Steinherz (eBook)

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2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Machandel Verlag
978-3-95959-430-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Steinherz -  Martina Schäfer
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Unverhofft bekommt die Selbstverteidigungs-Trainerin Jana Müller den Auftrag, für die behinderten Frauen der heilpädagogischen Michaels-Werkstätten einen Kurs zu geben. Aber wer sollte ausgerechnet diese Frauen in ihrem idyllischen Refugium bedrohen? Wie sie schnell erfährt, ist die Bedrohung allerdings überaus real. Zwei Bewohner der Michaels-Werkstätten wurden bestialisch ermordet, und die Polizei befürchtet einen weiteren Mordversuch. Jana wurde bewusst hierher gelockt, weil Ermittler Schmidtken glaubt, dass sie die Frauen eher zum Reden bringen kann. Auch wenn ihre Liebste, die Polizeifotografin Rosi Kramer, ihr sowohl bei dem Kurs als auch bei den Ermittlungen zur Seite stehen kann, ist Jana sauer. Es ist wahrhaftig nicht ihr Lebensziel, unter fadenscheinigen Vorwänden als Ermittlungsgehilfin ausgenutzt zu werden. Doch dann merkt sie, dass nicht nur die Heimbewohnerinnen in Gefahr sind ...

Über die Autorin Martina Schäfer 1952 wurde ich in Düsseldorf geboren, um dort auch zur Schule zu gehen und dann das Abitur mit Bestnoten in Deutsch, Biologie und Geschichte zu vollenden. Zum Schrecken meiner Vormundstante studierte ich solch angeblich brotlose Künste wie Literatur- Musik- und Theaterwissenschaft in Düsseldorf, Frankfurt, München und Bremen. Ließ mich aber dann doch dazu erweichen, ein anständiges Staatsexamen in Heil- und Sonderpädagogik, sowie den Diplompädagogen in Frankfurt abzuschließen um dann wacker im Jahre Tschernobyl in Bremen zu promovieren. Hernach hatte ich das Gefühl, ich hätte wirklich noch nichts Richtiges gelernt, obwohl ich als selbstständige Trainerin und Coach für Kampfsport und Empowerment nicht am Hungertuch nagte und stürzte mich in das Studium der Ur- und Frühgeschichte in Köln, um als Magistra derselben wieder aufzutauchen, mit der Krone meines Bildungsganges, einem Master of Theology auf dem Haupt, in die Schweiz weiter zu schwimmen. Entsprechend diesem Lebenslauf als poeta docta füllte ich viele Seiten mit belletristischen aber auch fachwissenschaftlichen Texten, die teilweise in unendlichen Ordnerreihen auf dem Dachboden dahin vegetieren, teilweise sich in unergründlichen Tiefen meines Computers aufhalten und nach dem Tageslicht der Veröffentlichung gieren, teilweise tatsächlich an die Oberfläche eines allgemeineren Bewusstseins gelangten, teilweise als Fachliteratur zur Gewaltprävention und interreligiöser Kommunikation, teilweise als schillernde Fischlein aus Fantasy- und Kriminalroman.

Über die Autorin Martina Schäfer 1952 wurde ich in Düsseldorf geboren, um dort auch zur Schule zu gehen und dann das Abitur mit Bestnoten in Deutsch, Biologie und Geschichte zu vollenden. Zum Schrecken meiner Vormundstante studierte ich solch angeblich brotlose Künste wie Literatur- Musik- und Theaterwissenschaft in Düsseldorf, Frankfurt, München und Bremen. Ließ mich aber dann doch dazu erweichen, ein anständiges Staatsexamen in Heil- und Sonderpädagogik, sowie den Diplompädagogen in Frankfurt abzuschließen um dann wacker im Jahre Tschernobyl in Bremen zu promovieren. Hernach hatte ich das Gefühl, ich hätte wirklich noch nichts Richtiges gelernt, obwohl ich als selbstständige Trainerin und Coach für Kampfsport und Empowerment nicht am Hungertuch nagte und stürzte mich in das Studium der Ur- und Frühgeschichte in Köln, um als Magistra derselben wieder aufzutauchen, mit der Krone meines Bildungsganges, einem Master of Theology auf dem Haupt, in die Schweiz weiter zu schwimmen. Entsprechend diesem Lebenslauf als poeta docta füllte ich viele Seiten mit belletristischen aber auch fachwissenschaftlichen Texten, die teilweise in unendlichen Ordnerreihen auf dem Dachboden dahin vegetieren, teilweise sich in unergründlichen Tiefen meines Computers aufhalten und nach dem Tageslicht der Veröffentlichung gieren, teilweise tatsächlich an die Oberfläche eines allgemeineren Bewusstseins gelangten, teilweise als Fachliteratur zur Gewaltprävention und interreligiöser Kommunikation, teilweise als schillernde Fischlein aus Fantasy- und Kriminalroman.


1. Das Schöne bewundern



„Ach, es gibt noch etwas.“

Der Heimleiter drehte sich auf der Treppe zu mir um, nachdem er mich durch das Hauptgebäude der Wohn- und Werkstättenanlage geführt hatte, das am Rande einer großen Wiese lag, und mir alles gezeigt hatte, was für unsere Kursdurchführung wichtig war.

Die Räume waren recht anständig. Natürlich hatte man mir nicht das Allerheiligste, den Eurythmieraum nämlich, für meinen profanen Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskurs überlassen, aber ein ausgeräumter kleiner, ehemaliger Speisesaal tat es auch, und die Gutwilligkeit, mit der die verantwortlichen Leute dieser Institution die für sie ungewohnten blauen Turnmatten besorgt hatten, rührte mich doch.

„Gehen wir in mein Büro. Dann können wir auch gleich Ihren Honorarvertrag ausfüllen und ich bekomme Ihre Bankverbindung für eine schleunige Abrechnung.“

Ich nickte begeistert, denn das kann ich sehr gut leiden: Leute, die mein schwer verdientes Honorar pünktlich überweisen und nicht erst zwei Monate später, wie ich das einmal bei einem Jugendamt in der gleichen Stadt erleben durfte. Die Beamten würden schön schnauzen, wenn sie ihr Gehalt erst so spät bekämen!

Er hatte überhaupt noch weitere gute Angewohnheiten, dieser Leiter einer anthroposophischen Wohn- und Werkstätteninstitution für geistig behinderte Menschen. Ich persönlich nenne sie lieber „lebensklug-bildbar“ und hoffe, dass auch ich zu diesem Personenkreis zähle. Aber wer kennt schon diesen Ausdruck, zumal ich ihn selbst erfunden habe?

Jedenfalls, er setzte sich nicht hinter seinen Schreibtisch in einen Sessel und mich davor auf einen unbequemen Stuhl. Für Frauen mit breiten Hüften und stämmigen Schenkeln, wie sie so ein Leben nach zwanzig Jahren Kampfsport mit sich bringt, sind 80 Prozent alle Stühle unbequem, schmal, auf das Maß der herrschenden Männerpopos und angepassten Damenhüften herabreduziert. Stattdessen führte er mich zu einer mit hellbraunen Leinenstoffen bezogenen Sitzecke neben der Türe.

„Sie haben eine Vorstellung, warum wir gerade Sie gebeten haben, mit unseren Bewohnerinnen einen Selbstverteidigungskurs durchzuführen?“

Er putzte gedankenverloren seine sehr starken Brillengläser und setzte sie wieder auf.

„Nun ja, es gibt schon sehr wenig Wen-Do-Lehrerinnen, die mit Behinderten allgemein arbeiten, und mit Lebensklug-Bildbaren – da denke ich, dass ich die Einzige bin, die ein Konzept dazu entwickelt hat.“

„Seelenpflegebedürftig“, murmelte er, eher gewohnheitsmäßig, denn auch die Anthroposophen haben sich vor achtzig Jahren ihren eigenen, für damalige Zeiten durchaus politisch korrekten Ausdruck einfallen lassen. Er schüttelte leise den Kopf.

„Und Sie wissen, dass ich meinen Diplompädagogen über anthroposophische Heilpädagogik gemacht habe. Vielleicht erhoffen Sie sich ja von mir etwas weniger feministische Radikalität als von meinen Kolleginnen?“

Er winkte müde ab.

„Ach was, das wird uns nur gut tun. Ich weiß sogar, dass Sie lesbisch leben. Aber im Vertrauen gesagt, ich glaube durchaus, dass auch unser Rudi in Liebesdingen kein unbeschriebenes Blatt war.“ Er lächelte leicht hinter seinen starken Brillengläsern hervor und mir fiel auf, dass unter dieser melancholischen Heiterkeit eine Last, eine Sorge ruhte, die um einiges schwerer schien als das, was solche Leiter einer großen Institution allgemein am Halse haben.

Mit „Rudi“ meinte er natürlich nicht Rudi Dutschke, den früh verstorbenen Meister meiner Generation, sondern Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie, besser bekannt als Initiator einer alternativen Pädagogik sowie ökologischer Landwirtschaft. Ein Meister unserer Groß- oder sogar Urgroßelterngeneration der Jahrhundertwende.

„Sie sind mir empfohlen worden.“

„Ja? Von meiner Verwandtschaft?“

„Nein, sagt Ihnen der Name ‚von Kerkbaum‘ etwas?“

Aber natürlich! Der Kriminalchef aus den sauerländischen Wäldern, der unfreiwillige Begleiter eines ziemlich mörderischen Wen-Do-Kurses in einem gewerkschaftsnahen Tagungshaus, auf dem ich aber immerhin meine große Liebe und pfiffige Polizeifotografin kennenlernen durfte.

„Der hat mich empfohlen? Ich hatte oft das Gefühl, ihm nur im Wege herumzustehen.“

„Immerhin wurde der Fall in drei Tagen gelöst! Von Kerkbaum ist ein alter Schulfreund von mir und auf einem Klassentreffen erzählte ich ihm kürzlich von unserem – äh – Problem. Er machte mich auf Sie aufmerksam.“

„Außer als Lockvogel war ich nicht sehr dienlich.“

„Von Kerkbaum bezog sich auch eher auf ihre, nun ja, etwas unkonventionelle Lösung der ganzen Angelegenheit. Er meinte, Sie wären vielleicht auch für uns die richtige Frau, um im Umfeld ein wenig herumzuschnuppern.“

Ich wurde langsam ungeduldig und beugte mich vor. „Aber was ist denn bei Ihnen passiert? Was soll ich – hm – herausschnuppern? Und wie stellen Sie sich das sonst vor? Sie wissen doch auch, dass Therapeuten und verwandte Berufe einer absoluten Schweigepflicht unterliegen. Ich denke, das kennen Sie? Sie arbeiten doch therapeutisch?“

„Äh, ja, natürlich, Sie haben ja Recht.“ Er wischte sich mit seinen feinen Höherer-Sozialarbeiter-Händen über das Gesicht. „Bei uns geht ein Mörder um. Er hat bereits zwei unserer Bewohner getötet.“

„Wie bitte?“

„Eine junge Frau und ein junger Mann sind auf fürchterliche Weise umgebracht worden. Die beiden waren miteinander befreundet und es stand gerade die Frage an, ob wir sie in eine eigene Wohneinheit ziehen lassen sollten.“

„Eifersucht eines abgewiesenen Liebhabers?“

„Nein, sie wurden mit vermutlich schallgedämpfter Waffe erschossen. Ich glaube kaum, dass unsere Leute Zugang zu Schusswaffen haben oder überhaupt schießen können.“

„Weiß man das Kaliber, die Art der Waffe?“

„Nein. Ich deutete es Ihnen ja eben schon an: Der Täter muss ein Wahnsinniger sein. Er hat den beiden jungen Leuten nach der Tat das Herz herausgeschnitten, darin saß wohl die Kugel.“ Herr Wildenberg verbarg sein Gesicht in den Händen und ich schwieg erschrocken.

„Ich habe Tim gefunden.“ Sein Gesicht tauchte auf und ich konnte sehen, dass er geweint hatte.

„Ich bin gleichzeitig Gruppenleiter seiner Wohngruppe. Morgens jogge ich immer durchs Institutsgelände – er lag direkt neben der Eingangstüre, als ich zurückkam. Tim war 32 Jahre und ich kannte ihn seit fast 15 Jahren, seit er zu uns in die Michaelswerkstätten kam. Ein lustiger Bursche, ziemlich gut drauf, hat viermal schon den Ritter Georg im Michaelsspiel gespielt ...“

Er musste erneut seine Brille putzen und ich sah, dass er sehr feine, langgliedrige Finger hatte wie ein Pianist oder ein Geigenspieler. Solche Rollen zu übernehmen wollte viel heißen. Es bedeutete, dass Tim eine Art Vorzeige-

Behinderter war, der sich durch gutes soziales Verhalten, freundliches Wesen und wahrscheinlich auch eine bessere Sprachfähigkeit vor seinen MitbewohnerInnen auszeichnete, denn dieser Ritter Georg hat einige edle und fromme Monologe von sich zu geben. Vermutlich hielt Tim auch vor geladenen Gästen kleine Ansprachen oder bedankte sich artig im „Namen aller“ bei liebenswürdigen Spendern.

„Demnach ist es eigentlich auch gar nicht sicher, ob die jungen Leute tatsächlich erschossen wurden?“

Johannes Wildenberg schüttelte stumm den Kopf.

„Es könnte sich also auch um ein ausgefallenes Mordinstrument handeln: Pfeil und Bogen zum Beispiel oder eine sarazenische Klinge.“

„Sie meinen, das mit dem Herz ist keine Wahnsinnstat?“

„Möglicherweise. Aber hören Sie mal: Hat von Kerkbaum Ihnen auch erzählt, dass es im Sauerland drei Mordanschläge auf mich gab, dass meine frisch erworbene Geliebte beinahe mit irgendeinem bescheuerten Tablettencocktail um die Ecke gebracht wurde?“

„Ja ja! Er fand, Sie hätten das gut verkraftet, deshalb ...“

„Ach ja? Warum kommt er nicht selber, wenn er Ihnen helfen möchte?“

„Er ist unterwegs, im Bayrischen Wald, bearbeitet da irgendeine dubiose Holzgeschichte zwischen Bayern und dem Sauerland. Aber er hat den hiesigen Behörden einen seiner Kollegen ausgeliehen, ein sehr fähiger Mann, kennt sich aus im Milieu.“

Mir schwante Schlimmstes. „Ach ja?“, murmelte ich ahnungsvoll. „Welches Milieu denn?“

„Der Kollege ist Waldorfschüler gewesen, kann sich zumindest einfühlen in die Mentalitäten und Stimmungen einer anthroposophischen Institution. Wir sind ja doch in unserer Art ein wenig ungewohnt für Außenstehende.“

Er lächelte schief und ich schnaufte ungeduldig. Seit den Zeiten des New Age gab es windelweiche Mystiker und langberockte Weiblichkeitsfanatikerinnen durchaus auch in hellen Scharen außerhalb der heilen Welt anthroposophischer Institutionen. Leider hatten sich ihre oft ausgesprochen aufrechten, starken Frauen, sehr freundlichen und liebevoll weisen Männer sowie die wunderschönen Eurythmietänzerinnen nicht in gleicher Weise über die Welt verteilt.

„Sie kennen ihn auch, heißt Schmidtlein – oder so ähnlich.“

„Schmidtken!“

Das langte mir tatsächlich! Dieser arrogante Lederjackenpedant, dessen einzige zugängliche, bessere Seite seine Ader für klassische Musik war. Der aber wahrscheinlich bis an sein Lebensende nicht fassen würde, dass auch lesbische Radikalfeministinnen gerne Mendelssohn hören oder Bachkantaten singen.

„Nein, das sage ich Ihnen gleich, nein! Sie haben mich engagiert, um einigen Frauen selbstsicheres Verhalten und Selbstverteidigung nahezubringen. Ich will auch alles daransetzen, dafür zu sorgen, dass...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2024
Verlagsort Haselünne
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Behinderte • Krimi • LGBT • Missbrauch • Sauerland-Team • Selbstverteidigung
ISBN-10 3-95959-430-5 / 3959594305
ISBN-13 978-3-95959-430-1 / 9783959594301
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