Nacht der Verräter (eBook)
400 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31505-4 (ISBN)
Polizist Max Bauer fällt aus allen Wolken, als während einer Party am helllichten Tag seine Frau Julia spurlos verschwindet. Sie hatte seit ihrem Kennenlernen ein Geheimnis um ihre Vergangenheit gemacht. Er nahm das in Kauf, denn ihre Liebe half ihm aus einer Krise nach einem traumatischen Einsatz. Aber wo soll er bei seiner Suche nun ansetzen? Zugleich konfrontieren ihn Kollegen der Kripo mit einem bösen Verdacht: Seine Brüder, Polizeibeamte im Streifendienst, sollen in den aktuell boomenden Handel mit Kokain aus den nahen Häfen Antwerpen und Rotterdam verstrickt sein. Von Max wird verlangt, seine Familie zu bespitzeln, anderenfalls würde man ihn als Mittäter verfolgen. Ein lebensgefährlicher Seiltanz mit ungewissem Ausgang beginnt.
Horst Eckert, 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren, lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf. Er arbeitete fünfzehn Jahre als Fernsehjournalist, u.a. für die »Tagesschau«. 1995 erschien sein Debüt »Annas Erbe«. Seine Romane gelten als »im besten Sinne komplexe Polizeithriller, die man nicht nur als spannenden Kriminalstoff lesen kann, sondern auch als einen Kommentar zur Zeit« (Deutschlandfunk). Sie wurden unter anderem mit dem Marlowe-Preis und dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet und ins Französische, Niederländische und Tschechische übersetzt.
22.
Die beiden Kripo-Leute gehörten dem Kommissariat für Tötungsdelikte an. Zu Zeiten seines Vaters hatte diese Dienststelle als besonders angesagt gegolten, wie Max wusste. Die interessantesten Fälle, die hellsten Köpfe im Team, schier unbegrenzte Mittel.
Heutzutage kämpfte das KK11 um Nachwuchs, lockte vergeblich mit Karriereversprechen und war chronisch unterbesetzt. Der Grund lag auf der Hand: Jeder Fall kam unverhofft und diktierte die Arbeitszeiten. Freizeitplanung und geregeltes Familienleben waren unmöglich.
Sicher waren Brandstätter und Roth seit dem frühen Morgen auf Achse. Kein Feierabend absehbar. Und das an einem Sonntag.
Das Gegenteil des Jobs, den Max nun versah.
Innendienst hatte auch Vorteile.
»Was kannst du uns über Martin Übelreuther erzählen?«, fragte Roth.
»Frodo?« Max konnte es nicht fassen. »Ist das euer Toter?«
»Komischer Spitzname.«
»Wegen seines runden Gesichts. Immer so vergnügt. Was ist mit ihm passiert?«
»Wir stellen die Fragen, und du erzählst einfach mal.«
»Jetzt spannt mich doch nicht auf die Folter!«
»Spurensicherung und Obduktion sind noch nicht abgeschlossen.«
»Sag einfach, was du über ihn weißt«, forderte Brandstätter ihn auf.
»Frodo … Martin Überlreuther ist … war Gitarrist. Hat als Profi in mehreren Bands gespielt. Kennt ihr Persolator? Oder The Guardians of World’s End?«
Beide machten Notizen. Sprachen die sich nicht ab, wer fürs Protokoll zuständig war?
»In der Corona-Zeit hat mein Onkel Albert ihn über Wasser gehalten, indem er ihn in seinem Laden als Verkäufer angestellt hat. Obwohl es bei ihm selbst auch nicht so toll lief.«
»Sieh an. Albert König, der Wohltäter.«
»Ach was. Als Musiker war Frodo nun mal prädestiniert dafür, Instrumente und Verstärker zu verkaufen. Und die Teilnehmer von Frodos Workshops wurden automatisch Alberts Kunden.«
»Du stehst in Übelreuthers Telefonliste.«
Max zuckte mit den Schultern.
»Wie kommt das?«, fragte Roth. »Wie eng war der Kontakt?«
Max fand den Ton des Kollegen immer befremdlicher.
»Ich hatte vor, bei ihm Unterricht zu nehmen.«
»Also auch Gitarrist?«
Max lachte. »Hab als Jugendlicher mal gespielt. Und vor ein paar Monaten wieder angefangen.«
»Persolator? Guardians of World’s End?«
»Nein, nur so zum Spaß, für mich allein. Die Therapeutin meinte, Musik täte gut.«
Roth wandte sich an seine Kollegin. »Posttraumatische Belastungsstörung. Er war dabei, als der Prepper …«
»Ach du Scheiße«, sagte Brandstätter.
Roth fragte: »Und Albert König ist dein Onkel?«
»Nicht ganz. Ich bin quasi mit seinen Neffen aufgewachsen. Den Söhnen der zweiten Frau meines Vaters.«
»Held der Geiselnahme von 2006.«
Max staunte. Roth hatte gründlich recherchiert.
»Dein Vater hat Robert und André adoptiert. Ihr tragt denselben Nachnamen. Wie nahe steht ihr euch?«
»Wie Brüder eben. Warum fragst du danach?«
Roth antwortete nicht. Brandstätter übernahm an seiner Stelle. Ihr Ton war wesentlich angenehmer, ohne jede Schärfe. Max beschloss, sich davon nicht täuschen zu lassen.
Sie fragte: »Irgendeine Ahnung, wer ein Motiv haben könnte, Übelreuther zu ermorden?«
»Nein.«
»Hast du in letzter Zeit irgendwelche Änderungen an Übelreuthers Verhalten festgestellt?«
»Dazu kannte ich ihn zu wenig. Aber jetzt sagt mir endlich, was mit ihm los ist. Wieso ist er tot?«
Beide blickten ihn schweigend an, ohne zu antworten.
Max hatte den Eindruck, die Raumtemperatur sinke gerade um einige Grade.
Roth fragte: »Was hast du letzte Nacht getan?«
Max verschränkte die Arme. »Warum wollt ihr das wissen?«
»Routine. Fragen wir jeden.«
»Wollt ihr mich nicht über meine Rechte aufklären?«
Roth verzog die Mundwinkel. »Die kennst du ohnehin.«
»Was ist bloß los mit euch? Habt ihr etwa mich unter Mordverdacht? Nur weil ich mal überlegt habe, bei Frodo Unterricht zu nehmen?«
»Das ist lediglich ein erstes Gespräch. Wie wir es mit allen führen, die auf der Kontaktliste des toten Hobbits stehen.«
»So ein Schwachsinn. Viel Spaß dabei!«
Brandstätter hob die Hände. »Ruhig bleiben, Jungs.«
Max bemerkte, dass Emilia in der Tür stand.
Er erhob sich vom Sofa. »Wie gesagt, ich kannte Frodo kaum. Hab euch alles erzählt, was ich weiß.« Max nahm seine Tochter auf den Arm. »Keine Angst, Milli, das sind nur zwei Kollegen von mir. Wir sind auch schon fertig, und die beiden gehen jetzt.«
23.
»Waren die wegen Mami da?«, fragte Emilia, nachdem Max die Wohnungstür hinter Brandstätter und Roth geschlossen hatte.
»Nein, mein Schatz. Einem Mann, den ich kenne, ist etwas passiert. Wir haben uns beraten, wie wir ihm helfen können.«
»Ist der Mann auch verschwunden?«
Mehr als das, dachte Max.
»Nein, mit Mami hat das nichts zu tun. Wirklich nicht, mein Schatz.«
»Die Leute haben mir Angst gemacht.«
Max setzte sich, nahm die Kleine auf den Schoß und knuddelte sie. »Wir waren doch heute auf der Wache. Du erinnerst dich an Timo, der einen Jungen in deinem Alter hat?«
Emilia nickte.
»Er und seine Kollegen suchen jetzt nach Mami. Das sind liebe Kollegen, die uns helfen.«
»Onkel Robert und Onkel André?«
»Ja, die helfen auch.«
»Und wenn keiner sie findet?«
»Dann meldet sie sich von selbst.«
»Und wenn sie mich nicht mehr lieb hat?«
»Mami hat dich sehr lieb. Mehr als alles andere auf der Welt. Deshalb wird sie auch wieder zurückkommen. Ist doch klar!«
Emilia nickte.
Max sah ihr an, dass es in ihrem Kopf arbeitete.
Er bereitete das Abendessen zu. Aus Routine deckte er für drei Personen. Als Max den überschüssigen Teller wieder abräumen wollte, protestierte Emilia und bestimmte, dass alles so sein solle wie immer. Max spielte mit und prostete Julias verwaistem Platz mit seinem Glas zu.
Danach las er Emilia vor. Bald fielen ihr die Augen zu, und er trug sie ins Bett. Ein anstrengender Tag für die Kleine, dachte er.
Der Besuch in der Wache, das Toben im Park, die Sorge um ihre Mutter.
Und wenn sie mich nicht mehr lieb hat?
Arme Emilia.
Max fragte sich, ob Julia ihn noch liebte.
Konnte er wirklich sicher sein, dass sie keinen anderen hatte?
Er wählte die Nummer von Albert König.
»Die Polizei war vorhin wegen Frodo bei mir«, berichtete Max. »Weißt du, was passiert ist?«
»Gequirlte Scheiße ist mit Frodo passiert. Er ist tot, mehr weiß ich auch nicht. Die haben mir nichts erzählt.«
Also waren die Leute der Mordkommission auch bei Albert gewesen.
»Stell dir vor«, sagte Max. »Mich haben sie nach meinem Alibi gefragt. Nach meiner Beziehung zu dir, Robert und André. Hast du wirklich keine Ahnung, um was es da geht?«
»Sag du’s mir. Es sind deine Kollegen!«
Alberts Worte klangen wie ein Vorwurf.
Die Mordkommission fischt im Dunkeln, dachte Max. In der momentanen Situation kann sie nur ihre Netze in alle Richtungen auswerfen. Der Besuch bei ihm war ein Zeichen dafür, wie schwer sich die Ermittler taten, die auf die Sache angesetzt waren.
Ich sollte mich nicht aufregen.
»Ist Julia wieder da?«, fragte Albert.
»Nach wie vor vom Erdboden verschluckt. Seit der Party bei Robert und Birte. Morgen wollen die Kollegen versuchen, ihr Handy zu orten. Drück mir die Daumen.«
»Tu ich, mein Junge.«
»Ich kann das alles nicht nachvollziehen. Ich fühle mich wie in dem seltsamen Film mit den verschobenen Parallelwelten.«
»Ich kenne mich mit Kino nicht aus, aber ich kann nachfühlen, wie es dir geht.«
»Sie hatte keine Affäre.«
»Das glaube ich dir.«
»Wenn ich nur wüsste, wo ich mit der Suche ansetzen kann.«
»Lass das mal deine Kollegen machen. Weißt du was? Morgen kommst du nach Feierabend zu mir, mein Junge, und bringst deine Gitarre mit. Wolltest du nicht den neuen Amp ausprobieren? Er freut sich schon auf dich. Und dein alter Onkel auch!«
Wer weiß, was morgen ist, dachte Max.
Vielleicht feiere ich mit Julia das heiß ersehnte Wiedersehen.
Trotzdem sagte er Albert zu.
24.
Für Max begann die Arbeitswoche im Präsidium mit einer Teambesprechung. Wichtigster Punkt war die Planung einer Großdemonstration, die von Vertretern eines Palästinenservereins für Freitag angemeldet war, dem Jahrestag dessen, was diese Leute Nakba nannten: die Flucht oder Vertreibung anlässlich der israelischen Staatsgründung.
Weil sich die Demo nicht nur auf den Bereich der Polizeiinspektion Mitte beschränken würde, lag die Planung in der Hand der übergeordneten Führungsstelle, der Max angehörte. Es ging um Straßensperrungen, Umleitungen, Anforderung von Einsatzkräften – für Max war das alles in den letzten Monaten zur Routine geworden.
Zurück in seinem Büro schob er seine Unterlagen zur Seite und griff zum Handy.
Julias Nummer an ihrem Arbeitsplatz hatte er eingespeichert.
Besetzt.
Max versuchte es wieder und wieder. Endlich hatte er wenigstens computergenerierte...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2024 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2024 • Agententhriller • Antwerpen • Bandenkrieg • Containerhafen • Drogenhandel • Drogenkartell • Drogenmafia • Drogenschmuggel • Düsseldorf • eBooks • Familie • Geheimnis • Heimatkrimi • Intrige • Kokain • Krimi • Krimibestenliste • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2024 • Krimis • Liebe und Verrat • Lüge • Melia Adan / Melia Khalid • mocro mafia • Neuerscheinung • Niederlande • Organisiertes Verbrechen • Politthriller • Polizeithriller • Rotterdam • Spitzel • Terror • Thriller • thriller neuerscheinungen 2024 • top aktuell • Verrat |
ISBN-10 | 3-641-31505-0 / 3641315050 |
ISBN-13 | 978-3-641-31505-4 / 9783641315054 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,4 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich