Kölner Ringe (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3597-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kölner Ringe - Reinhard Rohn
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Der neue Rohn - dunkel, unheimlich, fesselnd. Eigentlich will Hauptkommissar Jan Schiller endlich einmal in aller Ruhe Weihnachten feiern. Doch dann wird in einer Hütte im Worringer Bruch ein bekannter Fernsehautor erschossen, und ausgerechnet Schillers Freund soll der Mörder sein. Mit seiner Partnerin Birte Jessen macht er sich daran, den wahren Täter zu finden, und gerät immer weiter in eine Gesellschaft aus eitlen Fernsehproduzenten, skrupellosen Immobilienmaklern und undurchsichtigen Politikern ...



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

1


Er fürchtete sich vor dem Heiligabend. Das war ihm schon in den letzten Jahren so ergangen. Was tun an einem solchen Abend, dem alle Welt so eine Bedeutung zumaß? Matthias Brasch war einmal ein geschätzter Kriminalkommissar der Kölner Polizei gewesen, doch das war eine Ewigkeit her. Nun musste er sich als Privatdetektiv durchschlagen. Um einen Kinderschänder dingfest zu machen, hatte er Dokumente und Beweise manipuliert. Nicht einmal der Polizeipräsident hatte ihn damals schützen wollen.

Das Haus in Worringen besaß er immer noch, obwohl seine Freundin Leonie vor fünf Jahren ausgezogen war. Manchmal sah er sie mit ihrem Hund und einem Mann am Rhein spazieren gehen. Dann kehrte er sofort um und eilte in sein leeres Haus zurück wie in eine Fluchtburg.

Dunkelheit begann sich über das Land zu legen. Es war noch früher Nachmittag. Gegen achtzehn Uhr sollte er bei Jan Schiller sein – sein alter Kollege hatte ihn eingeladen: eine kleine, bescheidene Feier mit ein paar Freunden. Schiller selbst wollte offenbar einem einsamen Abend mit Carla, seiner Lebensgefährtin, entgehen. Außerdem hatten sie beide sich in den letzten Wochen drei Mal getroffen und Pläne gemacht. Schiller überlegte, bei der Polizei auszusteigen – er hatte genug von der Arbeit bei der Mordkommission. Sollten sie nicht gemeinsam Sicherheitskonzepte für größere Firmen anbieten? Für Events, Sportereignisse? Brasch hatte Schillers Begeisterung gutgetan, er hatte ihm auch nie gesagt, wie gern er selbst zur Kölner Polizei zurückgekehrt wäre, statt irgendwelche öden Beschattungen vermeintlich treuloser Ehefrauen durchzuführen oder Versicherungsbetrüger zu entlarven.

Gut zwei Stunden, die er noch herumbringen musste.

Er hätte gern noch etwas geraucht, das ihn in eine bessere Stimmung brachte. Oder er hätte gern irgendwo Kokain aufgetrieben. Er betrachtete sich selbst nicht als drogensüchtig. Ein paarmal hatte er es probiert, und sofort waren gewisse Dinge von ihm abgefallen, und er war nicht mehr der ewige Schweiger gewesen, sondern hatte beinahe unentwegt geredet.

Doch wo bekam man am Nachmittag des 24. Dezember Kokain her? Die Clubs am Ring hatten geschlossen, und sein Kontaktmann aus Ehrenfeld war zu seinen Eltern nach Süddeutschland gefahren, ganz wie ein braver Sohn.

Dann fiel ihm Kaspar Brinkmann ein, der vermutlich in seiner Hütte im Worringer Bruch hockte, seinen Weltekel pflegte und dabei auch ganz gern eine ordentliche Selbstgedrehte rauchte. Sie kannten sich seit fast zwanzig Jahren. Brinkmann hatte eine erfolgreiche Fernsehserie geschrieben: »Kommissar Kölsch«. Ein versoffener, geschiedener Kommissar, der alle duzte, löste auf seine ganz eigene Art Mordfälle. Brasch hatte Brinkmann hin und wieder beraten und war selbst drei-, viermal in kleineren Rollen aufgetreten. Auch das hatten seine Kollegen ihm damals übel genommen. Einige hatten ihn schon spöttisch »der Fernsehkommissar« genannt.

Er zog eine saubere Jeans an, dann seine schwarze Lederjacke. Es war nicht kalt draußen, fast fünfzehn Grad. Der Klimawandel sorgte dafür, dass weiße Weihnachten in Köln mittlerweile fast gänzlich ausgeschlossen waren.

Als er seinen alten silberfarbenen Volvo startete, freute er sich darauf, mit Brinkmann einen Joint zu rauchen. Sagte man das noch: einen Joint rauchen? Brinkmann würde ihn auslachen, und dann würde er vielleicht in dessen Hütte bleiben, eine Flasche Wein trinken und mit ihm darauf warten, dass der Heiligabend verging.

Er bog auf die Hauptstraße ein. Wenig Verkehr. Ein paar Fenster waren geschmückt.

Er hatte keine Geschenke gekauft, kam ihm in den Sinn. Wenn er doch noch zu Schiller fahren würde, müsste er wenigstens eine Flasche Wein dabeihaben.

Verdammt, an die einfachsten Dinge dachte er nicht mehr.

Vom Blumenbergsweg bog er in einen Feldweg ein. Mittlerweile war es stockdunkel. Diese Ecke Kölns war vermutlich die ödeste der Stadt. Nicht einmal im Sommer liefen Spaziergänger hier herum. Der Bruch war als Ausweichgebiet für den Rhein vorgesehen, für den Fall, dass der Fluss einmal so weit anstieg, dass auch das Grundwasser an die Oberfläche dringen würde.

Brinkmanns Behausung lag auf einer winzigen Lichtung. Aus einem Gartenhaus, das jemand hier vor Jahren widerrechtlich errichtet hatte und das zusammengefallen war, hatte er sich eine Hütte gebaut. Ein Zimmer mit einem schmalen Fenster, einer Matratze, mit einem Tisch, einem Regal mit ein paar Büchern und einem alten Kohleofen. Wasser schöpfte er aus einer Regentonne, und wo er sein Geschäft verrichtete, wollte Brasch gar nicht wissen. Vermutlich stand irgendwo im Wald ein Klohäuschen.

Er bremste vor dem Pfad, der zur Hütte führte. Als er den Motor und die Scheinwerfer abstellte, schlug die Dunkelheit förmlich über ihm zusammen. Wie hielt Brinkmann das hier aus? Was für ein Widersinn, sich zehn Kilometer vor der Stadt in solch eine kalte, unwirtliche Behausung zurückzuziehen!

Aber vielleicht hockte er auch gar nicht in seiner Hütte, sondern war in Köln in der schicken Wohnung untergekrochen, die er noch in Ehrenfeld besaß.

Eine SMS ging bei ihm ein. »Kommst du?«, schrieb Schiller. »Therese, Broder und Anhang sind schon da.«

Sylvie hatte ihm ebenfalls eine Nachricht geschickt. Sie war über sechzig und hatte eine Tangoschule. Manchmal schliefen sie noch miteinander, aber dann begriffen sie jedes Mal wieder, dass aus ihnen nichts mehr werden würde.

»Ich bin bei meiner Mutter«, hatte sie vor einer Stunde geschrieben. »Vermisse dich!«

Vermisse dich? Was sollte das denn bedeuten? Eine Anwandlung von weihnachtlicher Sentimentalität? Ihre Mutter musste weit über achtzig sein und lebte in einem Altenheim in Alfter bei Bonn, wenn er sich richtig erinnerte.

Er stieg aus und nahm sein Smartphone, um sich den Weg zu leuchten. Nichts war zu hören, nur ein Rauschen von der Neusser Landstraße. Auch nirgends ein Licht.

Brinkmann hatte es offenbar vorgezogen, diese heilige Nacht nicht in seiner Hütte zu verbringen.

Aber nein, da stand sein Rennrad gegen die Rückwand der Hütte gelehnt, der Fahrradhelm baumelte am Lenker.

»Brinkmann!«, rief Brasch. Seine Stimme klang laut in der Dunkelheit.

Keine Reaktion.

»Brinkmann, hoher Besuch ist da!« Brasch versuchte, ein wenig spöttisch zu klingen. Auf einmal kam ihm sein Auftauchen aufdringlich und unpassend vor.

Er klopfte gegen die graue Holztür, an der die restliche Farbe abblätterte.

»Brinkmann, ich dachte mir, wir könnten was zusammen trinken und rauchen …«

Er drückte die Klinke hinunter, die Tür sprang sofort auf.

Kein Schimmer Licht fiel aus der Hütte, aber etwas anderes traf ihn.

Eine Ahnung – er war immerhin lange genug Polizist gewesen.

Es war der Geruch, ein metallischer Geruch von Blut, und es war die Stille. Sein Herz begann so schnell in der Brust zu schlagen, dass es ihm für einen Moment den Atem nahm. Wenn er eine Waffe bei sich gehabt hätte, hätte er sie nun gezogen.

Er trat ein, ohne die Tür zu schließen – als müsse er sich seinen Fluchtweg offenhalten.

»Brinkmann«, sagte er nun leise. Das Smartphone hielt er wie einen Schild vor sich. Der Lichtstrahl erfasste die Matratze – sie war aufgeschlitzt worden, Futter quoll hervor. Dann sah er das umgekippte Regal. Die wenigen Bücher, die Brinkmann hierher mitgenommen hatte, lagen auf dem Boden verstreut.

Langsam, mit wild pochendem Herzen schwenkte er sein Smartphone herum. Grellgrüne Turnschuhe kamen ins Bild. Eine Gestalt saß auf einem Stuhl. Sie trug eine graue, schmutzige Cordhose, einen dicken, ebenfalls grauen Pullover. Das musste Brinkmann sein, der Kopf mit dem grauen, lockigen Haar war ihm auf die Brust gesunken.

Brasch spürte, dass seine Gedanken sich verlangsamten. Er war kein Ermittler mehr, fiel ihm ein, er hatte noch ein paar schwache Instinkte, nicht mehr.

Während er Brinkmann in dem schmalen, grellen Strahl anstarrte, den sein Smartphone abgab, nahm er ganz fern etwas anderes wahr: ein Geräusch von Schuhen, die sich auf dem Betonboden leise bewegten.

Er war nicht allein in der Hütte – er gefror förmlich. Der Impuls zu fliehen wurde übermächtig.

Plötzlich geschahen zwei Dinge...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller 2024 • Köln • Krimi • neuerscheinung 2024 • Regionalkrimi • Ruhrgebiet • Ruhrpott • Thriller
ISBN-10 3-8412-3597-2 / 3841235972
ISBN-13 978-3-8412-3597-8 / 9783841235978
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