Danowski: Sturmkehre (eBook)
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01723-8 (ISBN)
Till Raether, geboren 1969 in Koblenz, arbeitet als freier Autor in Hamburg, u.a. für das SZ-Magazin. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans und war stellvertretender Chefredakteur von Brigitte. Sein Sachbuch «Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?» stand 2021 wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Romane «Treibland» und «Unter Wasser» wurden 2015 und 2019 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert, alle Bände um den hypersensiblen Hauptkommissar Danowski begeisterten Presse und Leser. Band 2 «Blutapfel» wurde vom ZDF mit Milan Peschel in der Hauptrolle verfilmt, weitere Danowski-Fernsehkrimis sind in Vorbereitung. Till Raether ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Till Raether, geboren 1969 in Koblenz, arbeitet als freier Autor in Hamburg, u.a. für das SZ-Magazin. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans und war stellvertretender Chefredakteur von Brigitte. Sein Sachbuch «Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?» stand 2021 wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Seine Romane «Treibland» und «Unter Wasser» wurden 2015 und 2019 für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert, alle Bände um den hypersensiblen Hauptkommissar Danowski begeisterten Presse und Leser. Band 2 «Blutapfel» wurde vom ZDF mit Milan Peschel in der Hauptrolle verfilmt, weitere Danowski-Fernsehkrimis sind in Vorbereitung. Till Raether ist verheiratet und hat zwei Kinder.
2. Kapitel
Danowski saß auf dem Sofa, als wäre es eine Wucherung seines Körpers, die er sich dringend entfernen lassen musste. Es war zu früh, um ins Bett zu gehen. Wie würde das aussehen, der Vater verkriecht sich im Bett. Er musste den Moment abpassen, bevor Leslie vom Elternabend zurückkam und nachdem Martha ins Bett gegangen war. Er konnte nicht vor seiner Tochter schlafen gehen, aber er wollte seiner Frau heute auch nicht noch mal begegnen. Er hatte keine Antwort auf die Frage, warum sie zusammenbleiben sollten. Er hatte aber auch noch nicht angefangen, sich eine zu überlegen. Danowski starrte auf den Fernseher, als liefe er. Sein Telefon schnarrte.
«Adam?» Kienbaum hatte auch nach Danowskis Sündenfall nicht versucht, sich etwas anderes anzugewöhnen als den etwas zu freundlichen, etwas zu verbindlichen Ton, in dem er seit Jahren mit ihm sprach. Er war, seit er Danowski in der Hand hatte, einfach dabei geblieben. Woraus Danowski schloss, dass Kienbaum ihn womöglich schon immer in der Hand gehabt hatte.
«Was ist.»
«Haben Meta und Finzi dich nicht verständigt?»
«Worüber?»
«Der Zugriff steht jetzt unmittelbar bevor.»
Danowski rieb sich die Stirn. «Ich war vielleicht nicht zu erreichen.» Niemand hatte es versucht, aber zu erreichen war er auch nicht gewesen.
«Schüringsen. An der Altonaer Privatadresse, wir sind da in voller Besetzung, SEK ist in Bereitschaft. Wäre gut für die Moral der Truppe, wenn du dabei bist. Geschlossenes Bild abgeben, Teamgeist. Also, einfach aus Prinzip.»
Danowski schaute auf die Uhr. Er hatte in den letzten Monaten so lange auf die vergilbte Ermittlungsakte Schüringsen, Leander, gestarrt, dass er die Privatadresse des Mordverdächtigen auswendig kannte: Amundsenstraße 9 in Altona-Altstadt, zwischen Fischmarkt und Königstraße. Er konnte es sich vorstellen: Die Leute von Kienbaums Mordbereitschaft in geparkten Autos oder in der Kneipe nebenan, vielleicht vorm Gemüsehändler an der Ecke. Knöpfe im Ohr, dusselige Wollmützen, Bomberjacken, um statt wie fünfzig wie fünfundvierzig auszusehen. Die Transporter vom SEK weiter unten auf der Breiten Straße, damit sie Leander Schüringsen nicht gleich auffielen, wenn er nach Hause kam. Trotz seines Selbstmitleids wusste Danowski genau, dass er um diese Tageszeit in sechzehn, siebzehn Minuten vor Ort sein konnte. Er musste sich nur die bequeme Hose aus- und die unbequeme wieder anziehen und seine Schuhe finden. Und seine Dienstwaffe und die Kraft, vom Sofa aufzustehen. Klar, dass Finzi und Meta ihn nicht angerufen hatten.
Die frische Luft tat ihm gut, Herbstfaust in die Fresse. Das Auto rollte wie von selbst zur A7, erst im Elbtunnel merkte er, dass er großen Hunger hatte. Nicht zu ändern, er war fast da. Er parkte auf der Palmaille in einer Baustellenabsperrung. Kurz nach halb neun, vermutlich würde Schüringsen entweder jeden Moment oder erst um Viertel nach elf nach Hause kommen. Seine Minijob-Schicht im Rewe am Bahnhof ging bis zwanzig oder dreiundzwanzig Uhr, je nachdem.
Danowski lief die Struenseestraße hoch, vorm Frischemarkt nickten ihm zwei Kollegen zu, die ihn ganz normal nicht mochten, von früher her, als er noch die Hypersensibylle gewesen war oder der Depri-Danowski. Er fand es eigentlich ganz schön, alte Feinde. Das hatte was Vertrautes, wie eine hässliche Jacke, an die man sich im Laufe der Jahre gewöhnt hatte, weil sie einen ja trotzdem warm hielt. Keine Spur von Schüringsen.
Am Anfang der Amundsenstraße, unter der über Fahrbahn und Bürgersteig gestreckten Mietshausüberbauung, stand ein Zivil-Opel, in dem Danowski die vertrauten Silhouetten von Meta Jurkschat und Andreas Finzel erkannte, genannt Finzi. Seine alten Partner, mit beiden hatte er jeweils zu zweit und mal auch zu dritt Fälle gelöst, sie waren Freunde noch aus der Zeit, bevor Finzi und Meta ein Paar wurden. Bis Danowski sie im September vor einem Jahr mit in diese Sache gezogen hatte, in diese große Unehrlichkeit, das Verderben. Für Meta war Ehrlichkeit das Wichtigste, darum konnte sie das Danowski nicht verzeihen. Für Finzi war Meta das Wichtigste, darum war es bei ihm genauso.
Einen Moment überlegte Danowski, am Auto vorbeizulaufen. Aber der Anblick seiner ehemaligen Freunde war unwiderstehlich für ihn. Auch wenn er wusste, dass er sich ihnen nur mit einer ganz forschen, sarkastischen Art würde nähern können, durch und durch hilflos und aufgesetzt. Es war neben Ausweichen die einzige Sprache, die er noch konnte.
Danowski zog die Kapuze hoch und öffnete die Hintertür auf der Gehwegseite, ohne vorher an die Scheibe zu klopfen. Er konnte nicht verhindern, dass er ein wenig stöhnte, als er sich in die Polster sinken ließ. Er war über fünfzig.
«Zu dritt im Auto ist immer schlecht», sagte Finzi.
«Schüringsen kommt sowieso immer von der anderen Seite», sagte Danowski. «Der geht immer noch zum Kiosk an der Königstraße und holt sich ein Astra und eine Schachtel Moods mit Vanille-Aroma.»
«Stimmt», sagte Meta. «Aber trotzdem.»
«Ihr seht auf zweihundert Meter sowieso aus wie ein auf der mittleren Ebene gefangenes Beamtenpärchen mit nicht mehr so guten Kontakten zur neuen Generation von Fuhrpark-Dispatchern», sagte Danowski. «Da kommt es auf eine Person mehr oder weniger auch nicht an.»
«Willst du dich aussprechen?», fragte Finzi, und es klang einfach nur noch bitter.
«Warum nicht?»
«Kein Bedarf», sagte Meta. «Nicht heute. Mach uns das nicht kaputt.»
Danowski lehnte sich zur Seite, bis man seinen Kopf von Weitem nicht mehr durch die Opelfenster sehen konnte. Teils, um Finzi und Meta mit ihren professionellen Einwänden entgegenzukommen, teils, weil er müde war. «Warum ist der Zugriff heute? Schüringsen ist doch seit sechs Wochen wieder in Hamburg.»
«Olpenitz hat ewig gebraucht für den Haftbefehl», sagte Finzi. «Dann kam der Wisch heute Nachmittag. Warum setzt du dich nicht zu Kienbaum? Der erzählt dir das gern ganz ausführlich. Ihr habt doch eh so ein spezielles Verhältnis.»
«Weißt du, Finzi», sagte Danowski, «dieser konventionelle Sarkasmus steht dir nicht. Das passt nicht zu dir. Sag doch, dass ich rübergehen und Kienbaum sein schwieliges Glied lutschen soll.»
«Homofeindlich», sagte Meta.
«Lutsch, was du willst», sagte Finzi.
Dann waren sie wieder in dieser zähen Atmosphäre ihrer erkalteten Freundschaft, wie Erbsen in gestockter Sauce. Danowski sah auf die Straße und überlegte, ob er aussteigen und sich zu den anderen Kollegen in die Kneipe neben Schüringsens Erdgeschosswohnung setzen sollte.
«Das wäre früher mal eine große Sache gewesen», sagte Finzi. «Den Fleetmörder schnappen. Nach dreißig Jahren. Durch richtig gute Polizeiarbeit. Von Meta und mir. Aber fühlt sich irgendwie nicht so an, Adam. Wegen dir. Weil du uns alle in diese Scheiße geritten hast.»
«Wieso?» Danowski war nach Aufbegehren. «Im Gegensatz zu mir könnt ihr doch so tun, als wäre nichts. Gelingt euch doch ganz gut.»
Meta drehte sich zu ihm um, als wollte sie ihm Apfelschnitze reichen oder ihm eine knallen. «Du hast das alles vergiftet.»
Danowski nickte, wie man Schläge abwehrte. «Kann sein.»
Finzi schnaubte.
Es war still im Auto.
«Habt ihr gut gemacht», sagte Danowski nach einer Weile. «Mit Schüringsen. Den in Kuba zu finden. Und dann zurück nach Hamburg zu locken. Mit dieser Erbschaftsgeschichte. Also, dass der die geglaubt hat.»
«Lob mich nie wieder», sagte Meta und starrte über die Motorhaube.
«Der war einfach bereit», sagte Finzi, der nicht widerstehen konnte, doch ein bisschen zu fachsimpeln. Falls er je wieder an die beiden rankam, dann über Finzi, dachte Danowski. «Ich glaub auch nicht, dass von dem heute Abend viel zu erwarten ist. An Gegenwehr. Der will erzählen, wie es war und was er alles gemacht hat. Der will endlich in Ruhe in Deutschland in den Knast, Zugang zum Gesundheitssystem, schön ein paar Interviews geben.»
Meta öffnete ihr Fenster einen Spalt, als stänke es im Auto.
«Das war ja vor meiner Zeit», sagte Danowski. «Wie die Leichen damals bei Niedrigwasser aus den Fleeten aufgetaucht sind wie Treibgut oder alte Bojen. Mitten in der Stadt.»
«Alles war entweder vor oder nach deiner Zeit», sagte Meta kryptisch.
«Leslie will, dass wir uns trennen», sagte Danowski.
Finzi legte die Hände aufs Lenkrad, statt was zu sagen.
«Endlich», sagte Meta. Danowski lächelte ein bisschen in seinem dunklen Teil der Rückbank. Er hörte an Metas Stimme, dass ihr die Grausamkeit nicht lag, und dass sie erschrocken darüber war, wie es ihr herausgerutscht war. Einerseits tröstete es ihn, andererseits war es atemberaubend, wie die Abneigung gegen ihn jemanden wie Meta trieb, gegen ihre Natur zu handeln.
Nach einer Weile reichte es ihm. Er sagte: «Man sieht sich», und stieg aus. Schüringsen war nicht im Anmarsch, sonst hätten die Kollegen an der Peripherie das längst durchgegeben. Zugriff beim Rewe ging nicht, weil es erstens keine Garantie gab, dass Schüringsen nicht bewaffnet war und sich wehren würde, und weil zweitens niemand die Handy-Videos von der Festnahme im Internet sehen wollte.
Danowski steckte die Hände in die Jackentasche und lief die Straße hinab. Er nickte Kienbaum zu, der allein in einem VW Caddy saß und sich sogar eine Art Handwerkerjoppe angezogen hatte. Kienbaum lächelte, als hätte er mal wieder gewonnen, und zeigte dabei ausdrücklich nicht einladend auf seinen Beifahrersitz.
Danowski näherte sich der Kneipentür, spürte aber mit jedem Schritt,...
Erscheint lt. Verlag | 13.2.2024 |
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Reihe/Serie | Adam Danowski | Adam Danowski |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Boot • Cold Case • Dänemark • Danowski • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis • Ermittlerkrimi • Erpressung • Fleetmörder • Freundschaft • Gehobene Spannung • Hafen • Hallig • Hamburg • Hamburg Krimi • Insel • Kienbaum • Krimi • Krimibestenliste • Krimi Deutschland • Krimi lokal • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • last minute geschenke • Manipulation • Regionalkrimi • Romane Krimis • Selbstzweifel • Serienmörder • spannende Bücher • Thriller und Krimis deutsch |
ISBN-10 | 3-644-01723-9 / 3644017239 |
ISBN-13 | 978-3-644-01723-8 / 9783644017238 |
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