. Und lässt Musikdämonen frei. Dem Publikum fehlen vor Staunen die Worte. Atemberaubend. Welche Kraft – diese dünnen Kinderärmchen und –fingerchen und welche Kraft und Geschwindigkeit! Ende. Unterm Beifall wird wieder ein Engelchen aus dem Wunder. Knickst brav, Lächeln nicht vergessen! Die Glieder sind wie zerschlagen vor Müdigkeit, die Tränen wollen in die Augen kommen vor Erschöpfung, aber jetzt musst du erst noch den Beifall aushalten, und dann die Damen, die dich so lieben und fragen, wie alt du bist und ob du Geschwister hast und ob dir das Klavierspielen Spaß macht. Immer dieselben Fragen. Du antwortest brav. Wie der Papa dich instruiert hat. Lächeln nicht vergessen! Den Kopf lieblich ein bisschen zur Seite neigen.

3. August Unwohlsein. Contrapunkt-Studien. Neigung zu Schwindel. Angst und Unruhe namentlich in Händen und Füßen – Kollern in den Gliedern – nicht viel Appetit – Puls schwach, leicht erregbar – Schmerzen in verschiedenen Stellen im Kopfe - nicht heftig, aber beängstigend.

Klaras Unwohlsein wegen des zu erwartenden Kindes. Ängste. – Geld fehlt. – Am Abend Gehöraffection. Töne.

6. August Klara übt für die Herbstkonzerte. Sie würde gerne wieder das Virtuosenleben führen. Ich spüre es. Das hat der Alte nun mal in seine Tochter eingepflanzt. Sie vermisst den Beifall. Sie mag es, wenn ihr Lorbeerkränze überreicht und Bouquets zugeworfen werden. – Aber sie wird einsehen, dass es nicht geht. Die Unruhe in mir, wenn sie unterwegs ist. Verflucht, soll ich hier sitzen und komponieren und Kinder auf dem Schoß wiegen, während sie, ich weiß nicht wo, herumläuft und, ich weiß nicht wem, vorspielt? – Im Herbst. Im Herbst spielt sie in Leipzig. Nun gut. Leipzig ist nah. Der Herbst ist noch weit.

Julie weint. Unruhe beim Arbeiten. Es ist mir, als kündigt sich etwas Großes in mir an. Ich höre Töne. Trompeten. Sehr hehr. Vielleicht Bläserhymnus über Streicherteppich. Ich mag den aufreibenden Kontrast. Beschwingtes auf Lyrisches. Brüche nie vermeiden! Widerspenstige Musik machen. Vielleicht ein Scherzo. In einem prickelnden Tempo? – Die Trompeten! Es wird schon etwas recht Großes sein. Vorerst Fugenallerlei.

7. August Zwist mit Klara. Sie ist unglücklich über das neue Kind. Und dabei noch die kleine Julie mit ihren Paar Monaten. Kosten für die Amme. Geld, Geld, Geld. Und ich hab ’s nicht.

9. August Alles nimmt mich mit. Alles wirft mich aus der Bahn. Gutes wie Schlechtes. Dann krank. Sehnsucht. Krank vor Sehnsüchten. – Klara schreibt Fugen. Ich bin mit den Fugen vorläufig zu Ende. Keine Kontrapunkte mehr. Kein Maß. Die Töne schwellen so furchtbar sehnsüchtig auf! Kein Kontrapunkt, kein Maß. Das quillt alles über, ich weiß nicht, wie ich es zusammenhalten soll!

10. August Unwohlsein.

13. August Bittere Melancholie. – Geheimnisvolles Leiden.

14. August Bei Hillers. Muntere Gesellschaft, aber nicht laut. Darum wurde ich auch ein wenig munter. Klara sah aber streng darauf, dass ich nicht zu viel Wein trank. Ferdinand am Flügel. Er schreibt gute Musik, aber ihm fehlt der geniale Splitter im Hirn. Er ist sehr liebenswürdig. Das mögen die Leute. Wenn es einem gelingt, das Musikleben hier hochzubringen, dann ihm und seiner ebenso freundlichen Frau. Anatolka singt gut, wenn auch für meinen Geschmack zu französisierend. Überhaupt ist sie manchmal sehr prätentiös. Ihr Musiksalon soll gut besucht sein. Ich geh nicht hin.

Richard Wagner soll da gewesen sein.

Von dem erwarten sie, dass er ein exzellenter Komponist werden wird. Ich glaub ’s nicht; er redet zu viel. Leute, die zu viel reden, können unmöglich gut komponieren. – Hiller sprach nach einem Toast von Konzerten, die sie hier in Dresden organisieren wollen. Er setzt sich stark dafür ein. Sprach von Mozart, Spohr, Schneider. Hofft auf eine weitere Orchestermusik von mir.

„Robert, wir müssen uns hier unser Publikum schaffen“, sagte er. Ja, er ist der Mann dazu. Hat kräftige Hände wie ein Bauer. Ich kann’s nicht. Dieses feste Zupacken. Mich mit den Leuten herumschlagen. Wen soll ich von Konzerten überzeugen? Entweder mögen die Menschen Musik oder nicht!

16. August Mit den Malern Bendemann und Reinick. Eduard Bendemann sprach uns wieder von seinem geliebten Albrecht Dürer. Klara meinte bereits, man müsse Eduard einfach lieb gewinnen durch sein bescheidenes und dabei so künstlerisches Wesen. Das ist einer, dem vertraut man ohne großes Besehen. Ein echter Freund. Reinick dagegen entzieht sich oft. Bendemann meinte, darin ähnelte er mir, was vielleicht am Vornamen läge, den wir teilten. Er will Reinick einmal malen und stellt ihn sich als dunklen, schweigenden Monolithen vor einer lieblichen, hellen Landschaft vor. Das gäbe ein Bild! Reinick schleppte uns seine Skizzen zum „Felsen von Olevano“ herbei. Südliche Träumerei. Sie gefallen mir, seine Bilder. Mehr noch seine Gedichte. „An den Sonnenschein“ habe ich gern vertont. Klara bringt Marie bei, es zu trällern.

O Sonnenschein! O Sonnenschein!

Wie scheinst du mir ins Herz hinein,

weckst drinnen lauter Liebeslust,

dass mir so enge wird die Brust.

Habe es wirklich bei schönem Sonnenschein, auch des Lebens geschrieben. Klara! Klara! Kurz vor unserer Hochzeit. Fast genau fünf Jahre ist es her, dass ich es vertonte. Das war reines Glück. Nur fünf Jahre seither. – Reinick erzählte Histörchen aus Düsseldorf und aus Rom, wo es ihn herumgetrieben hat. Vom Karneval vor allem. Dem Zotigen da und dem Verdorbenen dort. Rom hat ihn ziemlich niedergehauen, durch die großen Meisterwerke, die er da sah. Schlimme Gedanken waren ihm gekommen, zum Beispiel er wäre ganz unfähig für die Kunst.

„Auch mich fassen Dämonen jener Art zuweilen beim Schopf und wollen mir das bisschen Kraft aussaugen“, gestand er, „was mir früher das Fieber und ewiges Kränkeln, Augenübel und Zersplitterungssucht, Träumerei etc. etc. noch gelassen“. Merkwürdig. Mir hat Italien keine große Sehnsucht, keine Dämonen, rein gar nichts eingepflanzt. Hab’ auch wenig Erinnerungen, meist ungute an meine Italientour. Meine Todesangst auf der Reise hinunter, als wir über die Via mala geführt wurden. Diese Übermacht der Felsen, dieses Starre, Drückende und dann die Schlucht und von unten...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Düsseldorf • Heilanstalt • Mendelssohn-Bartholdy • Musikgeschichte • Romantik • Schumann • Wieck
ISBN-10 3-7565-8784-3 / 3756587843
ISBN-13 978-3-7565-8784-1 / 9783756587841
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