Die April-Toten -  Alan Parks

Die April-Toten (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Polar Verlag
978-3-910918-07-8 (ISBN)
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Der vierte Fall für den Glasgower Polizisten Harry McCoy spielt 1974 vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen Großbritannien und der IRA. McCoy wird in einem Pub von Andrew Stewart, einem Amerikaner, angesprochen, der ihn um Hilfe bei der Suche nach seinem Sohn Donny bittet, der sich von einer US-Marinebasis unerlaubt entfernt hat. Während McCoy nachforscht, wird Glasgow von einer Welle von Bombenanschlägen heimgesucht. Er und sein Partner Douglas Watson werden zu einer Wohnung gerufen, in der sich ein Attentäter beim Versuch, eine Bombe zu bauen, selbst in die Luft gesprengt hat. Bald wird McCoy klar, dass Donny Stewart möglicherweise ein Teil einer Organisation ist, die von einem gefährlichen Fanatiker angeführt wird und sich für ein neues Schottland einsetzt. Ein Schottland, für das seine Mitglieder zu töten bereit sind. Stephie Cooper, McCoys krimineller Jugendfreund, der aus dem Gefängnis entlassen wird, bittet ihn ebenfalls um seine Hilfe. Er ist überzeugt, dass er einen Verräter in seiner Mitte hat. Als sich auf den Straßen herumspricht, dass weitere Explosionen in Glasgow geplant sind, kämpft McCoy gegen die Korruption in den eigenen Reihen an und versucht, eine Stadt zu retten, in der die schottische nationalistische Bewegung, von der geheimen britischen Special Branch für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt wird. Shortlisted für den The McIlvanney Prize, 2021

Bevor er seine Karriere als Schriftsteller begann, war Alan Parks Creative Director bei London Records und Warner Music, wo er Künstler wie All Saints, New Order und The Streets vermarktete und betreute. Seine Liebe zur Musik spiegelt sich in seinen preisgekrönten Krimis wider, die von der Atmosphäre der 1970er Jahre durchdrungen sind. Parks wurde in Schottland geboren, erwarb einen M.A. in Moralphilosophie an der Universität von Glasgow und lebt in der Stadt.

Bevor er seine Karriere als Schriftsteller begann, war Alan Parks Creative Director bei London Records und Warner Music, wo er Künstler wie All Saints, New Order und The Streets vermarktete und betreute. Seine Liebe zur Musik spiegelt sich in seinen preisgekrönten Krimis wider, die von der Atmosphäre der 1970er Jahre durchdrungen sind. Parks wurde in Schottland geboren, erwarb einen M.A. in Moralphilosophie an der Universität von Glasgow und lebt in der Stadt.

Eins


»Wer lässt denn eine Bombe in Woodlands hochgehen?«, wunderte sich McCoy. »Das ist doch am Arsch von Glasgow.«

»Die IRA?«, fragte Wattie zurück.

»Nicht ausgeschlossen«, sagte McCoy. »Ist schließlich Karfreitag. Aber ich weiß nicht, ob’s eine gute Idee ist, eine beschissene Mietwohnung in Glasgow in die Luft zu jagen, wenn man eigentlich das britische Establishment treffen will. Sind ja nicht die Houses of Parliament.«

Sie standen mitten auf der West Princes Street und sahen an der verkohlten Sandsteinfassade des Hauses hinauf zu den herausgesprengten Scheiben, hinter denen sich bis vor Kurzem noch Wohnung Nummer 43 befunden hatte. Die anderen Wohnungen drum herum hatten ebenfalls einiges abbekommen, zerrissene Vorhänge wehten durch die kaputten Fenster nach draußen, ein Blumenkasten mit Osterglocken lag auf der Straße. McCoy zog seine Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine an, wedelte das Streichholz aus und ließ es auf den nassen Asphalt fallen.

»Woher weißt du überhaupt, dass das eine Mietwohnung ist?«, fragte Wattie.

»Das ist hier alles vermietet oder untervermietet, ohne Papiere, ohne Verträge. Die Hälfte aller Herumtreiber und Ausreißer Glasgows wohnt hier.«

»Meinst du, das geht jetzt auch hier bei uns los? Mit Anschlägen, meine ich«, fragte Wattie.

McCoy zuckte mit den Schultern. »Hoffentlich nicht, aber du weißt ja, was man sagt: Glasgow ist wie Belfast, nur ohne Bomben.«

»Bis jetzt«, erwiderte Wattie.

Ein Feuerwehrmann rief ihnen etwas zu und sie traten zurück auf den Gehweg, weil ein Einsatzwagen versuchte, in drei Zügen auf der engen Straße zu wenden. Es herrschte ein wildes Durcheinander aus Feuerwehrwagen, Krankenwagen, Streifenwagen und Wasserschläuchen, uniformierte Polizisten sperrten den gesamten Bereich um das Haus ab.

Die Wohnungen ringsum waren bereits evakuiert worden, die Bewohner standen in den unterschiedlichsten Aufmachungen sichtlich erschrocken auf der Straße. Einige trugen Schlafanzüge oder Unterwäsche, hatten sich nur schnell eine Decke übergeworfen. Ein Mann im Nadelstreifenanzug war ohne Schuhe, nur mit Socken herausgelaufen, er hielt eine Katze im Arm.

Ein kräftiger Feuerwehrmann kam aus dem Haus, zog seinen Helm ab, die sandfarbenen Haare klebten ihm schweißnass am Kopf. Er spuckte ein paarmal aus und kam herüber.

»Ist jetzt einigermaßen sicher«, sagte er. »Ihr könnt nach oben gehen.«

McCoy nickte. »Gab’s Tote?«

»Einen«, sagte er. »Eine Hälfte klebt großflächig verteilt an der Wand, die andere liegt völlig verkohlt am Boden.«

Schon bei der Beschreibung drehte sich McCoy der Magen um.

»Gehört alles euch«, sagte der Feuerwehrmann und ging in Richtung des rückwärts rangierenden Feuerwehrwagens davon.

»Mist«, sagte McCoy. »Müssen wir da wirklich rauf?«

»Natürlich«, sagte Wattie. »Willst du lieber gleich kotzen gehen? Dann haben wir’s wenigstens hinter uns.«

»Klugscheißer«, sagte McCoy, der genau das am liebsten getan hätte. »Vielleicht sollten wir auf Faulds warten? Er ist schon unterwegs.«

»Fallen dir sonst noch Ausreden ein?«, fragte Wattie. »Oder war’s das jetzt?«

McCoy seufzte. »Okay, los.«

Sie schlängelten sich zwischen den Feuerwehrleuten durch, die gerade dabei waren, ihren Schlauch wieder aufzurollen, und verschwanden im Hauseingang. Wasser lief die Treppe hinunter, es stank nach Rauch und verbranntem Holz. Sie trotteten hinauf bis ins oberste Stockwerk, dem unausweichlich grauenhaften Anblick entgegen.

»Denkst du noch an heute Abend?«, fragte Wattie.

»Wie könnte ich’s vergessen?«, fragte McCoy. »Du erinnerst mich alle fünf Minuten daran. Ich werde, wie verabredet, um sechs Uhr bei deinem Dad sein.«

»Er hat einen Tisch beim Chinesen reserviert«, sagte Wattie. »In der Stadt. Ist halt billig.«

»Super«, erwiderte McCoy und beschloss, sicherheitshalber vorher zu essen. Bei dem Besuch eines China-Restaurants in Greenock, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass es billig war, schienen Verdauungsbeschwerden im besten und eine Lebensmittelvergiftung im schlimmsten Fall vorprogrammiert.

Sie waren jetzt auf dem obersten Treppenabsatz angekommen. Die Feuerwehrleute hatten die Wohnungstür aufgebrochen, sie hing völlig schief in den Angeln. McCoy versuchte es noch einmal.

»Wollen wir nicht lieber auf Phyllis Gilroy warten?«, schlug er vor. »Was verstehen wir schon von Sprengstoff-Opfern? Immerhin ist sie die Gerichtsmedizinerin, sie kann viel mehr ausrichten als du oder ich.«

Wattie seufzte, sah ihn an. »Hör zu, wenn du nicht da reinwillst, dann ist das okay. Aber ich gehe jetzt.«

»Wirklich?«, fragte McCoy. »Das wäre sup…«

»Na klar. Und nachher auf der Wache berichte ich Murray, dass mein befehlshabender Vorgesetzter zu viel Schiss hatte, um sich den Tatort anzusehen.«

»Allmählich wirst du ein richtig blöder Arsch, Watson«, erwiderte McCoy.

»Hab schließlich vom Besten gelernt. Bereit?«, fragte Wattie und stieß die Tür auf.

Die eine Hälfte der Wohnung sah ganz normal aus, in der anderen war alles schwarz verkohlt und triefte vor Wasser. Der Rauchgestank war hier noch intensiver, schlug ihnen sofort beim Eintreten entgegen und setzte sich in ihren Kehlen fest. Darunter lag noch ein anderer Geruch, erinnerte entfernt an einen Sonntagsbraten. McCoy zog ein Taschentuch hervor, hielt es sich vor Nase und Mund, was aber kaum half. Sie gingen durch den Flur ins Wohnzimmer, ihre Schuhe schmatzten auf der klebrig-schleimigen Schicht aus Asche und Wasser, die den Teppichboden bedeckte.

Die Bombe musste im Wohnzimmer hochgegangen sein. Die zerfetzten Vorhänge flatterten im Wind, wehten zu den scheibenlosen Fensterrahmen rein und raus. Auch die Matschschicht auf dem Boden war hier dicker, quoll ihnen über die Schuhe. McCoy folgte Wattie, hielt sich möglichst hinter ihm, sodass er nicht gut an ihm vorbeisehen konnte – er war ein paar Zentimeter größer als McCoy und deutlich breiter. Die Taktik funktionierte wunderbar, bis Wattie plötzlich in die Hocke ging, um eine halb geschmolzene LP aus dem Dreck zu fischen. Plötzlich hatte McCoy freie Sicht.

Die Tapete mit dem Bambusmuster am Kamin sah aus, als hätte jemand rote Farbe darauf verspritzt. Bevor er weggucken konnte, fiel sein Blick auf Haare und einen in der Wand steckenden Zahn. Auf dem Boden neben den Sofatrümmern lag etwas, das er zunächst für einen Haufen verbrannte Klamotten hielt. Dann sah McCoy ein bisschen genauer hin, entdeckte einen weißen Knochen daraus hervorragen und wich einen Schritt zurück. Der ihm bereits wohlvertraute Schwindel überfiel ihn.

»Paul McCartney. Ram«, sagte Wattie und sah auf das Cover der völlig verzogenen LP. »Grauenvoll«, und legte sie wieder in den Dreck. »Genau wie das Album, das ich nur gekauft hab, weil du mich bequatscht hast. Was war das noch mal? Inside Outside? Oh Mann! Bei dir alles klar?«, fragte er.

McCoy war an die Wand zurückgewichen, zählte seine Atemzüge und konnte eine Ohnmacht nur mit Mühe unterdrücken. Er bekam gerade so noch ein Nicken hin, hielt sich erneut das Taschentuch vor die Nase, versuchte möglichst, den Roastbeef-Gestank nicht einzuatmen. Er sah sich im Raum um, sorgsam bemüht, an den sterblichen Überresten des ehemaligen Bewohners vorbeizugucken. Die Wohnung sah aus wie jede andere in Woodlands. Verblichene Tapete, ein kleiner Gaskocher, ein eingesunkener Sessel, Wasserflecken an der Decke und an den Wänden. Warum sollte jemand eine Bruchbude wie diese hier in die Luft jagen?

»Ich geh kurz ans Fenster, frische Luft schnappen«, sagte McCoy und schob sich an der Wand entlang. An der großen Öffnung angekommen, die einst ein Fenster gewesen war, streckte er den Kopf hinaus.

»Was für eine Schweinerei«, sagte Wattie. »Im Putz über dem Kamin stecken Schädelsplitter.«

»Ach?«, erwiderte McCoy, den Blick entschieden auf die versammelten Schaulustigen unten auf der Straße gerichtet. Er versuchte, sich möglichst nicht vorzustellen, wie in der Wand steckende Schädelsplitter aussahen.

»Ich hab gedacht, du hast den Scheiß inzwischen überwunden?«, sagte Wattie.

»Hab ich auch gedacht«, erwiderte McCoy. »Hör mal, ich geh mich umsehen, vielleicht finde ich was mit einem Namen drauf, hm?«

Wattie schüttelte den Kopf, während McCoy sich langsam durch den Flur ins Schlafzimmer verzog. Der Raum war unversehrt, hier hatte die Explosion nicht viel angerichtet. Dem Aussehen nach hatte die Tür gebrannt und war mit Wasser gelöscht worden, aber das war’s auch schon. Ein ungemachtes Einzelbett, ein geöffneter Schlafsack. Auf einer kleinen Kommode stand ein Aschenbecher, der Melody Maker lag daneben, dazu ein Black-Sabbath-Poster an der Wand und ein paar Bilder von Ferraris über dem Bett. Allem Anschein nach hatte hier ein junger Mann gelebt.

Er zog die Kommodenschubladen auf, das übliche Durcheinander an Unterhosen und Socken, ein Pornoheft unter einem Stapel T-Shirts. Kaum Aufschlussreiches und nichts mit einem Namen. Er zog eine weitere Schublade auf. Ein Pulli, eine 747 Jeans. Ein paar zusammengelegte Hemden. Er schob die Schublade wieder zu und ging zum Fenster. Die Scheibe war herausgesprungen und...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2024
Nachwort Doug Johnstone
Übersetzer Conny Lösch
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Attentat • Bomben • Fanatiker • Gefängnis • Glasgow • Hard Boiled • Krimi • Kriminalroman • McCoy • Noir • Rechtsradikale • schottische nationalistische Bewegung • Schottland • Spannung • Suspense • US-Base
ISBN-10 3-910918-07-7 / 3910918077
ISBN-13 978-3-910918-07-8 / 9783910918078
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