Letzte Therapie -  Hansjörg Anderegg

Letzte Therapie (eBook)

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2024 | 1. Auflage
624 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7202-1 (ISBN)
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Die Entwicklung der neuartigen Krebstherapie wird über Nacht zum Kampf auf Leben und Tod. Der mRNA-Impfstoff gegen Tumore scheint der grosse Durchbruch bei der Krebsbekämpfung zu werden. Fünf Spitzenforscher entwickeln die neue Therapie. Ein Milliardengeschäft steht auf dem Spiel. Entscheidende Forschungsergebnisse verschwinden unvermittelt über Nacht. Ein hoffnungsvolles Start-Up-Unternehmen geht in Flammen auf, und die Forscher vermissen eine Kollegin. BKA-Kommissarin Chris Roberts glaubt, ein Muster zu entdecken, doch dann verschwindet ein zweiter Kollege spurlos. Ein Medizinthriller, der Chris an den Rand der Verzweiflung treibt.

Hansjörg Anderegg wurde 1947 in St. Gallen in der Schweiz geboren und wuchs dort auf. Studium der Mathematik und Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), anschließend arbeitete er während über dreißig Jahren in Europa, den USA und Asien als Computerfachmann und Manager in der Entwicklung von Software für finanzanalytische Anwendungen. Seine Erfahrungen verarbeitet er als Autor von Kriminalromanen und Thrillern mit technisch-wissenschaftlichem Hintergrund.

Hansjörg Anderegg wurde 1947 in St. Gallen in der Schweiz geboren und wuchs dort auf. Studium der Mathematik und Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), anschließend arbeitete er während über dreißig Jahren in Europa, den USA und Asien als Computerfachmann und Manager in der Entwicklung von Software für finanzanalytische Anwendungen. Seine Erfahrungen verarbeitet er als Autor von Kriminalromanen und Thrillern mit technisch-wissenschaftlichem Hintergrund.







KAPITEL 1




Köln

DIESE GESCHICHTE BEGINNT mit einem Happy End. Nehmen Sie mich beim Wort. Happy waren beide, die Ärztin und ihr Patient, denn einen Hirntumor stoppt man nicht alle Tage. Trotzdem war sie am Ende als Therapeutin und Geschäftsführerin. So lautete das Urteil des Berufungsgerichts.

Simon Stein, Julia Bergmanns Patient, lächelte selten in seinem Leben. Die ständige Sorge um den Erhalt seines Millionenvermögens hatte bleibende Falten auf seiner Stirn hinterlassen. Doch jetzt lächelte er ihr über den Schreibtisch in der Praxis zu, erleichtert und glücklich.

“Sie binden mir auch sicher keinen Bären auf, Doktor?”, fragte er dennoch vorsichtig.

Sie verdrängte den Brief mit dem Gerichtsurteil und lächelte zurück.

“Herr Stein, ich mache doch keine Scherze über Ihre Gesundheit.”

Sie drehte sich um, nahm die letzte Packung des neuen Medikaments aus dem Schrank und gab sie ihm. AZYTOMAB stand von Hand in Blockschrift darauf geschrieben. Simon Stein las es verwundert.

“Was ist das?”

“Ihr Medikament. Jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Tablette, wie immer.”

“Aber …”

Sie lachte. “Ich verstehe Ihre Verwunderung, aber keine Sorge, es ist genau dasselbe Präparat, das bisher so gut gewirkt hat.”

“Nummer 123?”

“Richtig, ich musste dem Medikament für den Zulassungsantrag einen klingenden Namen geben. Deshalb heißt es jetzt Azytomab.”

“Schwieriges Wort”, murmelte Stein versonnen. “Und, haben Sie die Zulassung bekommen?”

Julias Handy klingelte Sturm. Ella, verriet das Display. Sie entschuldigte sich und drückte auf Empfang.

“Ella, Liebling”, säuselte sie leise und wandte sich ab, damit der Patient nicht in ihrem Gesicht lesen konnte.

Die Antwort der Lebenspartnerin ließ sie aufspringen, als stünde der Sessel in Flammen.

“Was, wo?”, schrie sie ins Telefon.

Im nächsten Augenblick warf sie sich die Jacke über die Schultern und rannte hinaus.

“Entschuldigen Sie, ich muss dringend weg”, rief sie dem Patienten Stein zu, bevor die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.

Sie suchte Ella vergeblich in der Notaufnahme der Uniklinik. Das Schlimmste befürchtend wandte sie sich an die Information.

“Meine Tochter Hanna Bergmann ist vor Kurzem eingeliefert worden”, sagte sie atemlos.

Die Mitarbeiterin schien es nicht eilig zu haben.

“Hannah mit h?”, fragte sie, die Hände auf der Tastatur des Computers.

“Also ob das wichtig – vergessen Sie es, ohne h am Ende.”

Die Angestellte nickte mit dem Geht-doch-Blick.

“Ihre Tochter ist bereits im OP, Chirugie.”

Die Antwort versetzte Julia einen Stich ins Herz. Immerhin kümmerten sich jetzt Ärzte um die Achtjährige. Es bestand also Hoffnung. Ella ging vor dem Operationssaal auf und ab, ebenso aufgeregt wie sie. Sie fielen sich in die Arme.

“Was ist denn passiert? Wie geht es ihr?”, rief Julia verzweifelt aus.

Ella sah sie mit verweinten Augen an.

“Es tut mir leid”, flüsterte sie. “Ich wollte sie von der Schule abholen. Sie stand oben an der Treppe wie immer, und da ist es geschehen.”

Ella seufzte tief auf.

“Was? Was ist passiert? Sag schon!”

Julia strich ihr beruhigend über den Rücken. Gab Ella sich die Schuld an dem, was passiert war?

“Hanna hat plötzlich unkontrolliert zu zucken begonnen.” Wieder seufzte Ella auf. “Es tut mir leid. Ich stand zu weit weg, konnte sie nicht aufhalten.”

Ihre Stimme versagte. Sie war am Ende mit den Nerven.

“Setz dich hin”, sagte Julia. “Ich hole etwas Wasser.”

Ruhiger erklärte Ella, was geschehen war.

“Die arme Hanna ist die Treppe hinunter gestürzt und so unglücklich gefallen, dass sie das rechte Schienbein und das linke Schlüsselbein gebrochen hat. Ich konnte nichts tun. Du musst mir glauben.”

“Du trägst keine Schuld, Ella. Schuld ist der verfluchte Hirntumor. Das war ein schwerer epileptischer Anfall.”

Julia war sich ihrer Diagnose sicher. Sie versuchte, das Unglück sachlich mit den Augen der Ärztin zu sehen, doch es gelang ihr nicht. Beim Gedanken an die kleine Tochter standen auch ihr die Tränen zuvorderst, und sie hatte das Gefühl, sämtliche Knochen täten weh.

“Ein epileptischer Anfall”, murmelte Ella. “Ich dachte, mit dem Medikament wäre der Tumor unter Kontrolle.”

Es klang wie ein Vorwurf. Julia verzieh ihr. Sie befanden sich in einer Ausnahmesituation wie ihre Tochter.

“Unser Medikament hat das Wachstum des Tumors nahezu gestoppt”, erklärte sie, “wie übrigens auch beim Patienten Stein, der gerade in der Sprechstunde war. Wie du weißt, heißt das noch lange nicht, dass der Tumor in Hannas Gehirn besiegt ist. Die Therapie muss weitergeführt werden. Eines Tages werden wir es schaffen …”

Sie brach unvermittelt ab. Der negative Bescheid der Zulassungsstelle und die abgewiesene Berufung dagegen sorgten dafür, dass dieser große Traum, dem sie ihr ganzes bisheriges Berufsleben gewidmet hatte, nicht in Erfüllung gehen würde.

“Was ist los?”, fragte Ella nervös. “Warum sprichst du nicht weiter?”

“Nichts, mach dir keine Sorgen.”

“Du bist gut”, lachte die Partnerin bitter.

Die Tür zum OP öffnete sich. Der Chirurg, den sie vom Studium her kannte, trat auf sie zu.

“Deine Tochter ist jetzt im Aufwachraum”, sagte er und lächelte beiden beruhigend zu. “Die OP ist gut verlaufen. Hanna muss halt einige Zeit den Gips am Bein tragen. Das Schlüsselbein mussten wir verschrauben, damit es sauber zusammenwächst. Die Schraube kann voraussichtlich in zwei Wochen wieder entfernt werden.”

Sie wirkten so betroffen und verstört auf ihn, dass er sich mit der Empfehlung verabschiedete:

“Kopf hoch, das wird schon wieder.”

Die ersten Worte aus Hannas Mund im Krankenzimmer waren typisch für das zähe Mädchen.

“Hört das denn nie auf?”

Kein Wort über den Gips am Bein oder Schmerzen in der Schulter, bloß die Wut über die Symptome des Tumors, als handelte es sich nur um lästiges Kopfweh.

“Hast du Schmerzen, mein Schatz?”, fragte Julia und küsste sie sanft auf die Stirn.

“Ich möchte nach Hause.”

“Bald, Hanna”, antwortete Ella gezwungen lächelnd und streichelte die Hand des Kindes.

“Warum muss das immer mir passieren?”

Eine gute Frage, auf die es leider nur unbefriedigende Antworten gibt, dachte Julia. Sie wechselte das Thema, um die Kleine abzulenken.

“Möchtest du etwas Süßes, Schatz?”

Hanna sah sie mit großen Augen an. “Du sagst doch immer, das macht die Zähne kaputt.”

Ella nickte eifrig, ebenfalls gespannt auf ihre Antwort, die sie sogleich vortrug, als glaubte sie selbst daran.

“Du hast völlig recht, Liebes, aber du bist jetzt im Krankenhaus, da geht nichts kaputt.”

Ella wandte sich ab. Mit Mühe unterdrückte sie das drohende Gelächter.

“Ein Milky Way”, sagte Hanna ohne Zögern.

Julia verzog das Gesicht zu einem säuerlichen Grinsen. Wie viele dieser Süßigkeiten hatte Hanna wohl schon heimlich gegen den Apfel eingetauscht, den sie ihr jeden Morgen einpackte?

“Kommt sofort”, antwortete sie, nahm die Geldbörse aus der Tasche und verließ das Zimmer, ohne Ella anzusehen.

Die vorwurfsvollen Blicke der Partnerin konnte sie sich auch so lebhaft vorstellen. Als sie zurückkehrte, saß Ella am Fenster mit dem Gerichtsbeschluss in der Hand, der in ihrer Tasche gesteckt hatte.

“Auf ein Wort”, flüsterte sie ihr ins Ohr, während Hanna sich mit dem Schokoriegel beschäftigte.

Draußen auf dem Flur versuchte Julia, den Angriff abzuwehren, indem sie vorwurfsvoll fragte:

“Warum wühlst du in meiner Tasche?”

“Ha!”, platzte Ella etwas gar laut heraus, dass zwei Passanten das Gespräch unterbrachen und sich verdutzt umdrehten. “Der Brief ist an die Firma gerichtet, an uns beide. Wann wolltest du ihn mir zeigen?”

“Hat sich noch nicht ergeben. Hanna, der Unfall – ach, vergiss es! Das ist alles so traurig.”

“Traurig”, schnaubte Ella wütend. “Das Ende ist das! Oder siehst du es anders?”

Eine peinliche Pause entstand, bis Julia trotzig sagte:

“Unser Präparat wirkt zehnmal besser als das von Mefisk. Die Zulassungsbehörde weiß es, steht alles in unserer Dokumentation.”

“Eben, aber was nützt uns das?”

Auch eine gute Frage, leider, dachte sie. Nachdenklich murmelte sie:

“Das haben wir bestimmt der Kraus zu verdanken. Zu behaupten, unser Medikament sei eine Kopie von Mefisks Blockbuster Cerexon, einfach lächerlich!”

“Inge Kraus? Die behauptet das? Ich bringe sie um!”

Ella schäumte vor Wut, und Julia traute ihr durchaus zu, die Drohung wahr zu machen. Ellas italienisches Temperament stammte von der Mutter. Julia liebte die manchmal überschäumende Leidenschaft über alles, aber sie hatte auch eine dunkle Seite, konnte leicht in Gewaltausbrüche umschlagen. Das teure Teeservice, das sie geerbt hatte, gab es jedenfalls nicht mehr. Inge Kraus, die Leiterin der Zulassungsstelle, hatte schließlich auch Ellas Lebenswerk mit einem Federstrich zerstört. Da war es verständlich, auf dumme Gedanken zu kommen.

“Das lässt du schön bleiben”, mahnte sie. “Wir erfinden einen neuen Namen, ändern die Zusammensetzung leicht, ohne den Wirkstoff anzutasten, und reichen einen neuen Antrag ein. Was meinst du?”

Ein Telefonanruf...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Krebstherapie • Krimi • Medizin • mRNA-Impfstoff • Pharmaindustrie • Thriller
ISBN-10 3-7565-7202-1 / 3756572021
ISBN-13 978-3-7565-7202-1 / 9783756572021
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