Survivor (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30502-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Survivor -  C.J. Tudor
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Als Hannah erwacht, findet sie sich in einem komplett zerstörten Autobus wieder, der in der Abgeschiedenheit der Wälder verunglückt ist. Die Ausgänge sind blockiert, sie und einige andere Überlebende sind in den Trümmern gefangen. Aber die Zeit läuft, denn in Kälte und Eis ist ihnen der Tod sicher.
Als Meg wieder zu sich kommt, befindet sie sich in einer Gondel, hoch oben über verschneiten Bergen, und hat keinerlei Erinnerung, wie sie dorthin kam. Begleitet wird sie von fünf Fremden - und einem Toten.
Carter blickt zum Fenster eines einsam gelegenen Retreats hinaus, in dem er und seine Begleiter sich verschanzt haben. Als ihr Generator im Schneesturm droht zusammenzubrechen, zieht Unheil herauf.
In jeder der Gruppen lauert ein Mörder. Aber wer ist es? Und wer wird entkommen?

C.J. Tudor wuchs in Nottingham auf, wo sie auch heute mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter lebt. Ihr erster Thriller »Der Kreidemann« sorgte international für Furore und wurde in 40 Länder verkauft. Auch ihre nachfolgenden Thriller, alle im Goldmann Verlag erschienen, waren große SPIEGEL-Bestsellererfolge.

Hannah


Irgendwo piepste die Alarmfunktion einer Armbanduhr. Jemand übergab sich, lautstark und ganz in ihrer Nähe. Mehrere Fahrgäste hingen in aberwitzigen Positionen über den Sitzen, die überwiegend aus der Verankerung gerissen worden waren. Blut sammelte sich in Augenhöhlen oder tropfte aus weit aufgeklappten Mündern.

Hannah registrierte die neue Situation mit klinischer Sachlichkeit. Da schlug ihr Vater durch, hätte ihre Mutter jetzt gesagt. Ihr Vater konnte das auch, sachlich bleiben. Der Umgang mit dieser Kaltschnäuzigkeit war nicht immer einfach. Aber es gab Situationen, in denen nur das weiterhalf.

Sie löste den Sicherheitsgurt und rutschte von ihrem Sitz. Der Gurt hatte ihr vermutlich das Leben gerettet. Als der Bus umkippte und sich auf dem steilen Abhang zweimal überschlug, wirkten Kräfte auf die im Bus befindlichen Körper ein, die durch einfaches Festhalten nicht mehr beherrschbar waren. Die vielen Verletzten gingen hauptsächlich auf diesen – letzten – Akt des Unfallgeschehens zurück. Jetzt lag der Bus still und in einem Winkel von annähernd fünfundvierzig Grad in einer Schneewehe und rührte sich nicht mehr.

Auch sie, Hannah, hatte ein paar Blessuren davongetragen, jedoch nichts Ernstes. Zum Beispiel war nichts gebrochen, nichts blutete. Damit waren innere Verletzungen zwar nicht ausgeschlossen, aber ihrem ersten Eindruck nach war sie wohlauf.

Jetzt regten sich auch andere. Hannah hörte Leute stöhnen, andere schreien. Das Heulen war verstummt, vorerst jedenfalls. Sie blickte umher, um den Schaden aufzunehmen. Der Bus war mit insgesamt zwölf Studenten kaum ausgelastet, aber er war halt das Transportmittel, das die Academy für sie bereitgestellt hatte. Schätzungsweise die Hälfte der Studenten hatte den Unfall nicht überlebt, vornehmlich die, die nicht angeschnallt waren.

Aber da war noch etwas anderes, etwas, das mehr Ahnung war als Gedanke, aber noch Folgen haben könnte. Draußen tobte ein Blizzard, und sie steckten in einem Bus fest, der bereits zur Hälfte in einer Schneewehe versunken war. Was bedeutete das? Was folgte daraus? Der Gedanke trat jedoch gleich wieder in den Hintergrund, weil im selben Moment eine Stimme an ihr Ohr drang.

»Hey! HEY! Kann mir jemand helfen? Meine Schwester ist eingeklemmt.«

Hannah blickte durch den Mittelgang nach hinten. Im Heck des Wagens kauerte ein übergewichtiger Typ mit schwarzer Lockenmähne neben einem verletzten Mädchen und hatte ihren Kopf in seinen Schoß gebettet.

Hannah zögerte. Sie war selbst noch ganz benommen und musste ihre Gedanken erst sortieren. Zwar gehörte sie nicht zu denjenigen, die unangenehme Aufgaben lieber auf andere abwälzten, jedoch ertrug sie die physische und emotionale Nähe nicht, die mit dem sich abzeichnenden Drama unweigerlich verbunden war. Da sich aber offenbar niemand zur Hilfeleistung in der Lage sah und sie außerdem über medizinische Kenntnisse verfügte, war es wohl ihre Pflicht. Unsicher und leicht desorientiert aufgrund der Schlagseite stolperte sie durch den Gang in den rückwärtigen Teil des Busses.

Hinten angelangt, sah sie sofort, dass das Mädchen es wohl nicht »schaffen« würde, wie es in Katastrophenfilmen immer hieß. Die Diagnose kam nicht aus ihrem Sachverstand, sondern war reines Bauchgefühl. Dieses Mädchen lag im Sterben, und auch ihr Bruder wusste das, klammerte sich aber an eine letzte absurde Hoffnung. Weil es alles war, das ihm jetzt noch blieb.

Das Mädchen war sehr hübsch mit ihrem blassen weißen Teint und den langen dunklen Locken. Solche Haare, so einen schwarzen Wasserfall, hätte Hannah auch gern gehabt statt dieser trostlosen strähnigen Matte, die man nur nach hinten binden konnte, damit es nicht so auffiel. Hannah registrierte genau, wie viel Neid in ihrer Bewunderung lag, selbst jetzt, im Angesicht des Todes. Offenbar war der Mensch so.

Das Mädchen hatte bereits diesen weit entfernten Blick und bekam offenbar nur noch schwer Luft. Hannah sah, dass ihr linkes Bein unter zwei Sitzen klemmte, die durch den Crash nahezu vollständig zusammengedrückt worden waren. Multiple Frakturen an Ober- und Unterschenkel war allerdings eine unzureichende Diagnose, denn Schrottteile und menschliches Gewebe bildeten hier eine ununterscheidbare Masse, sodass der Blutverlust wohl das eigentliche Problem darstellte. Das heißt, wenn die rasselnden Atemgeräusche nicht gewesen wären – Atemnebengeräusche, wie es korrekt hieß. Diese nämlich wiesen auf weitere, weniger sichtbare Verheerungen hin und würden die Schöne wohl das Leben kosten. So ähnlich wie bei dieser englischen Prinzessin damals – Diana. Sie verblutete am Ende an einer winzigen Ruptur der linken oberen Lungenvene. Die Rettungskräfte hatten keine Chance, so etwas rechtzeitig zu erkennen.

»Wir müssen ihr Bein freikriegen«, sagte der junge Mann. »Kannst du mir helfen, den Sitz anzuheben?«

Hannah besah sich die Situation. Sollte sie ihm wirklich sagen, dass es darauf nicht mehr ankam? Dass er nicht mehr viel tun konnte, als bei ihr zu bleiben – in der wenigen Zeit, die sie noch hatte? Aber dann erinnerte sie sich, wie ihr Vater ihr einmal gesagt hatte: »In Extremsituationen hilft es psychologisch schon weiter, wenn man wenigstens so tut, als könne man etwas ausrichten, obwohl das objektiv gar nicht der Fall ist.«

Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«

»Warum nicht?«

»Wenn wir jetzt den Fremdkörper aus der Wunde entfernen, fängt es erst richtig an zu bluten.«

»Was schlägst du stattdessen vor?«

»Trägst du einen Gürtel?«

»Ja, wieso?«

»Zieh ihn aus, dann binden wir erst einmal ihren Unterschenkel ab. Danach können wir meinetwegen versuchen, sie von diesem Sitz zu befreien.«

»Okay.« Er sah nicht so aus, als hätte er verstanden, was sie meinte, und hantierte länger an der Schnalle, ehe der Gürtel aus den Schlaufen glitt. Sein Bauch quoll über den Bund seiner Jeans. Seine Schwester blieb währenddessen auffallend still. Sie hatte genug damit zu tun, trotz der Schmerzen genug Luft in ihre Lunge zu bringen, und atmete nur in winzigen Zügen.

»Für eine Ärztin bist du aber ziemlich jung«, sagte der Mann, als er ihr den Gürtel reichte.

»Ich studiere noch.«

»Ach so«, sagte er und nickte. »Dann gehörst du zu der Grant-Truppe.«

Die Academy war nicht gerade bekannt für ihre Medizinerausbildung. Der ganze Sinn dieser Einrichtung bestand überhaupt nur darin, den Sprösslingen wohlhabender Eltern für horrendes Geld irgendeine Art Uni-Abschluss zu verschaffen. Trotzdem war man einige Jahre zuvor im Department auf die Idee gekommen, ausgerechnet in der hintersten Provinz ein ultramodernes Forschungsinstitut zu errichten, mit einem der weltweit führenden Virologen an der Spitze, ebenjenem Professor Grant. Seitdem zog es einen völlig neuen Typ Student an das entlegene Bergcollege: weniger reich, dafür handverlesen und hochbegabt.

»Und jetzt wickle den Gürtel oberhalb des Knies um ihren Oberschenkel, zieh so stramm an, wie du kannst, und halt ihn fest. Prima, das machst du gut.«

Das Mädchen stöhnte leise, was jedoch kein ganz schlechtes Zeichen war. Solange es noch auf Schmerzreize reagierte, lag es zumindest nicht im Koma.

Unterdessen redete der Mann auf seine Schwester ein. »Ist schon gut«, raunte er ihr ins Ohr, wobei er sich die lange Mähne aus dem Gesicht wischte. »Das wird wieder.«

»Okay«, sagte Hannah. »Dann wollen wir mal.«

Behutsam legte der Mann den Kopf seiner Schwester ab und tat sein Möglichstes, Hannah mit der freien Hand zu unterstützen – ohne Erfolg. Metall knirschte auf Metall, und der Sitz gab ein wenig nach, aber nicht mehr. Sie brauchten mindestens einen weiteren Helfer. Also insgesamt zwei, die mit vereinten Kräften den Sitz anhoben, während der dritte das Mädchen unter dem Sitz hervorzog.

An mehreren Stellen hörte Hannah Stimmen. Die Überlebenden versuchten herauszufinden, ob ihre Reisebegleiter noch existierten.

Laut rief sie in den Bus: »Hey, wir brauchen hier Leute, die mal mit anpacken können. Hört mich jemand?«

»Sorry, aber das passt gerade ganz schlecht«, sagte ein Witzbold aus dem vorderen Teil.

Doch dann erhob sich eine hochgewachsene Gestalt und bewegte sich auf sie zu. Schmaler Junge, blond, eine Gesichtshälfte blutüberströmt. Was, wie Hannah wusste, nicht viel bedeuten musste. Selbst oberflächliche Kopfverletzungen bluteten oft höchst eindrucksvoll.

»Du hast um Hilfe gerufen?«, fragte er förmlich und mit leicht deutschem Akzent.

»Wir brauchen jemanden, der den Sitz mit anhebt, damit wir ihr Bein rausholen können«, sagte Hannah.

Der Blonde warf einen Blick auf das eingeklemmte Mädchen und schien sich ebenfalls keine Illusionen über ihre Überlebenschance zu machen. Aber er bemerkte auch Hannahs Körpersprache und nickte nur.

»Also gut, auf drei: eins, zwei …«

Es brauchte mehrere Versuche, bis es Hannah gelang, das Bein unter dem Sitz herauszuziehen.

Der Bruder rollte seine Jacke zusammen und schob sie dem Mädchen unter den Nacken. Er trug ein ausgeleiertes Sweatshirt mit einem Spruch: Darüber muss ich erst mal nachdenken. Krass, welche nebensächlichen Sachen einem manchmal auffallen, dachte Hannah.

Sie spürte eine Hand an ihrem Arm und drehte sich wieder dem großen Blonden zu. Ein Typ wie aus der Image-Broschüre eines alpenländischen Fremdenverkehrsvereins, fehlten eigentlich nur Lederhose und Gamsbart.

»Wie viele Tote haben wir?«, fragte er.

»Vier? Fünf? Keine Ahnung. Sicher...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2024
Übersetzer Marcus Ingendaay
Sprache deutsch
Original-Titel The Drift
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Amnesie • eBooks • eingeschlossen • Endzeit • Filmriss • Gebirge • Hochspannung • Mord • Neuerscheinung • Pandemie • Psychothriller • Quarantäne • Rache • Spiegel-Bestseller-Autorin • Survival • the dift • The Walking Dead • Thriller • Virus • Wildnis
ISBN-10 3-641-30502-0 / 3641305020
ISBN-13 978-3-641-30502-4 / 9783641305024
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