Kohle, Stahl und Mord: Das 13. Opfer (eBook)

Elin Akay und Jana Fäller ermitteln
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-02028-3 (ISBN)

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Ein Mord im alten Bergwerk - der packende Auftakt zur neuen Krimireihe im Ruhrpott Knochenfunde in der Zeche Ludwig. Als der Notruf bei Hauptkommissarin Elin Akay eingeht, weiß sie sofort, worum es geht: Das Wandernde Dutzend wurde gefunden. Zwölf Bergmänner, die vor 34 Jahren im Füllort der Zeche verschüttet wurden. Doch es sind nicht zwölf Skelette, die die Einsatzkräfte bergen - es sind dreizehn.  Das dreizehnte Opfer starb durch einen Kopfschuss. Die Patrone ist noch in seinem Schädel, den der Bergmann Werner Flemming findet. Flemming gehört zu den damals Geretteten, durch den Fund ist er retraumatisiert und spricht nicht. Elin Akay zieht die forensische Psychiaterin Jana Fäller als Beraterin hinzu. Weil sie die Beste ihres Fachs ist. Und weil ihr verstorbener Vater damals bei dem Grubenunglück dabei war. Sie kennt die Bergmänner, ihr vertrauen sie.  Elin Akay und Jana Fäller ermitteln gemeinsam unter den Kumpeln. Sie stoßen auf Geheimnisse, die viel zu lange unter dem schweren Gestein der Zeche verborgen lagen. Als öffentlich wird, wer das dreizehnte Opfer ist, droht das Lügengerüst einzubrechen. Einer der Bergleute hat damals zur Waffe gegriffen. Und um die Wahrheit zu schützen, wird er es wieder tun ...

Martin Conrath ist in Neunkirchen geboren. Nach der Schule machte er zunächst eine Ausbildung zum Schlagzeuger und tourte über 20 Jahre mit Bands und Ensembles durch Deutschland, bevor er sich dem Journalismus zuwandte und  für verschiedene Zeitungen tätig war. Nebenbei arbeitete er als freier Schriftsteller und Personalvermittler und lehrte Journalismus, Stilistik und Kommunikation. Heute schreibt er Krimis und historische Romane und lebt in Düsseldorf.

Martin Conrath ist in Neunkirchen geboren. Nach der Schule machte er zunächst eine Ausbildung zum Schlagzeuger und tourte über 20 Jahre mit Bands und Ensembles durch Deutschland, bevor er sich dem Journalismus zuwandte und  für verschiedene Zeitungen tätig war. Nebenbei arbeitete er als freier Schriftsteller und Personalvermittler und lehrte Journalismus, Stilistik und Kommunikation. Heute schreibt er Krimis und historische Romane und lebt in Düsseldorf.

Tag 1, Freitag


Essen, Schacht Ludwig V, Gegenwart


Seit dem Unglück vor vierunddreißig Jahren war Werner nie das Gefühl losgeworden, in eine Unterwelt voller Gefahren und Unwägbarkeiten abzutauchen, wenn er in einen der Schächte hinabfuhr, wenn das Tageslicht versickerte, wenn er aufgesogen wurde von der nie endenden schwarzen Nacht unter Tage.

Mit langen Schritten betrat er die Weißkaue, wo Tausende Kleiderkörbe unter der Decke schwebten, bis auf wenige Dutzend waren sie leer. Jedes Mal, wenn er die leeren Körbe sah, musste er die Trauer herunterschlucken, die ihn seit dem Sterben des Kohlebergbaus begleitete.

Auf Ludwig V wurde schon lange keine Kohle mehr gefördert, es ging nur noch darum, das Grundwasser zu kontrollieren. Dafür mussten riesige Pumpen täglich Millionen Liter Wasser absaugen. Aber damit hatte er heute nichts zu tun. Üblicherweise wartete er die kleinen Pumpen, doch sein Job in den nächsten Wochen war es, die Strecken, in denen das neue Besucherbergwerk entstehen sollte, mit ausreichend Strom für die Bauarbeiten zu versorgen. Kabel waren zu legen, mithilfe einer Bolzenschusspistole wurden Befestigungen in den Beton getrieben, die Elektrik musste geprüft werden.

Die großen Pumpen, mehr als zweihundert, die jedes Jahr 700 Millionen Badewannen Wasser an die Oberfläche und von dort in die Zuflüsse der Emscher und des Rheins brachten, waren in den Stollen des ganzen Ruhrgebiets verteilt und wurden ferngesteuert. Durch den Bergbau hatten sich Landschaft und Städte flächendeckend abgesenkt, weit unter den Grundwasserspiegel. Die Essener Innenstadt um dreißig Meter. Fielen die Pumpen aus, war es nur eine Frage der Zeit, bis große Teile des Ruhrgebiets durch das nach oben drängende Grundwasser geflutet wurden. Wie lange das dauern würde, wusste niemand so genau, nur dass es passieren würde. Deswegen mussten die Pumpen, die großen wie die kleinen, bis in alle Ewigkeit laufen.

Für Werner bedeutete das einen sicheren Arbeitsplatz, für die Allgemeinheit Kosten in Millionenhöhe jedes Jahr, nur ein Bruchteil der Ewigkeitskosten, die der stillgelegte Bergbau verursachte. Viele ärgerten sich darüber, aber ohne die Kohle wäre Deutschland noch heute ein Bauernstaat, da war sich Werner sicher.

Er zog sich nackt aus, achtete darauf, dass sein Hörgerät sicher verwahrt war, wechselte in die Schwarzkaue, wo ebenso viele Körbe schwebten wie in der Weißkaue und ebenso viele leer waren. Er ließ den Korb mit seinen Arbeitskleidern herunter, zog sich an, setzte den Helm auf, prüfte den CO2-Selbstretter und die Kopflampe, vergewisserte sich, dass er genug Wasser und Verpflegung für zehn Stunden eingesteckt hatte und sein Werkzeug vollständig war. Obwohl er dieses Ritual seit fünfundvierzig Jahren fast täglich vollzog, ging er jeden Punkt sorgfältig durch. Der Berg verzieh keine Fehler.

Er trottete zur Schachtschale. Dort wartete Kevin, sein neuer Kollege, der heute zum ersten Mal antrat. Werner war skeptisch. So ein Neuling machte meist Probleme, aber er hatte keine Wahl, er musste ihn mitnehmen. Gestern hatten sie sich kurz getroffen und einander vorgestellt. Kevin war 34 Jahre alt, dünn wie ein Hering, studierter Elektrotechniker. Er sollte die elektrische Anlage prüfen und einen neuen Stromversorgungsplan aufstellen für den ganzen Schnickschnack, den sie in das Besucherbergwerk einbauen würden. Werner hielt das Projekt für groben Unfug, aber was die Großen entschieden, mussten die Kleinen ausbaden. So war das schon immer gewesen, und so würde es immer sein. Immerhin konnte Kevin jedes einzelne Teil der elektrischen Anlage auswendig aufzählen, das musste man ihm lassen. Aber er machte keinen Hehl daraus, dass er die Bergleute nicht begriff, die einer harten, auszehrenden Arbeit unter Tage nachtrauerten, wo sie doch über Tage ein besseres Leben gehabt hätten.

Werner hatte es nie besser gehabt als mit seinen Kumpeln, denen er jeden Tag sein Leben anvertraut hatte, mit denen er im Stadion gestanden und seinem Verein, Rot-Weiss Essen, zugejubelt hatte, egal wo sie gerade in der Tabelle standen. Im Moment kämpften sie für den Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Werner verpasste kein Spiel und feuerte seine Jungs an, so laut er konnte.

Er reichte Kevin die Hand. «Alles klar?»

«Geht so.»

«Schlecht geschlafen?»

«Blöd geträumt.»

«Die erste Seilfahrt?»

Kevin nickte.

«Wird schon», sagte Werner und betrat den Metallkäfig, der sie in die Unterwelt bringen sollte.

Sie würden zusammen einfahren, also wollte Werner ihn behandeln wie einen Kumpel. Mit Respekt. Kevin seufzte und folgte ihm. Der Fahrsteiger erwartete sie am Korb, schob die Gittertüren hinter ihnen zu, sie rasselten und quietschten.

Heute war das Gefühl namenloser Bedrohung besonders stark. Seit Tagen quälte Werner eine Vorahnung, dass etwas Furchtbares passieren würde. Aber was sollte schon passieren? Die Strebe, Strecken und Schächte waren tot, zurückgeführt, das hieß, alles von Wert war nach oben geschafft und ins Ausland verkauft worden, der Rest hatte seine letzte Fahrt zum Schrotthändler längst angetreten. Nur hier und da hingen Kabel herum, vor allem am Füllort, wo in luftiger Höhe noch Hubwinden und Flaschenzüge montiert waren und die Zugketten für den manuellen Betrieb bis auf den Boden reichten. Hier sollte das neue Besucherzentrum bald Tausenden den Bergbau näherbringen. Doch das würde noch ein oder zwei Jahre dauern oder noch länger, denn Werner war sich sicher, dass der Berg sich dagegen wehren würde.

Was für eine Schnapsidee, so was auf der siebten Sohle hinzuklotzen. Zwar gab es kein Methan mehr, das explodieren konnte, oder Kohlenstaub, der, vermischt mit Luft, die Sprengkraft von Nitroglyzerin erreichte, wenn auch nur der kleinste Funke entstand. Aber siebte Sohle, tausend Meter unter der Erde? Was für ein irrwitziger Aufwand an Transport, Sicherheit und Kontrollen für ein bisschen Nervenkitzel. Mit Bergbau hatte das nichts mehr zu tun. Das war Disneyland unter Tage.

Der Steiger wünschte Glück auf, es war nett gemeint, aber dennoch: Was für ein Hohn! Fahrsteiger, Schichtführer, sechs Mann an den Kontrollen der Motoren – alles für zwei Mann in einem Korb, in dem früher einhundertzwanzig eingefahren waren. Die Glocke erklang fünf Mal, wenigstens das war, wie es immer gewesen war.

Die Motoren liefen an, viele Tausend PS stark, der Korb sackte in die Tiefe, raste nach unten, vierzig Kilometer pro Stunde, es rasselte und ruckelte, dröhnte, zu laut, um sich zu unterhalten, zumal Werner ohne sein Hörgerät für das rechte Ohr, das seit zwanzig Jahren fast taub war, sowieso nur die Hälfte verstand.

Er warf Kevin einen Blick zu. Der hielt sich tapfer, dennoch sehnte er das Ende der Seilfahrt herbei, das sah Werner ihm an: Der Blick seines Kollegen flackerte, seine Haltung war steif.

Mit einem Ruck kam der Korb nach neunzig Sekunden zum Stehen. Kevin zuckte zusammen, entspannte sich, dann sah er Werner entschuldigend an, der ihm aufmunternd zulächelte. Werner hatte seine erste Seilfahrt nicht vergessen, bei der er sich fast in die Hose gemacht hatte. Sechzehn war er da gewesen.

Er schob die Gittertüren auf. Vor ihm, auf Sohle sieben, öffnete sich der größte Füllort der Gegend. Eine Kathedrale aus Beton und Stahl, mitten im Berg, fast einen Kilometer unter der Erde. Ein Ort, der ihm noch immer Ehrfurcht einflößte. Er bewunderte die Ingenieure, die ein solches Bauwerk unter Tage zustande brachten. Sein Einfamilienhäuschen mit zweieinhalb Geschossen hätte bequem hineingepasst.

Die Höhe war nötig, schließlich mussten drei meterhohe Körbe übereinanderpassen, aus denen bei jeder Schicht mehr als dreihundert Bergleute zu ihren Arbeitsplätzen strömten. Geströmt waren. Werner hatte noch immer die Bilder vor Augen, wie sich die Menschenschlange der Malocher in die Strecken ergossen hatte, konnte sich gut erinnern, wie sicher er sich gefühlt hatte inmitten seiner Kumpel. Bis zu dem Tag, den er am liebsten vergessen würde.

Er trat in den Füllort, von wo aus damals Millionen von Tonnen Kohle nach oben geschafft worden waren. Er wusste nicht genau, wie viele davon er abgebaut hatte, aber es mussten Hunderttausende gewesen sein. Jahrelang hatte er einen Walzenschrämlader bedient, der mit seinen Zähnen, so lang und spitz wie die eines T. Rex, die Kohle aus dem Berg fräste, und das in einem Tempo, bei dem kein Mensch mithalten konnte. Je nach Mächtigkeit der Flöze waren 400 Tonnen und mehr pro Tag kein Problem. Starke hydraulische Schilde hatten den Streb, in dem die Kohle lag, gestützt und waren wie Tausendfüßler langsam durch das Flöz gewandert, immer der Schrämwalze voraus und dem schwarzen Gold hinterher.

Kevin schaute sich um. «Beeindruckend. Ich habe viel darüber gelesen, wie so ein Füllort aussieht, aber darin zu stehen, das ist eine ganz andere Sache. Es ist irgendwie», er suchte nach dem richtigen Wort, «erhaben.»

Das war eine gute Beschreibung für das Gefühl, das auch Werner immer wieder packte. Kevin wurde ihm sympathischer. Der Kerl schien in Ordnung. Vielleicht hatte er Lust, nach der Schicht mit ihm ein...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bergbau • Dortmund • Duisburg • Einwanderer • Ermittlerinnen • Essen • Familie • Forensik • Forensische Psychologie • Kohle • Kohlemine • Krimi • Kriminalroman • Kultur • Kumpel • Metropolregion • Moderner Krimi • Psychologie • Ruhrgebiet • Stahlabbau • Tatort • Türkisch • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-644-02028-0 / 3644020280
ISBN-13 978-3-644-02028-3 / 9783644020283
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