Meeresdämmerung // Meeresnacht // Meeresgrauen (eBook)
900 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3503-2 (ISBN)
Carina Lund ist als jüngstes von sieben Kindern in einem kleinen Ort im südlichen Emsland aufgewachsen, dort lebt sie noch heute. Genauso sehr wie das Meer liebt sie fesselnde Geschichten. Meeresdämmerung ist der Auftakt ihrer neuen Nordseekrimireihe. Unter dem Namen Kate Dakota veröffentlicht sie außerdem Liebesromane.
Carina Lund ist als jüngstes von sieben Kindern in einem kleinen Ort im südlichen Emsland aufgewachsen, dort lebt sie noch heute. Genauso sehr wie das Meer liebt sie fesselnde Geschichten. Meeresdämmerung ist der Auftakt ihrer neuen Nordseekrimireihe. Unter dem Namen Kate Dakota veröffentlicht sie außerdem Liebesromane.
1
Geistesabwesend starrte Kriminalhauptkommissarin Elin Bertram aus dem Fenster der kleinen Teeküche in den grauen Innenhof, als das Klacken des Wasserkochers hinter ihr sie in die Gegenwart zurückholte. Eilig holte sie eine Tasse aus dem Schrank und griff nach der Schachtel mit den Teebeuteln.
»Echt jetzt?«
Elin drehte sich um und schaute in das angewiderte Gesicht ihres Kollegen Schulte. »Was meinst du?«, fragte sie mit einem aufgesetzten Lächeln. Viel lieber hätte sie die Augen verdreht, weil sie genau wusste, was jetzt kam.
»Ich verstehe nicht, wie man solche Mengen Kamillentee in sich hineinschütten kann.« Schulte griff um sie herum nach der Thermoskanne mit dem Kaffee. »Der riecht nicht nur eklig, sondern erfüllt auch keineswegs den Zweck, den er erfüllen sollte.«
»Der da wäre?« Elin gab heißes Wasser und einen Teebeutel in ihre Tasse und holte dann eine weitere aus dem Schrank, die sie ihrem Kollegen reichte.
Schulte blickte vielsagend auf die Thermoskanne. »Na, mich wachzuhalten. Denn ich muss unbedingt wachbleiben. Seit Tagen ackern wir rund um die Uhr, und es sind noch Hunderte von Aktenordnern zu sichten bis zum Wochenende. Ganz schön ermüdend, aber watt mutt, datt mutt. Weißt du, meine Leute und ich, wir sind an einer bedeutenden Sache dran. Steuerbetrug im ganz großen Stil. Am Ende müssen sich hoffentlich ein paar Persönlichkeiten aus Hamburgs High Society warm anziehen.« Schulte lachte auf, während er die Tasse auf die Anrichte stellte und mit Kaffee befüllte. »Warm anziehen passt in diesem Fall sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Hast du’s schon gehört? In Santa Fu ist mal wieder die Heizungsanlage ausgefallen.«
Elin strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haars, das ihr in leichten Wellen bis auf die Schultern fiel, aus der Stirn. »Wir haben Sommer, Schulte, schon gemerkt? Eine ausgefallene Heizung dürfte für die Herrschaften dort wohl eher ein kleineres Problem darstellen.«
Schulte grinste. »Selbst ein Knacki möchte heiß duschen. Egal, ich find’s top. Sollen sie sich ruhig die Eier abfrieren, verdient haben sie es. Die meisten sogar noch viel Schlimmeres.«
Elin verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu urteilen, was ein Straftäter verdient oder nicht. Wir sind nur dafür zuständig, dass überhaupt geurteilt werden kann. Indem wir Gesetzesbrecher verfolgen und überführen.«
»Boah, Bertram, du müsstest dich mal hören. Als wärest du nicht schon jahrelang im Geschäft, sondern gerade erst aus der Polizeischule entlassen worden.«
Elin zuckte mit den Schultern. »Ich sage nur, wie es ist. Und so gerne ich auch weiter mit dir über die Heizungsanlage der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel diskutieren würde, sollten wir beide genau das jetzt tun: verfolgen und überführen.« Sie wandte sich ab und wollte gehen, aber Schulte war noch nicht fertig.
»Dann wünsche ich dir viel Erfolg. Wirst du auch gebrauchen können, ne? So richtig kommt deine Soko ja offenbar nicht weiter. Man munkelt schon, dass man dir die Leitung entziehen wird.«
Elin drehte sich zu ihrem Kollegen um. In ihr brodelte es, aber sie ließ sich nichts anmerken. »Du solltest nichts auf das Gerede geben, Schulte«, riet sie ihm kühl. »Nur weil meine Leute und ich nicht mit den Fortschritten unserer Arbeit hausieren gehen, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Hast du dich schon mal gefragt, warum man dich auf Steuerbetrüger ansetzt und Akten sichten lässt? Möglicherweise deshalb, weil du mit der Verfolgung eines brutalen Serienmörders überfordert wärst? Denk mal darüber nach. Eines kann ich dir auf jeden Fall sagen: Wenn ich mich mit diesem Mann beschäftige, ist das alles andere als ermüdend für mich. Ich brauche keinen Kaffee oder andere Aufputschmittelchen, um bei der Sache zu bleiben. In jeder einzelnen Sekunde donnert das Adrenalin durch meine Adern. So geht es nicht nur mir, sondern auch den anderen Kollegen der Sonderkommission. Das treibt uns an, und das wird uns auch zum Erfolg führen. Denk an meine Worte, wenn es so weit ist.«
Ohne dem verdrießlich schauenden Schulte die Chance einer Erwiderung zu lassen, verließ Elin die Teeküche und ging den langen Flur entlang, die Tasse mit dem dampfenden Tee in der Hand. Schultes Stichelei ärgerte sie, aber insgeheim musste sie ihm rechtgeben. Fast drei Jahre leitete sie nun schon als verantwortliche Kriminalhauptkommissarin die Soko Mondschein. Drei Jahre, in denen sie und ihre drei Kollegen nicht wirklich weitergekommen waren. Um das Kind beim Namen zu nennen: Sie hatten nach wie vor nicht die leiseste Ahnung, wer dieser Mann war, der nun schon fünf Frauen auf dem Gewissen hatte. Dass es sich bei allen fünf Fällen um ein und denselben Täter handelte, galt als sicher, möglicherweise gingen aber noch weitere Gewaltverbrechen auf sein Konto. Ausschließen konnte man das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Elin glaubte nicht daran. Zu eindeutig war die Sprache des Mannes, vielmehr die seiner Verbrechen, zu signifikant seine Zeichen. Er wollte als Täter identifiziert werden. Wollte, dass man ihm seine Morde zuschrieb. Warum sonst tötete er, als wenn er einem Drehbuch folgen würde? Völlig im Dunkeln tappten sie allerdings, was das Motiv des Täters anging. Ob er seine Opfer gezielt aussuchte oder ob es sich um Zufälle handelte. Der einzige Anhaltspunkt, den sie momentan hatten, war, dass er immer nach dem gleichen Muster agierte. Die Opfer waren junge Frauen, und die Morde geschahen in einem exakten zeitlichen Abstand bei Vollmond. Sie hatten etwas Rituelles, und es wurde ausnahmslos der gleiche Gegenstand am Tatort zurücklassen.
Doch das alles hatte die Soko im Großen und Ganzen schon unter Elins Vorgänger ermittelt. Und es hatte nicht verhindern können, dass eine weitere Frau sterben musste. Das fünfte Opfer, vor nun beinahe zwei Jahren.
Elin wusste, dass ihnen die Zeit davonlief. Schon bald konnte der Täter wieder zuschlagen, aber wo? Wieder und wieder waren sie und die Kollegen die Akten der fünf Fälle durchgegangen. Hatten sich ganze Tage und manchmal auch Nächte hindurch die Köpfe heiß diskutiert. Es fehlte einfach die entscheidende Idee, die so dringend benötigte Schlussfolgerung, die sie auf die richtige Spur bringen würde. Doch sie steckten fest. Sie war trotzdem nicht gewillt aufzugeben. Niemals. Das war sie den Opfern einfach schuldig. Ganz besonders … nein, Elin, ermahnte sie sich selbst. Sie, die Polizei, und das gesamte Rechtssystem waren es allen Opfern gleichermaßen schuldig, diese kranke Kreatur zu überführen und zu bestrafen. Das Problem war, dass ihr das Gerücht, sie könnte als Leiterin der Soko abgelöst werden, nun schon mehrfach zugetragen worden war. Bedauerlicherweise hatte solcher Bürotratsch oft einen wahren Kern. Doch falls es so kommen sollte, würde sie das nicht hinnehmen. Sie würde um diesen Job kämpfen. Mit allen Mitteln.
Während ihr diese Gedanken durch Kopf rasten, hatte sie unabsichtlich ihre Schritte beschleunigt, was prompt dazu führte, dass ein wenig Tee aus ihrer Tasse auf ihr T-Shirt schwappte.
Elin blieb stehen. »Verflixt und zugenäht«, fluchte sie, als sie auf den gelben Fleck starrte, der sich auf dem weißen Stoff verewigt hatte. Jemand kicherte. Elin sah auf. Corinna Ahrens, eine Kollegin in der Soko Mondschein, stand ein paar Meter weiter auf der Schwelle ihres gemeinsamen Büros.
Elin schenkte ihr einen bösen Blick. »Was gibt es zu lachen?«
»Gar nichts. Du bist nur manchmal so herrlich oldschool.«
»Weil ich mich mit Tee bekleckere?«, brummte Elin.
»Nein, weil heutzutage kein Mensch mehr ›verflixt und zugenäht‹ sagt.«
»Bei uns im Emsland schon.«
»Wo du seit Ewigkeiten nicht mehr lebst. Schwamm drüber. Hast du ein paar Minütchen? Ich müsste etwas mit dir besprechen.«
Elin schaute die Kollegin interessiert an. »Was gibt es? Bist du auf etwas gestoßen?«
»Was? Nein, es hat nichts mit der Arbeit zu tun. Also irgendwie doch, aber nicht so.«
Elin zog die Augenbrauen hoch, ging an Corinna vorbei ins Büro und setzte sich an ihren Schreibtisch. »Komm zu Potte, Mädchen. Willst du Urlaub haben?«
Corinna schloss die Tür hinter sich. »Auch das ist es nicht«, meinte sie und nahm an ihrem Schreibtisch Platz, der Elins gegenüberstand. »Ich … ich wollte dir sagen …«
»Jaaa?«
Corinna holte tief Luft. »Ich wollte dir sagen, dass ich schwanger bin.«
Elins Augen weiteten sich überrascht, dann strahlte sie übers ganze Gesicht. »Wow, das sind ja mal tolle Neuigkeiten! Herzlichen Glückwunsch. Warum hast du es so spannend gemacht? Kurz dachte ich, jetzt kommt eine schlechte Nachricht, aber das ist doch schön. Ich freu mich für dich und deinen Mann.«
»Ja«, murmelte Corinna. »Ich fürchte nur, nicht mehr lange.«
»Warum das denn?« Elin nippte an ihrem Kamillentee.
»Die Sache ist die: Patrick und ich haben schon lange versucht, ein Kind zu...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2024 |
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Reihe/Serie | Elin Bertram ermittelt |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bundle • Carolinensiel • Deutschland • Düne • Ermittlerin • Kommissarin • Krimi • Kriminalfall • Küste • Leiche • Meer • Mord • Niedersachsen • Norden • Nordsee • Opfer • Polizei • Regiokrimi • Serienmörder • SOKO • Spannung • Strand • Täter • Urlaub |
ISBN-10 | 3-8437-3503-4 / 3843735034 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3503-2 / 9783843735032 |
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