Miss Merkel: Mord in der Therapie (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01714-6 (ISBN)
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
5
Angela verließ das Büro und blickte ins Treppenhaus. Für einen kurzen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, gleich wieder zu verschwinden und sich wie die alten Damen in der Bäckerei Wurst ein Käsebrötchen – nirgends sonst gab es so leckere Remoulade – und einen Cappuccino mit Schokostreuseln zu bestellen und sich draußen an einen Tisch in den Uckermärker Sonnenschein zu setzen. Angela fand sowieso, ohne jegliche wissenschaftliche Evidenz, dass er der schönste Sonnenschein der Welt war. Aber wenn sie dies täte, würde Achim enttäuscht sein und Marie sie feige nennen. Und sie würde der Freundin nicht einmal widersprechen können. Aber wenn Angela eines nicht sein wollte in ihrem Leben, dann feige. Sie hielt inne und versuchte, sich das Positive der Situation zu vergegenwärtigen: In einer Gruppentherapie würde sie sich gewiss nicht gleich zu Beginn mit ihren Problemen offenbaren müssen. Das konnte niemand von ihr erwarten. Stattdessen könnte sie beobachten, ob der Therapeut überhaupt etwas taugte – Zweifel waren angesichts seines erschöpften Auftretens angebracht.
Angela trat in den gegenüberliegenden Raum, wobei ihr das mehrmals gesprungene Milchglas der Tür ins Auge stach. War das eine Alterserscheinung, oder hatte jemand vor lauter Zorn gegen die Scheibe gehämmert?
In dem Zimmer war ein Stuhlkreis aus alten Holzstühlen aufgestellt, deren geblümte Sitzpolster bereits verblichen waren. An der Wand entdeckte Angela einen Holztisch mit einer orangefarbenen Plastiktischdecke, darauf drei Thermoskannen, zudem Kekse, Obst und jede Menge Becher und Teller, die der Therapeut vermutlich seit seinem Studium in verschiedenen Lebensphasen gesammelt hatte. Insgesamt zählte Angela sieben Stühle – was darauf schließen ließ, dass außer ihr noch fünf weitere Patienten kommen würden, denn einer der Plätze war sicher für den Therapeuten reserviert.
Ein Mitglied der Gruppentherapie saß schon da und wippte nervös hin und her: eine junge Frau mit blau gefärbtem Filzhaar, abgeknabberten Fingernägeln und einem Tattoo, das einen roten Kreis in einem schwarzen Herz abbildete. Angela kannte das Symbol, da war sie sich sicher, konnte es aber momentan nicht zuordnen. Die junge Frau blickte zu ihr hoch, erkannte sie, erschrak, wandte rasch den Kopf zur Seite und schlang ihre Arme um sich, wie um sich festzuhalten. Na, das kann ja heiter werden, dachte Angela bei sich.
Sie näherte sich dem Tisch, suchte sich einen Becher aus, der ihr sauber erschien, und öffnete eine der Thermoskannen. Der Geruch von viel zu starkem Beutelschwarztee strömte ihr entgegen. Sie griff sich die nächste und seufzte. Instantkaffee. Plötzlich sehnte sie sich nur noch mehr nach den Tischen im Sonnenschein vor der Bäckerei Wurst.
Angela goss sich Kaffee ein, verfärbte ihn mit jeder Menge H-Milch, natürlich nicht ohne sich vorher des Haltbarkeitsdatums zu vergewissern, und setzte sich auf einen freien Platz. Erst jetzt bemerkte sie das iPad, das auf einem der Stühle lag. Was wollte der Therapeut damit?
Bevor sie weiter darüber rätseln konnte, schwang die Tür auf, und ein junger Mann trat ein. Er trug ein schwarz-weiß quer gestreiftes T-Shirt und eine weiße Hose, die von roten Hosenträgern festgehalten wurde. Sein Gesicht war weiß geschminkt: ein Pantomime.
Ein Pantomime?
Angela überlegte ernsthaft, ob sie in einem absurden Theaterstück von Samuel Beckett gelandet war: Warten auf den Therapeuten.
Der Pantomime begrüßte sie, indem er eine imaginäre Blume von einer ebenso imaginären Wiese pflückte und sie Angela entgegenstreckte. Dabei lächelte er mit aufgerissenen Augen, wie es nur Pantomimen taten. Der junge Mann schien freundlich zu sein. Mental instabil, aber freundlich. Angela nahm die Blume – bestimmt eine Rose – und sagte, durchaus amüsiert: «Vielen Dank.»
Der Pantomime verbeugte sich galant. Anschließend pflückte er eine Menge weiterer Blumen von der Wiese, band sie zu einem Strauß und wollte sie der jungen Frau überreichen, doch die zog ihre Beine auf den Stuhl und kauerte sich noch mehr zusammen. Der Pantomime legte seinen Strauß auf dem Platz neben ihr ab und setzte sich auf einen anderen. Dabei rieb er sich eine imaginäre Träne aus dem Auge. Er wirkte aufrichtig betrübt.
Eine Weile saßen die drei schweigend da. Die junge Frau mit den blau gefärbten Filzhaaren schloss die Augen, während der Pantomime so tat, als würde er Luftballons aufblasen und zu Ballontieren zusammenknoten. Was die beiden Patienten wohl hierherführte? Angela konnte sich keinen Reim darauf machen. Umso neugieriger war sie, was passieren würde, wenn die Therapiestunde losging. Vorausgesetzt, der Pantomime würde überhaupt sprechen.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und ein kleiner untersetzter Mann mit silbernem Haarkranz stürmte in den Raum. Er war vielleicht sechzig Jahre alt. Sein schwarzgrauer Oberlippenbart war gerade noch breit genug, um nicht sofort Assoziationen mit Charlie Chaplin und Adolf Hitler zu wecken. Dass zwei derart unterschiedliche Menschen wie der Komiker und der Diktator zur gleichen Zeit ein so ähnliches Markenzeichen besessen hatten, faszinierte Angela stets aufs Neue, besonders seitdem sie erfahren hatte, dass Chaplin und Hitler in einem Abstand von nur vier Tagen geboren worden waren.
«Meine verdammte Krankenkasse», meckerte der Mann drauflos, «hat die Therapie nicht verlängert. Da zahlt man Jahrzehnte ein und bekommt rein gar nichts für seine Kohle! Dieses Land geht endgültig den Bach runter!»
Es war Angela sofort klar, dass sie einen waschechten Wutbürger vor sich hatte. Sicher hatten diese Menschen Gründe für ihren Zorn, meist sehr persönliche, wie Angela wusste, doch sie hatte kein Interesse daran zu erfahren, um welche es sich bei diesem Mann handelte.
«Ach du Scheiße!», fluchte er, als er Angela entdeckte. «Was machen Sie denn hier?»
«Das Gleiche wie Sie», konterte Angela nüchtern.
«Sich über die Krankenkasse aufregen?» Der Mann verstand nicht sofort.
«Ich nehme an der Gruppensitzung teil.»
«Soll das eine Schocktherapie für mich werden?», ätzte der Kerl.
«Werner», erklang eine Frauenstimme, «was habe ich dir gesagt, wie du dich anderen Menschen gegenüber benehmen sollst?»
«Netter», grummelte der Wutbürger und schielte zur Tür, wo eine rundliche, fröhliche, blond gefärbte Mittfünfzigerin im knallrosa Kleid stand.
«Ganz genau!»
«Aber das ist Angela Merkel!»
«Und auch zu ihr sind wir nett!», erklärte die mollige Frau, ging auf Angela zu, streckte ihr die Hand entgegen und sagte: «Hallo, ich bin die Rosa.»
«Guten Tag, Rosa.» Angela schüttelte ihr die Hand.
«Eigentlich heiße ich Barbara, aber ich finde Rosa schöner.»
Angela lächelte freundlich und dachte sich, dass Rosa eine bessere Vornamenswahl war als Magenta, Creme oder Ocker.
«Willkommen in der Gruppe», strahlte Rosa zurück und löste den Händedruck, «ich habe mich schon gefragt, wann Sie hier mitmachen.»
«Sie haben sich das gefragt?», staunte Angela.
«Ich habe Sie öfter mit Ihrem Hund durch den Ort spazieren sehen, und dabei wirkten Sie in letzter Zeit immer so betrübt.»
Hatten etwa alle Einwohner Klein-Freudenstadts begriffen, dass sie traurig war, bevor sie es selbst bemerkt hatte?
«Ich wäre», stänkerte Werner, der sich einen Kaffee einschenkte, der ihn garantiert nicht beruhigen würde, «auch traurig, wenn ich das Land in diesem Zustand hinterlassen hätte.»
Angela war tief getroffen, tiefer, als ihr lieb war. Rosa hingegen meinte mitfühlend: «Hören Sie nicht auf Werner. Das tun wir auch nicht. Tut keiner.»
«Wäre aber besser», grummelte der Wutbürger.
«Das hier ist die Nele.» Rosa deutete auf die junge Frau.
«Eine Bekloppte aus der Letzten Generation», schnarrte Werner und setzte sich auf einen Stuhl, während Rosa sich den Keksen widmete, frei nach dem Motto: ‹Wenn schon einer, dann gleich drei!› Jetzt erinnerte sich Angela wieder, woher sie das Tattoo der jungen Frau kannte: Es war das Logo der Klimaaktivisten-Organisation.
«Die haben alle zu oft von ihrem Kleber geschnüffelt», fuhr Werner fort, «und zu viele Gendersternchen geraucht.»
Der Mann war wirklich kein Meister des Sprachbildes, doch Angela merkte sofort, dass zwischen ihm und dem Mädchen eine nicht gerade therapieförderliche Stimmung herrschte. Ebenso wie zwischen ihm und dem Pantomimen, der sich vor Werner aufbaute und seine Lippen mit einem Reißverschluss zu verschließen schien, eine Bewegung, die dem Wutbürger bedeuten sollte, den Mund zu halten. Ganz offenbar wollte der Pantomime Nele schützen.
«Wie oft denn noch», schnauzte der kleine Werner den jungen Künstler an, «wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es!»
«Du weißt», mischte sich Rosa ein, «dass er das nicht kann, wegen seinem Trauma.» Sie biss genüsslich in ihren fünften Keks.
«Trauma, Trauma, wenn ich das höre, früher hatten Männer keine Traumen, sondern Träume!»
«Sie sind schon wieder am Streiten», seufzte Fenstermacher, der in diesem Moment den Raum betrat.
«Sie wissen doch», lächelte Rosa, «wie unser Werner ist.»
«Ja», antwortete der Therapeut, und man hörte förmlich sein nicht ausgesprochenes ‹Leider›. Kurz hegte Angela den Verdacht, Fenstermacher hätte höchstpersönlich dafür gesorgt, dass die Kasse die Therapie des Wutbürgers nicht verlängerte, um sich das Leben einfacher zu machen.
Der Therapeut hingegen griff nach dem iPad und erklärte: «Ich schalte noch die Hiltrud hinzu.» Er...
Erscheint lt. Verlag | 12.11.2024 |
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Reihe/Serie | Merkel Krimi |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie Krimi • Angela Merkel • Bundeskanzlerin in Rente • Cosy Crime • cosy krimi deutsch • deutsche Kriminalromane • Geschenk für Mutter • Geschenk für Vater • Hobby-Detektivin • Humor • humorvolle Krimis • Krimi Deutschland • Kriminalroman • Krimireihe • krimi serie • lustige krimis bücher • lustiger Roman • Miss Marple • Miss Merkel Teil 4 • Muttertagsgeschenkt • Regionalkrimi • spannende Bücher • Spiegel Bestseller-Autor |
ISBN-10 | 3-644-01714-X / 364401714X |
ISBN-13 | 978-3-644-01714-6 / 9783644017146 |
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