Tod auf dem Napf (eBook)
304 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-169-0 (ISBN)
Monika Mansour, geboren 1973 in der Schweiz, liebte schon als Kind spannende Geschichten. Nach einer Lehre ging sie auf Reisen und verbrachte mehrere Monate in Australien, Neuseeland und den USA. Danach arbeitete sie am Flughafen, führte eine Whiskybar und war Tätowiererin. 2014 erfüllte sich ihr Traum vom Leben als Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Luzerner Hinterland. www.monika-mansour.com
Monika Mansour, geboren 1973 in der Schweiz, liebte schon als Kind spannende Geschichten. Nach einer Lehre ging sie auf Reisen und verbrachte mehrere Monate in Australien, Neuseeland und den USA. Danach arbeitete sie am Flughafen, führte eine Whiskybar und war Tätowiererin. 2014 erfüllte sich ihr Traum vom Leben als Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Luzerner Hinterland. www.monika-mansour.com
ZWEI
»Was tust du da?«, fragte Kevin. »Die Spesenabrechnung erledigt sich nicht, indem du die Quittungen sinnlos bündelst. Du musst die Zahlen ins System eintragen.«
»Kollege, ich hasse es.« Cem sortierte an diesem Montagmorgen in seinem Büro im sechsten Stock der Luzerner Polizeizentrale Kassenbelege. Gelangweilt fuhr er sich mit der Hand über das kurze schwarze Haar, das die ersten Anzeichen einer Glatze zeigte, obwohl er erst fünfunddreißig war. Es lag an den Genen, die hatte ihm sein türkischer Vater vererbt. Auch wenn er stolz auf seine Herkunft war, auf dieses eine Gen hätte er gerne verzichtet. Cem war ansonsten zufrieden mit sich. Er sah passabel aus und besaß eine beachtliche Portion Charme, die ihn auszeichnete. Dem entgegen stellte sich die Neigung, nach einem guten Essen gleich ein Vorratslager an Fettzellen um den Bauch anzulegen. Er bekämpfte diese zwar hartnäckig mit Joggen, erlag jedoch immer öfter dem Sog des bequemen Sofas, das sie gekauft hatten, als er mit Eva und den beiden Jungs ins Haus am Sonnenberg in Kriens gezogen war.
Kevin drehte einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern. »Ich will heute Nachmittag mit Banz einer Spur nachgehen, die wir von einem Passanten erhalten haben, wegen der Messerstecherei bei der Tankstelle.«
»Der Fall zieht sich in die Länge. Warum nur häufen sich in letzter Zeit brutale Körperverletzung und Morde in unserem Kanton? Was stimmt mit den Menschen nicht?« Verschwörerisch lehnte sich Cem über den Tisch. »Sogar unsere Teamchefin ist schräg drauf«, flüsterte er.
»Was? Sprichst du von unserer Barbara Amato?«
»Stell dir vor, sie hat Eva überredet, mit ihr am Samstagabend einen Horrorfilm im Kino zu schauen.«
Kevin lachte. »Warum? Konnte Eva danach nicht schlafen und bekam Alpträume?«
Beleidigt verschränkte Cem die Arme und lehnte sich im Stuhl zurück. »Eher umgekehrt. Ich bekam Angst vor meiner Frau, weil Eva lachend und gut gelaunt nach Hause kam. Obwohl wir über ein Jahr verheiratet sind, überrascht sie mich täglich von Neuem. Wie kann man nach einem Horrorfilm im Kino gute Laune haben?«
»Dass du ein Softie bist, wusste ich. Aber gleich so sensibel? Schaust du nur romantische Komödien?«
»Sport geht auch. Fußball, Leichtathletik, Boxen.«
»Ha! Als ob Boxen harmlos wäre. Da spritzt auch Blut.«
»Ja, Blut nach klaren Regeln. Horrorfilme sind so unberechenbar. Das mag ich nicht. Diese, wie sagt Denis … genau, diese Jump-Scares hasse ich. Die sind laut meinem Junior auf TikTok voll im Trend. Ich sollte ihm TikTok verbieten.«
Kevin verkniff sich ein Grinsen. »Wir zwei Weicheier gehen nicht mit der Zeit, was? Meine Kleine ist erst acht Monate alt. Mir graut jetzt schon vor der Zeit, wenn sie Zombies und Vampire verehrt.«
»Kommt mir nicht mit Zombies und Vampiren.« Susanne Oggenfuss trat ins Büro. »Wir hatten es mit Hexen und Außerirdischen zu tun, das reicht. Wünscht euch für Leib und Leben keine Fälle mit Bestien, bitte.«
Cem tippte sich an die Stirn. »Jawohl, Chefin, da bin ich ganz deiner Meinung. Ich will menschliche Übeltäter jagen. Obwohl, die sind manchmal nicht weniger gruselig, vor allem die Psychopathen unter ihnen.«
Susanne schob ihre runde Hornbrille zurecht und richtete den Kragen der übergroßen grauen Bluse. Cem kannte ihr genaues Alter nicht, es war ein großes Geheimnis. Sie musste so auf die sechzig zugehen. Ihre kurzen farblosen Haare standen in alle Richtungen ab. Auch wenn sie eine kleine Person war, so strahlte sie trotzdem die Macht eines Generals aus. Cem fragte sich manchmal, ob Napoleon ein direkter Vorfahre von ihr gewesen sein könnte.
»Kommt mit ins Sitzungszimmer.«
Cem schaute auf die Uhr. »Eine Teamsitzung vor dem Mittagessen?«
»Du wirst nicht verhungern. Wir haben einen neuen Fall. Im Napfgebiet wurde eine Leiche gefunden.«
Karl Metzger, der Leiter des Kriminaltechnischen Dienstes, kurz KTD, und seine Mitarbeiterin Rita Köhler warteten bereits auf sie. Susanne setzte sich oben an den Tisch, und Cem und Kevin nahmen an den Seiten Platz.
»Dies ist ein kurzes Briefing«, begann Susanne. »Wir wissen erst wenig, und ihr werdet gleich zum Tatort fahren. Banz und Barbara sind bereits unterwegs.« Sie holte tief Luft und seufzte. »Mir scheint, dass Cem ein angeborenes Talent besitzt, Fälle zu riechen. Also, wir haben eine Leiche: männlich, zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt. Sie wurde von einem Einheimischen entdeckt, genauer: von dessen frei laufendem Hund, als er auf dem Napf wandern war. Die Leiche liegt abseits des Wanderweges, rund einen Kilometer vom Wiggernalp Parkplatz bei Hergiswil entfernt, in steilem Gelände, mitten im Wald. Der Amtsarzt vermutet, dass der Mann vor rund drei Tagen, also am Freitag, ums Leben kam. Wir kennen seine Identität nicht. Er trägt allerdings einen teuren Anzug und Lederschuhe.«
»Auf dem Napf?«, fragte Kevin. »Mit Lederschuhen?«
»Seltsam, ja.« Susanne verschränkte die Arme. »Dave Berger ist auf dem Weg zu uns. Ich will, dass Cem mit ihm und dem KTD zum Tatort fährt.«
»Dave? Weshalb kommt der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in Zürich höchstpersönlich an unseren Tatort am Ende der Welt?«, fragte Cem, der wusste, wie abgelegen das Napfgebiet war. »Und warum hast du vorhin gesagt, ich habe ein Talent, Fälle zu riechen?«
Susanne beugte sich vor. Es wurde still am Tisch. »Weil der Mann von einer Bestie zerfleischt wurde, deshalb.«
»B-Bestie?«, stotterte Kevin. Er war nie der Mann für Feldarbeit gewesen, blieb lieber im Büro und recherchierte im Internet.
»Du meinst, Zombies oder Vampire lauern uns im Napfgebiet auf?«, fragte Cem nach. Er fand das nicht lustig.
Susanne nickte. »Ja. So in der Art. Barbara wird die Ermittlungen leiten. Cem, du und Banz unterstützt sie. Kevin, ich will, dass du im Mutterhaus bleibst und dich um die anderen Fälle kümmerst. Kollege Bättig steht zur Verfügung, wenn du Hilfe brauchst. Karl, Rita, ihr fahrt mit Cem und Berger. Die Kollegen vor Ort helfen, die Spuren rund um den Tatort zu sichern, während Berger die Leiche untersucht.«
»Kommen wir mit den Wagen bis an den Tatort?«, fragte Metzger.
»Nein. Ihr müsst euer Equipment hin- und zurücktragen. Auch die Leiche lässt sich nur schwer abtransportieren. Vielleicht müssen wir einen Helikopter anfordern. Ein Bestattungsinstitut wird euch unterstützen. Berger sollte in zwanzig Minuten hier sein. Die Fahrt über Willisau bis zum Parkplatz Wiggernalp dauert knapp eine Stunde, danach müsst ihr fünfzehn Minuten den Berg hochlaufen. Richtet euch darauf ein.«
Ein Stöhnen ging durch das Sitzungszimmer. Es war fünfundzwanzig Grad draußen, und sie würden genau zur Mittagszeit dort ankommen. Na toll. An die ekligen Fliegen, Maden und all das Ungeziefer wollte Cem gar nicht denken, die bestimmt genüsslich über die Leiche hergefallen waren.
***
Barbara blickte auf ihr Handy, das sie sich über den Kopf hielt. »Kein Signal.«
Banz stampfte hinter ihr den Wanderweg hoch. »Laut unseren Kollegen sollte es nicht mehr weit sein. Da vorne ist die enge Rechtskurve, dort müssen wir nach links in den Wald abbiegen.«
»Dass es in der Schweiz noch Orte ohne Internet- und Handyempfang gibt … Wie lebt man hier?« Sie steckte ihr Handy in die Hosentasche, zwirbelte ihr rotes Haar hoch und versteckte es unter einer Baseballkappe, die sie Cem vom Bürotisch entwendet hatte.
Banz lachte sein tiefes, kehliges Lachen. »So wie die Menschen bis vor dreißig Jahren und über Jahrtausende gelebt haben.«
»Es ist unheimlich.« Es wurde heiß, trotz des Schattens, den der Wald ihnen bot. Die Luft war modrig und feucht. Sie blickte über die Schulter zurück und musterte ihren Kollegen. Hans Peter Banz war in diesem Gelände zu Hause, der Alpenbulle der Luzerner Polizei, wie der Obwaldner gerne genannt wurde. Barbara war mit ihren ein Meter achtzig groß gewachsen, aber Banz überragte sie um zehn Zentimeter. Er war der sportliche Typ, der Extremsportler, liebte Klettern, Skifahren, Gleitschirmfliegen, Mountainbiken. Hauptsache, die Sportart konnte man draußen an der frischen Luft ausüben. Mit seinem vollen Bart, den buschigen Augenbrauen und den tief liegenden Augen machte er Eindruck. Er konnte richtig böse schauen. Barbara wusste, dass er ein guter Kerl war, attraktiv auch, auf seine spezielle Art. Er war wie sie selbst Mitte vierzig und machte keinen Hehl daraus, dass er an ihr interessiert war, auch wenn seine Art zu flirten oft ungelenk daherkam. Er war so anders als der schnittige Professor Dave Berger. Manchmal glaubte sie, eine Ähnlichkeit zwischen Banz und Rolf Wymann zu sehen. Das war beunruhigend.
»Du glaubst hoffentlich nicht an den Blödsinn einer Bestie?«, fragte Banz.
»Vielleicht war es ein wildes Tier«, antwortete Barbara. »In Italien, nicht weit von der Schweizer Grenze, gab es vor ein paar Monaten einen Fall von einem Jogger, der von einem Bären angegriffen und getötet wurde.«
»Bären gibt es keine im Kanton Luzern.«
»Hast du noch nie von dem Gerücht gehört, dass im Änziloch ein Bär leben soll?«
»Ich denke, Wölfe sind wahrscheinlicher. Es wurden im Kanton öfter welche gesichtet, auch schon in Willisau.«
»Einzelgänger, ja. Ein Wolfsrudel lebt keines im luzernischen Hinterland. Ah, da vorne geht es vom Wanderweg ab. Unsere Kollegen haben ein gelbes Absperrband um den Baumstamm geknotet. Folgen wir den Markierungen.«
»Wie Hänsel und Gretel den Brotkrumen?«, witzelte Banz gut gelaunt und nicht im Geringsten außer Atem.
Barbara war durchtrainiert, aber das hohe Tempo, das sie vorgegeben...
Erscheint lt. Verlag | 30.4.2024 |
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Reihe/Serie | Cem Cengiz | Cem Cengiz |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Brutal • Dunkel • düster • Familiendrama • geheimnisvoll • Krimi • Luzern • menschliche Abgründe • Mord • Psychoterror • Psychothriller • spannend • Spannung • Unheimlich |
ISBN-10 | 3-98707-169-9 / 3987071699 |
ISBN-13 | 978-3-98707-169-0 / 9783987071690 |
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