Die Tote aus Larrelt. Ostfrieslandkrimi (eBook)
180 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-768-0 (ISBN)
»Das ist Heike Haan, die Lotto-Queen von Ostfriesland!« Die Polizeimeisterin und Landwirtin Altje Remels traut ihrem Blick kaum. Beim Gülleausfahren erregt eine Person an der Bushaltestelle in Larrelt ihre Aufmerksamkeit. Da sitzt eine Tote, und es handelt sich ausgerechnet um ihre verhasste ehemalige Klassenkameradin Heike! Irgendjemand muss Heike Haan direkt bei der Bushaltestelle ermordet haben. Auch die Tatwaffe, ein abgesägter Schippenstiel, ist schnell ausgemacht. Allerdings scheint in dem neuen Mordfall für Kommissar Steen und die Kripo Emden halb Larrelt ein Motiv zu haben. Besonders Heikes Protzen mit dem Millionengewinn im Lotto vor einigen Jahren sorgte bei den Bewohnern des Emder Stadtteils für nachhaltigen Unmut. Außerdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Heike beim Tod ihres eigenen Vaters etwas nachgeholfen haben soll...
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Krimis, Fantasy-Romanen und Jugendbüchern. Seine Romane erreichten eine Gesamtauflage von über 3 Millionen Exemplaren und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Väterlicherseits stammt seine Familie aus Ostfriesland. Sein Großvater war jahrzehntelang Bürgermeister von Twixlum, die dortige Thedastraße ist nach seiner Großmutter benannt. Er selbst lernte als Zehnjähriger auf dem Großen Meer das Segeln und kehrte auch später mit der eigenen Familie immer wieder im Urlaub dorthin zurück. So lag es für ihn nahe, diese Gegend wie auch die Insel Norderney zum Schauplatz seiner Ostfrieslandkrimis zu machen.
Kapitel 2
Kriminalhauptkommissar Ebbo Steen, der Leiter der Mordkommission bei der Kripo Emden, saß im Café am Stadtgarten, genehmigte sich ein ausgiebiges, gemütliches Frühstück und trank dazu Tee nach Ostfriesenart mit Sahne und Kluntjes. Dabei genoss er den Ausblick, den man von seinem Platz aus auf den Delft hatte.
Dieser Wasserarm reichte bis in die Innenstadt Emdens. Vor 400 Jahren, in der sogenannten großen Zeit Emdens, lagen hier Hunderte von Schiffen am Kai, und Emden war für einige Zeit der größte Hafen Europas. Die »Pracht Emdens« hatte selbst Shakespeare beeindruckt. Aber diese Zeiten waren lange vorbei. Immerhin war der Seehafen Emden geblieben, auch wenn er natürlich nicht mit Hamburg oder Rotterdam konkurrieren konnte. Genau genommen nicht einmal mit Wilhelmshaven.
Steen hob die Teetasse zum Mund und nahm in aller gebotenen Ruhe einen Schluck, während sein Blick an den Schiffen entlangwanderte, die heute am Delft lagen. Die meisten hatten ihren Liegeplatz dort für immer. Richtige Seeschiffe waren das nicht, sondern Museums- und Restaurantschiffe, deren Seetüchtigkeit wohl eher der von Hausbooten glich. Ein ehemaliger Seenotrettungskreuzer war darunter. Den konnte man besichtigen, wenn man wollte. Aber in See stechen tat auch dieses Schiff nicht mehr. Ein schöner Anblick war das alles aber trotzdem.
»Bei Ihnen alles in Ordnung, Herr Steen?«, fragte eine Stimme und riss Steen aus seinen Gedanken. Die Stimme gehörte Frau Oltrogge, die hier bediente.
»Oh ja, danke der Nachfrage«, sagte Steen. »Und ansonsten: Erstmal Moin, Frau Oltrogge.«
»Moin, Herr Steen.«
»Es gibt doch nichts Schöneres, als hier bei Ihnen zu sitzen und auf den Delft zu schauen«, meinte Steen. »Eigentlich ist es immer dasselbe – und doch ist es jedes Mal anders.«
»Das liegt am Wetter«, meinte Frau Oltrogge.
»Gut möglich«, sagte Steen.
»Das ändert sich hier im Norden stündlich und manchmal hat man alle Jahreszeiten an einem Tag.«
Steen musste lächeln. »Das ist schön formuliert. Aber genauso ist es.«
»Sie können ja froh sein, dass Sie das heute so genießen können. Wenn jetzt irgendwo ein Mord passiert wäre, dann wäre sicher viel zu tun für Sie.«
»Das heißt nicht, dass ich so jetzt nichts zu tun habe«, schränkte Steen ein.
»So wollte ich auch nicht verstanden werden, Herr Steen.«
»Ich arbeite auch, wenn kein Mord geschieht. Zu tun gibt es immer was. Aber im Prinzip haben Sie natürlich recht, Frau Oltrogge.«
»Ganz ehrlich, Herr Steen. Mir ist lieber, Sie haben nicht so viel Arbeit.«
»Ja, mir auch«, seufzte der Kommissar. »Aber erstens kann man sich das nicht aussuchen und zweitens kann es sich auch im Handumdrehen ändern.«
»Ich bewundere immer die Ruhe, mit der Sie an die Dinge herangehen, Herr Steen. Als hier neulich im Café so ein Verrückter mit einer Pistole herumfuchtelte und völlig wirres Zeug faselte, da brach hier erstmal Panik aus. Nur Sie sind ruhig geblieben und haben die Situation geregelt.«
»Sich aufregen bringt ja nichts«, sagte Steen.
»Ja, das sagt sich so leicht!«, gab Frau Oltrogge zurück. »Aber wenn dann eine solche Situation plötzlich da ist, dann denkt kaum jemand daran, sich so zu verhalten, wie es eigentlich vernünftig wäre.«
»Ist ja gut gegangen«, meinte Steen.
»Im Nachhinein kann man das immer sagen. Aber wenn Sie nicht so ruhig geblieben wären … Ich weiß nicht!«
»Naja, wir wollen mal nicht übertreiben.«
»Herr Steen, ich glaube, da hat es jemand auf Sie abgesehen … Ein Kollege!« Frau Oltrogge machte eine leichte Bewegung in Richtung der Eingangstür. Erst jetzt bemerkte Steen den hochgewachsenen, uniformierten Mann, der gerade eingetreten war. Dieser straffte sich, richtete sich zu voller Größe auf und zog seine Uniform glatt.
Natürlich kannte Kommissar Steen den Mann.
Das war sein Kollege Polizeiobermeister Johnny Volkerts.
Johnny erregte schon aufgrund seiner hoch aufragenden Gestalt und der Uniform Aufmerksamkeit im Café. Die Gespräche an den Tischen verstummten. Die Blicke richteten sich auf den Polizeiobermeister und man erwartete wohl, dass jetzt irgendeine amtliche Handlung folgte. Johnny vermittelte zumindest durch seine Körperhaltung und seine ganze Art, sich zu geben, diesen Eindruck. Aber das war typisch für ihn. Eigentlich war bei Johnny Volkerts jede Handlung eine amtliche Handlung. Er galt als überaus korrekt, wobei die Grenze zwischen überaus und überkorrekt natürlich fließend war und von den anderen Kollegen mal so und mal so beurteilt wurde.
Johnny Volkerts ließ den Blick schweifen und war sich der Aufmerksamkeit bewusst, die er durch sein Auftreten erregt hatte.
»Moin allerseits«, sagte er also in den Raum hinein. Ein etwas undeutlicher und vielstimmiger Chor antwortete ihm mit einem deutlich verhalteneren »Moin«.
»Irgendwas passiert?«, fragte jemand von einem der Tische. Es handelte sich um einen beleibten Herrn mit hoher Stirn und buschigen Augenbrauen. Die hohe Stirn bewirkte, dass sein Stirnrunzeln besonders deutlich hervortrat.
»Nicht hier!«, versicherte Johnny Volkerts, was den Café-Gast irgendwie zu beruhigen schien.
Dann hatte Johnny schließlich den Kommissar entdeckt. Die Vermutung von Frau Oltrogge war zutreffend: Johnny Volkerts wollte offenbar zu Steen.
»Ja, ich lass Sie beide dann mal besser allein«, meinte Frau Oltrogge. »Wollen Sie auch hier frühstücken?«, wandte sie sich dann noch an Johnny.
Aber der Polizeiobermeister schüttelte energisch und auf eine Art und Weise den Kopf, die bewirkte, dass man ihm diese Frage ganz bestimmt nicht ein zweites Mal stellte.
»Danke«, setzte Johnny dann noch hinzu und anschließend setzte er sich auf den freien Stuhl an Steens Tisch.
»Moin, Johnny. Was führt dich denn hierher?«
»Steen, ich habe versucht dich anzurufen.«
»Ja, der Handyempfang ist hier manchmal nicht so richtig gut.«
»Könnte es auch sein, dass du das Gerät gar nicht eingeschaltet hast?«
Steen langte in die Innentasche seines Jacketts. Tatsächlich. Das Gerät war abgeschaltet. »Mmh«, murmelte der Kommissar.
»Na, dann ist es ja kein Wunder, dass man dich nicht erreichen kann.«
Steen schaltete das Handy jetzt ein und stellte fest, dass eine ganze Reihe von Nachrichten für ihn eingegangen waren. Man muss ja nicht immer mit der Welt verbunden sein, dachte er. Nicht 24 Stunden am Tag jedenfalls.
»Es gibt einen Mord, Steen.«
»Oh«, meinte er. Dann schüttete er sich erstmal noch eine Tasse Tee ein.
»Wir müssen jetzt dringend aufbrechen, Steen! Ulfert ist schon an Ort und Stelle und Altje ja sowieso. Die hat die Leiche nämlich gefunden.«
Kriminalhauptkommissar Ulfert Jansen war der zweite Kommissar in Steens Abteilung. Ulfert war um einiges jünger als Steen, hatte ein paar Jahre in Berlin beim Bundeskriminalamt verbracht und war dann in seine ostfriesische Heimat zurückgekehrt. Er kannte sich gut mit den neuesten forensischen Techniken am Tatort aus und Steen musste anerkennen, dass ihnen dieser Umstand bei der Aufklärung einiger verzwickter Fälle schon sehr zugutegekommen war. Und Polizeimeisterin Altje Remels war innerhalb des Teams so etwas wie das Gegenstück zu dem ordnungsliebenden Johnny Volkerts.
»Dann ist ja gut, dass Altje wenigstens schon an Ort und Stelle ist«, meinte Steen, während er kurz die Teetasse absetzte, um dann in aller Ruhe den Rest auszutrinken.
»Ich würde sagen, wir kommen dann jetzt auch mal langsam auf den Patt, Steen.«
»Wer ist denn tot?«, fragte Steen.
»Die Tote heißt Heike Haan und kommt aus Larrelt. Es soll sich um eine ehemalige Klassenkameradin von unserer Kollegin Altje handeln. Die beiden sind zusammen auf die Grundschule in Larrelt gegangen. Hat sie jedenfalls am Telefon gesagt. Aber sie war ziemlich aufgebracht, ich weiß nicht, ob ich das in der Eile alles so richtig verstanden hab.«
»Sind die Oldenburger schon verständigt?«, fragte Steen.
»Hat Ulfert schon erledigt, bevor er sich in Richtung Tatort auf den Weg gemacht hat.«
Die Oldenburger, das war die Außenstelle des Landeskriminalamtes Niedersachsen in Oldenburg, der auch das zuständige gerichtsmedizinische Institut angegliedert war. Eine Leiche musste ja schließlich irgendwo untersucht und aufbewahrt werden. Und dasselbe galt für eventuell aufgefundene Asservate, die dann in Oldenburg einer kriminaltechnischen Untersuchung zugeführt werden konnten.
»Haben die schon gesagt, wann die hier sind?«, wollte Steen noch wissen.
Johnny Volkerts seufzte. »Du weißt ja, was die einem immer erzählen: Wir kommen so schnell wie möglich – und am Ende wartet man dann doch...
Erscheint lt. Verlag | 8.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-96586-768-7 / 3965867687 |
ISBN-13 | 978-3-96586-768-0 / 9783965867680 |
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