Veltliner Spritzer: Österreich Krimi -  Werner Baumüller

Veltliner Spritzer: Österreich Krimi (eBook)

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2021 | 1. Auflage
250 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-99074-146-7 (ISBN)
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Armer Hakim. Erst musste er mit seiner Familie aus Syrien flüchten. Dann wollte ihm niemand im Weinviertler Dorf Niederfeld Unterkunft gewähren. Nur der Rote Bär, wie die groß- und warmherzige Eigentümerin eines berüchtigten, rotlichtigen Etablissements genannt wurde, erbarmte sich seiner. Und sie war es schließlich auch, die Hakim vor der Polizei versteckte, als seine Frau Jasina plötzlich verschwand und sich im ganzen Dorf das Gerücht eines Ehrenmordes verbreitete. Auch in ihrem 4. Fall schafft es Hemma Thom, die Mesnerin und Organistin von Niederfeld, Licht ins Dunkel zu bringen. Wie immer verlässt sie sich auf ihr treffsicheres Gespür, auf ihre ungewöhnliche Beziehung zur Himmelmutter. Und auf Hubert den Polizeichef, ihren heimlichen Verehrer.



Werner Baumüller stammt aus Kollerschlag in Oberösterreich. Er war lange als Texter und Konzeptionist in Werbeagenturen in Wien und Düsseldorf tätig, ehe er 1985 mit seinen beiden Brüdern die »Werkstatt Kollerschlag« gründete. Dort werden Kunstwerke und -projekte im öffentlichen Raum konzipiert und produziert, beispielsweise der einundzwanzig Meter hohe »Hammering Man« von Jonathan Borofsky vor dem Messeturm in Frankfurt. Mit »Die Essigmutter« trat er 2006 als Romanautor an die Öffentlichkeit.

Zwei


 

Auf einem Gebiet sind sich Frauen und Männer einig: Dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt als die körperliche Liebe mit einem Partner oder einer Partnerin, der oder die auch das Herz erobert hat. Angetrieben von der wahren Liebe, wenn nicht nur zwei Körper, sondern auch zwei Seelen und zwei Herzen ineinander verschmelzen.

Was das Zweitschönste ist, da gehen die Meinungen nun doch ein wenig auseinander. Im Gegensatz zu den meisten Frauen – und das Wort »meisten« muss hier besonders betont werden –, also im Gegensatz zu den meisten Frauen finden die meisten Männer, dass das Zweitschönste nach der Liebe mit Herz die Liebe ohne Herz ist.

Um es deutlich zu sagen: Sex kann für viele Männer auch dann durchaus reizvoll sein, wenn man die Partnerin nur flüchtig oder gar nicht kennt. Da hier aber die Verfügbarkeit nicht endlos ist, gibt es bestimmte Etablissements, die, vor allem seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, wie die Schwammerl aus dem Boden sprießen und immer mehr auch die ländlichen Gebiete erobern.

Auch ein paar hundert Meter außerhalb von Niederfeld gab es seit ein paar Jahren so eine Einrichtung. Bestehend aus einer rot ausgeleuchteten, plüschlastigen Bar und mehreren anmutig und inspirierend ausgestatteten Schlafzimmern.

Das Etablissement nannte sich »Zum Roten Bären«. Benannt nach der Besitzerin des Lokals, die dieses Haus gepachtet, ausgebaut und eingerichtet hatte. Und deren richtigen Namen niemand in ganz Niederfeld kannte. Man nannte sie einfach Roter Bär.

Die Diskrepanz bei der Sache war, dass ein Bär ja männlich ist, die Trägerin des Namens aber nachweislich weiblich war. Da war also eine Frau, die mit fast alchemistischer Begabung ihre Weiblichkeit in Geld verwandeln konnte. Dass aber ausgerechnet die einen maskulinen Artikel hatte, das war schon gewöhnungsbedürftig.

Der Rote Bär war eine Frau mit Herz. Nicht, dass sie sich immer gleich verliebt hätte, wenn sie ihre Dienste anbot, um Gottes Willen. Aber es machte sie prinzipiell glücklich, wenn sie andere glücklich machen konnte. Und dazu hatte sie viel Gelegenheit.

Auch im täglichen Leben zeigte sie Herz. Jeden Sonntag beim Hochamt warf sie fünf Euro in den Klingelbeutel, wer machte sowas schon? Wenn es irgendwo auf der Welt eine Katastrophe gab, spendete sie. Und die Sternsinger holten sich Jahr für Jahr ihre zwanzig Euro von ihr ab, auch wenn ihnen der Pfarrer verboten hatte, dieses Haus zu betreten.

Ursprünglich war der Rote Bär Pflegerin in einem Altersheim der Caritas irgendwo im Mostviertel. Dies ist ein Beruf, der viel Aufopferung fordert und den man nur ausüben konnte, wenn man dies aus Überzeugung tat.

Sie war damals eine der beliebtesten Pflegerinnen im ganzen Altersheim, weil sie ohne zu murren sämtliche Dienste verrichtete, die so anfielen. Und wenn es Sonderwünsche der Heimbewohner gab, dann erfüllte sie auch diese. Dabei spielten weder die Uhrzeit, noch die Art der Wünsche eine wesentliche Rolle.

Vor allem freuten sich die Heimbewohner, wenn der Rote Bär Nachtdienst hatte. Jeder, dem sie das Nachtmahl servierte, bekam als Zuschlag noch ein paar aufmunternde Worte oder das ein oder andere Witzchen zu hören. Manche, die schon sehr behindert waren, bekamen von ihr das Abendessen mit einer Engelsgeduld löffelweise zugeführt. Und vorm Einschlafen half sie noch beim Zähneputzen und bei der Körperhygiene.

Dabei hatte es sich einmal ergeben, dass ein Mann, dem sie vor dem Schlafengehen noch eine Ganzkörperwäsche zuteilwerden ließ, ein besonderes Glücksmoment empfand, als nach Gesicht, Armen, Beinen und Oberkörper endlich auch die übrigen Körperteile an die Reihe kamen.

Dem Roten Bären fiel dieses Glücksgefühl auf, der Mann tat auch nichts dazu, um es zu verbergen. Und weil es nun einmal ihre Art war, dass es ihr selber Freude machte, wenn sie anderen Freude bereiten konnte, hat sie deutlich mehr getan als nur ihre Pflicht erfüllt. Sie dachte sich nichts Böses dabei, immerhin war sie Pflegerin und alles Körperliche lag halt einmal in der Natur. Außerdem betrachtete sie ihr Handeln als ein rein mechanisches. Emotional war da gar nichts, bis auf die Tatsache eben, dass der Mann seine Freude hatte, die schließlich in totalem Glück mündete. Sein Lächeln, seine glänzenden Augen, überhaupt seine ganze Mimik drückten Dank und Zufriedenheit aus. Gern geschehen, dachte sich der Rote Bär und begab sich zum nächsten Pflegefall.

Nun ist es ja so, dass auch die Männer immer untereinander tratschen müssen, auch die älteren. Der Mann prahlte bei seinen Mitbewohnern ein wenig mit der Geschichte herum, was dazu führte, dass auch andere um diese Dienste baten.

Das Problem schien nun zu sein, dass dies erst einmal viel Zeit in Anspruch nahm. Aber nur vordergründig. Der Rote Bär hat nämlich schnell gemerkt, dass jene Männer, die sie vor dem Einschlafen noch entspannt hatte, die ganze Nacht durchgeschlafen haben. Während andere doch mehrmals zu allen Unzeiten nach ihr geläutet haben, sei es, weil sie Durst hatten, weil sie ein Medikament wollten oder einfach aufs Klo mussten.

Diese Erfahrung brachte den Roten Bären auf die Idee, der gesamten Männerstation ihre Zusatzdienste anzubieten. Für die vierzig bis fünfzig Minuten, die sie dafür investierte, erhielt sie eine störungsfreie Nacht. Wenn sie um fünf in der Früh aufstand, lagen die Männer noch immer in ihren schönsten Träumen.

Leider, muss man sagen, leider begannen nun die Männer auch von anderen Nachtschwestern ihre Sonderwünsche einzufordern. So kamen die Aktivitäten des Roten Bären ans Tageslicht. Und die Caritas war davon überhaupt nicht begeistert. Obwohl der Rote Bär auch bei den Kolleginnen und Kollegen sehr beliebt war, musste die Heimleitung ihre Entlassung aussprechen. Die Stimmung in der Männerabteilung war am Boden.

Da die Caritas sich auch geweigert hatte, dem Roten Bären ein gutes Zeugnis auszustellen, war es schwer für sie, wieder eine Anstellung als Pflegerin zu finden. Eine Zeitlang lebte sie von der Arbeitslosen. Bis sie eines Tages in einer Zeitung Inserate sah, wo Frauen Dienste anboten, die zwar ein wenig weiter reichten als das, was sie im Altersheim gemacht hatte, aber im Grunde genommen verfolgten sie dasselbe Ziel. So bot sie schließlich selbst entsprechende Dienste bei sich zu Hause an. Und da zu ihrer Überraschung das Geschäft viel besser lief als sie erwartet hatte, konnte sie bald in ein Objekt investieren, das zufällig in der Nähe von Niederfeld lag. Anfangs war sie noch ein Ein-Personen-Unternehmen mit nur einem Arbeitszimmer. Aber schon kurze Zeit später hatte sie zwei Mitarbeiterinnen und vier Arbeitsräume inklusive einer Bar. Bei dieser Größe beließ sie es dann.

Dass es der Rote Bär in Niederfeld rasch zu großer Bekanntheit gebracht hatte, war leicht nachzuvollziehen, auch wenn ihr Standing nicht das allerbeste war. Dabei hatte sie nie das Gefühl, etwas Böses oder Unanständiges zu machen. Im Gegenteil, sie verkaufte einfach Freude. Viel Freude. Nicht einmal die Heurigenwirte bereiteten ihren Kunden so viel Freude wie der Rote Bär.

Auf der Straße, wenn sie beim Sigi einkaufen war, oder wenn sie sonntags die Kirche besuchte, wurde sie kaum gegrüßt. Von den Frauen sowieso nicht, die hatten ja das Gefühl, dass der Rote Bär Unruhe in ihr Eheleben bringen könnte. Und auch die Männer wirkten sehr reserviert. Mit jedem Lächeln und jedem Zuzwinkern würden sie sich ja verdächtig machen, Kunde des Roten Bären zu sein. Jene acht bis zehn Herren, die quasi die oberen Zehntausend von Niederfeld bildeten, ignorierten sie völlig, obwohl der Rote Bär extra für sie an der Rückseite ihres Hauses einen VIP-Eingang samt VIP-Parkplatz eingerichtet hatte und somit absolute Anonymität garantieren konnte.

 

Um mit dem Roten Bären Kontakt aufzunehmen, griff Hemma erst einmal zum Handy, die Nummer des Etablissements stand ja im Telefonbuch. Doch sie kam nur auf die Mailbox. Und auf dieser wollte Hemma keine Nachricht hinterlassen. Sie wusste ja nicht, ob diese nicht einmal gegen sie verwendet werden konnte. Irgendwann einmal ist ihr die Sache mit dem VIP-Parkplatz zu Ohren gekommen. Es war der Hubert, der ihr einmal davon erzählt hatte, verbunden mit dem Hinweis, dass die Polizei ja wohl über so etwas Bescheid wissen müsse. Wäre das vielleicht eine Möglichkeit, mit dem Roten Bären in Kontakt zu kommen, ohne dass gleich das ganze Dorf davon erfährt?

Egal, irgendwas musste sie nun unternehmen. Denn je länger sie zögerte, umso mehr Zeit mussten die Hasanins in ihrem Quartier verbringen und umso länger konnte Hakim keinem Job nachgehen. Also gab sie sich einen Ruck, stieg in ihren Kadett und fuhr vor die Tore Niederfelds hinaus zu jenem Haus und zu jener Frau, die so etwas wie der Schandfleck in ihrer Pfarre war.

Als sie beim Promi-Parkplatz des Roten Bären ankam, sah sie, dass dieser mit einem Einfahrtstor verschlossen war. Es galt, wie bei der Einfahrt in ein Parkhaus, vom Fahrersitz aus eine Klingel zu drücken und abzuwarten, bis sich eine Stimme meldete.

»Hallo, wer ist da?«

»Ja,...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99074-146-2 / 3990741462
ISBN-13 978-3-99074-146-7 / 9783990741467
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