Mord auf der Kreuzfahrt (eBook)

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2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12314-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord auf der Kreuzfahrt -  Nicholas Blake
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»Haben Sie jemals versucht, eine erwachsene Frau über die Reling eines Schiffes zu werfen?« Die renommierte Bildhauerin Clare Massinger hat eine kreative Flaute. Um sie zu inspirieren, bucht ihr Partner, der Meisterdetektiv Nigel Strangeways, eine Kreuzfahrt in der Ägäis. Mit seinen griechischen Tempeln und Sandstränden soll dieser malerische Trip der perfekte Kurzurlaub werden. Doch schon, als sie auf die anderen Passagiere treffen, ahnen Nigel und Clare, dass diese Kreuzfahrt böse Überraschungen bereithalten wird... An Bord der Menelaos, einem Kreuzfahrtschiff in der Ägäis, scheint es, als wüsste jeder über die Angelegenheiten der anderen Bescheid: Eine Lehrerin, die sich von einem Nervenzusammenbruch erholt, wird von einer ehemaligen Schülerin zur Rede gestellt. Ein Intellektueller wird von eben dieser Lehrerin in Verlegenheit gebracht. Eine Verführerin bringt die männlichen Gäste - auch Nigel - ein ums andere Mal in Verlegenheit. Und zu allem Überfluss überwachen zwei Wichtigtuer jeden Passagier des Schiffes auf Schritt und Tritt. Als sich die Leben der Urlauber immer mehr verflechten, scheint Gefahr in der Luft zu liegen. Und dann geschieht tatsächlich ein Mord - und dann noch einer. Plötzlich ist jeder verdächtig. Nigels Urlaub währt also nicht allzu lange, und er muss die Wahrheit aufdecken, bevor ein weiterer Passagier aus dem Leben gerissen wird.

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904-1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis.

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904–1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis.

Verbrüderung


I


Nigel Strangeways wurde am nächsten Morgen früh durch das Sonnenlicht geweckt, das durch das Bullauge auf die obere Koje, die er belegte, fiel. Vorsichtig ließ er sich auf den Boden herab, um seinen Kabinengenossen Dr. Plunkert, nicht zu stören, zog sich eine Badehose an und begab sich zum Swimmingpool auf dem Vorschiff.

Er war in der Nacht gefüllt worden, und die Matrosen waren gerade dabei, ein Sonnensegel darüberzuspannen, das auch noch mehrere Meter Deck zu beiden Seiten des Beckens beschirmte. Nigel ging zum Bug und sah sich um. Achtern, gerade noch sichtbar, lag eine Insel, die, wenn die Menelaos ihren Fahrplan eingehalten hatte, Syros, die Hauptinsel der Kykladen, sein musste. Die Sonne, die zu seiner Linken aufstieg, gab bereits genug Hitze ab, um das Deck unter seinen Füßen zu erwärmen. An Steuerbord hob und senkte sich ein Kaik auf den Wellen, und zwei gelbbraune Seevögel begleiteten die Menelaos im Tiefflug und kreuzten ihren Bug. Die kleine flache Insel, direkt voraus, die sich an einer Stelle zu einem Hügel erhob und vom Berg Kynthos überragt wurde, musste Delos sein. Ein Streifen von reinem Türkis, hervorgerufen von der Sonne und den Untiefen, erstreckte sich diagonal von der Insel aus und kontrastierte mit dem Königsblau des Meeres auf dieser Seite und dem blassen Grün dahinter.

Die Matrosen beendeten die Montage des Sonnensegels und entfernten sich, während sie wie Heuschrecken miteinander plauderten. Als Nigel vom Bug aus nach achtern blickte, sah er über die Spitze des Sonnensegels hinweg die Fenster des vorderen Salons und darüber die Brücke, auf deren einem Flügel ein Schiffsoffizier stand, sowie das Steuerhaus.

Er stürzte sich in den Swimmingpool. Das Wasser war herrlich kalt. Es war nur Platz für ein halbes Dutzend Züge, aber das Becken hatte eine gute Tiefe; wenn er mit den Zehen auf dem Boden stand, reichte das Wasser bis zu Nigels Kinn, und er war 1,80 Meter groß.

Nachdem er eine Weile seine Runden gedreht hatte, wollte er das Becken gerade verlassen, als Primrose Chalmers erschien. Sie trug immer noch die Bluse, den Serge-Rock und den Sporran – sie sahen aus, als hätte sie darin geschlafen –, aber darüber trug sie einen venezianischen Gondoliere-Strohhut mit einer grünen Schleife, die hinten herunterhing.

»Ist es tief?«, fragte das Kind.

»Etwa 1,70 Meter. Kannst du schwimmen?«

»Ja. Aber ich bevorzuge das Meer. Swimmingpools sind voller Bazillen.«

Nigel erschauerte, kletterte geschickt heraus und setzte sich auf die niedrige Brüstung des Pools.

»Wie läuft es mit der Spieltherapie?«, fragte er.

»Spieltherapie? Ist das nicht etwas, wozu einen die Psychiater zwingen?« Primrose sprach das Wort »Psychiater« mit der ganzen Verachtung des Freudschen Analytikers aus.

»Deine Notizen, meine ich.«

Das schlaffe Gesicht des Kindes nahm einen geheimnisvollen Ausdruck an, und ihre Hand griff unbewusst nach dem Sporran. Mit einem schrägen Blick auf Nigel sagte sie: »Ich werde einen Assoziationstest mit Ihnen machen. Ich sage ein Wort, und Sie müssen das erste Wort sagen, das Ihnen in den Sinn kommt. Sie müssen …«

»Ja, ich weiß, wie das funktioniert.«

Primrose zog das Notizbuch aus ihrem Sporran, schlug eine Seite auf, hielt ihren Füllfederhalter in der Hand und begann.

»Sommer.«

»Felder«, erwiderte Nigel.

»Liebe.«

»Hass.«

»Käfer.«

»Dung.«

»Britisch.«

»Heuchelei.«

»Salz.«

»Lord Dunsany.«

»Was?« Primrose machte eine Pause im Notieren von Nigels Antworten. »Lord wer?«

»Dunsany. Er war sehr wählerisch, was das Salz anging. Soweit ich mich erinnere, war Steinsalz das einzige …«

»Oh, na gut. Nächstes Wort – Lende.«

»Schweinefleisch.«

»Ertrinken.«

»Trauer.«

»Eiscreme.«

»Heiße Schokoladensauce.«

»Makarios.«

Es gab eine merklich längere Pause, bevor Nigel antwortete.

»Bart.«

Primrose nannte noch ein paar weitere Begriffe, aber nur der Form halber oder um den enttarnten Eoka-Agenten Nigel Strangeways in falscher Sicherheit zu wegen. Die Pause nach »Makarios« hatte ihn definitiv verraten, wenn man nach dem verschleierten Triumph auf dem Gesicht der jungen Primrose urteilte. Und Nigel hatte sie nicht absichtlich gemacht. Er ärgerte sich maßlos über sich selbst, denn als Folge dieser ungewollten Pause würde das Kind ihn überallhin verfolgen. Ihn und jeden, mit dem er sprach, denn Bentinck-Jones hatte ihr ja gesagt, dass zwei Eoka-Agenten an Bord seien. Verflucht sei der Mann für seine albernen Spielchen.

Zehn Minuten später setzte sich Nigel zum Frühstück in den Salon. Es war erst fünf nach sieben, und die anderen Tischnachbarn waren noch nicht eingetroffen. Nigel bestellte Orangensaft und Kaffee, machte sich über den Teller mit Brötchen vor ihm her und bestrich sie dick mit Butter. An den anderen Tischen bemerkte er Jeremy Street, der den Kopf in ein Buch vergraben hatte, und Primrose Chalmers mit einem Mann und einer Frau – zweifellos ihre Eltern –, die den leicht verrückten Blick hatten, der bei Psychoanalytikern, ob Laien oder nicht, nicht selten ist.

Als Clare auftauchte, legte sie ein Exemplar des Journal of Classical Studies vor ihm auf den Tisch und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Nigel blätterte in der Zeitschrift, bis er fand, wonach er suchte. Es war eine lange Rezension von Jeremy Streets letzter Übersetzung – die Medea; sie zerriss diese Arbeit mit einer kühlen Feindseligkeit, einer spöttischen Verachtung und einer Fülle von Gelehrsamkeit, die Nigel für den unglücklichen Übersetzer regelrecht erröten ließ. Die Rezension war mit den Initialen »I. A.« gezeichnet. Kein Wunder, dass Jeremy Street sich schon bei der Erwähnung des Namens Ambrose empört und das Journal aus dem Lesesaal entfernt hatte. Und wenn Ianthe Ambrose die Bemühungen ihrer Schüler auf diese verheerende Weise beurteilte, war es kein Wunder, dass Faith Trubody bei ihrer Ankunft an Bord zusammengezuckt war.

Ein heftiges Klopfen auf den Tisch ließ Nigel aufblicken. Clare hatte ein Stück Brot aus dem Korb vor ihr genommen und sich fast die Zähne daran abgebrochen.

»Was ist das denn?«, fragte sie und schlug es erneut auf den Tisch. »Ein Bimsstein?«

»Das ist griechisches Brot. Die Griechen sind ein zähes Volk. Versuch stattdessen ein Brötchen.«

»Du hast sie alle aufgegessen.«

»Stimmt. Macht nichts. Hör dir einfach das an.« Mit leiser Stimme las Nigel die letzten beiden Absätze von I. A.’s Rezension vor.

Wir haben das Recht, von jedem Übersetzer zwei Mindestqualifikationen zu verlangen: eine intime Kenntnis der Sprache des Originals und ein feines Gespür für die eigene Sprache. Es wäre schon bedauerlich genug, wenn Mr Street sich lediglich als nicht vertraut mit den modernen Textausgaben seines Autors erweisen würde. Aber wenn zu der Unkenntnis auch noch Nachlässigkeit hinzukommt, wenn eine Übersetzung durch grundlegende Fehler und wilde Vermutungen verunstaltet wird, wenn sich ungerechtfertigte Freiheiten dem Text gegenüber herausgenommen werden, dann kann kein Protest scharf genug sein. Was Mr Streets Beherrschung der eigenen Sprache betrifft, so können wir nur sagen, dass sie nicht der Rede wert ist. Eine Version, die veraltete Umgangssprache mit den geschmacklosesten romantischen Verkleidungen vermischt, Vulgarität an die Stelle von Größe, Hysterie an die Stelle von Tragik setzt und Medea in eine Vorstadtstraftäterin verwandelt, mag das ungebildete Publikum zwar erfreuen, muss das Original jedoch unvermeidlich herabwürdigen. In seinem Vorwort macht Mr Street viel Aufhebens um seine Abneigung gegen die »Pedanterie« der Gelehrten. Es ist jedoch möglich, dass Euripides die Zwangsjacke der Gelehrsamkeit dem giftigen Hemd vorziehen würde, in das Mr Street ihn gekleidet hat.

Wir hatten schon früher Gelegenheit, Mr Street in diesen Spalten zu kritisieren. Die Klassiker zu popularisieren ist eine Sache, sie zu pervertieren eine andere. Das Niveau der Übersetzungen ist heute guten Gewissens als niedrig zu bezeichnen. Eine Person mit dem Einfluss von Mr Street, die ein so schlampiges Werk wie seine Medea herausbringt, senkt das Niveau auf einen bisher nicht gekannten Tiefpunkt. Wir können nur wiederholen, was Blake über Sir Joshua Reynold sagte: »Dieser Mann wurde angeheuert, um die Kunst zu erniedrigen.«

»Du meine Güte«, sagte Clare nach einem ehrfürchtigen Schweigen. »Sie scheint ihn nicht zu mögen, oder?«

»Sie hat all ihre Kritikpunkte hieb- und stichfest belegt.«

»Nun ja, wenn das jemand über meine Arbeit sagen würde, würde ich ihn umbringen.«

II


Um acht Uhr morgens ankerte die Menelaos vor Delos, und die Kaiks warteten bereits darauf, die Passagiere an Land zu bringen. Es lag eine aufgeregte Vorfreude in der Luft; die Reisenden hatten sich entspannt und stellten sich nicht mehr förmlich vor, bevor sie mit Fremden sprachen. Nur die Franzosen, die wie immer eine Art Splittergruppe bildeten, standen auf dem Promenadendeck beisammen und hielten sich abseits. Nigel und Clare, die sich in der Nähe der Gangway aufhielten, waren unter den Ersten, die von Bord gingen.

»Guten Morgen, guten Morgen«, rief Mr Bentinck-Jones und drängelte sich zu den beiden durch. »Wir haben Glück mit dem Wetter. Es ist oft zu stürmisch, um hier von Bord zu gehen, wissen Sie.« Ein Matrose reichte jedem Passagier eine Landgangkarte,...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2024
Übersetzer Michael von Killisch-Horn
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ägäis • Agatha Christie • Britcrime • britische Kriminalliteratur • Bücher wie Inspector Barnaby • Bücher wie Inspector Morse • Cosy Crime • Cozy Crime • Detektiv • Detektivgeschichte • detektivroman • Dorothy L. Sayers • Ermittler • Griechenland • Griechische Inseln • Kreuzfahrt • Kreuzfahrtschiff • Krimi • Krimiklassiker • Meer • neue krimis 2024 • Neuer Krimi 2024 • Privatdetektiv • Reisen • Sommerkrimi • Urlaub • Urlaubsbuch • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-608-12314-8 / 3608123148
ISBN-13 978-3-608-12314-2 / 9783608123142
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