Der Tod in den Schären (eBook)
480 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3408-7 (ISBN)
Insel in blutroten Wellen.
Blutspuren führen die Treppe zu Börje Bohmans Haus hinauf, dem einzig verbliebenen auf der neuen Radwegstrecke hinunter in den Ort. Doch der sturköpfige Besitzer, der dem Bauprojekt partout nicht weichen will, ist spurlos verschwunden. Aber was hat das Verschwinden eines alten Mannes mit dem Fund eines Babys in einem fremden Kinderwagen zu tun? Die hochschwangere Ermittlerin Anna Glad ahnt nicht, welch düstere Geheimnisse der Vergangenheit zutage zu kommen drohen und in welche Gefahr sie sich bei ihren Nachforschungen begibt ...
Ein atmosphärischer Finnlandkrimi - Anna Glads zweiter Fall.
»Eva Frantz zeigt einmal mehr, was für eine geschickte Krimiautorin sie ist.« Vasabladet.
Eva Frantz, geboren 1980, wuchs in einem Vorort von Helsinki auf. Sie arbeitete als Radiomoderatorin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Finnland, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie wohnt mit ihrem Mann und drei Kindern in Esbo, Finnland. Im Aufbau Taschenbuch ist bereits ihr Roman »Die Tote im Eis« erschienen. Mehr zur Autorin unter www.evafrantz.com
Kapitel 1
He, dumme Nuss
damit ich dich nicht sehen muss
nimm einen Spaten
und buddel ein Grab im Garten
Donnerstag, 8. Juni
Saara Nyman war mit dem Kinderwagen draußen und summte ein Ed-Sheeran-Lied vor sich hin.
Endlich! Sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass es in diesem Jahr noch mal Sommer werden könnte. Der Winter hatte sich ewig gehalten – bis Walpurgis –, und auch danach war es wochenlang grau, nass und windig gewesen. Bei solchem Wetter mit dem Baby rauszugehen, war nicht gerade verlockend, und wann immer sie irgendwo hingemusst hatten, war Saara lieber mit dem Auto gefahren.
Aber endlich – endlich hatten die Wettergötter ein Einsehen gehabt. Auf Wiedersehen, Handschuhe, und willkommen, Sonnenbrille!
Tuuli war nach einem ungewöhnlich quengeligen Morgen drauf und dran einzuschlafen (Saara hatte die Zähne in Verdacht), doch jedes Mal, wenn ein Lichtstrahl sich unter das Verdeck des Kinderwagens stahl, verzog sie erneut das Gesicht und presste ein unzufriedenes »Gwääääää« hervor.
Saara blieb stehen, zog ein dünnes Mulltuch aus der Wickeltasche und befestigte es am Verdeck. Dann hob sie das Tuch an und sah nach Tuuli.
So sollte es funktionieren. Das Tuch war dünn genug, so dass die Kleine Luft bekam, schützte jedoch vor der Sonne.
Nach ein paar Minuten wurde es unter dem Tuch still. Tuuli war endlich eingenickt.
Inzwischen war Saara im Stadtzentrum angekommen. Dort hatten wohl mehrere Ladenbesitzer beschlossen, dass nun Sommer wäre: Sowohl beim Optiker als auch beim Eisenwarenhändler standen die Türen sperrangelweit offen, und auf dem Gehweg vor dem Blumenladen erstreckte sich ein Meer aus Petunien und Begonien.
Saara wurde langsamer. Ein paar Töpfe mit Petunien würden sich auf dem Balkon bestimmt gut machen. Mit den Stiefmütterchen ein paar Wochen zuvor war sie zu übereifrig gewesen, die hatten noch Frost abbekommen. Aber jetzt würde es doch bestimmt besser gehen?
Nur dumm, dass sie allein unterwegs war; Tuuli würde garantiert wach werden, sobald sie versuchte, den Kinderwagen in den Laden zu manövrieren, aber sie konnte ihn ja schlecht draußen stehen lassen.
Oder doch?
Wenn sie sich beeilte?
Behutsam bugsierte sie den Kinderwagen an die Fassade. Hier stand er im Schatten, außerdem würde sie durchs Schaufenster das Verdeck sehen können. Hinter dem Tuch war ein zufriedener Seufzer zu hören. Tuuli schlief tief und fest.
Sie brauchte nur ein paar Minuten, dann war Saara mit einer riesigen Papiertüte voller bunter Frühblüher wieder draußen.
Im selben Moment verspürte sie ein Ziehen in der Brust. Hoffentlich würde Tuuli noch bis zu Hause durchhalten, ehe sie hungrig wurde und zu quengeln begann. Sie sollte sich beeilen, denn auch wenn es derzeit sonnig und warm war, hatte Saara den Verdacht, dass noch nicht ganz der Moment gekommen war, um Tuuli draußen auf einer Parkbank zu stillen.
Mit langen Schritten schob sie den Kinderwagen heimwärts. Mit dem zusätzlichen Gewicht der Blumentüte kam sie richtiggehend ins Schwitzen.
Der letzte Anstieg zu ihrer Doppelhaushälfte war eine Herausforderung, doch dann hatte sie es geschafft. Im Kinderwagen war es immer noch still, als sie stehen blieb, nach ihrem Schlüssel kramte und das Mulltuch anhob.
»Sooo, kleine Tuuli, wir sind wieder daheim …«
Saaras Nachbarin, die pensionierte Grundschullehrerin Margit Bergholm, die gerade das Küchenfenster putzte, zuckte heftig zusammen und geriet auf ihrer Trittleiter ins Wanken, als sie Saara kreischen hörte.
»Herr im Himmel! Was ist denn da los?«
Sie war zutiefst erschrocken und zugleich stinksauer – sie hätte stürzen und sich sonst was brechen können.
Wie versteinert stand Saara auf dem Gehweg und starrte ungläubig in den Kinderwagen.
Dann stieß sie heiser hervor: »Notruf! Ruf die Polizei!«
Anna Glad zog den Saum ihres Sportoberteils nach unten. Das blöde Ding rutschte ständig nach oben, während die Hose nach unten rutschte und ihr Bauch wie Muffin-Teig mit zu viel Backpulver dazwischen hervorquoll.
Als Anna mit ihrer Anmeldung zum Schwangerschaftsyoga- und Entspannungskurs herausgerückt war, hatte ihre beste Freundin Linda sofort begeistert ihre alten Schwangerschafts-Sportsachen herausgesucht.
»Natürlich passen die – ist doch Trikotstoff!«, hatte sie behauptet. »Bestimmt sind sie anfangs sogar zu groß, ich hab sie im neunten Monat extrem ausgedehnt.«
Ärgerlicherweise saßen die Sachen um Annas schwangeren Leib eher wie eine Wurstpelle; ihr Bauch war nicht mal unerträglich groß, allerdings war komischerweise der ganze Rest ihres Körpers im Frühling in jeglicher Hinsicht aus dem Leim gegangen – und noch hatte Anna den kompletten Sommer vor sich, ehe das Baby kommen würde.
Weil Anna ausnahmsweise pünktlich und die Erste im Kurs war, nutzte sie die Gunst der Stunde und betrachtete sich in der verspiegelten Studiowand.
Hmm. Nun war es eben, wie es war. Hoffentlich würde ihr Körper wieder schrumpfen, wenn das Kind erst auf der Welt wäre. Und Lindas teure Yogasachen sahen ohne Frage gut aus – auch wenn sie gut und gern zwei, drei Nummern größer hätten sein dürfen. Zum Trost tätschelte Anna sich den Bauch – und war sich nicht ganz sicher, ob sie selbst Trost brauchte oder eher ihr Kind.
»Tja, Calzone, dann machen wir jetzt also Yoga«, murmelte sie in sich hinein.
Sie hatte in letzter Zeit nicht allzu viel Bewegung bekommen; in ihrem Zustand waren Joggingrunden und Krafttraining ihr schlichtweg unmöglich vorgekommen. Yoga funktionierte und fühlte sich gut an: Da saß man meist nur mit überkreuzten Beinen da und machte »Ommm«. Das schaffte sogar eine Anna Glad.
Ansonsten war sie bislang eher schlecht mit sämtlichen Dingen gewesen, die man als Schwangere angeblich tun sollte. Anscheinend hätte sie ihr Zuhause dekorieren und alles umorganisieren müssen – was laut Linda als »Nesting« bezeichnet wurde. Überdies hieß es, man würde Erziehungsratgeber verschlingen, zig Babysachen kaufen und nur noch in Latzhosen herumlaufen …
Bei Anna war nichts dergleichen passiert. Aber vielleicht war das Schwangerschaftsyoga ja der Startschuss zu allem.
Drei jüngere Frauen schlenderten mit aufgerollten Yogamatten unter dem Arm herein. Sie grüßten lächelnd, und Anna lächelte zurück.
Himmel, wie fit die drei aussahen! Überdies sahen sie einander ähnlich. Alle drei hatten sich die Haare lose auf dem Kopf zusammengezwirbelt. Die strammen Babybäuche sahen an ihren schlanken Leibern so perfekt halbkugelrund aus, dass Anna fast den Verdacht hatte, dass unter den Oberteilen eher Kissen steckten als echte Babybäuche. So konnte man anscheinend auch aussehen, wenn man schwanger war … Na dann.
»Wie war das gleich?«, fragte die Frau, die ihre Matte direkt neben Anna ausrollte. »Man kriegt doch sein Geld zurück, wenn das Kind früher kommt? Für die Yogastunden, die man dann verpasst, meine ich.«
Erst zeitverzögert dämmerte es Anna, dass die Frage an sie gerichtet war.
»Öh … ja, richtig. Doch.«
Sie meinte, auf der Webseite des Yogastudios irgendwas in der Art gelesen zu haben.
»Ich hatte bei meinen ersten beiden eine krasse Beckeninstabilität. Diesmal geht es viel besser«, warf eine andere ein.
Anna nickte freundlich. Das klang doch gut.
»Brauchen wir noch etwas anderes als die Matten? Was ist mit dem Block?«, fragte Nummer drei.
Anna war zusehends ratlos. Woher sollte sie das wissen? Doch dann ging ihr ein Licht auf.
»Ihr glaubt, ich bin die Kursleiterin?«
...Erscheint lt. Verlag | 14.3.2024 |
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Reihe/Serie | Anna Glad ermittelt | Anna Glad ermittelt |
Übersetzer | Leena Flegler |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | För han var redan dö |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | alte Geheimnisse • Anna Glad • Die Tote im Eis • finnische küste • Finnland • Finnlandkrimi • Krimi • Schäreninsel • Skandinavien Krimi • Thriller • Verschwinden |
ISBN-10 | 3-8412-3408-9 / 3841234089 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3408-7 / 9783841234087 |
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