Jerry Cotton 3452 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5219-0 (ISBN)
Zum ersten Mal fand in New York der Kochwettbewerb La Cuillère d'or statt, an dem sich ein Dutzend Spitzenköche aus aller Welt beteiligte. Nach dem dritten Wettkampftag wurde der ebenso gefürchtete wie unbeliebte französische Kritiker Ethan Chablaux, der in der Jury saß, in seinem Hotelzimmer ermordet. In Verdacht geriet seine Landsfrau Louanne Fremére, die seit Jahren mit Chablaux verfeindet war. Wegen des internationalen Teilnehmerfelds ermittelten wir vom FBI. Dann erschien ein französischer Privatdetektiv im Field Office. Hinter dem Mord an Chablaux musste weit mehr stecken als eine Privatfehde ...
Ein Geschmack nach Mord
Übers Ohr gehauen, dieser verdammte Kerl hatte ihn tatsächlich übers Ohr gehauen.
Zugegeben, er war nicht ganz unschuldig daran. Er hätte sich besser informieren sollen, bevor er den Deal abgeschlossen hatte.
Aber wer hätte das auch ahnen können?
Er hatte versucht, das Ding zurückzukaufen, hatte sogar einen höheren Preis geboten. Der Hundesohn hatte sich geweigert. Er hatte ihn abblitzen lassen wie einen dahergelaufenen Bittsteller. Natürlich hatte der Kerl den wahren Wert des Objekts gekannt, todsicher sogar. Vermutlich lachte er sich deshalb immer noch ins Fäustchen.
Nun gut, der Bursche hatte es so gewollt. Er würde schon sehen, was er davon hatte, wenn er sich mit ihm anlegte.
O ja, das würde er.
Nachdem sich der Reporter verabschiedet hatte, erlosch Ethan Chablaux' Lächeln so schlagartig, als hätte er einen inneren Schalter betätigt. Wie er diese Journalisten hasste, vor allem die jüngeren. Früher hatten sie sich wenigstens ein klein wenig mit der Materie ausgekannt, über die sie schrieben. Heutzutage musste er froh sein, wenn er an jemanden geriet, der eine Kalbsleber von einem Kotelett unterscheiden konnte. Was mochte dieser Schnösel mit seinen verstrubbelten Haaren und diesem entsetzlichen rot karierten Hemd, der ihn fast eine Viertelstunde aufgeregt dreinblickend befragt hatte, wohl aus dem Gehörten machen? Was würde in seinem Artikel stehen?
Wenn er ehrlich war, wollte er es lieber gar nicht wissen. Zum Teufel, er hatte bisher nie etwas von der Zeitung gehört, für die der Bursche arbeitete. Am Ende war es keine Zeitung, sondern so ein Portal. Heutzutage schrieben doch alle nur noch fürs Internet.
War er am Ende ein Blogger? Bei seiner Seele, es gab nichts, das er so sehr hasste wie Blogger. Eitle Gecken waren das, die sich an ihren unbedeutenden Ergüssen ergötzten und sich nicht darum scherten, wer das Geschreibsel eigentlich las, wenn es denn überhaupt jemand tat, jedenfalls seiner Meinung nach.
Bei dem Gedanken verzog er unwillkürlich das Gesicht. Ärger stieg in ihm auf, was in Verbindung mit seiner notorisch schlechten Laune eine üble Mischung war, wie ihm durchaus bewusst war. Nur konnte er nichts daran ändern.
Er verspürte Lust, etwas Dampf abzulassen, indem er auf den teuren Teppich spuckte. Dummerweise stand in Sichtweite Miles Granger und unterhielt sich mit einer attraktiven Blondine. Granger war ein Schwachkopf, aber er war immerhin der Veranstalter des La Cuillère d'or und damit der Mann, der ihm nach dem Wettbewerb den Scheck überreichen würde. Also beschloss Chablaux sich zusammenzureißen.
Mit verschränkten Armen blieb er neben der Tür des Mandarin Ballroom stehen und beobachtete Granger dabei, wie er der Blondine in den Ausschnitt starrte und dabei ohne Unterlass auf sie einquasselte. Chablaux stellte sich vor, wie ihm seine Glubschaugen aus den Höhlen sprangen und über den Boden kullerten. Was wäre das für ein Spaß! Natürlich passierte das nicht. Stattdessen sah Granger auf, entdeckte ihn und warf ihm einen irritierten Blick zu.
Chablaux zwang sich zu einem Lächeln, hob grüßend eine Hand, drehte sich um und trottete davon. Er überlegte, ob er einen Drink an der Bar nehmen sollte, immerhin war es erst kurz nach zehn. Dann fielen ihm die schrecklichen, mit Kuhfellimitaten bespannten Barhocker ein. Als er sie gestern Abend entdeckt hatte, hatte er seinen Augen kaum trauen können. Wenn ihm seine Erinnerung keinen Streich spielte, gehörte das Mandarin Oriental nach wie vor zu den besten Häusern in New York. Wie passte das mit Kuhfellimitaten zusammen?
Nein, er würde sich lieber in sein Zimmer zurückziehen. Die Flasche Rotwein, ein Willkommensgeschenk des Hauses, stand unberührt auf dem Sofatisch. Er würde sich ein Glas oder mehrere davon gönnen, in der Hoffnung, dass der Sommelier nicht unter derselben Geschmacksverwirrung litt wie der Inneneinrichter. Und dabei würde er das Treiben auf dem spätabendlichen Columbus Circle beobachten. Schade nur, dass es regnete.
Es gab – seiner bescheidenen Meinung nach – zwar kaum ein vernünftiges Restaurant in der Millionenstadt, jedoch liebte er die gewaltige Energie, die von ihr ausging. Sie durchflutete ihn regelrecht. Wenn er sich im Big Apple aufhielt, fühlte er sich zwanzig Jahre jünger, womit er dreiundvierzig gewesen wäre.
Schade, dass das nur ein Gefühl und nicht die Realität war. In dem Fall hätte er nämlich eine echte Chance gehabt, sich wie Granger ein kleines Flittchen für eine Nummer im Hotelzimmer an Land zu ziehen. Wenn er wollte, konnte er durchaus charmant sein, und er war früher ein gut aussehender Bursche gewesen. Nur half ab einem gewissen Alter der größte Charme nichts mehr.
Während er mit dem Aufzug in den dreiundzwanzigsten Stock hinauffuhr, dachte er darüber nach, bei seinem Sekretär anzuklopfen und nachzuhören, ob es etwas Neues gab, Korrespondenz eingegangen war oder Ähnliches. Jean Ducasse bewohnte ein Zimmer gleich neben seiner Suite. Nach kurzer Überlegung verwarf er den Gedanken. Die Arbeit war für heute getan, und Jean konnte zuweilen eine schreckliche Quasselstrippe sein. Dafür hatte er jetzt keinen Nerv mehr.
Mit einem leisen Rumpeln glitt die Fahrstuhltür zur Seite. Chablaux wandte sich nach links und stapfte durch den mit einem feinen Teppich ausgelegten Flur, der auf beiden Seiten von Zimmertüren gesäumt war. Als er die Suite erreicht hatte, zückte er seine Magnetkarte, hielt sie vor den Türknauf und drehte gleichzeitig daran. Mit einem leisen Klacken sprang die Tür auf.
Drinnen hatte ein Mitarbeiter des Hotels bereits das Licht eingeschaltet. Chablaux befreite sich aus seinem Jackett, ging ins Schlafzimmer, nahm einen Bügel aus dem Kleiderschrank und hängte es ordentlich auf. Danach kehrte er ins Wohnzimmer zurück, griff nach der Flasche, entkorkte sie mit geübten Handgriffen, schenkte einen Schluck ein und probierte.
Als der Wein seine Kehle hinabrann, schloss er genießerisch die Augen. Offenkundig wusste der Sommelier, was er tat. Einen ausgezeichneten Pinotage hatte er da ausgesucht, samtig und aromatisch. Genauso, wie er es liebte.
Er beschloss, eine heiße Dusche zu nehmen. Anschließend würde er einen Sessel ans Fenster rücken und mit Blick auf den Columbus Circle die Flasche Glas für Glas leeren. Mit etwas Glück hörte es sogar auf zu regnen. Ja, das war ein guter Plan.
Ein scharfer Schmerz in seinem Rücken. Chablaux wollte sich umdrehen, aber seine Füße waren wie angenagelt. Ihm blieb die Luft weg, das Weinglas rutschte ihm aus den plötzlich kraftlos gewordenen Fingern.
Dann fühlte er nichts mehr.
»Italiener oder Asiate?«, fragte Phil.
Ich schürzte die Lippen. »Bei Max waren wir lange nicht mehr«, antwortete ich nach kurzer Überlegung. »Ich hätte Appetit auf die hervorragenden Gnocchi alla Sorrentina, die sie da servieren.«
»Also italienisch?«
»Also italienisch. Gehen wir, es ist bereits Mittag durch.«
»Unbedingt. Ich habe Hunger wie ein Wolf. Ach was, wie ein ganzes Rudel Wölfe.«
Wir hatten uns gerade von unseren Schreibtischen erhoben, als mein Telefon klingelte. Ich warf einen Blick aufs Display und runzelte die Stirn.
»Das ist Mister High«, erklärte ich und ging dran.
Ich hörte Phil seufzen, dann hatte ich unseren Chef am Ohr. Das Gespräch war nach zehn Sekunden beendet.
»Lass mich raten: Die Pasta muss warten«, sagte mein Partner mit Leidensmiene, nachdem ich aufgelegt hatte.
Zwei Minuten später hatten wir vor Mr. Highs Schreibtisch Platz genommen. Als wir sein Büro betreten hatten, hatte er gerade herzhaft in ein Club Sandwich gebissen. Geduldig warteten wir, bis er gekaut und heruntergeschluckt hatte.
»Entschuldigen Sie, Gentlemen, ich habe den ganzen Tag nichts gegessen«, begrüßte er uns schließlich. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie sich so beeilen, hätte ich das Sandwich in der Schublade gelassen.«
»Kein Problem«, erwiderte Phil tonlos. »Es ist ja schon Mittag durch.«
Ich verkniff mir ein Grinsen. »Worum geht es, Sir?«
Mr. High öffnete eine Akte, die auf seinem Schreibtisch lag, und zog das Foto eines etwa sechzig Jahre alten Mannes hervor. Das Gesicht unter dem dünnen eisgrauen Haar war scharf geschnitten, seine blauen Augen funkelten angriffslustig.
»Kennen Sie diesen Gentleman?«, wollte er wissen.
Synchron schüttelten wir die Köpfe.
»Sein Name war Ethan Chablaux. Ein französischer Restaurantkritiker, dessen Wort viel Gewicht in der gastronomischen Welt hatte.«
»Da Sie in der Vergangenheitsform von ihm sprechen, nehme ich an, dass er nicht mehr unter uns weilt«, merkte ich an.
»Damit liegen Sie richtig, Jerry. Er wurde gestern am späten Abend in seiner Suite im Mandarin Oriental ermordet, von hinten mit einem Messer erstochen.« Er zog ein zweites Foto hervor, das einen Mann zeigte, der bäuchlings auf einem beigefarbenen Teppichboden lag. Sein weißes Hemd war rot von Blut. »Mister Chablaux...
Erscheint lt. Verlag | 15.8.2023 |
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Reihe/Serie | Jerry Cotton |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-5219-6 / 3751752196 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5219-0 / 9783751752190 |
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