Das Geheimnis der Jägerin -  Anja Habisohn

Das Geheimnis der Jägerin (eBook)

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2024 | 1. Auflage
370 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1633-0 (ISBN)
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Ihr ganzes Leben lang war Lily überzeugte Vampirjägerin, bis sich eines Nachts ein Unfall ereignete, welcher ihr gesamtes Leben veränderte. Über Nacht wurde sie zum Vampir. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Identität als Vampirjägerin und ihres Daseins als Vampir kämpft sie gegen die neuen Gelüste ihres Körpers an, als plötzlich ein mächtiger Vampir in ihrer Schule auftaucht, der ihr seine Hilfe anbietet. Je mehr Zeit Lily mit ihm verbringt, desto mehr beginnt sie, an ihrem bisherigen Wissen über Vampire zu zweifeln. Doch welche Absichten verfolgt der Vampir? Kann er ihr wirklich helfen? Und weitaus wichtiger: Kann sie ihm vertrauen?

Anja Habisohn wurde im Jahr 2004 geboren und lebte seither bei ihrer Familie im Süden Deutschlands nahe München. So lange sie denken kann, hat das Schreiben sie begleitet. Ihre Geschichten und deren Charaktere sind ein Teil von ihr, ein Produkt ihrer Fantasie, und sollen es auch immer bleiben, weswegen sie sich dazu entschloss, sie zu veröffentlichen und somit einen langjährigen Traum zu realisieren.

2


Der Vampir, der Jahrhunderte zählen musste, sah nach außen aus wie ein normaler Jugendlicher. Aus Sicht meiner Mitschülerinnen war er wohl ein Sahneschnittchen!

Seine feinen, makellosen Gesichtszüge, die lackschwarzen Haare, die vorne leicht nach oben gegelt waren, das geheimnisvolle Lächeln, das seine Lippen sanft umspielte.

Ein kurzer Blick in die Runde genügte mir, um zu wissen, dass ihm bereits alle weiblichen Mitschüler verfallen waren.

Aus Sicht unserer männlichen Mitschüler war er entweder ein ernst zu nehmender Konkurrent um die weibliche Gunst oder ein Kumpel, der sich für alle Schulmannschaften eignete. Seine Schritte strotzten nur so vor Kraft und dennoch besaßen sie eine solch unglaubliche Eleganz und Anmut.

Bevor er Mrs. Bartley erreichte, wechselte ich einen schnellen Blick mit meinem Bruder. Unsere Blicke kreuzten sich und in seinem konnte ich genau denselben Schreck erkennen, den ich selbst auch empfand. Ein jahrhundertealter Vampir! Ein unfassbar starker Vampir! In unserer Schule! Voller Unschuldiger! Und wir konnten nur zusehen und nichts tun!

„Nun.“ Mrs. Bartley räusperte sich kurz. Sie schien sichtlich angetan von dem Neuen, jedoch aus einem anderen Grund. Er trug einen Anzug - in ihren Augen zeugte das von Respekt, Höflichkeit und Stil.

„Stelle dich bitte einmal der Klasse mit deinem Namen vor.“, bat sie ihn dann. Gemächlich drehte er sich zur Klasse. Seine Augen wanderten über das Meer an Schülern vor ihm. Doch wo die anderen einen himmlischen Braunton erkannten, sah ich das Raubtier, welches seine Beute musterte.

„Mein Name ist Adrian.“, sprach er nach einem Moment der Stille. Seine Stimme, so musste ich zugeben, hatte einen äußerst melodischen Klang. Doch auch dieser würde mich nicht täuschen können!

„Und dein Nachname?“, fragte Mrs. Bartley derweil irritiert nach. Er warf ihr einen abschätzenden Blick zu. „Tepes.“, antwortete er nach einer langen Pause.

„Danke. Setz dich doch!“ Sie verwies ihn auf den einzigen freien Platz im ganzen Zimmer, der schräg hinter mir lag. „Ihr werdet in den Pausen ausreichend Zeit haben, Adrian kennenzulernen. Von unserer Unterrichtszeit ist schon genug verloren gegangen.“, verkündete sie, während der Neue durch die Reihen zu seinem Platz schritt. Dabei passierte er mich, wobei seine Augen kurzzeitig an mir hängen blieben.

Sein intensiver Blick ließ mich die Luft anhalten. Ahnte er etwas? Spürte er etwa, dass ich ein ebensolches Wesen wie er war? Dann richteten sich seine Augen wieder nach vorne und ich atmete erleichtert aus. Scheinbar nicht.

In Mrs. Bartleys Unterrichtsstunden konnte ich mich kaum konzentrieren, in einer solchen Intensität nahm ich seine Aura wahr. Als nach einer gefühlten Ewigkeit endlich der Gong ertönte, verließ ich als eine der Ersten den Klassenraum. Mein Bruder war mir dicht auf den Fersen.

„Lily, wollten wir nicht…?“, rief mir Elodie enttäuscht hinterher. Innerlich seufzte ich laut. Wie gerne würde ich doch die Pause mit ihr verbringen!

„Unglaublich, oder?“, meinte mein Bruder, als wir endlich eine ruhige Ecke gefunden hatten. „Seine Aura…“ Er schauderte kurz. „Über welche Kraft er gebieten muss!“ Stumm nickte ich. „Er ist eine Gefahr für die ganze Schule!“, bemerkte ich anschließend. „Richtig.“, unterbrach mich Vincent sogleich. „Wir können ihn hier nicht ewig rumspazieren lassen und riskieren, dass er anfängt, Leute auszusaugen! Je eher er verschwindet, desto besser!“ Zustimmend nickte ich.

„Mit Ryan und einem Überraschungsmoment könnten wir eine Chance haben.“ Ein entschlossenes Funkeln machte sich in den Augen meines Bruders breit.

„Nein, es ist zu riskant.“, erwiderte ich augenblicklich. Wann immer mein Bruder diesen Ausdruck bekam, handelte es sich mit Gewissheit um eine unvernünftige Aktion! „Wir sind nur zu dritt - Ryan ist zu unerfahren!“, schob ich sofort hinterher. „Ryan hat auch schon getötet!“, entgegnete mein Bruder. Das Funkeln verharrte in seinen Augen. „Mit unseren Eltern an seiner Seite!“ An uns schritten zwei Schüler vorbei, weswegen ich meine Stimme dämpfte, die dennoch nicht an Intensität verlor.

„Und nun hat er uns! Wir beide sind erfahren!“, beendete mein Bruder die Diskussion und ergänzte noch rasch: „Wie würdest du dich fühlen, wenn Elodie etwas zustoßen sollte, weil wir nicht schnell genug gehandelt haben?“ Schrecklich! Ich wusste dem nichts zu entgegnen.

„Ich hole ihn. Hast du deinen Silberarmreif?“ Ich bejahte seine Frage mit einem knappen Nicken. Ich hatte ihn immer dabei, weil unsere Eltern uns ohne nicht außer Haus ließen. Was mein Bruder nicht wusste, war, dass ich einen Teufel tun würde und ihn anziehen würde!

„Gut. Ich gebe Ryan Bescheid. Nach dem Unterricht.“ Ich nickte knapp, bevor wir uns trennten und ich zu Elodie zurückging, die mich freudig strahlend empfing.

Als sie begann, über Schminkutensilien zu reden, hörte ich ihr nur mit halbem Ohr zu. Meine restliche Aufmerksamkeit verweilte auf dem Vampir, der momentan versuchte, sich einen Weg durch die Mädchenschar zu bahnen, die ihn wie eine Wolke umgab. Irgendwann schien er es aufzugeben und hörte mit einem reservierten Gesichtsausdruck dem wirren Geschnatter der Traube zu.

*

War ich froh, als endlich die Schulglocke läutete. Der Unterricht langweilte mich! Ich kannte und konnte alles, was hier unterrichtet wurde. Nur die High School Schülerinnen, die sich die ganze Pause um mich geschart hatten, waren noch nerviger. Wie sehr würde ich nach der Schule heute die Ruhe genießen, die meine vorübergehende Unterkunft zu bieten vermochte. Wie sehr würde ich das Bad genießen, welches mir Henry sicher schon vorbereitet haben würde.

Zurück auf meinem Platz schloss ich kurz die Augen und blendete alles um mich herum aus. Warum war ich gekommen? Um mir von einem Haufen Teenager den Spaß verderben zu lassen? Wohl kaum!

Als ich meine Augen öffnete, strömte durch meine Adern wieder neue Energie und ich richtete den Blick erneut nach vorne an die Tafel, wo der Geographielehrer Mr. Jefferson - oder war es Mr. Jackson? - den Treibhauseffekt ausführlich in voller Länge erklärte.

Ich wandte meinen Blick zur Seite. Die eine Hälfte spielte mit dem Handy, die andere war in Gedanken bereits ausgestiegen und kritzelte einfach irgendwas ins Heft. Sorgfältig übertrug ich die Skizzen an der Tafel detailgetreu in mein Heft, jedoch eher aus Langeweile als aus Wissensdurst.

Danach warf ich dem Mädchen einen Blick zu, welches mich schon seit meiner Ankunft unverwandt anstarrte. Sofort wandte sie den ihren ab. Ich musterte sie genauer. Mittellange braune Haare, die sich auf Höhe ihrer Brust kräuselten, braune Augen, ein eher rundliches Gesicht. Sie trug ein pastellfarbenes Sommerkleid mit langen Ärmeln. Ein typisches High School Mädchen.

Eigentlich würde sie in der Menge versinken, wenn da nicht dieses äußerst schwache Gefühl in mir aufkommen würde. Sie war eine der unseren. Ein Vampir und das nicht lange. Höchstens einen Monat.

Aber sie kaschierte es gut. Blickte man ihr ins Gesicht, sah man eine sonnengebräunte Teenagerin. Sah man hingegen wie ich genauer hin, erkannte man das Make-up, welches dick aufgetragen worden war. Sie schien mir die einzige Person in diesem Raum, welche wirklich meiner Zeit wert war. Vielleicht würde ich sie ansprechen. Mal sehen.

Ich wandte meinen Blick wieder nach vorne und täuschte reges Interesse vor. Auch in Französisch gelang mir dies noch. Doch nach der kleinen Pause, in der mich diese nervige Horde erneut belagerte, stand Geschichte an. Wenn ich ein Fach benennen müsste, in dem ich ohne zu zögern den Unterricht leiten könnte, wäre dies wohl Geschichte.

Meine guten Vorsätze schwanden und ich begann, die Liste, die ich schon vor Jahren in meinem Kopf angefertigt hatte, Punkt für Punkt auf die offene Heftseite niederzuschreiben. Eine Aufzählung der Dinge, die ich gerne erleben wollte. Ich kannte vieles, hatte vieles erlebt und sicher viele Geschichten zu erzählen, aber mein Leben fand bisher im Zentrum eines einzigen Landes statt und nichts reizte mich mehr, als andere Kulturen zu erleben. Und was wäre Amerika nur ohne seine berühmt-berüchtigten High Schools? Wobei ich von ihrem Flair bislang nicht besonders begeistert war…

Dass ich meinen Gedanken für kurze Zeit erlaubte, sich vom Unterricht zu entfernen, erwies sich als Fehler. „Adrian? Hast du mir zugehört? Was schreibst du da? Wir haben noch nichts aufgeschrieben!“, drang die Stimme meiner … Lehrerin, wenn man einen unbedeutenden Menschen so denn überhaupt bezeichnen konnte, an mein Ohr. Was hatten Menschen schließlich schon erlebt, um sich diesen Titel zu verdienen?

Doch ich wollte mir keine Blöße geben. Nicht vor einer Menschenfrau! Mein Blick huschte kurz zur Überschrift: Der Kalte Krieg. Nichts leichter als das!...

Erscheint lt. Verlag 4.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
ISBN-10 3-7597-1633-4 / 3759716334
ISBN-13 978-3-7597-1633-0 / 9783759716330
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