Tödliche Marillenzeit (eBook)
336 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-32126-0 (ISBN)
Zur Marillenernte versetzt der Mord an einer Bäuerin die malerische Wachau in Aufruhr ...
Marillenernte in der Wachau, ein Fest für die Sinne. Auch Lou Conrad, Ex-Polizistin und Inhaberin des beliebtesten Feinkostladens der Region, möchte aus den Früchten Köstlichkeiten kreieren und fährt zum Hof ihrer Bekannten Marta. Doch dort macht Lou eine schockierende Entdeckung: Die Bäuerin liegt tot im Marillengarten. Im Ort brodelt schnell die Gerüchteküche. Beging ein Tourist die Tat? Waren es skrupellose Obstdiebe? Mit Sternekoch Fabio und Berner Sennenhund Michelin an ihrer Seite geht Lou der Sache auf den Grund und entdeckt: In diesem Fall ist das süße Gold der Wachau mit mörderischen Geheimnissen verbunden ...
Beate Maxian lebt mit ihrer Familie in der Nähe des Attersees und in Wien und zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen Österreichs. Ihre Wien-Krimis um die Journalistin Sarah Pauli stehen dort regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Auch »Ein tödlicher Jahrgang« und »Tödliche Marillenzeit«, die ersten beiden Bände ihrer Krimireihe um die Feinkosthändlerin Lou Conrad, wurden auf Anhieb Bestseller.
1
Marta rieb sich verschlafen die Augen.
»Fünf Uhr ist eindeutig nicht meine Zeit«, murmelte die Obstbäuerin und stellte den Wecker aus. Ihr Blick wanderte zum Schlafzimmerfenster und nach draußen. »Dass die Sonne schon aufgegangen ist, ändert auch nichts daran.« Sie seufzte, schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Auf dem Weg in die Küche klopfte sie an die Schlafzimmertüren ihrer Kinder. Zuerst an Katharinas, dann an die von Andreas. »Aufstehen!«
Im Schlafanzug schlurfte sie in die Küche und drückte am Kaffeeautomaten die Taste für einen Cappuccino. Während der Kaffee in die Tasse lief, riss sie ein Blatt vom Tageskalender mit den Lebensweisheiten ab, der neben der Tür hing. »›Dienstag, 13. Juli. Du kannst nicht negativ denken und Positives erwarten‹«, las sie laut von dem Blatt ab, das zum Vorschein gekommen war. Der Urheber des Zitats war unbekannt.
»Vermutlich jemand, der nicht um fünf Uhr morgens aufsteht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Oder sich mit einem Wirt herumärgern muss, der aus fadenscheinigen Gründen kurzfristig seine Bestellung storniert hat«, knurrte sie. Angeblich hatte sie, Marta, ihm, Gregor Poler, vor einer Woche nicht Ware in der versprochenen Qualität geliefert. Zum ersten Mal, seit er ihr Marillen abkaufte. Und das waren immerhin zehn Jahre.
»Pah! So ein Schwachsinn«, entfuhr es Marta bei der Erinnerung an das Telefonat, dann warf sie das abgerissene Kalenderblatt in den Mülleimer. Gregor war eng mit Rainer, ihrem Ex-Mann, befreundet. Die Scheidung lag sechs Wochen zurück. Auf die Straße hatte sie ihn schon vor einem halben Jahr gesetzt – und auch die Schlösser auswechseln lassen. Ihr Ex war lange Zeit fest davon überzeugt gewesen, dass Marta wieder zur Besinnung kommen würde, wie er sich ausgedrückt hatte. War sie aber nicht. Und jetzt waren sie geschieden, und Gregor hatte seinen Auftrag storniert.
»Ein Schelm, wer Böses dabei denkt«, murmelte sie, nahm die Kaffeetasse, nippte daran und verbrannte sich die Oberlippe. »Verflixt«, fluchte sie und sah wütend zum Kalender.
Katharina und Andreas traten in die Küche. Martas Tochter bereits in Jeans und dunkelgrünem T-Shirt. Die halblangen braunen Haare hatte sie längst frisiert und zu einem Zopf zusammengebunden. »Morgen, Mama.«
Im Gegensatz zu Marta war die Dreiundzwanzigjährige hellwach. Ihre Tochter war Floristin. Normalerweise stand sie zwei Stunden später auf und begann um neun im Dürnsteiner Blumenladen von Martas Freundin Greta mit der Arbeit. Doch diese Woche hatte sie sich freigenommen, um bei der Ernte mitzuhelfen.
»Morgen, ihr zwei«, erwiderte Marta.
Andreas, noch in Boxershorts und T-Shirt, sah sie aus müden Augen an. »Ferien stelle ich mir anders vor. Scheiß Marillen.«
Katharina wuschelte ihrem siebzehnjährigen Bruder durch die schwarzen Haare. »Tja, falsche Familie ausgesucht.«
Genervt schob Andreas Katharinas Hand weg.
Marta machte derweil einen weiteren Cappuccino für ihre Tochter und einen Schwarztee für ihren Sohn. Sie wusste, weshalb er missmutig war. Die Scheidung setzte ihm zu. Er und Rainer waren eng miteinander. Andreas hatte sich ebenfalls der Hoffnung hingegeben, dass alles wieder ins Lot kommen würde. Marta glaubte, dass er insgeheim ihr die Schuld an der Trennung gab. Auch wenn er es bislang nicht offen ausgesprochen hatte. Dabei hatte Rainer es verbockt. Sie selbst hingegen hatte lang genug gute Miene zum bösem Spiel gemacht und seine ständigen Affären hingenommen. Aber auch ihre Geduld hatte mal ein Ende gehabt. Und jetzt, da die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, hatte sie gedacht, dass es für die beiden leichter sein würde, die Situation zu akzeptieren. Doch bei Andreas hatte sie sich in diesem Punkt offenbar getäuscht. Aber auch er würde darüber hinwegkommen. Irgendwann.
Nachdem sie den Kaffee getrunken und ein Marmeladenbrot gegessen hatte, ging Marta ins Badezimmer. Im Spiegel sah sie, dass ihr die kurzen braunen Haare zu Berge standen. Sie lachte. »Ich schau aus wie nach einem Schleudergang.« Sie griff zur Bürste. Während sie versuchte, sie zu glätten, lächelte sie zufrieden. Rainer gehörte zu den Typen, die meinten, kurze Haare bei Frauen seien unweiblich. Deshalb hatte Marta sich ihre lange Haarpracht am Tag vor dem Scheidungstermin abschneiden lassen. Als äußeres Zeichen ihrer neuen Selbstbestimmtheit.
Sie legte die Bürste weg und gähnte herzhaft. Daran, beim ersten Hahnenschrei aufzustehen, würde sie sich wohl nie gewöhnen. Obwohl sie genau das tat, seit ihrer Kindheit. Schon damals hatte sie im Marillengarten ihrer Eltern mit angepackt. Sie hatte früh gelernt, wie und wann die Bäume geschnitten wurden und wie man sie veredelte. Welche Schädlinge der Plantage zusetzten und welche Nützlinge man brauchte, um dem vorzubeugen. Was die Bäume stärkte, was sie schwächte und wann die perfekte Erntezeit war. Die Kunden waren es gewohnt, vom Brucker-Hof frisch geerntete Biomarillen zu bekommen. Süß und aromatisch, die untere Hälfte honiggelb, die obere leicht gerötet. Gereift ohne Einsatz von Pestiziden. Mit kurzen Transportwegen und ohne lange Zwischenlagerung in der Kühlkammer. Sozusagen direkt vom Baum in die Lebensmittelläden und Küchen der Restaurants. So wie es schon zur Zeit ihrer Eltern gewesen war. Zudem hatte sie bei der Arbeit mit den Tieren geholfen. Damals hielten sie noch dreißig Mutterkühe, dazu Enten und Hühner. Als ihr Vater vor siebzehn Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war, war Marta über Nacht zur Chefin des Hofs geworden, weil ihre Mutter sich überfordert fühlte. Marta war zu jener Zeit einunddreißig gewesen. Katharina sieben und Andreas eins.
»Du bist noch jung, du packst das«, sagte ihre damals zweiundsiebzigjährige Mutter und versprach, sie bei der Erziehung der Kinder zu unterstützen. Marta verfluchte es, ein Einzelkind zu sein. Ihre Eltern waren einundvierzig und dreiundvierzig Jahre alt gewesen, als sie vollkommen überraschend zur Welt kam. Zuvor hatten ihnen vier Ärzte unabhängig voneinander diagnostiziert, keine Kinder bekommen zu können.
»Außerdem hast du Rainer«, meinte ihre Mutter.
Pah, dachte Marta bissig. Ihr Ex-Mann war ihr nur selten eine Hilfe. Ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters gab sie seinem Drängen nach und verkaufte die Tiere. Rainer hingegen änderte nichts an seinem Leben, arbeitete weiterhin auf der Bootswerft seines jüngeren Bruders Oliver.
»Schließlich bin ich gelernter Bootsbauer und kein Obstbauer«, argumentierte er.
Martas Mutter, die sich darüber sehr aufgeregt hatte, war ihrem Mann vor einem Jahr in den Himmel gefolgt.
Zwanzig Minuten vor sechs trat Marta in grüner Cargohose und fliederfarbenem Leinenhemd durch die Haustür in den gepflasterten Innenhof. Das Wohnhaus war durch ein gemauertes offenes Rundbogenportal mit dem lang gezogenen Nutzgebäude verbunden, in dem sich früher die Stallungen befunden hatten. Einen kleinen Teil davon hatte sie in einen Hofladen umbauen lassen, an dessen Fassade an einem Holzspalier ein Birnbaum rankte. In dem Hochbeet rechter Hand gediehen Karotten, Paradeiser und Salate. In Tontöpfen Salbei und Rosmarin. Daneben würde schon bald ein Gewächshaus stehen. Das Material für das Fundament und ein Spaten lagen seit einer Woche auf dem Boden und erinnerten Marta tagtäglich daran, die Arbeit endlich anzugehen. Sie atmete tief ein. Bereits zu dieser frühen Morgenstunde legte sich die warme Luft wie ein schwerer Teppich über die Landschaft. Die Temperatur würde auch heute wieder über die Dreißig-Grad-Marke steigen. Endlich kamen auch Katharina und Andreas aus dem Haus.
»Sind die Zisteln schon im Wagen?«, fragte Marta nach den Erntekörben, während sie gemeinsam auf die Garage zusteuerten, in der der weiße Kleintransporter und der dunkelgraue Ford Fiesta parkten.
»Hab ich noch gestern Abend erledigt«, antwortete Katharina pflichtbewusst und öffnete das Schiebetor.
Zisteln waren beim Pflücken die praktischsten Behälter. Durch die unten spitz zusammenlaufende Form des Korbes wurde der Druck der oberen Früchte auf die darunterliegenden reduziert. Zudem war der Handkorb das Logo der Marke Wachauer Marille und prangte auf den Kartonsteigen, in die sie später das gepflückte Obst leeren würden.
»Du kommst klar, Mama?«, fragte Katharina und zog die Fahrertür auf.
Andreas ließ sich mit mürrischem Gesicht auf den Beifahrersitz fallen.
»Ich komm klar«, versicherte Marta. »Ich pflück jetzt gleich die Marillen für Lou Conrad und bring sie ihr dann zusammen mit der anderen bestellten Ware direkt ins Geschäft.«
Der Marillengarten, in dem sie die Marillen ernten würde, erstreckte sich hinter den Gebäuden über zwei Hektar und wurde von einem hohen Lattenzaun eingefasst. Marta wedelte ungeduldig mit der Hand. »Jetzt fahrt schon los, ich hab die Erntehelfer für sechs Uhr zur Plantage bestellt. Nicht dass wir sie am Ende noch fürs Herumstehen bezahlen.«
Ihre Kinder würden mit den Pflückern im sechs Hektar großen Marillengarten bis mittags beschäftigt sein. Dieser lag rund fünf Kilometer entfernt am Donauufer in Dürnstein. Nach getaner Arbeit würden sie zum Hof zurückkommen, mittagessen, hier weitermachen und später noch mal zurückfahren. Auf den achtzigtausend Quadratmetern, die sie insgesamt bewirtschafteten, standen eintausendachthundert Marillenbäume. Während der Saison durchstreiften sie die Obstgärten oft zweimal am Tag. Weil die Früchte nicht gleichzeitig reif wurden, zog sich die Marillenernte über Wochen hin. Um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, brauchte man erfahrene Pflücker.
Katharina startete den Wagen,...
Erscheint lt. Verlag | 18.9.2024 |
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Reihe/Serie | Lou Conrad |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Cozy Crime • eBooks • Ermittlerduo • Erntezeit • fabio gerber • feinkosthändlerin • gastro-krimi • Genuss • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kulinarischer Krimi • lou conrad • Neuerscheinung • Österreich • Sternekoch • ungewöhnliche Ermittler • Wachau |
ISBN-10 | 3-641-32126-3 / 3641321263 |
ISBN-13 | 978-3-641-32126-0 / 9783641321260 |
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