De Vriendt kehrt heim (eBook)

Roman

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2024 | 1. Auflage
300 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3005-8 (ISBN)

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De Vriendt kehrt heim - Arnold Zweig
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Der früheste Roman über den Nahostkonflikt: Weltliteratur mit Kriminalhandlung von global-politischer Brisanz.

An einem Spätsommerabend des Jahres 1929 wird der Schriftsteller und Jurist Jizchak Josef de Vriendt in Jerusalem erschossen. Ein Attentat aus dem Hinterhalt. Kommt der Mörder aus den zionistischen Kreisen, die in dem klugen, auf Ausgleich mit der arabischen Seite bedachten Politiker einen Verräter an der nationalen Sache sehen? Oder aus der Familie des jungen Arabers Saûd, der für de Vriendt mehr war als ein Schüler? Mr. Irmin, Chef des Geheimdienstes bei der britischen Verwaltung von Palästina, ein Freund de Vriendts und eingeweiht in dessen Freigeisterei, will den Täter stellen. Seine Fahndungen konfrontieren ihn mit der explosiven Situation im Land, den rivalisierenden Bevölkerungsgruppen der Araber, Juden und Christen, mit einer überwältigenden Landschaft und einer historischen Tradition von mehr als dreitausend Jahren.

Arnold Zweigs Roman von 1932 gilt als erster historischer Roman über den Nahostkonflikt und basiert auf einem wahren Mordfall. Mit seiner literarischen Bearbeitung der Ereignisse vermag er den Verstrickungen auf den Grund zu kommen, die die Welt noch immer in Atem halten. 

»Ein politischer Mord ist Drehpunkt dieses ersten historischen Romans über das Land Palästina/Israel - vor einem explosiven politischen Hintergrund, der die Anfänge heutiger Konflikte im Nahen Osten aufzeigt.« Arnold Zweig, 1932.

»Man ist so erlebenssatt, nachdem man durch ist - der Stoff, sein Reichtum, die Schärfe der Zeichnung, die Unparteilichkeit der Schilderung, das nimmt Besitz von einem.« Sigmund Freud.



Arnold Zweig wurde 1887 in Groß-Glogau (Schlesien) als Sohn eines jüdischen Sattlermeisters geboren. Studierte u. a. in Breslau, München, Berlin Germanistik, moderne Sprachen, Philosophie und Psychologie. Bekanntgeworden mit 'Novellen um Claudia' (1912). Armierungssoldat in Serbien und vor Verdun, ab 1917 Schreiber und Zensor in der Presseabteilung Ober-Ost. 1919-1923 lebte er am Starnberger See, danach in Berlin. Neben Novellistik und Dramatik entstanden Publikationen und Vorträge über Judentum, Antisemitismus und die Lehre Sigmund Freuds. 1933-1948 Exil in Palästina, Oktober 1948 Rückkehr nach Berlin (Ost). Präsident der Akademie der Künste bis 1953 und des deutschen PEN-Zentrums. Arnold Zweig starb 1968 in Berlin.Novellistik, Dramatik, Romane u. a.: Der Zyklus Der große Krieg der weißen Männer: Der Streit um den Sergeanten Grischa (1927), Junge Frau von 1914 (1931), Erziehung vor Verdun (1935), Einsetzung eines Königs (1937), Die Feuerpause (1954), Die Zeit ist reif (1957); De Vriendt kehrt heim (1932); Das Beil von Wandsbek (1943 in Hebräisch, 1947 in Deutsch); Traum ist teuer (1962).

Vorwort


Von Meron Mendel

»Knapp zwanzig Jahre vor dem Weltkrieg hat sie
[die Juden] ein österreichischer Schriftsteller
namens Herzl … zur Rückkehr aufgerufen …:
›Jetzt ist die Stunde, Israel! Volk ohne Land,
erlöse das Land ohne Volk.‹ Und dabei wohnten damals schon dreihunderttausend Araber darin,
aber das wusste er glücklicherweise nicht.«

(Arnold Zweig, De Vriendt kehrt heim, S. 109)

Mit dem 7. Oktober 2023 rückte plötzlich und mit Wucht der Nahostkonflikt zurück ins Zentrum der Weltaufmerksamkeit. Die Bilder des Massakers an israelischen Zivilisten in den Kibbuzim und auf dem Supernova-Musikfestival sowie die darauf‌folgende Zerstörung des Gazastreifens führten die Grausamkeit des langjährigen Konflikts vor Augen. Das Massaker am 7. Oktober war das größte, aber nicht das erste in der Geschichte der beiden Bevölkerungsgruppen. Als Arnold Zweig vor etwa 90 Jahren das britische Mandatsgebiet Palästina besuchte, war die jüdische Bevölkerung gerade durch das Massaker vom August 1929 erschüttert worden. Ein Massaker, das mehreren hundert Jahren des weitgehend friedlichen Zusammenlebens von Juden und Arabern in Hebron, Safed und Gaza ein blutiges Ende bereitete. Einen Monat nach seiner Rückkehr aus Palästina veröffentlichte Zweig mit De Vriendt kehrt heim 1932 ein denkwürdiges Dokument seiner Zeit, das bis heute von brisanter Aktualität ist. Zweig selbst bezeichnete sein Buch später, im Nachwort zur Ausgabe von 1955, als »den ersten historischen Roman des Staates Israel«. Er ist zugleich eine fiktionalisierte Dokumentation des ersten politischen Mordes in der Geschichte des Zionismus.

Wie nun erneut im Oktober 2023, so hat auch das Massaker von 1929 existenzielle Fragen für Juden im Land Israel aufgeworfen: Hat die Idee von einer jüdischen Souveränität inmitten des Nahen Ostens eine Zukunft? Können die zwei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen der Juden und Araber auf einem schmalen Streifen Land zwischen Mittelmeer und Jordanfluss nebeneinander und miteinander friedlich zusammenleben? Werden sich die zwei Nationalbewegungen jemals auf einen Kompromiss einlassen?

Arnold Zweig behandelt in seinem fiktionalen Werk den Mord an dem niederländischen Juristen und Schriftsteller Dr. Jacob Israël de Haan, der sich 1924 in Jerusalem ereignete. Es war der erste politische Mord in der Geschichte der Jischuv, der jüdischen Bevölkerung in Palästina vor der Staatsgründung Israels. Zweig datiert die Bluttat im Roman auf das Jahr 1929 um, sodass er direkt vor dem Hintergrund der Verschärfung des jüdisch-arabischen Konflikts stattfindet. In der israelischen Geschichtsschreibung wurde der reale Mord bis heute nicht aufgearbeitet – wie auch der Roman in Israel weithin unbekannt geblieben ist. Denn de Haan verkörperte wie kaum ein anderer das Gegenteil des zionistischen Ideals: Er war überzeugter Antizionist, der seine Positionen nicht nur öffentlich in Zeitungsartikeln, sondern auch in Gesprächen mit arabischen und britischen Politikern zum Ausdruck brachte. Unter anderem traf er sich mit dem Emir Abdallah ibn Husain, dem späteren König von Jordanien, und mit dem britischen Hochkommissar Herbert Samuel.

Seine ideologische Heimat fand de Haan stattdessen ausgerechnet bei der ultraorthodoxen Gemeinschaft in Jerusalem. Dort wurde er zum engen Vertrauten von Großrabbiner Joseph Sonnenfeld (im Roman heißt er Rabbiner Zadok Seligmann). Der dezidierte Antizionismus dieser Ultraorthodoxen begründet sich aus der jüdischen Theologie: Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer und das daraufhin erzwungene Exil des jüdischen Volkes werden als Strafe Gottes interpretiert. Eine jüdische nationale Souveränität kann und darf demnach erst dann wieder hergestellt werden, wenn der Messias gekommen ist. Das Projekt der Zionisten erscheint aus diesem Blickwinkel gotteslästerlich.

Von dieser ultraorthodoxen Theologie war der 1887 im damaligen Schlesien geborene Arnold Zweig weit entfernt. Dennoch faszinierte ihn de Haan. »Seit jenen Monaten, fast 8 Jahre lang, beschäftigte seine Gestalt meine Phantasie«, heißt es in seinem Nachwort zur niederländischen Ausgabe von 1933 (vgl. den Nachdruck im vorliegenden Band, S. 266). Diese Faszination kann biographisch erklärt werden. Wie seine niederländisch-jüdische Hauptfigur war auch der deutsch-jüdische Schriftsteller vom Zionismus zunächst begeistert, dann aber zutiefst enttäuscht. Bereits 1932 blickte Zweig nüchtern und kritisch auf das, was er später in der Ausgabe von 1955 als »selbstmörderischen Kurs« des Zionismus bezeichnete. Wenngleich er sich zu diesem Zeitpunkt selbst noch als Zionisten sah, betrachtete der entschiedene Pazifist doch mit Sorge die militaristischen und chauvinistischen Tendenzen in der zionistischen Bewegung. Mit dem literarischen Denkmal für Jacob Israël de Haan wollte Arnold Zweig eine politische Botschaft ausdrücken: »In der stummen und unerlösten Gegebenheit seines Schicksals, das sich vor acht Jahren in Jerusalem vollzog, lag für mich ein Auftrag – für mich, für niemanden sonst, denn sonst hätte sich wohl schon jemand gefunden, ihn zu hören und zu befolgen. Dieser Auftrag hieß offenbar: Kritik des modernen Nationalismus am jüdischen Nationalismus …« (Vgl. S. 266.)

Wie auch sein Freund, der Religionsphilosoph Martin Buber, vertrat Zweig die Auf‌fassung, dass Juden und Araber gleichberechtigt in einem binationalen Staat leben sollten. Nach seiner erzwungenen Auswanderung 1934 nach Haifa (von Berlin über Prag und Sanary-sur-Mer) verließ Zweig der Glaube an die jüdische Nationalbestrebung endgültig. Er ging zunächst ins innere Exil, bevor er, in Palästina immer fremd geblieben, 1948 nach Ostberlin zurückkehrte; bis zu seinem Tod 1968 lebte er in der DDR. In de Haan erkennt Zweig den Schlüssel zum Verständnis der Dilemmata, die ihn den Rest seines Lebens begleiteten: »Ich wusste, er würde mich in die Tiefe jüdischer und menschlicher Problematik hineintragen; nur ahnte ich nicht, wie tief.« (Vgl. S. 266.) Zweig war von der Vielschichtigkeit, der schieren Widersprüchlichkeit seiner Hauptfigur angezogen: ein niederländischer Marxist, der zum ultraorthodoxen Juden wurde. Ein Dichter und Schriftsteller, der über sein gleichgeschlechtliches Begehren schrieb. Ein westeuropäischer Intellektueller inmitten der osteuropäischen ultraorthodoxen Gemeinde Jerusalems. Ein Jude, der für einen arabischen Jungen mehr als nur Lehrer war. Ein Pragmatiker und Ideologe zugleich. Das tragische Ende von de Haan steht für Zweig metaphorisch und konkret politisch für die Sackgasse, in der er selbst sich Anfang der 1930er Jahre befindet.

Auch in der zionistischen Bewegung gab es Stimmen, die den Mord an de Haan verurteilten. Einer der Anführer der Bewegung, Moshe Belinsohn, konstatierte am 28. Dezember 1926 in der hebräischen Tageszeitung Davar: »Wenn wir zu diesem Mittel greifen, wissen wir nicht, wo der Weg endet.« Diese Prophezeiung hat sich in den Jahrzehnten danach bewahrheitet: Vier Jahren später war es ausgerechnet der Hoffnungsträger der progressiven Kräfte in der Jishuv, der zionistische Politiker Chaim Arlosoroff, der beim Spaziergang am Strand von Unbekannten erschossen wurde. Im Verdacht stand der rechte Flügel der zionistischen Bewegung. Man könnte diesen Bogen bis zum 4. November 1995, zur Ermordung des israelischen Ministerpräsident Jitzchak Rabin durch einen jüdischen Fundamentalisten in Tel Aviv, spannen. Immer wieder griffen radikale nationalistische oder fundamentalistische religiöse Kräfte zum Mittel des politischen Mordes, um den Lauf der Geschichte zu ändern.

Jacob Israël de Haan vertrat die Position, die Juden in Palästina sollten in einem arabischen Staat als eine Minderheit mit religiösen, aber nicht mit nationalen Rechten anerkannt werden. Das ließ sich nicht realisieren. Aber auch die zionistische Vorstellung »Volk ohne Land, erlöse das Land ohne Volk« erwies sich als eine bequeme Illusion. Neunzig Jahre später leben im eng begrenzten Raum zwischen dem Mittelmeer und dem Jordanfluss sieben Millionen Juden und sieben Millionen Palästinenser, deren aller Leben aufs Tiefste vom ungelösten Konflikt geprägt ist.

Eine hebräische Übersetzung von De Vriendt kehrt heim ist erst 1991 erschienen. Arnold Zweig selbst hatte das anlässlich der deutschsprachigen Ausgabe von 1955 mit gewissem Sarkasmus kommentiert: »Daß ein so abgestempeltes Buch ...

Erscheint lt. Verlag 13.8.2024
Vorwort Meron Mendel
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1920er Jahre • Attentat • De Vriendt • Israel • Jerusalem • Kriminalfall • Nahostkonflikt • Wahre Begebenheit • Zensur • Zionismus
ISBN-10 3-8412-3005-9 / 3841230059
ISBN-13 978-3-8412-3005-8 / 9783841230058
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