Solange du bei uns bist (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
463 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-7403-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Solange du bei uns bist - Jodi Picoult
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Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Edward hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, seit er wegen eines heftigen Streits nach Thailand ausgewandert ist. Eine schreckliche Nachricht führt ihn zurück in die USA: Sein Vater, ein Wolfsforscher, liegt nach einem Unfall im Koma. Die Chancen auf Genesung sind minimal. Während seine Schwester Cara auf ein Wunder hofft, will Edward den Vater sterben lassen und seine Organe spenden. Wird er von Nächstenliebe oder von Rachegedanken angetrieben? Und wie weit wird Cara gehen, um das Leben ihres Vaters zu erhalten?

Eine herzergreifende Geschichte, die zum Nachdenken anregt - über Wölfe, Menschen und den Wert des Lebens. Der Roman erschien im Original unter dem Titel Lone Wolf.

»Die gefeierte Autorin weiß wie keine andere, ihre Leserinnen und Leser bis ins Innerste aufzuwühlen. Sie besitzt die wunderbare Gabe, uns mit ihren Figuren mitleben und mitlieben zu lassen.« BUCH-MAGAZIN

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




<p>Jodi Picoult, geboren 1967 auf Long Island, studierte in Princeton<em>Creative Writing</em>und in Harvard Erziehungswissenschaften. Seit 1992 schreibt sie mit sensationellem Erfolg Romane. Sie wurde für ihre Werke vielfach ausgezeichnet, beispielsweise mit dem<em>New England Bookseller Award</em>. Ihre Romane erscheinen in 35 Ländern. Jodi Picoult gehört zu den erfolgreichsten und beliebtesten amerikanischen Erzählerinnen weltweit. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Hanover, New Hampshire.</p>

Luke


Vielleicht hätte ich damals den Tiger nicht befreien sollen.

Bei den anderen Tieren habe ich leichtes Spiel gehabt: bei dem schwerfälligen, aber dankbaren Elefantenpaar, dem wütenden Kapuzineräffchen, das auf meine Füße spuckte, während ich das Schloss aufbrach, und bei den schneeweißen Arabern, deren Atem wie eine unbeantwortete Frage zwischen uns hing. Tieren wird zu wenig Achtung entgegengebracht, vor allem von Zirkusdompteuren. Doch mich verstanden sie, das wusste ich sofort, als sie mich beobachteten, während ich mich im Schatten vor ihren Käfigen bewegte. Deshalb schlugen selbst die lautesten – die Papageien, die gezwungen worden waren, auf einer lächerlichen Wolke von Pudelköpfen zu reiten – auf ihrer Flucht in vollkommenem Einklang mit den Flügeln.

Ich war damals neun Jahre alt, und Wladislaws Fantastisches Zelt der Wunder hatte hier Station gemacht, in New Beresford, New Hampshire. Das allein grenzte schon an ein Wunder, da – nichts und niemand sich je nach Beresford, New Hampshire, verirrte – abgesehen von ein paar einsamen Skiläufern oder Reportern, die sich in Wahlkampfzeiten einen Kaffee in Ham’s General Store genehmigten oder bei Gas’n’Go auf die Toilette gingen. Jedes Kind, das ich kannte, hat versucht, sich durch die Löcher in dem eilends errichteten Zaun zu zwängen, um die Vorstellung zu sehen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Auch ich habe den Zirkus so zum ersten Mal gesehen. Ich hatte mich unter der Tribüne versteckt und schaute mit meinem besten Freund Louis zwischen den Beinen der zahlenden Gäste hindurch.

Unter das Zeltdach waren Sterne gemalt worden. Typisch Stadtmenschen. Sie waren natürlich nicht auf die Idee gekommen, dass sie einfach nur das Dach hätten öffnen müssen, um die echten Sterne zu sehen. Ich wuchs in der freien Natur auf. Denn wenn man lebte, wo ich einst gelebt habe – am Rand des White Mountain National Forest –, dann hat man einfach viel Zeit damit verbracht, im Freien zu zelten und in den Nachthimmel hinaufzuschauen. Wenn man seinen Augen Zeit ließ, sich an das Licht zu gewöhnen, dann sah der Himmel wie das Innere einer Schneekugel aus, die man umgedreht hatte, und man selbst stand mitten in ihr. Diese Zirkusleute haben mir leidgetan, dass sie dafür auf Farbe zurückgreifen mussten.

Ich musste zugeben, dass ich mich zunächst nicht von dem rot besetzten Schwalbenschwanz des Zirkusdirektors und den langen Beinen der Seiltänzerin losreißen konnte. Als sie einen Spagat in der Luft machte und sitzend auf dem Seil landete, hörte ich, wie Louis die Luft ausstieß, die er angehalten hatte. Das Seil hat wirklich Glück, hatte er gesagt.

Dann hatten sie die Tiere rausgebracht, zuerst die Pferde, die wütend mit den Augen rollten. Dann kam der Affe in einem dümmlichen Pagenkostüm. Er kletterte auf den Sattel des Führungspferdes und zeigte den Zuschauern die gefletschten Zähne, während er immer und immer wieder im Kreis ritt. Anschließend folgten die Hunde, die durch Reifen sprangen, die Elefanten, die tanzten, als wären sie in einer andren Zeitzone, und ein kunterbunter Schwarm von Vögeln.

Und dann kam der Tiger.

Natürlich wurde er großartig angekündigt. Was für eine gefährliche Bestie er sei, dass die Zuschauer so etwas bloß nicht daheim versuchen sollten. Der Dompteur, ein Mann mit aufgequollenem, sommersprossigem Gesicht, das an ein Zimtbrötchen erinnerte, stand mitten in der Manege, als die Tür zum Tigerkäfig geöffnet wurde. Der Tiger brüllte, und obwohl ich ein ganzes Stück von ihm entfernt war, konnte ich seinen Atem riechen.

Der Tiger sprang auf ein Metallpodest und schlug mit der Tatze in die Luft. Auf Kommando stellte er sich auf die Hinterbeine und drehte sich im Kreis.

Ich wusste ein, zwei Dinge über Tiger. Wenn man ihn rasiert, sieht man, dass auch die Haut gestreift ist. Jeder Tiger besitzt einen weißen Fleck hinter den Ohren, sodass es so aussieht, als behalte er einen auch dann im Auge, wenn er einem den Rücken zukehrt.

Und: Tiger gehören in die Wildnis und nicht hierher nach Beresford, wo die Menge bei ihrem Anblick kreischte und klatschte.

In diesem Augenblick geschah zweierlei: Zunächst einmal wurde mir klar, dass ich den Zirkus nicht mehr mochte. Zweitens starrte der Tiger mir genau in die Augen, als hätte er sich ausgerechnet mich ausgesucht.

Und ich wusste genau, was er von mir wollte.

Nach der Abendvorstellung gingen die Artisten zum See hinter der Grundschule, um dort zu trinken, Poker zu spielen und zu schwimmen. Und so waren die meisten ihrer Trailer, die hinter dem großen Zelt standen, leer. Es gab natürlich einen Wachmann, einen Berg von Kerl mit kahlgeschorenem Kopf und einem Ring in der Nase, doch der schnarchte lauter, als die Kapelle vorhin gespielt hatte, die leere Wodkaflasche neben sich. Ich kletterte durch den Zaun.

Selbst heute kann ich Ihnen nicht sagen, warum ich es tat. Da war einfach etwas zwischen diesem Tiger und mir, dieses Wissen, dass ich frei war und er nicht. Und dann war da die Tatsache, dass sein ungeregeltes, wildes Leben auf zwei Shows, eine um drei, die andere um sieben, reduziert worden war.

Am meisten Arbeit machte das Schloss des Affenkäfigs. Die meisten anderen konnte ich einfach mit einem Eispickel aufbrechen, den ich aus dem Whiskeyschrank meines Großvaters geklaut hatte. Ich ließ die Tiere rasch und leise heraus und schaute zu, wie sie in der Nacht verschwanden. Sie schienen zu verstehen, dass Diskretion das Gebot der Stunde war, und noch nicht einmal die Papageien gaben einen Laut von sich.

Der Letzte, den ich befreite, war der Tiger. Ich schätzte, dass den anderen Tieren gut fünfzehn Minuten Vorsprung reichen müssten, bevor ich ihnen den großen Räuber auf die Fersen hetzte. Also hockte ich mich vor den Käfig und schaute auf die Uhr. Und dort wartete ich noch immer, als plötzlich die Frau mit Bart vorbeikam.

Sie sah mich sofort. »Sieh an, sieh an«, sagte sie. Hinter dem langen Schnurrbart konnte ich ihren Mund nicht sehen. Aber sie fragte mich nicht, was ich hier machte, und sie vertrieb mich auch nicht. »Pass auf«, sagte sie nur. »Er spritzt.« Sie musste bemerkt haben, dass die anderen Tiere verschwunden waren. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, meine Taten irgendwie zu verbergen, die Käfigtüren standen noch offen. Aber sie starrte mich einfach nur einen Moment lang an und stieg dann die Stufen zu ihrem Trailer hinauf. In der Erwartung, dass sie die Cops rufen würde, hielt ich die Luft an. Doch stattdessen schaltete sie nur das Radio ein. Streichermusik drang aus dem Trailer, und die Frau sang mit tiefer Stimme mit.

Noch nach all dieser Zeit erinnere ich mich deutlich an das Knirschen des Metalls, als ich die Tür des Tigerkäfigs öffnete. Ich weiß noch genau, wie er sich wie eine Hauskatze an mir gerieben hatte, bevor er mit einem Satz über den Zaun sprang. Und ich weiß auch noch, wie ich die Angst in meinem Mund schmeckte, als mir klar wurde, dass man mich gleich erwischen würde.

Aber nichts geschah. Die Frau mit Bart erzählte nie jemandem von mir. Stattdessen gab man den Zirkusarbeitern die Schuld, die die Elefantenkäfige ausmisteten. Außerdem war die Stadt am nächsten Morgen viel zu beschäftigt damit, die entflohenen Tiere einzufangen, als dass es wirklich jemanden gekümmert hätte, wer dafür verantwortlich gewesen war. Die Elefanten fand man badend im Marktbrunnen, nachdem sie eine Statue von Franklin Pierce umgeworfen hatten. Der Affe hatte sich einen Weg in die Vitrine des Diners gesucht und verschlang gerade eine Schokoladentorte, als man ihn fing. Die Hunde wiederum wühlten sich durch die Mülltonnen hinter dem Kino, und die Pferde hatten sich in alle Winde verstreut. Eines galoppierte über die Main Street, ein anderes graste neben den Kühen auf der Weide eines örtlichen Farmers, und wieder ein anderes war über zehn Meilen weit in ein Skigebiet gelaufen, wo es von einem Rettungshubschrauber entdeckt wurde. Von den drei Papageien blieben zwei für immer verschollen, und der dritte hatte sich ein Nest im Glockenturm der Shantuck Congregational Church gebaut.

Der Tiger war zu diesem Zeitpunkt natürlich schon lange über alle Berge gewesen, und das stellte ein Problem dar, denn ein paar herumflatternde Papageien sind eine Sache, eine streunende Raubkatze jedoch etwas völlig anderes. Die Nationalgarde wurde in den White Mountain National Forest geschickt, und drei Tage lang blieben sämtliche Schulen in New Hampshire geschlossen. Louis kam mit dem Fahrrad zu uns und erzählte mir von den Gerüchten, die er gehört hatte. Zuerst habe der Tiger Mr Wolzmans beste Färse gerissen, dann ein Kleinkind und schließlich unseren Schuldirektor.

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, dass der Tiger etwas fraß. Wenn ich ihn mir vorstellte, dann schlief er den ganzen Tag über hoch in einem Baum und orientierte sich nachts an den Sternen.

Sechs Tage nachdem ich die Zirkustiere befreit hatte, fand ein Soldat mit Namen Hopper McPhee, der erst eine Woche zuvor zur Nationalgarde gekommen war, den Tiger. Die große Raubkatze schwamm im Ammonoosuc River. Ihre Schnauze und die Pranken waren noch blutig von dem Hirsch, den sie kurz zuvor gerissen hatte. Laut Hopper McPhee habe der Tiger sich in der Absicht auf ihn gestürzt, ihn zu töten, und deshalb habe er schießen müssen.

Das wage ich jedoch stark zu bezweifeln. Der Tiger hatte nach seiner Mahlzeit vermutlich eher gedöst, und mit Sicherheit war er nicht hungrig gewesen. Was ich jedoch glaube, ist, dass der Tiger Hopper McPhee angegriffen hatte. Denn wie gesagt, die meisten Menschen bringen Tiere nicht genügend Achtung entgegen, und der Tiger hatte mit Sicherheit verstanden, was los...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2024
Übersetzer Rainer Schumacher
Sprache deutsch
Original-Titel Lone Wolf
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte beheartbeat • Beziehung • Charity Norman • Drama • Emotional • Familie • Familiendrama • Familienleben • Familienroman • Freundschaft • Gefühle • Gegenwartsliteratur • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Nähe • Organspende • Roman für Frauen • Romantik • Schicksal • Trennung • Unterhaltung • Wölfe • Zwischenmenschliche Beziehung
ISBN-10 3-7517-7403-3 / 3751774033
ISBN-13 978-3-7517-7403-1 / 9783751774031
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