Tom Prox 139 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6275-5 (ISBN)
Eigentlich sind Tom Prox und seine beiden Sergeanten, Snuffy Patterson und Ben Closter, nach einem gelösten Fall auf dem Rückweg ins Hauptquartier der Ghost Squad. Dann aber werden sie Zeugen einer Hetzjagd, bei der die Häscher den Gejagten eiskalt ermorden. Noch im Sterben stammelt der Unglückliche drei Worte, die für die Ghosts allerdings keinen Sinn ergeben: 'Salzen ... alles gesalzen.'
Was vor allem Snuffy zunächst bloß für die im Wahn gesprochenen Worte eines Sterbenden hält, soll die drei Freunde schon bald auf die Spur eines minutiös ausgeklügelten Verbrechens bringen, das noch weitere Opfer fordern wird ...
1. Kapitel
Der Mann war am Ende seiner Kraft. Sein Atem kam nur noch pfeifend, fast röchelnd. Das Gesicht war verzerrt. Die rot geäderten Augen blickten unter tief hängenden Lidern hervor. Wirr hing ihm das Haar in die Stirn.
Er strauchelte oft, denn der Boden war uneben und felsig. Aber er wäre auch auf vollkommen ebenem Boden gestolpert, weil er ganz einfach keine Reserven mehr besaß. Er holte das Letzte aus sich heraus. Es ging um sein Leben.
Jetzt fiel er. Im Sturz versuchte er, sich an einem breiten, tief hängenden Ast festzuhalten.
Er schaffte es gerade noch. Stolpernd und taumelnd erreichte er die alte Seilbahn, die quer über das Ambley-Tal führte. Eigentlich war es schon lange keine funktionstüchtige Seilbahn mehr. Nur die hölzerne Plattform war von ihr übrig geblieben sowie das Seil, das armdick, verrostet, gefährlich zerfasert, über das Tal hinwegführte.
Verzweifelt blickte der Mann hinter sich. Er wusste nicht, wie weit seine Verfolger noch entfernt waren. Hören konnte er sie nicht, aber das hatte kaum etwas zu besagen, weil das Keuchen seiner Lungen und das dumpfe Schlagen seines überanstrengten Herzens jedes andere Geräusch übertönten.
Er hatte sich verrannt. Ins Tal hinunterzuklettern, war von hier aus unmöglich. Seine Hand tastete nach zum Holster. Er wollte, ehe es endgültig mit ihm aus war, sein Leben möglichst teuer verkaufen.
Da bemerkte er, dass er gar keinen Colt mehr hatte. Irgendwann während seiner wilden Flucht musste er ihn verloren haben. Er musste allein ins Jenseits. Das tat ihm leid.
Seine Blicke fielen auf das rostige Seil. Dann warf er einen abschätzenden Blick ins Tal hinunter. Und wenn er das Seil benutzte, um weiter zu fliehen? Das bot kaum Aussicht auf Erfolg. Aber hier war er auf jeden Fall verloren. Da schien es gleich, ob er hundert Yards tief in den Nacio-River stürzte oder von den Kugeln seiner Verfolger zur Hölle geschickt wurde.
Gleich darauf hing er an dem rostroten Drahtstrang. Hand über Hand hangelte er sich voran. Sein Körper begann zu pendeln, weil er zu hastig war.
Zunächst fürchtete er sich davor und glaubte, zu stürzen. Dann aber merkte er, dass ihm die Pendelei das Vorwärtskommen erleichterte.
»Sieh dir den Selbstmordkandidaten dort oben einmal an, Chef!«, sagte Snuffy Patterson, der Sergeant der Ghost-Squad. Er wies zum Drahtseil hinauf. »Ich will mein ganzes Leben lang kein Girl mehr ansehen, wenn er es bis zur anderen Talseite schafft.«
»Sollte es keinen bequemeren Weg geben, über das Tal zu kommen?« Ben Closter, ebenfalls Ghost-Sergeant, schüttelte den Kopf. »Seltsam, dass es so viele Menschen gibt, die sich einbilden, verrücktspielen zu müssen!«
»Und seltsam, dass es bei den meisten im Kopf anfängt!«, feixte Snuffy.
Tom Prox, Ghost-Captain und mit den beiden Sergeanten nach einem erledigten Fall auf dem Rückweg zur Dienststelle, sprang auf, um besser sehen zu können.
Sie lagerten auf der Sohle des Ambley-Tales, am Rand eines Gebüsches, das Schutz vor der vom Himmel sengenden Sonne bot, hatten eben ihr Mittagsmahl gehalten und wollten nun nach ihren Eiern mit Speck ein Stündchen ruhen, ehe sie weiterritten.
»Hell and damnation!«, rief Snuffy aufgeregt. »Der Kerl ist auf der Flucht!«
»Da drüben tauchen seine Verfolger auf«, stimmte ihm Ben bei.
Auf der hölzernen Plattform erschienen drei Männer. Einige Sekunden standen sie überlegend. Dann rissen sie die Colts aus den Holstern.
Gleich darauf eröffneten sie das Feuer auf den Mann am Seil. Dumpf hallten die Schüsse im Talgrund wider.
»Das ist Mord!«, rief Snuffy empört. »Der Mensch ist doch völlig hilflos!«
»Wollen ihnen klarmachen, dass sie nicht machen dürfen, wozu sie lustig sind!«, entgegnete Tom ruhig und griff nach dem Colt.
In das Dröhnen der Schüsse auf der Plattform mischte sich ein anderer Ton. Der Stetson eines der drei Verfolger machte sich selbstständig und segelte in die Tiefe. Verblüfft starrte ihm der Mann nach.
In der gleichen Sekunde gellte ein Schrei auf.
Die Ghosts starrten zu dem Mann am Seil hinauf. Er hing jetzt über der tiefsten Stelle des Talgrundes, und eine Hand ließ plötzlich los. Verzweifelt wollte er wieder nach oben greifen, schaffte es aber nicht.
Einige Augenblicke hielt er sich noch mit einem Arm, dann glitt auch die zweite Hand ab. Er sauste in die Tiefe, überschlug sich in der Luft und klatschte in das Wasser des Nacio-River.
Die Männer auf der Plattform stießen ein wildes Triumphgeschrei aus. Gleich darauf verschwanden sie.
»Zu dem Abgestürzten!«, befahl Tom.
Die Ghosts liefen auf den Nacio zu. Schäumend wälzte sich sein Wasser in dem nicht übermäßig tiefen, von Felstrümmern durchsetzten Flussbett.
»Glaube nicht, dass er das überstanden hat!«, keuchte Snuffy im Laufen. »Wäre ein Wunder!«
»Wunder passieren heutzutage nicht mehr!«, japste Ben.
Der Mann lag mitten im Flussbett, den Kopf auf einem Felsbrocken, den Körper in seltsamer Verkrümmung in den Fluten.
»Scheint tot zu sein«, stellte Ben nach einem flüchtigen Blick auf den Reglosen fest.
Gleich darauf watete er an Snuffys Seite in den Fluss. Das Wasser reichte ihnen bis an die Hüften, als sie bei dem Abgestürzten ankamen.
Vorsichtig holten sie ihn aus dem Flussbett und legten ihn ins kniehohe Gras.
Tom ließ sich neben ihm nieder und fühlte nach dem Puls. Er schlug noch, aber nur matt und beängstigend unregelmäßig.
»Er lebt«, stellte der Captain fest, schüttelte aber den Kopf, als er das erleichterte Aufblitzen in Snuffys Augen sah. »Wird nicht mehr lange dauern – einen solchen Sturz überlebt kein Mensch.«
Snuffy holte eine Flasche hervor. Behutsam hielt er sie dem Bewusstlosen an die Lippen.
Der Mann schluckte nicht, aber das scharfe Getränk schien ihm trotzdem gutzutun.
Ein Zucken lief über sein Gesicht. Dann öffnete er blinzelnd die Augen.
»Trinken Sie, Gent!«, redete ihm Tom zu, ohne zu wissen, ob er überhaupt verstanden wurde. »Wird Ihnen helfen!«
Der Mann starrte ihn an, einen nachdenklichen Zug um den Mund. Dann merkte man, dass er wieder wusste, was geschehen war. Seine Lippen bewegten sich und versuchten, Worte zu formen.
»Jetzt nicht!«, mahnte Tom. »Warten Sie, bis Ihnen besser ist.« Dabei wusste er, dass der Mann nur noch Minuten zu leben hatte.
»Rauchen!«, stieß der Verletzte plötzlich mühsam hervor, als verrate er ein großes Geheimnis.
»Sollen Sie haben«, versprach Snuffy, drehte mit flinken Fingern eine Zigarette, zündete sie an und schob sie ihm in den Mund.
Der Mann stieß sie mit der Zunge wieder heraus. Snuffy griff zu, damit sie ihm nicht auf die Brust fiel.
Noch einmal versuchte der Sterbende, ein paar Worte zu formen.
Tom neigte sich über ihn, um zu verstehen, was er sagte. Aber der Mann brachte nicht mehr viel heraus.
»Salzen!«, verstand Tom. »Alles gesalzen!«
Plötzlich bäumte sich der Verwundete hoch auf, sank augenblicklich wieder zusammen, streckte seinen Körper – und war tot.
Tom Prox unterzog die Taschen des Toten einer raschen Durchsuchung, förderte jedoch nichts von Interesse zutage.
»Warum waren sie hinter ihm her?«, fragte Snuffy nachdenklich. »Man schießt nicht auf einen völlig Wehrlosen! Müssen ihn übrigens vorher ganz schön gehetzt haben!«
»Still!«, mahnte Tom. »Glaube, wir sind nicht mehr allein!«
Ohne sich weiter um seine Sergeanten zu kümmern, glitt er davon, auf einen niedrigen Busch zu, ungefähr zehn Yards von ihnen entfernt, und verschwand dahinter.
Der Mann, der im Schutz des Strauches auf der Lauer lag, schrak zusammen, als Tom neben ihm auftauchte. Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte er flüchten.
Dann setzte er sich auf und hob resignierend die Schultern. Fragend blickte er Tom an.
»Nun?«, drängte der Captain.
»Ist er tot?«, fragte der andere aufgeregt.
»So tot, wie man nach einem solchen Sturz nur sein kann. Hatten Sie es anders erwartet?«
»Arme Rosie«, flüsterte der Mann traurig.
»Wer ist Rosie?«, wollte Tom wissen.
»Seine Frau, Gent. Jetzt seine Witwe.«
»Wer war er überhaupt?«
Der Mann antwortete nicht, sondern lauschte aufmerksam in die Ferne.
»Sie kommen«, stellte er fest. »Wird noch eine Viertelstunde dauern, bis sie unten sind. Besser, sie finden uns hier nicht mehr vor.«
»Wer sind diese ,sie'?«, fragte Tom wissbegierig.
»Dauert zu lange, es Ihnen zu erzählen. Schätze, wir haben zu wenig Zeit dazu. Vielleicht später mal, Gent. Fürchte, ich muss mich nun um Rosie kümmern, sonst geht ihr's schlecht.«
»Wo befindet sich Rosie?«
»Wohnt außerhalb des Ambley-Tales. Kleines Häuschen an der Landstraße. Betreibt dort eine Schenke, die zu wenig einbringt, um davon leben zu...
Erscheint lt. Verlag | 13.1.2024 |
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Reihe/Serie | Tom Prox |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • billy-jenkins • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • gf unger • G. F. Unger • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Unger • Western • western-bestseller • Western-roman • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt-Earp |
ISBN-10 | 3-7517-6275-2 / 3751762752 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6275-5 / 9783751762755 |
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