Das Blut der Nordsee (eBook)

Kriminalroman. Ein Fall für Jaspari und van Loon

(Autor)

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2024
320 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-30634-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Blut der Nordsee - Fynn Jacob
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Ein einsamer Tod. Ein brisantes Geheimnis. Viele offene Fragen.
Die von der nordfriesischen Insel Föhr stammende Journalistin Teeske Saathoff wird fern der Heimat am niederländischen Oosterschelde-Sperrwerk tot aufgefunden. Wurde sie ermordet? Iska van Loon und Marten Jaspari übernehmen die Ermittlungen und finden heraus, dass Teeske vor ihrem Tod Kontakt zum umstrittenen Erd- und Wasserbauunternehmen Epsilon aufgenommen hat. Das Unternehmen ist verantwortlich für den Küstenschutz an der Nordsee. Hat Teeske brisante Informationen zugespielt bekommen, die sie das Leben gekostet haben? Der Fall schlägt Wellen bis in die Politik, doch auch auf Föhr ist alles anders, als es scheint. Welches dunkle Geheimnis umgibt die Familie des Opfers? Iska und Marten müssen schnellstmöglich Ergebnisse liefern - und herausfinden, ob die Deiche an der Nordseeküste noch sicher sind. Denn die nächste Sturmflut kommt ...

Fynn Jacob heißt im richtigen Leben Christian Kuhn und lebt in Langenfeld in der Nähe seiner Geburtsstadt Köln. Schon als Kind fuhr er gemeinsam mit seiner Familie den Rhein hinab, um mit dem Segelboot der Eltern die Nordsee und ihre Inseln zu erkunden. 2020 erschien bei Heyne mit »Nordseedämmerung« der erste Band der Kriminalromane um BKA-Hauptkommissar Tobias Velten. Die Reihe um Marten Jaspari und Iska van Loon spielt an unterschiedlichen Orten der deutsch-niederländischen Nordseeküste.

Kuhn ist Mitglied im SYNDIKAT e.V., dem Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur. Mehr unter www.kuhnchristian.de

Prolog


Deutschland, Hallig Langeneß.
Samstag, 3. Januar 1976


08:30 Uhr

»Das Wasser läuft gar nicht ab. Das hab ich auch noch nicht erlebt.« Papa kam von seiner Morgenrunde zurück, die schwere Eingangstür machte das vertraute Klacken, als sie hinter ihm zufiel, ein wenig schneller als sonst, wahrscheinlich hatte der Wind nachgeholfen. Auf Papas Jacke und an seiner Stirn schimmerte es feucht, die Haare klebten am Kopf. Die Gischt der Nordsee, die wie feiner Nieselregen über die Hallig geweht wurde. Der Sturm war in der Nacht stärker geworden, klang nun anders. Teeske war nicht ganz klar, auf welche Art und Weise genau anders, vielleicht ein anderer Ton, ein anderes Rauschen, das um die Häuser der kleinen Warft zog. »Ich hole die Schafe jetzt auch schon mal nach oben. Bevor es nachher hektisch wird.«

Rinder, Pferde und Hühner hatten sie schon in die Notställe gebracht, Heu und Frischwasser verteilt. Die Tanks waren aufgefüllt, für den Fall, dass die Leitung vom Festland beschädigt würde und das Süßwasser in den Fehtingen vom einlaufenden Meerwasser versalzen würde.

»Nimm Wotan mit, auch wenn es dann länger dauert.« Der Schäferhund war fast genauso alt wie Teeske und so etwas wie das zweite Kind der Familie. »Es wird ihm guttun, noch einmal richtig herumzurasen.« Mamas Stimme klang ruhig wie immer. Es würde Land unter geben, Teeske hatte zusammen mit Mama und Papa die Wettervorhersage der Tagesschau gesehen. Und am Morgen hatten es die Behörden bestätigt. Andreas, der Warftobmann, hatte schon um acht Uhr seinen Meldegang gemacht und allen Bewohnern der Warft Bescheid gegeben. Kein Grund zur Beunruhigung, Land unter kam auf den flachen Inseln zehn- bis fünfzehnmal im Jahr vor. Auch wenn der Wind dieses Mal wirklich ungünstig war. Teeske schluckte.

Das Wasser läuft gar nicht ab, hatte Papa gesagt. Die letzte Flut war eigentlich längst vorbei, der Pegel hätte sinken müssen. Tat er aber nicht, und der Sturm drückte die Nordsee weiterhin so sehr gegen die Küsten, dass die Ebbe praktisch ausblieb. Nein, Mamas Stimme hatte sich nicht verändert. Aber ihr Blick war ernst, Teeske konnte ihr ansehen, dass sie sich Sorgen machte. Die Tide schlug um. Die Flut rollte nun heran.

Ihre Eltern hatten von der schlimmen Flut 1962 erzählt, die viele der Häuser auf den Halligen zerstört und so viele Tiere getötet hatte, weil das Wasser einfach zu hoch gestiegen war. Das lag aber lange zurück. Inzwischen hatte man die Warften, die Erdhügel, auf denen die Gebäude der Halligen standen, deutlich erhöht, und außerdem noch in einem weniger steilen Winkel, sodass die Wellen beim Auflaufen ihre Kraft verloren und weniger Schaden anrichten konnten. Papa hatte ihr das genau erklärt. Und zur Not gab es ja jetzt den Schutzraum, in den sie sich zurückziehen konnten, der war gebaut worden, als Mama mit ihr schwanger war. Ein kleiner Raum oben in der ersten Etage, der auf mächtigen, tief in der Warft verankerten Betonpfeilern ruhte. Es ist alles sicher, hatten Mama und Papa ihr immer wieder gesagt. Wir wissen nicht, wie hoch das Wasser steigt oder wie lange es bleibt, wie schlimm es wird. Aber wir wissen, dass es irgendwann auch wieder geht.

Bereits am Vormittag schwappten die Wellen über den Sommerdeich, der die Insel umgab, und beim Mittagessen beobachtete Teeske, wie das Meedeland, auf dem sie im Frühjahr das Heu für die Tiere machten, überschwemmt wurde. Eine Planke des Holzzauns, der die Warft einfasste, brach von einem der Pfähle ab. Sie hob den Blick. Die Kirchwarft, die ihrer Warft gegenüberlag, konnte sie nur schemenhaft erkennen. Ein flacher grüner Punkt, drei Häuser, eine Kirche. Von Föhr, der nächsten Insel, war nichts zu sehen, nur scheinbar endloses graues Meer und darüber die dunklen Wolken, die rasend schnell über sie hinwegzogen.

»Da kommt noch mehr.« Papa blickte immer wieder auf das Barometer neben der Küchentür an der Wand. Der Zeiger hing so weit nach links unten wie noch nie. Und dabei würde das Hochwasser seinen Scheitelpunkt erst in ein paar Stunden erreichen. Weder Mama noch sie reagierten auf seinen Kommentar, schweigend aßen sie an dem kleinen, ovalen Tisch zu Mittag. Es gab Kartoffelbrei mit Apfelmus und gebratenem Speck, leichter Fettgeruch hing in der Luft.

Auf ordentliches Essen konnten sie trotz der Lage nicht verzichten, sie würden die Kraft vielleicht noch brauchen, sagte Mama. »Dann machen wir weiter.«

Mama steckte die Bretter in die dafür vorgesehenen Schächte, um die Eingangstür und die Fenster im Erdgeschoss zu schützen, Teeske schaufelte an der Lee-Seite des Hauses zusammen mit Papa Sand in die bereitgelegten Säcke. Die Arbeit machte ihr nicht wirklich Spaß, aber es tat gut, wenigstens etwas helfen zu können. Mama und Papa wurden immer stiller. Die Sandsäcke waren so schwer, dass sie sie nicht mehr hochheben konnte. Papa sicherte mit ihnen zuerst die Eingangstür und die Fenster im Erdgeschoss, danach machte er bei der Scheune weiter, einem Anbau direkt am Haus. Unten im Erdgeschoss gab es einen Verbindungsgang, von der Küche aus.

Der Wind schnitt Teeske kalt ins Gesicht, ihre Hände froren trotz der Handschuhe. Neben ihnen tobte die See. Eine Welle brandete zu ihnen hoch, zog sich erst knapp vor der Warftkante zurück. Ob das etwas bringen würde, was sie da taten? Aus der Entfernung sah die Reihe aneinandergestapelter weißer Säcke viel zu mickrig aus, gegenüber den immer gewaltiger werdenden Fluten.

»Lass uns mal reingehen, Große.« Mama nahm sie in den Arm. »Das wird hier langsam zu ungemütlich.«

Sie sah, wie Papa sich aufrichtete, einen letzten Sandsack zurechtrückte und dann zu ihnen hinüberkam. Mit der Hand schirmte er die Augen vor dem Sturm ab. »Ich komme mit. Machen wir drinnen weiter.«

»Meinst du?«

»Lass uns die Sachen nach oben bringen.« Er sah sie ernst an, erst Mama, dann sie. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Wir machen es uns oben gemütlich. Sicher ist sicher.«

Teeske fühlte sich in dem Schutzraum oben in der zweiten Etage ihres Hauses auf eine sonderbare Art wohl. Sehr groß war er nicht, und viel war hier auch nicht drin. Eine alte hellgrüne Schlafcouch, ein kleiner Tisch, ein Schrank mit Vorräten. Sie hatten das Zimmer die letzten Jahre mehr als Abstellkammer genutzt und dementsprechend niemals wirklich eingerichtet.

Mama breitete nun Kekse auf einem Teller aus, heißer Früchtetee dampfte aus ihren Tassen. Es war früher Abend, draußen vor den Fenstern konnte Teeske nicht viel sehen, außer den verschiedenen Grauschattierungen von Meer, Wetter und Wind und dem Licht aus dem Schutzraum der Kirchwarft, in dem jetzt wahrscheinlich der Pastor saß. Um sie herum lag ein ewiges, langes Grollen in der Luft, das zu ihnen hochrollte. Wenn eine besonders mächtige Welle gegen die Warft prallte, meinte Teeske ein leichtes Beben zu spüren.

Aus dem Radiolautsprecher kam ein intensives Rauschen, Papa bewegte mit spitzen Fingern den Drehregler, um die richtige Frequenz einzustellen. Auf seiner Stirn lag wieder diese Falte, die sich nur dann bildete, wenn er sich besonders anstrengte.

Das Küstenmotorschiff Capella … weiterhin manövrierunfähig … elf Besatzungsmitglieder … Borkumer Schutzhafen …

Er drehte noch eine Winzigkeit weiter.

Bei einzelnen Böen werden Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke erreicht. Bitte bleiben Sie weiterhin zu Hause und meiden Sie …

Unten, aus dem Wohnzimmer, klapperte etwas.

»Die Fensterläden, wahrscheinlich hat sich einer aus der Verankerung gerissen«, erklärte Mama. Kein Grund zur Sorge, das konnte man reparieren. Das Klappern war unregelmäßig, dazwischen hörten sie schwappendes Wasser, leise und heimtückisch.

»Wir müssen nach den Tieren sehen …«, murmelte Papa. Es wirkte so, als wollte er aufstehen.

»Blödsinn. Gar nichts musst du dir ansehen!« Mama funkelte ihn an. »Lass das, was soll das denn werden, du alleine da unten?«

Papa erhob sich trotzdem. »Ich schaue nur nach, ob der Weg außenrum zur Scheune noch frei ist. Macht euch keine Sorgen, ich bin vorsichtig.«

Mama erhob sich erst, als wollte sie ihm antworten, setzte sich dann aber wieder.

Papas große Pranke strubbelte durch Teeskes Haare, mit seinem linken Auge zwinkerte er ihr verschwörerisch zu. »Wenn ich zurück bin, dann gibt es Süßigkeiten aus der Notfallbox. Dazu spielen wir eine Runde Mensch ärgere dich nicht!, was meinst du, Große?« Seine tiefe Stimme hallte beruhigend durch den kleinen Raum. »Ich freue mich darauf.«

»Ja, machen wir! Bis gleich, Papa!«

Mama folgte ihm in die erste Etage in den Flur, wohin sie den Fernseher, den Kühlschrank und die Stühle aus dem Esszimmer getragen hatten. Erst dachte Teeske, dass die beiden einen Streit anfangen würden. Aber aus Mamas Stimme konnte sie nur Besorgnis heraushören, keine Wut.

»Ich passe auf, mein Schatz. Bin gleich zurück.« Das zarte Schmatzen eines Kusses. Teeske hörte seine Schritte auf der Holztreppe, das Plätschern auf dem Weg durch das Erdgeschoss. Das Klacken, als Papa die Verbindungstür zur Scheune öffnete, das plötzliche Aufheulen des Windes, das nach einem weiteren Klacken wieder zu diesem ungemütlichen tiefen Brummen wurde.

»Na ja.« Mama kam nach oben in den Schutzraum zurück und sah sie an. »Papa möchte halt irgendwas tun, auch wenn es nicht viel Sinn hat. Stell dir ruhig Musik an, damit du auf andere Gedanken kommst.«

Teeske ging zu dem Plattenspieler, der direkt neben dem Radio stand, und legte Mein Gott, Walther von Mike Krüger auf. Die...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Reihe/Serie Jaspari & van Loon ermitteln
Jaspari & van Loon ermitteln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Aurich • Buch für den Urlaub • Der Kommissar und das Meer • deutsch-niederländischer Krimi • eBooks • Ermittlerduo • Eva Almstädt • Föhr • Friesland • Heimatkrimi • Inselkrimi • Krimi • Krimi deutsche Autoren • krimi friesland • Krimi Holland • Kriminalromane • krimi norddeutschland • Krimis • Küstenkrimi • Meer • Mord • Neuerscheinung • Nina Ohlandt • Nordsee • Nordseekrimi • Nordsee Krimi • Notruf Hafenkante • Oosterschelde • Regionalkrimi • Strand
ISBN-10 3-641-30634-5 / 3641306345
ISBN-13 978-3-641-30634-2 / 9783641306342
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