Dorian Hunter 151 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6765-1 (ISBN)
Der gefangene Dämon warf den Kopf hin und her. Brandmale wurden auf seinem Gesicht und dem ganzen Körper sichtbar. Sie verzehrten ihn, drückten ihm den glühenden Stempel der Verdammnis auf und bereiteten ihm ein grausames Ende - Zeichen von Malkuth, der Januswelt.
Dorian Hunter konnte nichts für den Dämon tun, er konnte nur seiner langsamen Vernichtung beiwohnen. Der Dämon verglühte.
»Olivaro, du hast jetzt den Beweis«, sagte Dorian. »Dies ist die Insel der Paimons, und es gibt hier mindestens einen Januskopf, der die Dämonen kommandiert ...«
1. Kapitel
Martin, ich bin hier. Hab keine Angst. Uns beiden kann doch nichts passieren. Vertrau mir. Erinnerst du dich noch an die Galeone der Geisterpiraten?
Martin hatte sich im Schlaf zusammengerollt und die Position eingenommen, die ein Ungeborenes im Leib der Mutter innehatte. Aber jetzt setzte er sich auf. Mit seiner kleinen Kinderhand wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Ja, Theo. Das war schlimm.«
Aber auch damals blieben unsere Kontakte erhalten.
»Ja.«
Und Käp'ten Einbein und seine Männer taten dir nichts zuleide.
»Ein Glück, Theo.«
Warum hast du jetzt, in dieser Nacht, Angst?
»Ich weiß es nicht. Wirklich nicht«, erwiderte Martin. Es klang fast verzweifelt.
Jedenfalls bin ich froh, dass wir Freunde sind und zusammenhalten. Theo lachte aus den Sphären des Unergründlichen, und seine Worte und sein Frohsinn waren Balsam auf Martins beunruhigten Geist. Nach einer Weile fragte Theo: Wie fühlst du dich jetzt, Martin?
»Besser, Theo.«
Martin schnaufte leise, seufzte, blickte sich um und versuchte, etwas von seiner Umgebung zu erkennen. Die Gardinen vor den Fenstern des Hotelzimmers filterten das weißlich kalte Abendlicht und reduzierten seine Helligkeit. Nur undeutlich machte der kleine Junge die anderen beiden Betten aus, in denen Coco Zamis, seine Mutter, und Tina Bauer, das acht Jahre alte Mädchen, ruhten. Die Verbindungstür zum Nebenzimmer sah er nicht, aber er wusste, dass sie existierte – genauso, wie ihm bekannt war, wer dort nebenan schlief. Er hieß Unga und war ein großer, lieber Freund, der auch immer nett zu ihm war.
Martin erinnerte sich: Sie waren mit einem Flugzeug unterwegs gewesen. Das war schön und sehr aufregend für ihn gewesen. Das Flugzeug war gelandet. Die Stadt, durch die sie dann in einem großen, lauten Auto gefahren worden waren, hieß Caracas. Mami hatte ihm das gesagt.
»Es ist warm«, flüsterte Martin.
Komm, sagte Theo. Komm, wir unternehmen zusammen einen kleinen Spaziergang. Der wird dir wohl tun.
»Aber Mami ...«
Mami schläft. Und Tina und Unga, dieser Muskelprotz, auch.
Es war etwas in Theos Stimme, das einfach keinen Widerspruch zuließ. Aber es war nichts Drohendes, Warnendes, sondern einfach nur die ungeheuer nachhaltige Ausstrahlung, die allein die Stimme des Freundes auf Martin hatte. Martin lächelte, rutschte vom Bett und stand mit seinen nackten Füßen auf dem Bettvorleger.
Er konnte Theos Stimme hören, als spräche der Freund aus einer Zimmerecke zu ihm, doch sie war nur Teil seiner Gedanken.
Folge mir, Martin. Wir wecken Mami, Tina und Unga nicht. Sie brauchen nichts von unserem kleinen Ausflug zu wissen. Und sie können auch gar nicht aufwachen.
Martin begriff nicht richtig, wie Theo das meinte, aber die Worte des Freundes übten eine zutiefst beruhigende Wirkung auf ihn aus. Er fühlte sich sicher, schritt auf flauschigen Kissen dahin, und die Nacht, dieses vertrackte schwarze Ungeheuer kroch plötzlich aus dem Zimmer. Licht breitete sich vor Martins Füßen aus; bläuliches Licht, das ihm den Weg wies. Er wandte sich zur Tür, Theos Stimme war wieder da und lockte von der Tür aus: Na los, Martin, worauf wartest du denn noch? Machen wir einen kleinen Rundgang durch das Hotel. Wir werden unseren Spaß haben. Das ist doch spannender als jedes Abenteuerheft.
Martin trippelte zur Tür. Wie selbstverständlich drehte er den Schlüssel im Schloss. Der Riegel glitt zurück, dann legte Martin die Hand auf die Klinke und drückte die Tür auf. Er trat auf den Gang zwischen den vielen Zimmern des Stockwerks.
Gut. Theo kicherte. Klasse, wie du das gemacht hast. Du bist ja schon ein ganzer Kerl, Martin, kein Kleinkind, das an Mutters Schürzenzipfel hängt.
»Ich habe keine Angst.«
Recht so. Aber sprich nicht. Ich verstehe dich auch, wenn du nur denkst.
Wohin, Theo?
Zur Treppe und dann die Stufen hinauf, immer höher hinaus, immer höher, Martin.
Und Martin Jäger, wie der Sohn von Dorian Hunter und Coco Zamis mit seinem Tarnnamen hieß, stieg auf nackten Fußsohlen die Treppe hinauf. Er schritt durch die Stockwerke des Hotels, ohne dass ihn jemand bemerkte, ohne dass jemand Anstoß nahm. Martin gelangte in die oberste Etage, wandte sich zielstrebig zunächst nach links, dann am Ende eines schmalen Korridors wieder nach rechts und stand schließlich vor einer Tür. Sie war nicht verschlossen. Sie bewegte sich im Luftzug und knarrte in schlecht geölten Angeln. Sie führte aufs Dach.
Komm schon, Martin.
Ich bin schon da, Theo.
Martin lenkte seine Schritte über eine flache, aus drei oder vier Stufen bestehende Treppe, erreichte die Türschwelle, stieß mit der Hand gegen die hin und her schwingende Tür und befand sich auf dem Dach des Gebäudes. Der Wind, der von der See her gegen die Häuser anblies, war lauwarm. Er umfächelte Martin, zerzauste seine Haare, beeinträchtigte ihn aber nicht in seinem Unternehmen.
Und was nun, Theo?
Du wirst schon sehen, antwortete die Stimme des Freundes, wir werden hier oben eine Menge Spaß haben. Die Nacht hat ihre besonderen Gesetze. Sie erlaubt Dinge, die bei Tag nicht möglich sind. Sie ist der Verbündete all derjenigen, die Schutz brauchen und die Einsamkeit der späten Stunden suchen. Siehst du den Mond, Martin? Er ist eine fahle, fast voll gerundete Scheibe, Martin.
Ich verstehe dich nicht, Theo.
Das brauchst du auch nicht. Hauptsache, du hast immer Vertrauen zu mir.
Immer, Theo.
Warte. Lausche. Hörst du was?
Martin stand unbeweglich und vernahm wispernde Laute, die vom Wind hervorgerufen zu werden schienen. Ein trockenes Flattern war plötzlich zu hören, dann schnurrende Geräusche und andere akustische Zeichen, die Martin nicht einzuordnen wusste. Etwas schien eiskalt seine Wangen zu streifen. Plötzlich hatte er das Gefühl, jemand befände sich hinter seinem Rücken.
Theo!
Ich bin immer noch hier, Martin. Ich stelle dir jetzt drei Freunde vor, denen du dich anvertrauen kannst. Sie sind deine Begleiter während des nächtlichen Ausfluges.
Wohin führt der Ausflug, Theo?
Du wirst schon sehen.
Martin wandte sich um und sah sie. Es waren drei, und sie hatten sich rechts neben der ins Gebäude führenden Tür postiert – große schlanke Gestalten in bodenlangen, schwarzen Umhängen. Zwei trugen nichts auf den Köpfen. Das Oval ihrer Schädel hob sich ziemlich deutlich gegen den tief stehenden Mond ab. Der in der Mitte hatte einen Zylinder auf dem Kopf. Eigenartigerweise wurde ihm das Ding durch den Wind nicht fortgerissen. Sie deuteten eine groteske Verbeugung an.
»Stets zu Diensten«, sagte der links Stehende. »Mein Name ist Oistach, und meine Kameraden hören auf die Namen Dulio und Lindo.«
»Schönesss, zartesss Knäblein«, meinte Dulio mit seltsamer Betonung und lispelnder Stimme. »Wir werden unsss blendend verssstehen. Du bissst sssüsss.«
»Einfach lecker«, sagte nun auch Lindo. »Saftig und ohne Knorpel. Komm her, du Naseweis.«
Martin zögerte. Aber die drei düsteren Gestalten setzten sich in Bewegung und traten nun ihrerseits auf ihn zu. Sie breiteten die Aufschläge ihrer Umhänge aus. Martin sah, dass sie jetzt wie mit Flügeln bewehrt wirkten. Sie lachten dumpf, und er erkannte, dass sie sehr, sehr weiße Zähne besaßen, die besonders in den Mundwinkeln lang und spitz nach unten wiesen.
In der dritten Juniwoche brachte die Nacht von Venezuela auch keine lindernde Kühle. Unga hatte sich ohne Decken und nur mit einem knapp sitzenden Männerslip bekleidet auf dem Bett des Hotelzimmers ausgestreckt. Trotzdem schwitzte er. Als ein anhaltendes Kribbeln seinen Körper bis zur äußersten Nervenfaser durchlief, fuhr er mit einem Ruck hoch und blickte sofort zu dem magischen Kommandostab.
Der Stab, aus tierknochenähnlicher Substanz geschaffen, war an einem Ende mit einem Loch versehen und dieses leuchtete in rötlich gelben Farben. Der Stab wirkte irgendwie transparent. Unga fasste ihn an. Das Glühen setzte nicht aus, doch der Stab fühlte sich nicht heiß, sondern eiskalt an, und Unga, der Cro Magnon, wusste, was das zu bedeuten hatte. Unwillkürlich fasste er auch nach dem Amulett, das an einer Kette an seinem Hals befestigt war. Das Amulett schien in sich zu vibrieren. Unga spürte, dass eine der Türen, die er am Abend magisch abgesichert hatte, geöffnet worden war. Einem drängenden Antrieb folgend wandte er sich sofort zur auf den Gang führenden Tür seines Zimmers. Und richtig: Er sah Martin gerade noch im Treppenhaus verschwinden. Unga verließ sein Zimmer und schlich ihm nach. Er glaubte, den kleinen Jungen rasch einzuholen, doch es war erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit Martin sich fortbewegte. Unga fühlte, wie etwas sein Herz...
Erscheint lt. Verlag | 8.6.2024 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-6765-7 / 3751767657 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6765-1 / 9783751767651 |
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