Virtua (eBook)

KI – Kontrolle ist Illusion

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
368 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3341-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Virtua - Karl Olsberg
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Virtua - kann eine KI die Welt zerstören? 

Weil er als Psychologe gescheitert ist, bewirbt Daniel sich bei dem Konzern Mental Systems, der führend in der Entwicklung künstlicher Intelligenz ist. Wider Erwarten bekommt er den Job - und ist gleich fasziniert von der virtuellen Welt, in die er eintaucht. Besonders beeindruckt ist er von Virtua, der neuesten Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Doch dann lernt er den Entwickler Chen kennen, der seine Vorgesetzten warnt, die KI sei unkontrollierbar. Als Chen nach einem Hackerangriff auf Virtua spurlos verschwindet, wird Daniel klar, dass die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht. 

Spannend, hochaktuell und erschreckend realistisch - ein Thriller über die Gefahren künstlicher Intelligenz.



Karl Olsberg, geboren 1960, promovierte über Künstliche Intelligenz, gründete mehrere Start-ups und engagiert sich in einer internationalen Community für einen sorgsameren Umgang mit KI. Er ist verheiratet und hat drei Söhne. Im Aufbau Taschenbuch liegen seine Thriller »Das System«, »Der Duft«, »Schwarzer Regen«, »Glanz«, »Die achte Offenbarung« und »Mirror« vor. Mehr zum Autor unter www.karlolsberg.de.

1.


»Hallo, Daniel. Ich bin Lisa. Es freut mich, dich kennenzulernen.«

Die Frau, die Daniel im Wohnzimmer seines Zwei-Zimmer-Apartments in der Nähe des Treptower Parks gegenübersaß, lächelte freundlich. Sie schien Anfang dreißig zu sein und hatte halblanges schwarzes Haar, eine schmale Nase und ein auffälliges Muttermal am Kinn.

Er bemühte sich, das Lächeln zu erwidern.

»Hallo, Lisa.«

»Erzähl mir etwas über dich«, forderte sie ihn auf.

Vergeblich bemühte er sich, seine Nervosität zu unterdrücken.

»Ich … ich bin siebenunddreißig«, begann er. »Ich habe an der Humboldt-Universität Psychologie studiert. Danach habe ich ein paar Jahre in einer Klinik gearbeitet, bevor ich mich als Therapeut selbstständig gemacht habe.«

»Warum bewirbst du dich jetzt bei Mental Systems?«

Weil ich dringend einen Job brauche, rutschte es ihm beinahe heraus. Stattdessen spulte er die Sätze ab, die er vorhin vor dem Spiegel eingeübt hatte: »Ich glaube, dass künstliche Intelligenz einen großen Einfluss auf die Psyche der Menschen hat. Ich hoffe, bei Mental Systems dazu beitragen zu können, dass dieser Einfluss positiv ist.«

Lisa nickte, als sei dies genau die richtige Antwort.

»Was weißt du über künstliche Intelligenz?«, fragte sie.

»Von der Technik verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht viel«, erwiderte er. »Aber ich weiß natürlich, dass KI allgegenwärtig ist. Laut einer Studie, die ich kürzlich gelesen habe, reden Teenager inzwischen im Schnitt viermal so viel mit virtuellen Personen wie mit echten.«

Lisa zog die Augenbrauen hoch. »Denkst du, dass es problematisch ist, wenn Jugendliche viel Zeit im Metaverse verbringen?«

Daniel schluckte. »Es gibt Hinweise darauf, dass das schädlich sein kann«, sagte er nach kurzem Zögern. »Depression bei Jugendlichen hat in den letzten fünf Jahren um fast fünfzig Prozent zugenommen. Es ist umstritten, wie groß der Einfluss der Virtualisierung auf diesen Trend ist, aber für mich ist klar, dass es einen Zusammenhang gibt. Die Wirklichkeit wird nicht dadurch besser, dass man vor ihr flieht. Im Gegenteil: Je mehr Zeit die Jugendlichen im Metaverse verbringen, desto schwerer fällt es ihnen, in der Realität klarzukommen, und das verstärkt dann noch den Wunsch, dieser Realität zu entfliehen. Das ist in meinen Augen ein Teufelskreis.«

Lisa blieb professionell freundlich.

»Bist du der Ansicht, dass künstliche Intelligenz der Gesellschaft eher schadet als nützt?«

Daniel wischte sich nervös durch sein kurzes, dunkelblondes Haar. Ihm wurde bewusst, dass er sich mit seiner technikfeindlichen Aussage in eine Ecke manövriert hatte, aus der er kaum noch herauskommen würde.

»So würde ich das nicht sagen«, versuchte er zu retten, was zu retten war. »Wie jede andere Technologie bietet auch KI Chancen und Risiken. Es kommt darauf an, richtig mit ihr umzugehen.«

Lisas Lächeln wurde breiter, so, als freue sie sich über diese Antwort. Daniel verspürte Erleichterung, obwohl er wusste, dass er ihren Gesichtsausdruck nicht überinterpretieren durfte.

»Du hast in den letzten Jahren selbstständig gearbeitet«, wechselte sie das Thema. »Glaubst du, es wird dir schwerfallen, dich wieder in eine Organisation einzugliedern, die auf enger Zusammenarbeit basiert?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Damals in der Klinik habe ich immer gern im Team gearbeitet.«

»Warum hast du dich selbstständig gemacht?«

Er zuckte zusammen. Die Frage erwischte ihn auf dem falschen Fuß. Kurz erwog er, die Wahrheit zu sagen. Doch damit würde er sich endgültig ins Abseits schießen.

»Ich wollte schon immer gern selbstständig arbeiten, mein eigener Herr sein«, sagte er stattdessen und merkte erst danach, dass er anfing, sich in Widersprüchen zu verheddern.

»Warum willst du jetzt wieder als Angestellter arbeiten?«

Die Frage war zu erwarten gewesen. Dennoch wusste Daniel trotz all seiner Vorbereitung auf einmal nicht mehr, was er darauf antworten sollte. Das ganze Gespräch lief überhaupt nicht so, wie er gehofft hatte.

Eine Pause entstand, die sich in die Länge zog.

»Wenn dir die Frage unangenehm ist, musst du nicht antworten«, sagte Lisa mit professioneller Freundlichkeit.

»Nein, nein«, widersprach er rasch. »Ist schon okay. Ehrlich gesagt lief es mit der Selbstständigkeit nicht so gut.«

»Was meinst du damit?«

Daniel schluckte. Er hatte das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu stehen. Er faltete die Hände, um das Zittern zu unterdrücken. Natürlich wusste er, dass es vergeblich war – Lisa hatte seine Anspannung längst bemerkt.

Er seufzte. »Sie hieß Julia«, begann er. »Sie war einundzwanzig. Kam zu mir wegen ihrer Depression. Zu Anfang dachte ich noch, ich könnte ihr helfen. Aber …«

Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken.

»Möchtest du nicht darüber reden?«

»Doch, schon okay. Sie … hat Suizid begangen. Ich bin der Einzige, der es hätte verhindern können.«

»Wie meinst du das?«

»Ich … ich habe ihre Therapie abgebrochen. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich jemand anderen suchen.« Er holte tief Luft. »Sie hat gesagt, sie … sie hätte sich in mich verliebt. Ich konnte … durfte die Therapie nicht weiterführen. Es wäre unprofessionell gewesen.«

Er schloss für einen Moment die Augen, als die Bilder ihres letzten Gesprächs in seinen Kopf drängten. Wie Julia geweint hatte. Wie er sie in den Arm genommen und mit sich gerungen hatte. Wie er sich schließlich von ihr gelöst hatte. Wie stolz er danach auf sich gewesen war, dass er standhaft geblieben war.

»Bereust du deine Entscheidung?«, fragte Lisa.

In ihrem Blick schien echte Neugier zu liegen. Auf einmal lief Daniel ein kalter Schauer über den Rücken.

»Es wäre nicht richtig gewesen, die Therapie fortzuführen«, antwortete er. »Aber ich hätte mich darum kümmern müssen, dass sie einen anderen Therapeuten findet. Vielleicht hätte ich sie stationär einweisen lassen sollen. Ich … ich bereue es, nicht mehr für sie getan zu haben.«

»Ich verstehe«, behauptete Lisa.

»Tust du das?«, fragte er.

Sie ging nicht darauf ein. »Ich habe keine weiteren Fragen mehr. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Wir werden uns in Kürze bei dir melden.«

»Ja, okay«, sagte Daniel.

Er nahm seine Augmented-Reality-Brille ab und starrte auf den leeren Sessel vor sich.

Was hast du erwartet?, fragte seine kritische innere Stimme. Hast du wirklich geglaubt, du hättest mit deiner Vorgeschichte eine Chance, einen Job bei einer der innovativsten Firmen der Welt zu bekommen?

Er schüttelte den Kopf. Natürlich war es naiv gewesen, sich bei Mental Systems zu bewerben. Und nach all den Absagen kam es auf eine mehr oder weniger doch gar nicht an. Einen festen Job würde er so oder so nicht mehr finden, und als selbstständiger Therapeut konnte er auch nicht mehr arbeiten, diese Verantwortung hielt er nicht aus. Dann musste er halt von der sozialen Grundsicherung leben. Er würde sich eine billigere Wohnung suchen müssen, aber er würde schon klarkommen. Er war ein Nutzloser geworden, wie so viele andere, die zuvor in Banken und Versicherungen, in der Industrie, im Einzelhandel oder in der Logistik gearbeitet hatten und in den letzten Jahren von einer KI ersetzt worden waren.

Wenn ihm irgendwann die Decke auf den Kopf fiel und er es nicht mehr aushielt, allein herumzusitzen, konnte er immer noch ehrenamtlich arbeiten, zum Beispiel in der Alten- oder Krankenpflege. Außerdem gab es natürlich die verlockende, paradiesische Welt des Metaverse. Vielleicht sollte er seinen Widerstand dagegen endlich...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte AI • Bestseller • Das System • KI • Künstliche Intelligenz • Mental Systems • Mirror • Neuerscheinung 2023 • Psychologe • Psychothriller • Technothriller • Thriller • Virtuelle Welt
ISBN-10 3-8412-3341-4 / 3841233414
ISBN-13 978-3-8412-3341-7 / 9783841233417
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