(Vor-)Urteil (eBook)
147 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-6989-0 (ISBN)
Sibylle Steger wurde 1985 in der Schweiz geboren und arbeitet heute als Erwachsenenbildnerin. Dank ihrer Karriere in der Tourismusbranche bereiste Steger weit über 40 Länder und lernte dadurch die Schönheit der verschiedenen Erdteile und ihrer unterschiedlichen Kulturen kennen. Von Kindesbeinen an liebte es die Autorin Texte zu erfassen. Dank ihrem Mentor erhielt sie bereits in jungen Jahren die Möglichkeit, für die Lokalzeitung Artikel und Kolumnen zu schreiben. Ihr Anspruch ist es, den Menschen mit ihrem Tun eine kurze Auszeit zu ermöglichen und Momente für die Sinne zu gestalten. In ihrem im Herbst '24 erscheinenden Debüt-Krimi '(Vor-)Urteil' begleiten wir eine Privatdetektivin auf der Suche nach dem Mörder und werden dabei mit unseren eigenen (Vor-)Urteilen konfrontiert.
Sibylle Steger wurde 1985 in der Schweiz geboren und arbeitet heute als Erwachsenenbildnerin. Dank ihrer Karriere in der Tourismusbranche bereiste Steger weit über 40 Länder und lernte dadurch die Schönheit der verschiedenen Erdteile und ihrer unterschiedlichen Kulturen kennen. Von Kindesbeinen an liebte es die Autorin Texte zu erfassen. Dank ihrem Mentor erhielt sie bereits in jungen Jahren die Möglichkeit, für die Lokalzeitung Artikel und Kolumnen zu schreiben. Ihr Anspruch ist es, den Menschen mit ihrem Tun eine kurze Auszeit zu ermöglichen und Momente für die Sinne zu gestalten. In ihrem im Herbst '24 erscheinenden Debüt-Krimi "(Vor-)Urteil" begleiten wir eine Privatdetektivin auf der Suche nach dem Mörder und werden dabei mit unseren eigenen (Vor-)Urteilen konfrontiert.
Kapitel 1
Es war wieder einmal einer jener verfluchten Tage, der einen hätte zum Manisch-Depressiven werden lassen können. Mit rastlosem Blick legte ich meinen Kopf auf meine Faust und starrte in den trostlosen Spätnachmittag hinaus. Der Regen plätscherte unentwegt von den Dächern der Berner Altstadt, und der Himmel schien sich bereits in ein dämmerndes Nachtblau zu verfärben. Ein trister Ausblick, sowohl nach innen wie nach aussen. Mein Kaffee hatte längst zu dampfen aufgehört, während es in meinem Kopf jedoch brodelte. Hätte ich die Steuererklärung doch nur nicht bis zur allerletzten Sekunde aufgeschoben! Aber was nützte es, sich jetzt noch zu beklagen? Mit dem letzten Funken an Motivation, den ich für diese hirnzermürbende Arbeit aufbringen konnte, versuchte ich die mir vorliegende Sache letztlich zu meinen Gunsten zu wenden. Prinzipiell wäre die Steuererklärung einer selbstständigen und dadurch erst recht dürftig verdienenden Frau, wie ich es war, ja ein relativ kurzes Unterfangen. Es sollte sich aber doch als hohe Schule erweisen, diese Behörden-Gauner davon abzuhalten, mir noch meinen letzten Rappen aus der Tasche zu ziehen. Womöglich, um sich damit ein dekadentes Weihnachtsessen auf Kosten ehrlicher Bürger zu gönnen! Würde mein ehemaliger Steuerexperte es mir wohl vergönnen, wenn ich das mir gestohlene Portemonnaie auf dem «Samstigs-Märit» als «Spende» verbuchen würde? Ich überlegte kurz: Hmm, wohl kaum. Und so setzte ich mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck, wie ihn Michelangelo nicht hätte besser malen können, die CHF 400.00 entwendetes Shopping-Geld in das hübsch vorbereitete «Spenden»-Kästchen – plus Spesen. Neues Total CHF 800.00.
Plötzlich schoss ein schwarzer Schatten von rechts auf den alten, hölzernen Schreibtisch direkt vor dem Fenster. Ein Riesenschrecken fuhr mir durch Mark und Bein. Doch, Schreck lass nach: Monty – die Hauskatze. Meine Hauskatze. Das haarige Vieh streckte sich, krümmte seinen Rücken zu einem Katzenbuckel und schnurrte genüsslich, als es graziös vor mir über den Tisch stolzierte. All die Jahre war mir Monty ein treuer Freund gewesen – was man gewiss nicht von jedem behaupten konnte. Monty pflegte mir stets ein offenes Ohr zu widmen, wenn ich mich denn einmal mit einem Pack Schoko-Pralinen, mit Wollsocken, Morgenmantel und einer Flasche Rotwein auf der Couch verschanzte und schwieg, wann immer ich es wollte. Kein Klingeln, kein Telefonanruf und schon gar keine gut gemeinten Ratschläge liess ich an solchen Tagen an mich ran. Zugegebenermassen kamen derartige Tage in letzter Zeit –
eigentlich in den letzten Jahren – des Öfteren vor. Nur meine Mutter, mein eigen Fleisch und Blut, wagte es einst zu behaupten, dass dies auf mein Einsiedlerwesen zurückzuführen sei. Ich war Single. Jawohl! Und ein sehr überzeugter sogar. Was kümmerten mich die Menschen, die ihr Leben damit verschwendeten, einen einzigen Menschen in ihrem Leben zu finden, auf welchen sie all ihre Träume und Wünsche projizieren konnten? Sollten sie sich doch etwas vorlügen mit ihren ach so verrückten Schmetterlingen im Bauch! Mir war es gerade recht, dass Pilatus diese Saison seinen Zorn über Europa entlud. Oder war es doch Petrus gewesen? Egal. – So blieben zumindest die sabbernden und kichernden Liebesanbeter in ihren gemachten Nestern und verstopften die Stadtpärke nicht unnötig als schlendernde, engumschlungene Strassenbarrikaden.
Jawohl. Ich war Single und das war auch gut so. Während andere in meinem Alter sich dreckigen Windeln und topmodernen Flaschenwärmern verschrieben hatten, würde ich zumindest mit meinen 35 Jahren meine eigenen Brötchen verdienen und meinen Beitrag zur Sanierung der AHV leisten. So.
Diesen vielen guten Gründe zum Trotz führte kein Weg daran vorbei, den verschütteten Kaffee, welchen Monty über der Steuererklärung verteilt hatte, aufzutupfen. Ich erhob mich von meinem Schreibtisch und wankte zu meiner kleinen Einbauküche, um mir einen Lappen zu holen. Das Studio, in welchem ich mich eingemietet hatte, war nicht gross. Es verfügte, wie gesagt, über diese Küche. An der rechten Mauer war ein 1,20-Meter-Bett aufgestellt und vis-à-vis zur linken Wand ein altes Sitzsofa, dessen Farbe zu verbleichen begann. Bei Regen tropfte es an einigen undichten Stellen in die gelben und blauen Kübel, und der knarzende Holzboden hatte garantiert schon bessere Zeiten gesehen. Trotz allem wollte ich meine Dachwohnung im Herzen der Berner Altstadt auf gar keinen Fall verlassen. Dass das fahle Tageslicht nur durch dieses eine Fenster scheinen konnte, störte mich nicht. Die Wohnung war billig, und der Vermieter bemitleidete mich vermutlich dermassen, dass er auch keinen Aufstand um ein paar verspätet bezahlte Monatsmieten machte. Zudem nutzte ich dieses Einzimmerstudio vorwiegend, um zu arbeiten oder – wie gerade jetzt, wenn ich wieder einmal keinen Auftrag an der Angel hatte – um einen kleinen Tapetenwechsel vorzunehmen. Manchmal konnte mich die Arbeit bis tief in die Nacht hinein so sehr beanspruchen, dass auch ein kleines Kreativitäts-Päuschen nicht verkehrt sein konnte – daher das Bett.
Schräg über die Strasse im Erdgeschoss befand sich auch eine Drogerie. Meine Drogerie. Es kam wohl nicht von ungefähr, dass ich beim kleinsten Schnupfen sofort diejenige welche aufsuchte, um mir von dem einfach unwiderstehlichen Drogisten ein Mittelchen verschreiben zu lassen. Ein Mann – ein Spartaner und zugleich ein zartes Antlitz wie ein Babypopo. Achhhh. Ein Traum von einem Mann mit seinen tiefblauen Augen, den dunklen dicken Brauen und dem verspielten goldenen Schopf … und dann diese Arme! Den restlichen Körper wagte ich mir bisher nur in meinen kühnsten Träumen auszumalen. An dieser Stelle bedarf es wohl der Erklärung, dass sich mein überzeugtes Single-Dasein bei genau diesem netten Ausnahmefall als nicht ganz so absolut versteht. Ich verehrte diesen Mann; ja, ich vergötterte ihn und sein Wissen über Eukalyptus und Thymian. Ja, er konnte mir erzählen, was er wollte; in seinem Munde klang selbst jede Durchfallerkrankung wie ein Symphonieorchester aus Heilblumen und Wunderpflänzchen. Doch ihn schon nur spontan auf einen Kaffee oder Kräutertee hochzubitten – ein Ding der Unmöglichkeit. Dazu war ich viel zu schüchtern, wenn es denn darauf ankam. Und so schmachtete ich immer mal wieder auf dem Nachhauseweg unauffällig, wie es in meiner Natur lag, an der grossen Glasvitrine vorbei und freute mich im Stillen des Tages. Im Stillen … Ja, in der Tat war es in den vergangenen Jahren in so manchen Bereichen meines Lebens still geworden. Manche Bereiche hätte ich selbst schon als klinisch tot diagnostiziert, hätte man mich um einen ärztlichen Befund hinsichtlich meines Sexuallebens gefragt. Sie waren nun halt mal vorbei, die wilden Zeiten in meinen so genannten besten Jahren. «Welche wilden Zeiten?!», würde mia madre nun wohl wieder zu sagen pflegen. Aber ja, meine wilden Zeiten, die gab es. Und wie! Wenn die nur wüsste … Doch längst waren sie passé, die romantisch-lauen Sommernächte, mit im Wind wehendem Haar und zwei sich im einsamen Dunkel der Nacht küssenden Silhouetten … Gewichen sind diese Dinge sorgsam rundumplatzierten Fettpölsterchen, einem stets leeren Konto und einer nach wie vor halbfertigen Steuererklärung.
Gerade hatte ich mich meinen Gedanken entreissen können und den Stift zur Vollendung des leidigen Themas angesetzt, als mit einem schrillen Ton das Telefon klingelte. Verdutzt starrte ich die altmodische Vorrichtung aus dem 20. Jahrhundert an. Ich hatte mir diese Errungenschaft auf einem Flohmarkt gegönnt und seither hatte es nur ein paar Mal geklingelt. Ich schaute auf die Uhr. Es war mittlerweile kurz vor 20 Uhr. Wer um alles in der Welt würde um diese Zeit an einem verregneten Samstagabend etwas von mir wollen? Zwei Optionen schossen mir durch den Kopf: Mia Madre oder die Mormonen. Weder von ihr noch von jenen wollte ich mir die Ohren volldröhnen lassen, dazu hatte ich weder Zeit noch Lust. Zumal sich deren Sorgen oftmals um die gleiche Sache drehten. Widerwillig nahm ich nach dem zehnten Klingeln den Hörer von der Gabel und staunte nicht schlecht. Eine junge Frauenstimme meldete sich zu Wort.
«Signora Beltrametti?»
«Ja, mit wem spreche ich?»
«Das tut im Moment nichts zur Sache. Ich muss Sie dringend sprechen. Ich habe für Sie einen neuen Fall. Kennen Sie die alte Mattentreppe? Wir treffen uns morgen Abend dort gegen 21.00 Uhr», erwiderte es mit einer unsicheren Stimme aus dem Apparat.
«Moment, Moment, junge Dame. Also, so geht das nicht. Um was für einen neuen Fall handelt es sich denn überhaupt, und wie war noch gleich Ihr Name?»
«Ich habe Ihnen doch schon gesagt, das kann ich Ihnen nicht sagen. Vielleicht wird Ihr Telefon abgehört. Lesen Sie die Zeitung morgen! Ihr Fall ist kein Zufall! Morgen, 21 Uhr, und bitte vergewissern Sie sich, dass Ihnen niemand folgt.»
Das war’s. Die Verbindung wurde unterbrochen. Verdutzt starrte ich in den immer noch andauernden Regen hinaus und legte den Hörer behutsam auf die Gabel zurück. Ein neuer Fall, eine möglicherweise überwachte Telefonleitung und die Warnung, ich solle sichergehen, dass mir niemand folgt? In was für eine Sache würde ich da nur wieder reingeritten? Intuitiv schüttelte ich den Kopf. Auf keinen Fall würde ich mich morgen mit jemandem treffen, der mir noch nicht einmal seinen Namen nennen wollte. Solche Geheimnistuereien hatte ich gehörig satt. Um dann wieder auf so ein junges, verstörtes Ding zu treffen, das mich hinter dem Rücken seiner Eltern anzuheuern versuchte, um seine vermisste Katze zu finden. Und das zu einer Pauschale...
Erscheint lt. Verlag | 4.9.2024 |
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Illustrationen | Sylvie Rapold |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Body Positivity • Frauenpower • Kurzkrimi • lustiger Krimi • Respekt und Inklusion • Schweizer Regionalkrimi • Spannung • Vorurteil |
ISBN-10 | 3-7598-6989-0 / 3759869890 |
ISBN-13 | 978-3-7598-6989-0 / 9783759869890 |
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Größe: 4,8 MB
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