Kölner Lichter (eBook)
208 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3593-0 (ISBN)
Kommissar Jan Schiller ist verzweifelt. Carla, die Frau, die er liebt und die ihn aus ihrer gemeinsamen Wohnung hinausgeworfen hat, ist spurlos verschwunden. Als in einem ausgebrannten Wohnmobil auf dem Straßenstrich im Kölner Süden eine verkohlte Leiche gefunden wird, will Schiller die Ermittlung eigentlich seiner Kollegin Birte Jessen überlassen. Doch als die Identität des Toten feststeht, sieht er die Verbindung zu Carla und weiß, dass sie in tödlicher Gefahr ist - falls sie überhaupt noch lebt.
Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.
Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.
1.
Er sah sie dort stehen.
Elegant begann sie zwischen den Tischen herumzugehen, blickte auf die Bücher vor ihr und stützte sich auf einen knallroten Regenschirm. Dann wieder warf sie ihm einen lächelnden Blick zu. Auf ihren schwarzen Haaren lag ein matter Glanz, sie trug ein langes rotes Kleid, das perfekt zu dem Regenschirm passte. Vielleicht hat sie ihn nur deshalb mitgenommen, dachte er. Draußen schien die Sonne.
Sie nahm ein Buch in die Hand, blätterte einen Moment versonnen darin, dann hob sie den Kopf und bedachte ihn wieder mit einem Blick. Diesmal lächelte sie nicht, sondern wirkte ernst und gleichzeitig voller Liebe.
Das ist meine Frau, dachte er. Sehnsucht erfasste ihn. Ja, Carla ist meine Frau – was immer auch geschehen sein mag.
Ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er hätte immer so dastehen mögen, am Rande einer Buchhandlung, und zusehen, wie sie anmutig zwischen Tischen voller Büchern dahinglitt.
Plötzlich lief ein großer, grauer, hässlicher Hund durch den Laden, ein beinahe wolfsartiges Tier. Er fletschte die Zähne, drehte den Kopf, jemand schrie auf, doch dann war der Hund auch schon wieder verschwunden, hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
Jan Schiller wandte sich ab. Wo war Carla abgeblieben? Er suchte sie, glaubte, ihre rote Gestalt irgendwo an der Kasse finden zu müssen, aber da war sie nicht. Ein Gefühl von Panik überkam ihn – als wäre er sicher, dass etwas Unerhörtes geschehen war.
Der leuchtend rote Regenschirm lehnte verlassen an einem Büchertisch. »Liebe ist alles«, stand da. »Die schönsten Romane für sie und ihn«.
Wo war Carla?
Schiller spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Er lief auf den Schirm zu, nahm ihn in die Hand. Der Griff war eiskalt, als hätte Carla ihn nie berührt. Suchend ließ Schiller seinen Blick durch die Buchhandlung schweifen. Wo konnte sie sein? Er lief auf eine Metalltür zu, die in einer auffällig kahlen Betonwand eingelassen war. Er öffnete sie und rief in den Schacht, der sich vor ihm auftat: »Carla, wo bist du?«
Doch niemand antwortete ihm. Nur ein kalter Wind wehte ihn an.
Abrupt schreckte Schiller auf. Dunkelheit hüllte ihn ein. Lediglich ein vager Schatten schien durch den Raum zu schweben. Eine Ahnung von Licht, das durch ein schmales Fenster fiel. Wo war er? In seinem Bett an der Sülzburgstraße? Er hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Das Bett war schmal, mit einem leicht erhöhten Holzrahmen, und es lag niemand neben ihm.
Carla – wo war Carla?
Dann fiel ihm sein Traum ein – in einer Buchhandlung war sie spurlos verschwunden. Seltsam! Wann war er zuletzt in einer Buchhandlung gewesen?
Er erhob sich und ging über breite Holzdielen zum Fenster. Er blickte in eine beinahe undurchdringliche Dunkelheit hinaus. Nirgends ein Licht. Eine Wiese war zu erahnen, dahinter der Umriss eines Deiches.
Er war im Haus von Matthias Brasch – draußen auf dem Acker in Worringen. Sein Domizil war ein enges Gästezimmer, das früher, bevor sie sich von ihm getrennt hatte, das Arbeitszimmer seiner Frau, einer Lehrerin, gewesen war.
Zwei Verlassene hatten sich zusammengetan.
Als Schiller sich auf dem Fensterbrett abstützte, fiel eine leere Weinflasche um. Getrunken hatte er auch noch – großer Gott! Brasch war bei Sylvie gewesen, und Schiller hatte das ganze leere Haus am Abend für sich gehabt. Trübsinnig hatte er vor dem Fernseher gehockt und sich eine Tanzshow angesehen, ausgerechnet.
Zwei Wochen wohnte er nun schon hier – zwei Wochen, in denen er aus seinem Leben gefallen war.
Vor dem Fenster rauschte ein Nachtvogel vorbei. Schiller kehrte zu dem schmalen unbequemen Bett zurück. Wie beiläufig nahm er sein Mobiltelefon zur Hand. Es war drei Uhr vierunddreißig.
Dann sah er, dass jemand versucht hatte, ihn anzurufen.
Carlas Name leuchtete auf. Um ein Uhr zwölf hatte sie ihn von ihrem Handy angerufen. Das erste Lebenszeichen nach zwei Wochen, und dann zu so einer ungewöhnlichen Zeit.
Hoffnung erfüllte ihn.
Das konnte nur ein gutes Zeichen sein, dass sie versucht hatte, mitten in der Nacht mit ihm zu sprechen. Versöhnung – sie wollte Versöhnung, noch einen neuen Versuch, weil sie eingesehen hatte, dass auch sie ohne ihn nicht auskam.
Kurz entschlossen rief er sie an, doch eine mechanische Stimme erklärte, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar sei.
Der Traum verfolgte ihn – im fremden Bad beim Rasieren, in der Küche, als er sich den ersten Kaffee des Tages kochte.
Brasch kam herein, im weißen T-Shirt, unausgeschlafen, aber zufrieden mit sich. Irgendwann mitten in der Nacht musste er zurückgekehrt sein.
»Sylvie«, sagte er, »ist das Beste, was mir in den letzten Jahren passiert ist.«
Schiller konnte nur matt lächeln. Eigentlich war Sylvie seine Tangolehrerin gewesen; er hatte Brasch, der sich als Privatdetektiv durchschlug, seit er als Hauptkommissar bei der Kölner Polizei in Ungnade gefallen war, den Rat gegeben, zu ihr zu gehen; noch am selben Abend waren die beiden ein Paar geworden. Eine mehr als erstaunliche Entwicklung. Seither war er selbst nicht mehr bei Sylvie tanzen gewesen.
»Wir sollten etwas Richtiges essen«, meinte Brasch, »ein Sonntagsfrühstück. Ich könnte zur Tankstelle fahren, Brötchen besorgen …«
Schiller winkte ab. Kaffee genügte ihm. Was war mit Carla? Er hatte noch einmal versucht sie anzurufen, aber ihr Mobiltelefon war nicht angeschaltet. Was hatte das alles zu bedeuten? An ihrem gemeinsamen Anschluss an der Sülzburgstraße sprang nicht einmal der Anrufbeantworter an.
Mit wenigen Worten erzählte er Brasch von seinem Traum und dem Anruf in der Nacht.
Brasch wischte sich über das unrasierte Gesicht. »Ich kenne Carla nicht … aber eine Freundin hat mir mal erzählt, dass sie nach dem besten Sex ihres Lebens ihren Exmann angerufen hat, nur um ihm zu sagen: ›He, ich hatte gerade einen perfekten Orgasmus.‹ …« Er verzog den Mund. »Oh, tut mir leid, war keine gute Idee, so etwas zu sagen.«
Schiller dachte kurz darüber nach. Würde Carla zu so etwas fähig sein? Sie hatte zwar kürzlich eine Affäre mit einem Sozialarbeiter gehabt, wie sie ihm gestanden, nein beinahe vorgeworfen hatte, aber eigentlich nur, um ihn auf die Probe zu stellen. Würde er, der ewig Abwesende, der Gedankenlose, etwas bemerken?
»Ich würde gern ein Kind mit ihr haben, sie heiraten, eine neue Wohnung einrichten«, sagte Schiller vor sich hin. Er wunderte sich über sich selbst – all diese Dinge hatten bis vor Kurzem keine Bedeutung für ihn gehabt.
Brasch zündete sich eine Zigarette an. »Ich liebe Sylvie«, sagte er. »Ich liebe es, zu sehen, wie sich ihre Schulterblätter bewegen, wenn sie nackt durch das Zimmer geht … Sie ist fast sechzig, aber sie hat eine Figur wie eine Fee. Und was die Musik mit ihr macht … wenn sie zu tanzen beginnt …«
Plötzlich mussten sie beide lachen. Zwei wehmütige Männer an einem Sonntagmorgen.
»Falls es noch eine Chance gibt, Carla zurückzugewinnen, werde ich sie nutzen«, sagte Schiller entschlossen vor sich hin.
Dann trank er den letzten Rest Kaffee und lief zu seinem Wagen.
Zwanzig rote Rosen, frische Brötchen, eine Flasche Rotwein, den teuersten, den er in der Tankstelle am Lindenthalgürtel finden konnte. Aber war es richtig, rote Rosen zu verschenken? Machte Carla sich überhaupt etwas aus Rosen? Vielleicht wäre eine einzige Orchidee viel angemessener gewesen. Verdammt, er kam sich beinahe wie ein Schuljunge vor, der nicht wusste, wie er sein erstes Rendezvous angehen sollte.
Er parkte auf dem Auerbachplatz und lief die wenigen Schritte zu seinem Haus.
Der alte Kellner aus der Pizzeria an der Ecke grüßte ihn. »Lange nicht gesehen!«, rief er.
Schiller nickte freundlich, ohne ein Wort zu...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bestseller 2024 • Köln • Krimi • neuerscheinung 2024 • Regionalkrimi • Ruhrgebiet • Ruhrpott • Thriller |
ISBN-10 | 3-8412-3593-X / 384123593X |
ISBN-13 | 978-3-8412-3593-0 / 9783841235930 |
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Größe: 737 KB
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