Feuerjagd (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
528 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491734-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Feuerjagd -  Tana French
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Das neue Werk der großen irischen Spannungserzählerin – eine Geschichte von Familie und Vergeltung.
Zwei Männer kommen nach Ardnakelty. Einer kommt nach Hause. Einer kommt, um zu sterben. Und ein junges Mädchen steht zwischen allen Fronten.

Ein ungewöhnlich heißer Sommer hat Irland im Griff. Die Farmer sind nervös, die Ernten bedroht. Die 15-jährige Trey hat an das kleine Dorf schon ihren Bruder verloren. Etwas Sicherheit bietet der Außenseiterin nur der ehemalige Polizist Cal, der sie liebt wie eine Tochter. Da kommt nach Jahren der Abwesenheit unerwartet Treys Vater zurück. Mit offenen Armen empfängt ihn niemand, doch er bringt einen verheißungsvollen, gefährlichen Plan mit. Und einen Fremden. Cal versucht, Trey zu schützen, aber Trey will keinen Schutz. Sie will Rache.

Tana French schreibt Romane und Kriminalromane von mächtiger Spannung und Schönheit. Die vielfach ausgezeichnete Autorin zeichnet mit ihrer eindrücklichen Sprache ​markante Natur- und Gesellschaftsbilder und schaut tief in die Seelen der Menschen. Ihre Werke stehen weltweit ganz oben auf den Bestsellerlisten. Tana French wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. ​Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.

»Herausragend. Welch ein Glück für uns Leser!« Stephen King

»Einzigartig stimmungsvoll ... außergewöhnlich ... wer immer noch glaubt, Tana French müsse sich an die Regeln halten, hat ihre bemerkenswerten Romane nicht verdient.« Washington Post

»Tana Frenchs Dialoge gehören zu den besten der Branche. Sie zeigt das banale Böse hinter dem lächelnden Gesicht des Dorfes und erinnert uns daran, dass wir solche Orte auf eigene Gefahr unterschätzen.« New York Times

»Vielschichtig erzählt, eindringlich und atmosphärisch ... Die Figuren werden so lebendig, dass ich mich noch lange nach der Lektüre frage, wie es ihnen geht - ein Beweis für die Meisterschaft der Autorin.« Guardian

»Vielleicht Tana Frenchs bester Roman bisher. Spannend und intelligent erkundet die Autorin Fragen von Loyalität, Instinkt und Gemeinschaft. Meisterhaft legt sie Geheimnisse frei, die wir aus Liebe oder Rache bewahren, und erforscht, wie weit wir gehen, um unsere Familie zu schützen, sei sie blutsverwandt oder gewählt.« CrimeReads

»Eine fesselnde Geschichte von Vergeltung, Aufopferung und Familie - von der Königin der irischen
Spannungsliteratur.« TIME

1


Trey kommt mit einem kaputten Stuhl über den Berg. Sie trägt ihn auf dem Rücken, die Stuhlbeine ragen an ihrer Taille und den Schultern nach vorn. Das helle Blau des Himmels sieht aus wie glasiert, und die Sonne brennt ihr im Nacken. Selbst in den schwachen spitzen Rufen der Vögel, die zu hoch fliegen, als dass man sie sehen könnte, vibriert die Hitze. Die Frau, der der Stuhl gehört, hat angeboten, sie heimzufahren, aber Trey hatte keine Lust, ihr einen Einblick in ihr Leben zu geben, und weder Lust noch Kraft, für die Dauer einer Autofahrt über holprige Bergstraßen Konversation zu machen.

Ihr Hund Banjo trabt in weiten Kreisen abseits des Fußwegs, schnüffelt und buddelt im dichten Heidekraut, das für Juli schon zu braun an den Rändern ist und viel zu stark duftet. Wenn der Hund sich hindurchschlängelt, raschelt es trocken. Alle paar Minuten kommt er angelaufen und berichtet Trey mit freudigen Schnaufern und Japsern, was er gefunden hat. Banjo ist eine schwarzbraune Promenadenmischung mit dem Kopf und Körper eines Beagles, aber auf Beinen, die für etwas Stämmigeres gedacht sind, und er ist sehr viel mitteilsamer als Trey. Seinen Namen hat er dem banjoförmigen weißen Fleck am Bauch zu verdanken. Trey wollte eigentlich etwas Originelleres, aber sie kam nur auf Namen, die sich irgendein Trottel aus einem Kinderbuch für einen Hund ausdenken würde.

Cal Hooper, der Amerikaner, der unten in der Nähe vom Dorf wohnt, hat einen Hund aus demselben Wurf wie Banjo. Er hat ihn Rip genannt, und wenn ein simpler Name für Cals Hund gut genug ist, dann ist er es auch für Treys. Außerdem verbringt sie viel Zeit bei Cal, weshalb auch die beiden Hunde viel zusammen sind und es blöd klänge, wenn die Namen nicht zueinanderpassten.

Trey wird den Stuhl später zu Cal bringen. Cal und Trey reparieren Möbel für andere Leute oder bauen welche, und sie kaufen kaputte alte Möbel und restaurieren sie, um sie dann auf dem Samstagsmarkt in Kilcarrow zu verkaufen. Einmal haben sie einen Beistelltisch ergattert, den Trey zuerst völlig unbrauchbar fand, zu klein und wackelig, aber dann hat Cal im Internet rausgefunden, dass das Teil fast zweihundert Jahre alt war. Als sie den Tisch fertig hatten, konnten sie ihn für hundertachtzig Euro verticken. Bei dem Stuhl, den Trey auf dem Rücken schleppt, sind zwei Streben und ein Bein gesplittert, als hätte ihm jemand ein paar kräftige Tritte verpasst, aber wenn sie ihn repariert haben, wird keiner mehr merken, dass er je kaputt war.

Vorher geht sie zum Lunch nach Hause, weil sie bei Cal zu Abend essen will – Trey wächst in diesem Sommer so schnell, dass sie ihre Tage hauptsächlich nach den Mahlzeiten taktet –, und sie ist zu stolz, um gleich zweimal an einem Tag zur Essenszeit bei ihm aufzutauchen. Sie achtet streng darauf, Grenzen einzuhalten, gerade weil sie am liebsten bei Cal wohnen würde. Da ist alles so ruhig. Treys Elternhaus liegt oben in den Bergen, weit weg von irgendwelchen Nachbarn, deshalb müsste es eigentlich ganz friedlich sein, doch sie fühlt sich dort eingeengt. Ihre beiden älteren Geschwister sind fort, aber Liam und Alanna sind sechs und fünf und die meiste Zeit am Rumschreien. Maeve ist elf, meckert andauernd und knallt die Tür zu dem Zimmer, das Trey und sie sich teilen. Selbst wenn die anderen zufällig mal keinen Krach machen, sind sie ein ständiges Hintergrundrauschen. Ihre Mam ist schweigsam, aber es ist kein friedliches Schweigen. Es nimmt Raum ein, als steckte sie in einer schweren Schale aus rostigem Eisen. Lena Dunne, die unten im Tal wohnt und Trey den Hund geschenkt hat, sagt, Treys Mam hätte früher viel geredet und gelacht. Sie würde ihr gern glauben, aber sie kann es sich einfach nicht vorstellen.

Banjo kommt aus dem Heidekraut geschossen. Bester Laune schleppt er irgendetwas an, das Trey eine Meile gegen den Wind riechen kann. »Aus!«, befiehlt sie. Banjo blickt sie vorwurfsvoll an, aber er ist gut erzogen und lässt das Ding fallen, das dumpf auf den Weg plumpst. Es ist schmal und dunkel, vielleicht ein junges Hermelin. »Braver Hund«, sagt Trey, nimmt eine Hand von dem Stuhl und will Banjo streicheln, doch der ist gekränkt. Statt wieder loszurennen, trottet er mit hängendem Kopf und Schwanz neben ihr her, um ihr zu zeigen, dass sie seine Gefühle verletzt hat.

An manchen Stellen führt der Weg steil bergab, aber Treys Beine sind daran gewöhnt, und sie kommt nicht aus dem Tritt. Ihre Turnschuhe wirbeln Staubwölkchen auf. Sie hebt die Ellbogen an, um ihre verschwitzten Achselhöhlen an der Luft trocknen zu lassen, doch bei der schwachen Brise bringt das nicht viel. Weiter unten erstrecken sich die Weiden, ein Mosaik aus Grüntönen in seltsam verwinkelten Formen, das Trey genauso gut kennt wie die Risse in ihrer Zimmerdecke. Die Heuernte ist im Gange: Winzige Ballenpressen tuckern hin und her, folgen geschickt den unerklärlichen Krümmungen der Steinmauern und hinterlassen dicke gelbe Zylinder wie Pferdeäpfel. Die Lämmer sind weiße Schnipsel, die übers Gras flattern.

Trey nimmt eine Abkürzung über eine halb verfallene Trockenmauer, so niedrig, dass sie Banjo nicht hinüberhelfen muss, durch hüfthohes kratziges Unkraut, das eine ehemalige Weide überwuchert hat, und hinein in ein dichtes Fichtenwäldchen. Die Äste zersieben das Sonnenlicht zu einem verwirrenden Schattenspiel, das ihr den Nacken kühlt. Über ihr schwirren kleine Vögel sommertrunken hin und her, eifrig bemüht, sich gegenseitig zu übertönen. Trey pfeift einen Triller zu ihnen hoch und grinst, als sie schlagartig verstummen und versuchen, aus ihr schlau zu werden.

Sie kommt zwischen den Bäumen hervor auf die gerodete Fläche hinter ihrem Elternhaus. Vor ein paar Jahren hat das Haus einen neuen buttergelben Anstrich bekommen, und das Dach wurde stellenweise ausgebessert, aber nichts kann den heruntergekommenen Eindruck übertünchen. Der First hängt durch, und die Fensterrahmen sind verzogen. Der aus Unkraut und Staub bestehende Garten geht in den Berghang über und ist mit irgendwelchem Zeug übersät, das Liam und Alanna zum Spielen benutzen. Trey hat jeden ihrer Schulfreunde einmal mit nach Hause genommen, um zu zeigen, dass sie sich nicht dafür schämt, und sie danach nie wieder eingeladen. Sie hält die Dinge aus Prinzip getrennt. Was dadurch erleichtert wird, dass sie ohnehin keine Freunde hier aus dem Dorf hat. Trey gibt sich mit Leuten aus Ardnakelty nicht ab.

Sobald sie die Küche betritt, weiß sie, dass etwas anders ist. Die Atmosphäre wirkt angespannt, alles ist reglos und still. Noch ehe sie Zeit hat, aus diesem Umstand und dem Geruch von Zigarettenrauch Schlüsse zu ziehen, hört sie das Lachen ihres Vaters aus dem Wohnzimmer.

Banjo wufft einmal kurz. »Nein«, sagt Trey leise und schnell. Er schüttelt mit schlackernden Ohren Heidekraut und Dreck ab und stürzt zu seinem Wassernapf.

Trey bleibt einen Moment in dem breiten Streifen Sonnenlicht stehen, der durch die Tür auf das abgelaufene Linoleum fällt. Dann schleicht sie in den Flur und verharrt vor dem Wohnzimmer. Die Stimme ihres Vaters klingt klar und heiter, während sie eine Frage nach der anderen stellt, die mit aufgeregtem Geplapper von Maeve oder mit Gemurmel von Liam beantwortet werden.

Trey spielt mit dem Gedanken, wieder zu gehen, doch sie will ihn sehen, will es genau wissen. Sie stößt die Tür auf.

Ihr Dad sitzt mitten auf dem Sofa, bequem zurückgelehnt und grinsend, die Arme um Alanna und Maeve gelegt. Die beiden grinsen ebenfalls, aber unsicher, als hätten sie gerade ein dickes fettes Weihnachtsgeschenk bekommen, das sie vielleicht gar nicht wollten. Liam hat sich in eine Ecke des Sofas gequetscht und starrt seinen Dad mit offenem Mund an. Ihre Mam sitzt in einem Sessel, ganz vorn auf der Kante, den Rücken gerade und die Hände flach auf den Oberschenkeln. Obwohl sie die ganze Zeit hier war und Treys Dad sich seit vier Jahren nicht mehr hat blicken lassen, sieht Sheila aus, als fühle sie sich fremd in dem Zimmer.

»Na, Donnerwetter.« Johnny Reddys Augen mustern Trey zwinkernd. »Da schau her. Die kleine Theresa ist groß geworden. Wie alt bist du jetzt? Sechzehn? Siebzehn?«

Trey sagt: »Fünfzehn.« Sie weiß, dass sie eher noch jünger aussieht.

Johnny schüttelt staunend den Kopf. »Dann muss ich wohl demnächst die jungen Burschen mit ’nem Knüppel von der Haustür vertreiben. Oder bin ich zu spät dran? Hast du schon einen Freund? Oder sogar mehrere?« Maeve kichert schrill und blickt dann fragend zu ihm hoch, ob das in Ordnung ist.

»Nee«, sagt Trey knapp, als klarwird, dass er auf eine Antwort wartet.

Johnny seufzt erleichtert. »Dann hab ich ja noch Zeit, mir ’nen guten Knüppel zu suchen.« Trey hat vergessen, den Stuhl abzustellen, und jetzt deutet Johnny mit dem Kinn darauf. »Was ist das? Hast du mir ein Geschenk mitgebracht?«

»Den reparier ich wieder«, sagt Trey.

»Sie verdient damit Geld«, sagt Sheila. Ihre Stimme ist klarer als sonst, und auf ihren Wangen sind leuchtende Flecken. Trey kann nicht einschätzen, ob sie froh oder wütend über seine Rückkehr ist. »Deshalb konnten wir uns die neue Mikrowelle leisten.«

Johnny lacht. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, was? Immer ein bisschen was am Laufen haben. Ganz wie der Vater.« Er zwinkert Trey zu. Maeve windet sich unter seinem Arm, damit er merkt, dass sie auch noch da ist.

Trey hat ihn hochgewachsen und kräftig in Erinnerung, aber er ist bloß mittelgroß und ziemlich schmächtig. Sein Haar, das genau dieselbe mausbraune Farbe hat wie ihres, fällt ihm in die Stirn wie bei einem Teenager. Seine Jeans, sein weißes T-Shirt und die schwarze Lederjacke sind die neusten Sachen im Haus. Um ihn herum wirkt das Wohnzimmer sogar noch schäbiger.

Sie sagt zu ihrer...

Erscheint lt. Verlag 24.7.2024
Übersetzer Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Atmosphärisch • Chris Whitaker • Delia Owens • Der Gesang der Flusskrebse • Donna Tartt • Dorfleben • Ex-Polizist • Familie • Familiengeschichte • Gier • Goldrausch • Hakan Nesser • In den Farben des Dunkels • Irland-Krimi • Joel Dicker • Jo Nesbo • Junge Frau • junges Mädchen • Krimi Bestseller 2024 • Kriminalroman • Literarischer Spannungsroman • Nervenkitzel • Rache • Tana French Neuerscheinung • Vater-Tochter-Beziehung • Von hier bis zum Anfang • Western
ISBN-10 3-10-491734-5 / 3104917345
ISBN-13 978-3-10-491734-4 / 9783104917344
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