Dorian Hunter 143 (eBook)

Die Geisterpiraten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6291-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 143 - Roy Palmer
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Martin horchte auf. Da war eine Stimme im Raum, die ihm keine Angst einjagte. Schon mehrfach hatte er sie vernommen.
»Sei ganz ruhig, Martin! Ich bin bei dir.«
»Horst?«
»Du musst dir Mut machen, Junge.« Die Stimme schwebte durch die Kombüse und verharrte neben seinem rechten Ohr.
»Horst, bist du ein Geist?«, fragte Martin.
»Ja.«
Martin klatschte in die Hände. »Dann bin ich auch einer! Ich bin dein Freund ...«

Das Geisterschiff mit Martin Zamis an Bord begibt sich auf Kaperfahrt und ermöglicht damit Dorian und Coco, sich auf seine Fährte zu setzen. Doch auch die Schwarzen Witwen planen ihr Spiel mit den Geisterpiraten ...


1. Kapitel


Sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei. Er wälzte sich auf etwas Glitschigem, rutschte ein Stück auf dem Rücken, verlor den Boden unter sich und stürzte in die Tiefe.

Weit fiel Martin nicht. Er setzte sich auf und spreizte die Beine weit von sich. Martin hatte die Augen jetzt geöffnet und nahm seine Umgebung in sich auf.

Er hatte geträumt. Diese Erkenntnis ließ ihn einen klagenden Laut ausstoßen. Er schluchzte. Es war schön gewesen, im Schlaf auf seine Mutter zuzusegeln und ihre Stimme zu hören; und es war bitter, in die Realität zurückzukehren.

Wie lange war es her, dass er die Stimme seiner Mutter tatsächlich gehört hatte? Er wusste es nicht. Er kannte kein Zeitmaß – nur das eines Tages. Schwester Ines im Kinderheim hatte manchmal gesagt, ein Tag finge an, wenn die Sonne ins Zimmer lacht, und er hörte auf, wenn sie zu Bett ging und mit ihr die vielen, vielen Kinder.

Nein, Martin hatte keine Ahnung, ob die Sonne viele oder wenige Male aufgestanden und wieder schlafen gegangen war, seit er zum letzten Mal telepathischen Kontakt mit seiner Mutter gehabt hatte. Nur an eines erinnerte er sich: Durch dicken Nebel hindurch hatte er ein großes, wuchtiges Gemäuer gesichtet, während er auf gedanklichem Wege mit ihr gesprochen hatte. Einen Turm. Und es war ihm gewesen, als hätte ein kleines Schiff munter auf den Wellen geschaukelt, ein Schiff wie ein Spielzeug; und Mutter und Vater hatten auf diesem Schiff gestanden und ihm zugewunken. Aber auch da war es wie in seinem Traum gewesen: Das Bild war aufgetaucht und schnell wieder verschwunden.

Alles war nur für kurze Zeit da und verschwand dann. Nur das Schiff, auf dessen glitschigen Decks er sich bewegte, blieb immer. Es war jetzt sein Zuhause, aber er fühlte sich nicht wohl darauf. Und dazu diese Männer. Auch sie waren Teil der Wirklichkeit. Wo steckten sie? Was für seltsame Männer waren das eigentlich?

Böse Männer. Mutter.

Er hatte es ihr gesagt, aber er hatte sie gleichzeitig auch zu besänftigen versucht. Sie sind böse, aber sie tun mir nichts. Mutter.

Mutter war lieb. Sie durfte sich nicht aufregen.

Mutter, mir geht es gut. Das hatte er ihr in Gedanken als Letztes zugerufen. Aber hatte sie es noch verstanden? Ihre Stimme hatte zuletzt so entfernt geklungen, als hörte er sie durch viele dicke Pfropfen Watte hindurch.

Martins Hände gruben sich in etwas Weiches, Schlüpfriges, aber es war nicht angenehm anzufassen wie Watte. Er ekelte sich davor. Überall auf dem Schiff war diese Masse. Sie roch übel. Auf dem ganzen Schiff stank es unsäglich. Martin war sicher, dass es ein ganz alter Kasten war, denn es war aus Holz gebaut und überall kaputt.

»Deck!«

Da war sie, eine der merkwürdigen Männergestalten. Martin schaute auf und beobachtete sie hoch oben im Mast. Die Gestalt beugte sich über die Plattform, die sie Großmars nannten, und brüllte wieder. »Deck, Deck! Das Knäblein ist gefallen! Satan, hilft ihm denn keiner auf die Beine?«

Komisch – Martin verstand jedes Wort; und doch erschien ihm die Sprache so fremd wie die Gestalt des Mannes selbst.

Der Kerl lehnte sich so weit vor, dass er aus dem Ausguck zu trudeln drohte. Er war grün im Gesicht, furchtbar mager und trug nur Fetzen am Leib. Martin glaubte, durch ihn hindurchsehen zu können; und meistens verschwand der Mann auf rätselhafte Weise, wenn er sich erst kurze Zeit gezeigt hatte. Weil er immer so schrie und viel schimpfte, hatte Martin ihm den Namen Donnerwetter verliehen.

Donnerwetter hatte gebrüllt, und plötzlich waren sie alle zur Stelle. Sie huschten um ihn herum – Schemenwesen, abenteuerlich gekleidete, unglaublich flinke Burschen.

»Er ist wieder mal eingepennt«, sagte einer.

Martin wandte den Kopf um.

Der Sprecher, ein Hüne von Gestalt, löste sich beim Näherkommen in Luft auf. Martin hatte ihn aber erkannt. Er hielt einige von ihnen auch den Stimmen nach auseinander. Dieser hier war von ihm Riese getauft worden.

»Vom Achterdeck aufs Quarterdeck gefallen ist er«, rief ein anderer. Er trug eine schwarze Augenklappe. Schwarzauge hatte Martin ihn getauft. »Sämtliche Knochen hätte er sich brechen können.«

»Soll er doch«, meinte ein alter, buckliger Kerl, der auch gleich wieder im Nichts zu verschwinden drohte. »Ich weine ihm keine Träne nach, dem Rotzlümmel. War von Anfang an dagegen, ihn in die Mannschaft aufzunehmen. Was sollen wir mit so einem Bengel? Ist doch bloß ein Klotz am Bein.«

Er war einer von denen, die Martin überhaupt nicht wohlgesonnen waren. Böser Opa wurde er von Martin genannt.

Einer schlug mit einem morschen Belegnagel gegen den Großmast, um sich Gehör zu verschaffen. Er tat das oft. Oder er riss Fässer und andere Gegenstände an Bord herum. Kurzum, er war nie zu überhören, und deswegen hatte Martin ihm den Beinamen Polter gegeben.

»Sollen wir ihm den Hals umdrehen?«, fragte Polter lauernd.

Er war ein grobschlächtiger Kerl mit tückischem Blick, aber irgendwie war er doch nicht ganz so gemein wie Böser Opa; er tat nur so. »Kommt nicht in Frage!«, schrie Donnerwetter aus dem Großmars.

»Wir reißen den Bengel in Stücke«, rief Böser Opa und tanzte um die Nagelbank herum. Dann löste er sich in Luft auf. Martin blickte Hilfe suchend auf Riese und einen bärtigen Seemann, der dicht neben ihm aufgetaucht war: Weißbart von Martin benannt.

»Nein«, sagte Weißbart. »Der Kapitän will es nicht, dass wir eigenwillig Entscheidungen treffen.«

»Er kann das Früchtchen auch nicht leiden«, entgegnete Polter. Martin konnte ihn nicht mehr sehen, aber seine Stimme dröhnte immer noch von dem Platz, an dem er eben gestanden hatte, zu ihm hinüber.

»Das besagt nichts«, wandte Riese ein.

»Schlagt ihn tot, schlagt ihn tot!«, krähte Böser Opa.

»Halt das Maul, du!«, schrie Weißbart.

»Hört zu streiten auf!«

Der das sagte, war ein Meister im Umgang mit Hieb und Stichwaffen. Deshalb nannte ihn Martin Messer. Messers Umrisse verloren sich in der Nacht, doch der Dolch, den er spielerisch zwischen seinen Fingern bewegt hatte, schwebte weiterhin in der Luft. »Ich rate euch wirklich, friedlich zu sein. Wenn mich nicht alles täuscht, kommt da der Kapitän.«

Ihre Stimmen entfernten sich.

Martin vernahm das Pochen und Klopfen der Holzprothese und das schleifende Geräusch, mit dem der Kapitän sie nach dem Aufsetzen nachzog. Der Kapitän hatte nur noch ein Bein. Das andere wurde durch ein stockähnliches Gebilde ersetzt. Martin hatte dies zu Beginn lustig gefunden. Doch er hatte gelernt, dass er nicht über den Kapitän lachen durfte. Kapitän Einbein, wie er ihn titulierte, konnte fuchsteufelswild werden, wenn man sich über ihn amüsierte.

Martin glitt ein Stück zurück, blickte sich dabei aber nicht um. Er stieß mit dem Rücken gegen die Nagelbank am Großmast. Dann war es zu spät, die Flucht zu ergreifen.

Kapitän Einbein erschien hoch über ihm hinter der Schmuckbalustrade des Achterdecks. Er war ein grausamer König, der von seinem Thron auf den Untergebenen, den Knecht, den Wurm herabblickte. Martin sah seine Gestalt für wenige Augenblicke, bevor auch sie wie eine Tuschezeichnung verlief – und dann ganz verschwand. Kapitän Einbein war groß und breitschultrig und hatte oft die Arme verschränkt, wenn er sichtbar war. Seine Uniform musste einst prachtvoll gewesen sein; jetzt hing sie in Fetzen an dem merkwürdig mageren Leib. Was die Färbung des Gesichtes betraf, so unterschied sie sich in nichts von seinen Seeleuten: Sie war grün.

»Profos!« Seine Stimme klang wütend und drohend. Martin zuckte zusammen.

»Senor?« Polter antwortete aus den Regionen des Vorkastells. Zu sehen war er nicht. Er war der Profos, und Martin hatte gehört, dass er manchmal auch der Stockmeister genannt wurde. Vielleicht polterte er deswegen so gern.

»Dieser Drecksjunge – warum wird er nicht beschäftigt? Ich dulde keine Faulenzer und keinen Schlendrian an Bord meiner Galeone. Wer nicht pariert, der bekommt die neunschwänzige Katze zu spüren.«

»Ja, Senor«, brüllte Polter.

»He, du!« Kapitän Einbein wandte sich nun direkt an Martin. Seine Stimme klang so schrecklich tief, als käme sie geradewegs aus der Hölle. »Du! Schrubb das Deck! Was ist das für eine Schweinerei hier? Räum die Kombüse auf! Sorge für Ordnung! Und wenn du damit fertig bist, marschierst du in der Kapitänskammer an und machst dort weiter! Kapiert?«

»J-ja«, stotterte Martin.

Einbeins Gestalt war fort, doch es war noch das Pochen und Schleifen zu hören, mit dem er seine hölzerne Prothese über Deck zog.

Martin zitterte. Einbein entfernte sich. Die anderen Stimmen waren auch verstummt. Doch Martin hatte den Eindruck, von Zeugen aus der tintenschwarzen Finsternis beobachtet zu werden. Polter, Riese, Böser...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2024
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-6291-4 / 3751762914
ISBN-13 978-3-7517-6291-5 / 9783751762915
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