12 Stunden Angst (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
432 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3567-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

12 Stunden Angst - Greg Iles
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Laurel lebt mit ihrem Mann Warren und ihren beiden Kindernein scheinbar perfektes Leben. Doch Laurel hat ein Problem: Sie ist schwanger, und zwar wahrscheinlich nicht von ihrem Ehemann. Eines Morgens stellt sie fest, dass Warren nicht neben ihr liegt. Er ist dabei, das Haus zu durchsuchen. Als Laurel später von der Arbeit heimkehrt, sitzt Warren auf dem Sofa, mit einem wilden Ausdruck im Gesicht. Vor ihm liegt ein Brief, den Laurel sorgsam versteckt hatte - ein Brief von ihrem Liebhaber.

Und dann sieht sie den schwarzen Revolver in Warrens Hand ... Doch Warren hat ein noch viel größeres Problem als die Untreue seiner Frau ...



Greg Iles wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sein Vater leitete die medizinische Abteilung der US-Botschaft. Mit vier Jahren zog die Familie nach Natchez, Mississippi. Mit der »Frankly Scarlet Band«, bei der er Sänger und Gitarrist war, tourte er ein paar Jahre durch die USA. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in 25 Ländern. Greg Iles lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Natchez, Mississippi. Fünf Jahre hat er kein Buch herausgebracht, da er einen schweren Unfall hatte, nun liegen im Aufbau Taschenbuch seine Thriller 'Natchez Burning', 'Die Toten von Natchez vor', 'Die Sünden von Natchez' und 'Blackmail' vor.

1


Noch in der Dämmerwelt schwebend, die Schlaf und Wachsein trennt, schob Laurel eine Hand in den Spalt zwischen Bettgitter und Matratzenfedern und suchte nach dem Handy, ihrer Verbindung zum Leben. Das kalte Metall reizte ihren Tastsinn stark genug, dass sie erstarrte. Eine Millisekunde später war sie hellwach und drehte langsam den Kopf auf dem Kissen.

Die Bettseite ihres Ehemannes war leer. Es sah aus, als hätte Warren gar nicht neben ihr gelegen. Laurel widerstand dem Impuls, das Handy aufzuklappen und nachzusehen, ob sie eine SMS bekommen hatte. Stattdessen schob sie es zurück in sein Versteck, ehe sie sich aus dem Bett schwang und zur Schlafzimmertür huschte.

Der Flur lag verlassen da, doch sie hörte Geräusche aus dem Familienzimmer. Nicht den Lärm von Kindern, sondern etwas Anderes, Seltsames … merkwürdig dumpfe Schläge. Laurel eilte über den Flur und spähte durch die Tür. Auf der anderen Seite des offenen Raumes sah sie Warren in seinem Arbeitszimmer vor einer Wand aus Regalen. Ein halbes Dutzend medizinischer Lehrbücher lag zu seinen Füßen und auf dem roten Ledersofa neben ihm. Laurel beobachtete, wie er mit zornigen Bewegungen weitere Bücher aus den Regalen zog, sieben oder acht auf einmal, und sie auf die Couch warf. Sein kurzes rotblondes Haar stand wirr vom Kopf ab. Er schien die gleichen Sachen zu tragen wie gestern bei der Arbeit. Das bedeutete, er war vergangene Nacht tatsächlich nicht im Bett gewesen. An jedem anderen Tag hätte Laurel sich Sorgen darüber gemacht, doch heute schloss sie nur dankbar die Augen und eilte zurück ins Elternschlafzimmer.

Als sie das Bad betrat, schnürte Angst ihr die Kehle zu. Was sie jetzt tun musste, hatte sie seit Tagen vor sich hergeschoben, hatte vergeblich um Erlösung gebetet. Doch jetzt, nachdem sie beschlossen hatte, es hinter sich zu bringen, rebellierte irgendetwas in ihrem Innern. Der Verstand tut, was er kann, um unliebsame Realitäten zu verdrängen, ging es ihr durch den Kopf, oder sie wenigstens zu verschieben.

Laurel kniete sich vor das Waschbecken, griff in das Schränkchen und nahm eine Walgreens-Tüte heraus. Dann ging sie in die kleine Kabine, die die Toilette umschloss, verriegelte die Lattentür hinter sich, öffnete die Tüte und nahm eine Tamponschachtel heraus. In der Schachtel lag eine kleine Packung mit dem Aufdruck e.p.t., die Laurel am Nachmittag zuvor dort versteckt hatte. Mit zitternden Fingern zog sie eine Plastikhülle aus der Packung und riss sie auf. Sie nahm einen Teststab hervor, der dem ähnelte, der ihr nacktes Entsetzen bereitet hatte, als sie neunzehn Jahre alt gewesen war. Doch jetzt, in diesem Moment, war ihre Angst viel größer als damals, als sie ein unverheirateter, entdeckungsfreudiger Teenager war.

Laurel hielt sich den Teststab zwischen die Beine und versuchte zu urinieren, doch der Harn wollte nicht kommen. Mit einem Mal verharrte sie, lauschte. War da ein Geräusch gewesen? War jemand ins Bad gekommen? Eines der Kinder? Als sie kein Atmen und keine Schritte hörte, zwang sie ihren Verstand fort von der Gegenwart und zu dem Elternsprechtag, der für heute angesetzt war. Bei dem Gedanken an die ängstlichen, nervösen und auch zornigen Mütter, mit denen sie zu tun bekommen würde, rann ein warmer Schwall über ihre Hand. Sie zog das Teststäbchen aus dem Strahl, wischte sich die Hand mit Toilettenpapier ab und schloss die Augen, während sie zu Ende urinierte und zählte.

Laurel wünschte sich, sie hätte ihr geheimes Handy mit ins Bad genommen. Es war Wahnsinn, das Ding im Schlafzimmer liegen zu lassen, wo Warren im Haus war. Es war der pure Wahnsinn, das Handy überhaupt im Haus zu haben. Laurels Privathandy war ein zweites Motorola, identisch mit dem, das auf ihren Familienvertrag lief, jedoch mit einer anderen Karte, sodass Warren niemals eine Rechnung zu sehen bekam. Es war ein perfektes System geheimer Kommunikation – solange Warren nicht beide Handys zusammen sah. Trotz dieser Gefahr konnte Laurel die Vorstellung nicht länger ertragen, von ihrem geheimen Handy getrennt zu sein, auch wenn es in den vergangenen fünf Wochen keine einzige SMS mehr empfangen hatte.

Als ihr bewusst wurde, dass sie über dreißig hinaus gezählt hatte, öffnete sie die Augen. Das Teststäbchen besaß ein winziges, grün leuchtendes LCD-Display wie einer von diesen billigen Taschenrechnern. Es waren keine Verrenkungen mehr nötig, um anhand irgendwelcher Farbschattierungen zu erfahren, ob man geschwängert worden war. Vor ihren Augen stand in klar umrissenen blauen Buchstaben auf grauem Hintergrund:

SCHWANGER

Laurel starrte auf die Anzeige und hoffte, flehte, betete stumm, dass vor dem anderen Wort ein NICHT erschien. Es war ein kindischer Wunsch, denn sie hatte die Wahrheit auch ohne den Test längst geahnt: ihre empfindlichen Brüste zum Beispiel, und das Gefühl von Seekrankheit, das sie von ihrem zweiten Kind her kannte. Und doch wartete sie und hoffte, während ihr der Slogan der Herstellerfirma durch den Kopf ging: Gehen Sie auf Nummer sicher mit dem Error Proof Test! Laurel hatte diesen Slogan im Lauf der vergangenen Woche bestimmt zwanzig Mal gehört, wenn er während geistloser Sitcoms und dümmlicher Castingshows in den Werbepausen aus dem Fernseher plärrte und sie voller Seelenqual darauf gewartet hatte, dass ihre Periode einsetzte.

Als die Buchstaben auf dem winzigen Display sich nicht änderten, schüttelte sie das Teststäbchen, wie ihre Mutter es mit Fieberthermometern getan hatte, als Laurel klein gewesen war.

SCHWANGER!, schrien die Buchstaben. SCHWANGER! SCHWANGER! SCHWANGER!

Laurel atmete nicht. Sie hatte nicht mehr ausgeatmet, seit die Buchstaben erschienen waren. Hätte sie nicht auf der Toilette gesessen, wäre sie vielleicht in Ohnmacht gefallen; so aber sank sie nur gegen die Wand, während ihr der kalte Schweiß ausbrach. Als sie zu schluchzen begann, hörte es sich so fremd an, als wäre jemand anders in Tränen ausgebrochen.

»Mom?«, fragte Grant, ihr neun Jahre alter Sohn. »Bist du das?«

Laurel versuchte zu antworten, brachte aber kein Wort hervor. Als sie die zitternden Finger auf den Mund legte, strömten Tränen über ihre Wangen.

»Mom?«, fragte die Stimme hinter der Tür noch einmal. »Alles in Ordnung?«

Durch die Schlitze zwischen den Latten konnte sie Grants Silhouette sehen. Nein, Schatz, gar nichts ist in Ordnung. Ich verliere den Verstand, hier auf dem Klo.

»Dad!«, rief Grant, ohne sich vom Fleck zu rühren. »Ich glaube, Mom ist krank!«

Ich bin nicht krank, Baby. Ich sehe nur, wie die verdammte Welt in Scherben fällt …

»Mir geht es gut«, stieß Laurel hervor. »Alles okay. Hast du dir schon die Zähne geputzt?«

Schweigen. Angestrengtes Lauschen. Dann: »Du klingst so komisch, Mom.«

Laurel spürte, wie sie in den Überlebensmodus schaltete. Der Schock des positiven Schwangerschaftstests hatte eine heftige emotionale Erschütterung bewirkt – und von da an war es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zu einer ausgewachsenen Dissoziation. Plötzlich wurde ihre Schwangerschaft zu einer Angelegenheit von akademischem Interesse, ein weiterer kleiner Faktor in der langen Liste von Betrügereien und Täuschungen. Elf Monate des Ehebruchs hatten Laurel in diesen schändlichen Künsten meisterhaft geschult. Die Ironie von alledem war niederschmetternd: Sie hatten ihre Affäre vor fünf Wochen beendet und seither keinen einzigen moralischen Fehltritt mehr begangen.

Und nun war sie schwanger.

Sie schob das Teststäbchen zurück in die Verpackung, legte sie sorgfältig wieder in die Tamponschachtel und stopfte die Schachtel in die Walgreens-Tüte. Nachdem sie die Tüte auf dem Boden hinter der Toilette versteckt hatte, betätigte sie die Wasserspülung und stand auf.

Grant wartete draußen vor der Tür. Er würde aufmerksam auf jedes verräterische Zeichen von Nervosität oder Sorge im Gesicht seiner Mutter achten. Laurel hatte diese wachsamen Augen im Lauf der letzten Monate viele Male gesehen, und jedes Mal hatten Schuldgefühle sie innerlich zerrissen. Grant wusste, dass seine Mutter von einem emotionalen Aufruhr geplagt wurde. Er wusste es besser als sein Vater, denn er war viel aufmerksamer, wenn es um solche Dinge ging.

Laurel wischte sich...

Erscheint lt. Verlag 26.2.2024
Reihe/Serie Greg Iles Bestseller Thriller
Greg Iles Bestseller Thriller
Übersetzer Axel Merz
Sprache deutsch
Original-Titel Third Degree
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20.Jahrhundert • Bisswunden • Ermittlung • Forensik • Gesellschaft • Hass • Mississippi • Mord • Natchez • New Orleans • Rassenunruhe • Roman • Spannung • Thriller • USA • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-3567-0 / 3841235670
ISBN-13 978-3-8412-3567-1 / 9783841235671
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