Die Schlangenmutter – Ein Fantasy-Roman (eBook)
Bärenklau Exklusiv (Verlag)
978-3-7579-2574-1 (ISBN)
Von der Hoffnung erfüllt, mithilfe einer seltsamen Landkarte einen Schatz der alten Inkas zu finden, macht sich Nicholas Graydon, ein Bergbauingenieur, zusammen mit drei Abenteurern auf den Weg in ein Gebiet der Kordilleren, das bisher noch kein Weißer betreten hat.
Habgier, Goldfieber und Hass machen die Expedition zu einem Fiasko. Nur Graydon überlebt - und er gelangt nach Yu-Atlanchi, dem verbotenen Land. Dort, unter Geschöpfen, die zeitlos sind und die den Tod nicht kennen, lernt Graydon, der Mann des 20. Jahrhunderts, die Wunder und Schrecken eines Volkes kennen, das viel älter als die Menschheit ist ...
<p>Abraham Merritt war ein begnadeter amerikanischer Fantasy-Autor.<br> Lore Straßl war eine bedeutende Übersetzerin. Sie hat unzählige Romane uns Serien ins Deutsche übersetzt.</p>
1. Suarra
Nicholas Graydon begegnete Starrett in Quito. Das heißt, Starrett kam dort zu ihm. Graydon hatte schon viel von dem bekannten Abenteurer der Westküste gehört, aber bisher hatten ihre Pfade sich nie gekreuzt. Also öffnete er seinem Besucher mit unverhohlener Neugier die Tür.
Starrett kam sofort zur Sache. Graydon kannte doch sicher die Legende des Schatzzugs, der Pizarro das Lösegeld des Inkas Atahualpa hatte bringen sollen? Und hatte bestimmt gehört, dass die Beauftragten den Schatz irgendwo in der Wildnis der Anden versteckten, als sie vom Mord an ihrem Herrscher erfuhren?
Natürlich kannte Graydon die Legende und hatte sogar schon einmal in Betracht gezogen, den Schatz zu suchen.
Das sagte er auch. Starrett nickte. »Ich weiß, wo er ist«, behauptete er.
Graydon lachte. Doch schließlich überzeugte Graydon ihn, oder zumindest davon, dass er etwas wusste, was des Nachgehens wert wäre.
Graydon gefiel der große Mann. Er war von einer geraden Freimütigkeit, die ihn den Zug von Grausamkeit in Augen und Kinn des Abenteurers übersehen ließ. Er habe noch zwei Kameraden, die mitkommen würden, sagte Starrett.
Graydon fragte, wieso sie an ihn gedacht hatten. Starrett machte kein Hehl aus dem Grund. Weil er, Graydon, sagte er, sich die Kosten für die Expedition leisten konnte. Jeder der vier sollte einen gleichen Anteil des Schatzes bekommen. Falls sie ihn entgegen aller Erwartung nicht fanden, würden sie bestimmt auf wertvolle Bodenschätze stoßen, aus denen sich Geld machen ließe, schließlich war Graydon nicht umsonst erstklassiger Mineningenieur.
Graydon überlegte. Im Augenblick hatte er keine Verpflichtungen. Er war jetzt vierunddreißig, und seit er vor elf Jahren vom Institut für Bergbau der Universität Harvard promoviert war, hatte er sich nie einen Urlaub gegönnt. Die Auslagen konnte er sich leisten, damit hatte Starrett recht.
Außerdem würde das Ganze ein bisschen Aufregung in sein Leben bringen, wenn schon sonst nichts.
Nachdem er Starretts Kameraden in Augenschein genommen hatte – Soames, ein hagerer, finsterer Yankee, und Dancret, ein zynischer, unterhaltsamer Franzose –, hatten sie gemeinsam einen Vertrag aufgesetzt und unterschrieben.
Auf dem Schienenweg erreichten sie Cerro de Pasco, wo sie sich für die Expedition ausrüsteten, denn das war die letzte Stadt, durch die sie vor ihrem Aufbruch in die Wildnis kommen würden. Eine Woche später befanden sie sich mit acht Eseln und sechs arrieros, Packmännern, in den hohen Bergen, durch die nach Starretts Karte ihr Weg führte.
Die Karte hatte Graydon überzeugt. Sie war nicht aus Pergament, sondern aus einem dünnen Blatt Gold, das so geschmeidig wie Leder war. Starrett hatte sie aus einer kleinen Goldröhre gezogen – die, nach ihrer handwerklichen Arbeit zu schließen, uralt sein musste – und aufgerollt.
Graydon betrachtete sie, sah jedoch nichts weiter als ein dünnes leeres Blatt Gold. Erst als Starrett sie in einem ganz bestimmten Winkel hielt, wurden die Zeichen darauf sichtbar.
Es war eine bemerkenswerte Art von Kartographie. Tatsächlich war es weniger eine Karte, als ein Bild. Da und dort befanden sich seltsame Symbole, die, wie Starrett erklärte, unterwegs in die Felsen gehauen waren, um den Angehörigen der alten Rasse als Wegweiser zum Schatz zu dienen, sobald die Spanier aus dem Land vertrieben waren.
Ob die Karte nun tatsächlich ein Hinweis auf das Lösegeld für Atahualpa war oder etwas anderes, konnte Graydon natürlich nicht beurteilen. Starrett war sicher, dass die Karte zum Schatz führen würde. Graydon glaubte nicht, dass das goldene Blatt auf die Weise in seine Hand gelangt war, wie er es behauptete. Wie dem auch war, man hatte die Karte zu einem bestimmten Zweck hergestellt, und nach der Sorgfalt ihrer Ausarbeitung und der »Wegweiser« musste sie zumindest zu etwas Interessantem führen.
Sie fanden die in die Felsen gehauenen Zeichen genau wie auf dem Goldblatt dargestellt. In froher Erwartung folgten sie diesen Wegweisern, und Starrett, Soames und Dancret machten sich bereits jetzt Gedanken darüber, was sie mit ihrem Anteil tun würden. Und so kamen sie immer weiter in die Wildnis, die noch kein Kartograph erfasst hatte.
Schließlich steckten die arrieros die Köpfe zusammen.
Sie näherten sich einem Gebiet, sagten sie, in dem Dämonen hausten. Cordillera de Carabaya wurde es genannt. Versprechen, mehr Geld zu bezahlen, Drohungen und Bitten trugen dazu bei, dass sie noch ein Stück weiter mitkamen, aber eines Morgens waren die arrieros verschwunden und mit ihnen die Hälfte der Packesel und der größte Teil des Proviants.
Allein zogen die vier Weißen weiter. Dann ließen die Wegweiser sie im Stich. Entweder waren die vier vom Pfad abgekommen, oder die Karte, die bisher so genau gewesen war, hatte sie in die Irre geführt.
Sie hatten ein ungewöhnlich einsames Gebiet erreicht.
Seit sie vor etwa vierzehn Tagen in einem Quijo-Dorf haltgemacht hatten, wo Starrett sich mit dem selbstgebrannten Schnaps der Quijo einen furchtbaren Rausch angesoffen hatte, waren sie keinem Indianer mehr begegnet. Es war schwierig, in dieser Gegend etwas Essbares zu finden. Vierbeiner gab es nur wenige, und Vögel waren noch rarer.
Am Schlimmsten war der Stimmungsumschlag von Graydons Kameraden. So himmelhoch sie die Gewissheit ihres bevorstehenden Erfolgs hatte jauchzen lassen, so zutiefst niedergeschlagen waren sie jetzt. Starrett bemühte sich, überhaupt nicht mehr nüchtern zu werden, und war in seiner Betrunkenheit abwechselnd streitsüchtig laut und verbissen schweigsam.
Dancret wirkte gereizt und verkniffen. Soames war offenbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die anderen drei sich gegen ihn verschworen hatten und absichtlich in die Irre gelaufen waren oder die Zeichen verwischt hatten. Nur wenn die beiden sich Starrett beim Saufen des Schnapses anschlossen, mit dem sie die Packesel beladen hatten, entspannten die drei sich ein wenig, doch dann hatte Graydon immer das beunruhigende Gefühl, dass sie ihn für ihr Versagen verantwortlich machten und sein Leben vielleicht an einem dünnen Faden hing.
Graydons großes Abenteuer begann jedoch erst wirklich, als er eines Tages von der Jagd zu ihrem Lager zurückkehrte. Dancret und Soames waren miteinander zu einer neuerlichen Suche nach den Markierungszeichen unterwegs.
Ein plötzlich abgewürgter Schrei eines Mädchens erschien Graydon wie die Antwort auf alle seine Befürchtungen, die Materialisierung der Drohung, die seine vagen Ängste erahnt hatten, seit er Starrett vor Stunden allein im Lager zurückgelassen hatte. Ja, er hatte gespürt, dass etwas sehr Unerfreuliches bevorstand – und da war es! Graydon begann zu laufen und stolperte den Hang zu der Gruppe graugrüner algarrobas hinauf, wo das Zelt aufgeschlagen war, und brach sich einen Weg durch das Unterholz zur Lichtung.
Warum schrie das Mädchen nicht mehr? Ein hässliches, raues Lachen drang an seine Ohren.
Halb zusammengekauert hatte Starrett das Mädchen über ein Knie gelegt. Ein Arm presste ihre Handgelenke zusammen, während er ihre Knie im Schraubstock seines abgewinkelten rechten Beines hielt.
Graydon packte ihn am Haar, legte ihm den Arm unter das Kinn, und zog ihm den Kopf scharf zurück.
»Lass sie los!«, befahl er.
»Was hast du dich einzumischen?«, knurrte Starrett. Eine Hand flog zu seiner Pistole. Graydon versetzte ihm einen Kinnhaken. Die halbgezogene Waffe fiel auf den Boden, und Starrett sackte zusammen.
Das Mädchen sprang auf und rannte davon.
Graydon schaute ihr nicht nach. Zweifellos holte sie ihre Leute – einen Stamm der wilden Aymarä, die selbst die alten Inkas nie hatten ganz unterwerfen können –, um sich auf eine Weise zu rächen, die Graydon sich lieber gar nicht erst ausmalte.
Er beugte sich über Starrett. Kinnhaken und Rausch würden dafür sorgen, dass der Bursche so schnell nicht zu sich kam.
Graydon hob die Pistole auf. Er wollte, Dancret und Soames würden möglichst bald zurückkommen. Zu dritt hatten sie eine größere Chance gegen die Indianer, oder vielleicht konnten sie sogar noch fliehen, ehe die Rächer kamen. Bestimmt berichtete ihnen das Mädchen gerade. Er drehte sich um …
Sie stand da und schaute ihn an.
Graydon sah nur noch sie und ihren Liebreiz. Er vergaß den Mann zu seinen Füßen, vergaß alles.
Ihre Haut war von hellstem Elfenbein. Sie schimmerte durch die Risse des weichen bernsteinfarbigen Stoffes, in den sie gehüllt war. Ihre Augen waren oval, ein ganz klein wenig schräg, nahezu ägyptisch mit den mitternachtsdunklen Pupillen, und die geraden, schwarzen Brauen darüber trafen sich fast über der Nasenwurzel. Ihre Nase war zierlich. Ein schmaler Goldreif über der hohen Stirn hielt ihr pechschwarzes Haar zusammen. In dem Goldreif steckten ineinander verschlungen eine schwarze und eine silberne Feder des caraquenque – jenes Vogels, der in alter Zeit als den Inkaprinzessinnen geweiht gegolten hatte.
Über ihren Ellbogen trug sie goldene Armbänder, die bis fast zu ihren Schultern reichten. Ihre Füße steckten in halbhohen Stiefeln aus weichem Wildleder.
Nein, das war keine Indianerin – keine Tochter der alten Inkas, aber auch spanischer Abstammung war sie nicht. Sie war von keiner Rasse, die er kannte.
Ihre Wangen wiesen die Abdrücke von Starretts groben Fingern auf. Ihre langen, schmalen Hände fuhren darüber.
Sie sprach – in der Zunge der Aymarä. »Ist er tot?«
»Nein«, erwiderte Graydon.
Tief in ihren Augen loderte eine heiße Flamme auf. Er hätte schwören können, dass es Freude war.
»Das ist gut. Ich wollte nicht, dass er stirbt …« Ihre...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2023 |
---|---|
Übersetzer | Lore Strassl |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Abenteuer • Amazonen • Dark • Drachen • düster • Elfen • episch • Fantasy • Gnome • Götter • Hexen • High Fantasy • historisch • Roman • Schertkämpfer • Zauberer |
ISBN-10 | 3-7579-2574-2 / 3757925742 |
ISBN-13 | 978-3-7579-2574-1 / 9783757925741 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 589 KB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich