Im Nordlicht (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
576 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01707-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Nordlicht -  Miriam Georg
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Das dramatische Finale des packenden Zweiteilers von Bestsellerautorin Miriam Georg. Hamburg, 1914. Rosa ist fort! Alice sucht überall nach ihrer kleinen Tochter, aber sie bleibt verschwunden. Zugleich muss Alice eine respektable Arbeit vorweisen, um vor Gericht die Auflösung ihrer Ehe zu bewirken. Die Situation scheint ausweglos ... In ihrer Verzweiflung schleust Alice sich als Dienstmädchen in John Reevens Villa am Feenteich ein. Nun begegnen Alice und John sich täglich, ohne ein offenes Wort miteinander wechseln zu können. Seine Familie, seine Verlobung, das Vermögen - alles um John herum zerfällt. Wohin die Weltlage steuert und welche Werte gelten, ist unklar. Wie kann John, mit Alice täglich vor Augen, nun noch eine Vernunftehe eingehen? Der Anwalt fühlt sich zerrissen zwischen seinen Gefühlen und seiner Verantwortung. Unaufhaltbar ziehen Alice und John sich an, doch eine Liebe zwischen ihnen ist undenkbar. Und John weiß nichts von Alice' Vergangenheit, die sie mit aller Macht vor ihm verborgen hält ... «Miriam Georg gehört zu den wenigen Autorinnen, denen das Kunststück gelingt, Fakten und Fiktion auf unterhaltsame Weise zusammenzubringen.» Westfälischer Anzeiger

MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.

MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.

Hamburg


1914

1


Die Schildkröte wackelte mit dem Kopf, und Sala schob ihr ein Salatblatt in den Korb. Müde legte sie das Kinn auf die Fensterbank, sah dem Tier beim Kauen zu. Wenigstens eine von ihnen wurde satt. Eigentlich wusste sie nicht, warum sie die Schildkröte mitgenommen hatte, aber nun war sie froh über die Gesellschaft.

Ein Hämmern an der Tür ließ sie zusammenfahren. «Sie haben für diese Woche noch nicht bezahlt!» Die Stimme der Wirtin drang durch das Holz.

«Ich komme gleich runter.»

«Das will ich mir auch erbitten!»

Salas Herz wummerte. Die Pension, in der sie Unterschlupf gefunden hatte, war ein zwielichtiges Logierhaus am Hafen, mit Strohmatratzen und Ratten im Treppenhaus, dennoch verschlang sie in Windeseile ihr Geld. Überall sonst hatte man sie abgewiesen. Diese Woche würde sie noch bezahlen können, die nächste auch, danach würde es bereits knapp werden. Als Kleinmädchen erhielt man Kost und Logis, ansonsten verdiente man nicht viel. Einen Teil des kargen Lohnes hatte sie stets nach Hause geschickt, der Rest war für Alltagsanschaffungen draufgegangen. Sie hatte so gut wie nichts gespart.

Der Schwindel war wieder da. Seit Gesa sie aus der Reeven-Villa hinausgeworfen hatte, überkam er sie ständig und ohne Vorwarnung. Ein Schwindel der Angst.

Als sie nach der Entlassung ihr Buch aufgeschlagen hatte, war Sala im kleinen Zimmer der Pension vor Entsetzen ein Schluchzer entfahren. Sie hatte so gehofft, dass Gesa ihre jahrelange treue Arbeit mit ein paar Sätzen würdigen würde. Oder dass sie vielleicht gar nichts geschrieben hatte. Ein leeres Buch war immer noch hundertmal besser als ein schlechter Eintrag. Aber Gesas Eintrag war nicht bloß schlecht. Er war vernichtend. Nie wieder würde Sala als Dienstmädchen arbeiten. Dafür hatte ihre ehemalige Herrin mit einigen wenigen Federstrichen gesorgt.

Ins Dorf konnte sie nicht zurück. Bei ihren Heimatbesuchen hatte sie die Kinder ihrer dagebliebenen Freundinnen auf dem Schoß gewiegt, während die mit offenen Mündern ihren Erzählungen von Aalquappensuppe und Sommerresidenzen lauschten. Der Gedanke, mittellos zurückkriechen zu müssen, ohne Aussichten, jemals wieder eine Anstellung zu finden, schnürte ihr die Kehle zu. Vielleicht könnte sie in einer Fabrik arbeiten. Aber der Lohn würde niemals für eine Wohnung reichen, und als alleinstehende Frau konnte sie ohnehin keine mieten.

Weihnachten hatte sie mutterseelenallein in der Pension verbracht, hatte so lange geweint, bis keine Tränen mehr übrig waren. Auch zur Neujahrsnacht war sie allein gewesen. Von ihrem kleinen Fenster aus hatte sie dem Feuerwerk zugeschaut, das die Dächer erhellte, und sich vollkommen leer gefühlt.

 

Nachdem sie kleinlaut bei der Wirtin bezahlt hatte, zog Sala ihren Mantel an und trat hinaus auf die dunkle Straße. Hamburg bei Nacht. Es war riesig und dunkel und drückte auf ihre Brust.

Sie lief und lief, ohne viel wahrzunehmen, die Hand in der Manteltasche fest um ihr letztes Geld geschlossen. Auf dem verlassenen Fischmarkt suchte sie zwischen den Pferdeäpfeln nach Gemüseresten für die Schildkröte. Und vielleicht auch für sich selbst. Nach einer Weile bemerkte sie, dass sie weinte. Ihr Gesicht war eiskalt, die Tränen gefroren ihr auf den Wangen. Sie blieb stehen und putzte sich die Nase.

«Ja, das geht aber nicht!»

Erstaunt sah sie auf.

Ein Mann mit Zylinder und Lodenmantel lächelte auf sie herunter. «Ein so schönes Kind wie Sie, und dann diese hässlichen Tränen.» Er hielt ihr ein besticktes Taschentuch hin, das nach Rasierwasser duftete. «Was grämt Sie denn so?»

Sala brachte kein Wort heraus. Verwirrt blinzelte sie ihn an.

Der Mann schüttelte den Kopf. «Aber, meine Liebe. Nichts ist so schlimm, wie es auf den ersten Blick ausschaut.» Er schien zu zögern. «Darf ich Sie vielleicht auf eine Wiener Schokolade einladen?»

Sala hatte keine Ahnung, wo er so plötzlich hergekommen war, aber er war ausgesucht gekleidet, er roch gut, und mit dem grauen Bart erinnerte er sie an Theodor. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Seine Augen waren warm. Zaghaft nickte sie.

Sie waren keine zehn Schritte gegangen, da packte eine Hand sie am Arm. «Einen Moment bitte, junge Dame.»

 

Am Eingang der Davidwache saß ein Mann in Uniform. Er musterte abschätzig ihr tränenverschmiertes Gesicht. «Eine Öffentliche?»

«Hab sie am Hafen aufgegriffen.» Der Schutzmann hielt Sala immer noch fest.

«Ah. Dann kann ich mir die Frage wohl sparen.»

Sie wurde zu einem Tisch geführt, ein Stuhl wurde ihr hingeschoben. «Das ist alles ein Missverständnis», stotterte sie, wie sie es bereits den ganzen Weg bis zur Wache beteuert hatte. Aber es war, als hörte er sie gar nicht.

Das Seufzen des Polizisten machte deutlich, wie überdrüssig er ihrer war. «Sie wohnen in einer Pension?»

«Nur vorübergehend!»

«Allein?»

Sie nickte.

«Für wen arbeiten Sie?»

«Ich sagte doch, ich habe momentan keine Anstellung.»

Er musterte sie, und sie konnte an seiner verschlossenen Miene ablesen, dass sein Urteil über sie bereits feststand. Sala fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden.

«Was haben Sie so spät und allein in dieser Gegend gemacht?»

«Ich … war spazieren.»

Er seufzte noch einmal, kratzte sich den Hals, vermied ihre Augen. «Kannten Sie den Herrn, mit dem Sie mitgegangen sind, als ich Sie aufgegriffen habe?»

Sie schüttelte den Kopf.

«Was hatten Sie mit ihm vor?»

«Wir wollten nur in eine Wirtschaft. Er hatte mich angesprochen und mir eine Schokolade angeboten.» Sobald die Worte ihren Mund verlassen hatten, bereute sie sie. Einen Moment war es so still, dass sie draußen die Kutschpferde vorbeitraben hörte.

Der Mann vom Empfang ging an ihnen vorbei. Sein Schlüsselbund klapperte. «In der Vier ist noch was frei.»

«Danke. Wir sind gleich fertig.»

Der Schutzmann sah sie über den Tisch hinweg an. «Sie bleiben bei dieser Aussage?»

Sala nickte schweigend. Ihre Hände zitterten.

Er fuhr sich mit den Fingern über den Schnauzbart, hob die Brauen, seufzte ein drittes Mal. Dann stand er auf. «Würden Sie bitte mitkommen.»

Sie wurde in eine Zelle gebracht, in der bereits drei weitere Menschen warteten. Ehe sie protestieren konnte, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Fassungslos ließ Sala sich an der Wand auf den kalten Boden hinabgleiten und blieb dort sitzen. Stunden. Die ganze Nacht.

Irgendwann erwachte sie mit einem Ruck.

Eine ältere Frau sah auf sie herunter, berührte sie beinahe sanft am Arm. «Du armes Ding. Lassen sie dich einfach hier versauern, ganz alleine.»

Verwundert blickte sie in freundliche graue Augen. Die Frau trug ein englisches Kostüm, ein Kopftuch, und an ihrem Arm hing ein Korb. Die anderen aus der Zelle waren fort.

«Es ist alles anders, als Sie denken, ich habe nie …» Sie war so müde und so hungrig. Der Schwindel war wieder da.

Die Frau winkte ab. «Das weiß ich, meine Liebe.» Ihre Stimme war rauchig und warm. Sie reichte ihr die Hand, zog sie vom Boden hoch. «Das war nur ein peinlicher Irrtum.»

Sala ließ sich aufhelfen, es dauerte einen Augenblick, bis sie wieder sicher auf den Beinen stand. «Ich möchte nach Hause», sagte sie mit dünner Stimme.

«Na sicher.» Die Frau nickte mitfühlend. «Und wo wohnst du?»

«In einer Pension. Ich habe meine Anstellung verloren.» Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen.

«Immer mit der Ruhe. Wir besorgen dir jetzt erst mal etwas zu essen, und dann erzählst du mir alles. Wie hört sich das an?» Ihr Lächeln wirkte beinahe mütterlich.

Sala konnte nicht glauben, dass plötzlich jemand freundlich zu ihr war. Sie hatte niemanden mehr in dieser Stadt, der ihr wohlgesinnt war. «Gut», sagte sie schwach und nickte. «Das klingt gut.»

«Wunderbar.» Die Frau tätschelte ihr den Arm. «Dann komm mit. Ich bin Pauline. Pauline Modersson. Und ich kümmere mich jetzt um dich.»

Julius trieb dem Hengst die Sporen in die Flanken, das Tier gab ein gequältes Schnauben von sich und lief noch schneller. Schlamm spritzte auf, die Wiesen verschwammen, der Wald wurde zu einem dunklen Schatten in seinem Sichtfeld. Sie flogen so schnell durch die Landschaft, dass er nichts mehr wahrnahm außer dem rhythmischen Schlagen der Hufe und dem Wind, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Es war ein herrliches Gefühl. Er beugte sich tief über den Hals des Pferdes. In seinem Leben gab es kaum etwas, das er mehr genoss als das Reiten. Aber als er den Hengst kurze Zeit später wieder zügelte und in schnellem Trab auf den Waldweg einbog, der zum Haus führte, spürte er Frustration in sich hochkochen. Mit den Zähnen zog er sich die Lederhandschuhe von den Fingern und fuhr sich über die nassen Wangen. Aus seiner Kehle drang ein heiserer Laut, und zu seinem Entsetzen wurde ihm klar, dass nicht allein der Wind für seine Tränen verantwortlich war. Er griff hart in die Zügel, und der Hengst blieb stehen. Die Ohren zuckten, doch der riesige dampfende Körper hielt vollkommen still. Das Tier wusste nur zu gut, was ihm blühte, wenn es nicht haargenau das tat, was Julius ihm...

Erscheint lt. Verlag 15.10.2024
Reihe/Serie Die Nordwind-Saga
Die Nordwind-Saga
Zusatzinfo Mit 4 s/w-Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 1900 • Anne Stern • bestseller taschenbuch • Carmen Korn • Dom • Elbleuchten • Elbleuchten 3 • Elbleuchten Band 3 • Familiensaga • Frauenromane • Geschenke für Frauen • Gesellschaftsroman • Hamburg • Hanseatische Familiensaga • historienromane • Historische Liebesromane • Historische Romane • historische Romane Neuerscheinungen 2024 • Holsten-Brauerei • Jeffrey Archer • kleine geschenke für frauen • Lena Johannson • Liebesromane • Liebesromane deutsch • Miriam Georg Band 3 • Romane für Frauen • Roman historisch • Roman historisch Frauen • Saga • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller 2024 • Spiegel Bestseller-Autorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Tor zur Welt
ISBN-10 3-644-01707-7 / 3644017077
ISBN-13 978-3-644-01707-8 / 9783644017078
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